Katrina

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H

HFleiss

Gast
Katrina


Am Tage, als Katrina kam
Die Wohlhabenden flohen aus der Stadt
Hockten die schwarzen Bewohner eines Altersheims
In ihren rettenden Betten
ungewiss, wer noch sie vor den Fluten
Bewahren würde. Und die Fluten stürzten, Fluten,
Durch die Straßen in denen man einst zum Blues
Geweint hatte. Fluten von unerhörter Entsetzlichkeit.
Als die stinkenden Wasser endlich abgepumpt waren
Fand man die Ertrunkenen mit blauen Gesichtern in den
Gängen und ein Feuerwehrmann glaubte ernstlich zu hören
Dass irgendwo einer der Alten mit letztem Atem
Und bar jeder Melodie ein paar bekannte Takte krächzte:
Old Man River.
 

noel

Mitglied
uaaaaaaaaaaaaaaahhhhhhhh

ich danke für den
auf-
richtigen ekel
der mich ergriff
zeilenwärts

es bewegt auf widerlich gute weise

chapeau
 

Inu

Mitglied
Hanna

ich finde dein Gedicht eindringlich und berührend. Was mich beim ersten Lesen aber wahnsinnig störte, so dass ich fast 'dicht machte', ist die Formatierung. Ich finde das schlimm mit diesen unmotivierten Großbuchstaben am Anfang jeder Zeile. Ich habe das beim zweiten Lesen ignoriert und siehe da, der Text hätte gewonnen ( in meinen Augen )


Ich ändere es mal:



Katrina

Am Tage, als Katrina kam
- die Wohlhabenden flohen aus der Stadt -
hockten die schwarzen Bewohner eines Altersheims
in ihren rettenden Betten
ungewiss,
wer noch sie vor den Fluten
bewahren würde.

Und die Fluten stürzten
durch die Straßen,
in denen man einst zum Blues
geweint hatte,
Fluten von unerhörter Entsetzlichkeit.

Als die stinkenden Wasser endlich abgepumpt waren,
fand man die Ertrunkenen
mit blauen Gesichtern
in den Gängen.

Ein Feuerwehrmann glaubte, ernstlich zu hören,
dass irgendwo einer der Alten mit letztem Atem
und bar jeder Melodie
ein paar bekannte Takte krächzte:

Old Man River.


*
Vielleicht habe ich auch nur eine Abneigung gegen dieses merkwürdige in-Form-Pressen der Gedanken, dass Du da gemacht hast.

Interessant ist die Sache mit dem Feuerwehrmann. Es könnte eine sonderbare Zeitungsmeldung gewesen sein, oder eine dunkle Legende die noch jetzt durch die Armenviertel von New Orleans geistert ... oder eine gute Erfindung von Dir


Liebe Grüße
Inu
 
H

HFleiss

Gast
Liebe Noel,

klär mich mal auf, weshalb es dich ekelte. So einfach sagen, es ist eklig, aber nicht, warum - weiß nicht, ist wie Anonym.

Lieben Gruß
Hanna
 
H

HFleiss

Gast
Liebe Inu,

du machst dir immer so viel Arbeit mit dem Verbessern, ich bedanke mich, Inu. Ja, es sieht gut aus, wie du es geschrieben hast, und so könnte man es auch machen. Aber das entspricht nicht meiner Intention, das geht mit dem Inhalt konträr, es ist kein ausgesprochen "lyrisches" Gedicht. Dadurch, dass du Versblöcke produziert hast, sieht das Gedicht nämlich jetzt mächtig gewaltig aus (wie aufgewertet) und der Touch der Zeitungsmeldung, wie beabsichtigt, ist verschwunden. Ich wollte ein kleines lakonisches gedrängtes Gedicht mit längeren Zeilen machen. Die Versalien am Zeilenanfang macht übrigens der Computer, ich müsste jedesmal ändern, bin aber viel zu faul dazu. Trotzdem bedanke ich mich sehr für die viele Mühe, die du dir gemacht hast.

Lieben Gruß
Hanna
 
H

HFleiss

Gast
Ich bin es noch mal, Inu, den Feuerwehrmann habe ich vergessen. Nein, keine Erfindung. Habe ich in einem Film gehört, in einem Interview. Deshalb die Nachrichtenform. Das hat mir keine Ruhe gelassen, bis ich diese Form fand, das Unerhörte des Vorgangs sehr lakonisch auszudrücken. Hanna
 

Inu

Mitglied
Liebe Hanna

Das hatte ich mir fast gedacht, das mit der Medien-Meldung. :) SO hast Du es auch rübergebracht. Obwohl ich DAS nicht gehört hatte.

....
Die Versalien am Zeilenanfang macht übrigens der Computer, ich müsste jedesmal ändern, bin aber viel zu faul dazu.
Bist Du noch zu retten ... nur weil Dein bescheuerter Computer das macht, lässt Du die Großbuchstaben am Anfang der Zeilen stehen. Du bist doch sonst nicht faul.

Und ich bin immer noch der Meinung: durch auffallende äußere Form kann man einen Text nicht innerlich aufwerten, noch verändern. Ich mag solche Gimmicks nicht. Sie scheinen mir aufgesetzt. ist aber nur meine bescheidene Meinung.

