Katzanzakis

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Jens Rohrer

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Letztes Jahr haben wir uns einen Traum erfüllt. Meine Frau und ich verbringen schon seit Jahren unsere Ferien in dem kleinen Fischerdorf Agia Galini im Süden Kretas. Eines der Häuser stand seit längerem leer, und da haben wir gespart und es schließlich gekauft. So ein kleines, weißes. Mit blauer Tür und blauen Fensterläden. Ganz klassisch.
Ich bin ja Grieche. Also nicht richtig. Geboren bin ich in Deutschland. Meine Eltern hatten dreißig Jahre lang ein Restaurant. Kreta. Da kamen sie auch her. Als ich ein Kind war, sind wir da immer hin gefahren. Und jetzt fahre ich immer hin. Ist wohl noch der Zauber der Kindheit. Zusätzlich zum Zauber des Ortes. Ein bisschen Wehmut. Die Eltern gibt´s ja nicht mehr.In dem Ort gibt es noch keine Hotelplatten, wie andernorts auf der Insel. Ein paar Restaurants, gut. Mit übersetzten Speisekarten. Aber das kann man verschmerzen.
Da sind wir dann also. Steigen am Abend die Treppen hinunter. Zum Hafen. Das Dorf ist an einen Hügel hinauf gebaut. Steile Straßen. Zwischen den Häusern schmale Treppen. Anstrengend ist das schon. Sieht aber schön aus. Die kargen, braunen Hügel, und dazwischen so ein weißer. Blaue Türen. Blaue Fensterläden. Blaue Nächte.
Da unten steht so eine kleine Taverne. Mit kleinen runden Tischen bis hin zur Hafenmole. Direkt am Wasser kann man da sitzen und auf die kleine Bucht rauskucken. Am Ende von der Bucht schließt eine Mauer den Hafen ab. Geschützt schaukeln da die vielen kleinen Fischerboote verträumt herum. Müssen ja morgen früh raus. Genauso wie die Fischer, die an den anderen Tischen sitzen. Segeltuchhosen, Sandalen, offene Hemden, braune Haut. Bärte. Vor allem Bärte. Ich muss da immer an Alexis Sorbas denken. Die sehen irgendwie alle so aus. Wie der Alexis. Sie trinken Ouzo und Wein. Wir auch. Griechischer Wein ist so wie das Blut der Erde. Das hat der Udo Jürgens geschafft. Was bleibendes. Immer wenn griechisch und Wein kommt, muss man an sein Lied denken. Komm schenk mir ein.
Und da streicht dann immer so ein Kätzchen um uns herum. So eine schwarz-braun geschecktes. Ist noch jung. Und ziemlich unterernährt. Man kann die Rippen unter dem Fell sehen. Sie hofft wohl auf Futter. Vielleicht, weil wir nicht wie Alexis Sorbas aussehen. Die scheuchen sie nur weg. Die Sorbasse. Und meine Frau sagt natürlich. Komm. Lass uns die mitnehmen, die arme. Frauen und Katzen. Da kommt man nicht gegen an. Also die Katze untern Arm und mit zum Haus. Das arme Tier hochpäppeln. Gell, die behalten wir. Sagt sie. Wir geben ihr einen Namen. Katzanzakis sage ich. Wie der Autor von Alexis Sorbas. Findet sie blöd. Will sie Kleopatra nennen. Das wiederum finde ich blöd. Ist ja keine ägyptische Katze. Kann mich durchsetzen. Obwohl sie weiblich ist, die Katze.
Am nächsten Tag fahren wir nach Heraklion. Die große Stadt mit dem Flughafen. Katzenspreu besorgen. Gibt aber keines. Wir finden Sägemehl. Das geht auch. Wir kaufen noch eine flache Plastikwanne. Fertig.
Als wir am Abend zurückkommen, hat sich eine Menschentraube vor unserem Fenster gebildet. Was machen die da? Kucken alle auf unser Fenster. Sitzt aber nur die Katze drin. Ich frage die Nachbarin. Die steht auch dabei. Klein, schwarzes Kleid, Kopftuch. Ganz klassisch.
Eine Katze im Haus. Sachen gibt´s. Sagt die. Und schüttelt ungläubig den Kopf. Ja ja, auf der Straße. Fangen die Mäuse und die Ratten. Aber was soll so ein Tier im Haus? Ich erkläre ihr, das Katzen in Deutschland als Haustiere gehalten werden. So wie Hunde und Hamster. Ich sehe ihr an, dass das Konzept Katze und Haustier in Griechenland nicht nur unbekannt, sondern gänzlich unvorstellbar ist. Ein Affe im Fenster wäre nicht weniger ungewöhnlich.
Als wir abreisen, frage ich die Nachbarin, ob sie die Katze füttern kann. Die ist besorgt. Aber die macht doch überall hin. Sagt sie. Runzelt die Augenbrauen. Nein, nein, wir haben doch ein Katzenklo. Was? Die geht aufs Klo? Sie sieht aus, als hätten wir ihr gerade erzählt, das Tier könnte sprechen. Wir zeigen ihr die Wanne mit dem Sägemehl. Hat Katzanzakis schnell kapiert. Das mit dem Katzenklo. Ob sie die Katze mal streicheln will. Fragt meine Frau. Die Nachbarin geht in die Hocke, streckt die Hand aus, zieht sie kurz vor dem Ziel wieder zurück. Steht wieder auf. Lieber nicht.
Als wir wieder zu Hause sind kommt ein Anruf. Die Nachbarin klingt bestürzt. Sie müsse die Katze zum Tierarzt bringen, sagt sie. Die ist erkältet. Was? Erkältet? Im Sommer? In Griechenland? Wo sie nur im Haus ist. Ja, antwortet sie. Sie hat sie nach dem Füttern ein bisschen gekrault. Und da hat sie so geröchelt. So rrrrrrrrrrrrrrrr. Hat sie gemacht. Ich lache. Nein, nein, die schnurrt. Das machen die, wenn sie sich wohlfühlen. Und ich denke. Vielleicht gilt das ja mal als Kulturleistung. Die Domestizierung der Katze in Griechenland. Durch Kostas Mitroglou. Und dann bin ich ein bisschen stolz.

