Karneval

werman

Mitglied
Eigentlich hasste er den Karneval. Oder besser gesagt, er hasste das Ganze drumherum. All diese Leute, die sich als seine Freunde ausgaben, aber eigentlich gar kein Interesse an ihm hatten. Trotzdem ging er Jahr für Jahr hin und als er letztes Jahr alleine, traurig und wütend stundenlang heimlief, schwörte er sich, dass er sich das Fest dieser einfältigen Narren nicht mehr antun würde. Doch im folgenden Jahr hatte sich einiges verändert, er hatte nun echte Freunde gefunden, mit denen er wirklich gerne Zeit verbrachte. Und da der Karneval einer der spärlichen Anlässe war, an dem in dieser gottverlassenen Gegend mal etwas los war, musste man trotzdem gehen. Er wusste, dass er seine alten Freunde wieder sehen würde und hatte keine Lust auf sie, diese Freunde, die sich nie wirklich für ihn interessierten, aber sobald er sich von ihnen abgewendet hatte so taten, als er hätte er sie verraten. Billiger Gin mit nicht minder billiger Grapefruit-Limonade gemischt hielt seinen Kopf aber von solchen lästigen Gedanken entfernt und es trieb ihn und seine Freunde in die Stadt, inmitten in das primitive Gewimmel des Karnevals. Es lag Frust in der Luft, den alle Frustrierten an dieser Parade des einfachen Volkes endlich abladen konnten. Der Alkohol liess ihn sich dem Treiben hingeben, obwohl er es tiefst verabscheute. In diesem übermütigen Rausch liess er ein Besteckmesser aus einem Restaurant, in dem er gefühlte 5 Liter Urin von sich liess, mitgehen. Mittlerweile waren sie an dem Ort angelangt, an dem seine alte Gruppe sich aufhielt. Jahr für Jahr waren sie an dem exakt selben Ort. Mit den selben Leuten führten sie die selben Gespräche. Der Alkoholpegel redete ihm ein, dass doch alle seine Freunde waren und sie sich nun mehr für ihn interessieren würden, nachdem sie gemerkt hatten, dass er ihnen sonst den Rücken zukehrte. Also begrüsste er sie überschwänglich. Es dauerte aber nicht lange, bis er sich in die Jahre zurückversetzt fühlte, denn es war genau gleich wie alle Jahre zuvor. Keiner hatte Zeit für ihn, alle waren beschäftigt mit dummen Gesprächen mit dummen Leuten. Die Wirkung des Alkohols drehte um 180 Grad und er fühlte tiefe Wut in sich aufsteigen. Sie hatten seine Gesellschaft nicht verdient. Er wünschte sich, diese rücksichtslosen Individuuen könnten auch einmal so etwas wie Schmerz fühlen. Als er ein Gespräch hinter seinem Rücken vernahm und hörte, wie sie ihn als Verräter und Idioten bezeichneten, fühlte er, wie er die Kontrolle über sich verlor. Er griff nach dem Messer in seiner Tasche und drehte sich um.
 
G

Gelöschtes Mitglied 18005

Gast
Hallo Werman,

hübsche Geschichte. Ich konnte mich mit ihr identifizieren. Als das Wort "Messer" fiel ahnte ich schon böses. Vielleicht ist es etwas zu viel für eine Kurzprosa im offenen Ende einen Mord zu implizieren ... nur meine Meinung

Weiter so :)

Mit freundlichen Grüßen,
Peter
 

werman

Mitglied
Hallo Peter

Danke für dein Feedback. Ich denke, dass es sehr viel braucht, um mit einem einfachen Besteckmesser einen Mord zu begehen, eine kleine Stichwunde käme da eher in Frage ;)

Freundliche Grüsse
Philippe
 



 
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