LG
Inu
 
H

HFleiss

Gast
Liebe Inu, das mit den Versalien am Anfang jeder Zeile ist keine neumodische Erfindung, es stammt, wenn ich mich nicht irre, aus der Barockzeit. Du hast ja recht, ich mag das Geschmäcklerische an so mancher Spielerei auch nicht sehr (z. B. die Schreibweise kAtRiNA, das Zeugs liest sich einfach schlecht). Das Grafische spielt heute bei der Lyrik außerordentlich mit, vor allem natürlich der Zeilenbruch, und der sogar inhaltlich. Ein anständiger Zeilenbruch kann eine Aussage völlig verändern. Wobei ich mich mitunter frage, ob das Äußere (z. B. bei Figurenbildung) so manche Gedankenleere salonfähig machen soll, es sind wirklich nur Spielereien, und der Leser honoriert das meist nicht. Aber allzu streng will ich Gedichte eben auch nicht, das könnte leicht hausbacken wirken. Dein Vorschlag z. B. beweist das (schließlich ist das kein Natur- oder Liebesgedicht): Er nimmt dem Text die Brisanz und plättet ihn bis zur Gemütlichkeit. War aber gar nicht meine Absicht, sondern ich hatte mir das Ganze schlagkräftig und geballt wie eine Boxerfaust gedacht. Im allgemeinen versuche ich ein Gedicht so zu "gestalten", dass man nicht lange rätseln muss, was gemeint ist - anwenderfreundlich. Aber, ich glaube, der Inhalt bestimmt die Form, beides gehört zusammen, und da gibt es eben nicht nur eine einzige Form, wie es auch nicht nur einen einzigen Inhalt gibt. Wobei ich meine Faulheit natürlich überhaupt nicht entschuldigen will, sie ist empörend, und du beklagst dich sehr zu Recht.

In tiefer Zerknirschung
Hanna
 

Bernd

Foren-Redakteur
Teammitglied
Großschreibung am Zeilenanfang war tatsächlich eine Regel - standardmäßig gibt es sie nicht mehr.

Hier wirkt die Großschreibung verstörend und hebt dadurch das Verstörende des Gedichtes hervor.

Das Gedicht zeigt die unbegreifliche Wirklichkeit. Klar war, dass es mal passieren würde. Wissenschaftler hatten schon längere Zeit gewarnt. Aber Warnungen sind Zukunftsvorhersagen. Es kann eintreten oder auch nicht.

Gut im Gedicht empfinde ich auch die Verbindung des Grauens der Naturgewalten mit dem Einzelschicksal.
 

Inu

Mitglied
Hallo Hanna

ich muss mich nochmal melden. Habe mich jetzt in dieses sonderbare Werk verbissen.

Fluten von unerhörter Entsetzlichkeit. klingt für mich etwas linkisch.

Als die stinkenden Wasser endlich abgepumpt waren
Fand man die Ertrunkenen mit blauen Gesichtern in den
Gängen und ein Feuerwehrmann glaubte ernstlich zu hören
Dass irgendwo einer der Alten [blue]mit letztem Atem [/blue]
Und bar jeder Melodie ein paar bekannte Takte krächzte:
Old Man River.
MIt letztem Atem ... die Männern waren doch schon seit Stunden oder gar Tagen tot, bevor man endlich zu ihnen drang. Deswegen könnte man dieses Erlebnis des Feuerwehrmanns auch ins ganz Unmögliche, rein Grauenvolle heben:

Als die stinkenden Wasser endlich abgepumpt waren
fand man die Ertrunkenen mit blauen Gesichtern in den
Gängen und ein Feuerwehrmann erbebte bis ins Herz, weil einer der Alten sich plötzlich aufrichtete, mit gedunsenen Lippen und bar jeder Melodie ein paar bekannte Takte sang:
Old Man River.

Nee, überzeugt mich auch nicht wirklich. Schwierige Sache, das

LG
Inu
 
H

HFleiss

Gast
Selbstverständlich waren sie alle tot, aber der Feuerwehrmann stand so unter Schock, dass er so was wie einen Wahn hatte und damit aussprach, worum es dabei ging: Dass man die armen Schwarzen vergessen hatte, die begüterten (Weiße und Schwarze) waren geflohen. Old Man River (der Mississippi) ist d a s Lied der schwarzen Sklaven gewesen. Und so hat sie der Feuerwehrmann ungewollt wieder zu Sklaven gemacht, New Orleans liegt doch in den Südstaaten. Katrina hat aufgedeckt, wie man eigentlich zu den Schwarzen heute immer noch steht. Ist jetzt alles klar, Inu?

Unerhörte Entsetzlichkeit - dass dich das nicht überzeugt? Muss ich irgendwie mit leben. Das Wort Sintflut (das vielleicht aussagekräftiger wäre) wollte ich nicht, ist mir zu bibelgeprägt. Aber das ist nicht das Entscheidende an dem Gedicht, sondern die dreifache Nennung des Wortes Flut.

Lieben Gruß
Hanna
 
H

HFleiss

Gast
Ich bedanke mich, Bernd, für deine Meinung.

Lieben Gruß
Hanna
 



 
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