http://www.jens-rohrer.org
 

Alessa

Mitglied
Hallo Jens,

jetzt mach ich mich leider unbeliebt. Meiner Meinung nach, sollte der Text überarbeitet werden. Vielleicht kannst oder magst Du ja irgendwelche Anmerkungen von mir als Anregung verstehen und hast Lust, an dem Text nochmal zu arbeiten.

Zu welcher Textsorte zählst Du den Text?

Textarbeit aus Zeitgründen bis etwas mehr als die Hälfte. Vielleicht findet sich ja noch jemand, der sich des Rest's annimmt. Oder Du selbst.

Kritik/Textarbeit:

Zuerst einmal: Nett erzählt. Nicht mehr, nicht weniger. Der Text kommt still daher und das mag ich eigentlich. Hier aber, stellt sich leider Langeweile beim Lesen ein. (Übrigens: Hierfür gebe ich keine Bewertung ab.)

Hervorhebungen sind von mir:

Letztes Jahr haben wir uns einen Traum erfüllt. Meine Frau und ich verbringen schon seit Jahren unsere Ferien in dem kleinen Fischerdorf Agia Galini im Süden Kretas. Eines der Häuser stand seit längerem leer, und da haben wir gespart und es schließlich gekauft. So ein kleines, weißes. Mit blauer Tür und blauen Fensterläden. Ganz klassisch. [blue]Absatz[/blue]

Ich bin ja Grieche. Also nicht richtig. Geboren bin ich in Deutschland. Meine Eltern hatten dreißig Jahre lang ein Restaurant[strike].[/strike][blue]:[/blue] Kreta. [blue]Da[/blue] kamen sie auch her. [blue]Umgangssprache[/blue] Als ich ein Kind war, sind wir [blue]da[/blue] immer [blue]hin[/blue] gefahren. [blue]Wortwiederholung[/blue] Und jetzt fahre ich immer [blue]hin[/blue]. Ist wohl noch der Zauber der Kindheit. [blue]Ungenau, wegen fehlendem Kontext. Eher der Tradition verbunden?[/blue] Zusätzlich zum Zauber des Ortes. Ein bisschen Wehmut. [blue]Ungenau. Ich würde die Gefühle ausschreiben, nicht nur in einem Wort benennen. Und worauf bezieht sich die Wehmut? Auf den Ort? In Verbindung mit dem nächstem Satz?[/blue] Die Eltern gibt´s ja nicht mehr. [blue]Umgangssprache und auch gefühllos, als würde man sagen: Den alten VW Käfer gibts ja nicht mehr.[/blue] In dem Ort gibt es noch keine Hotelplatten, wie andernorts auf der Insel. Ein paar Restaurants, gut. [blue](Grenzwertig in dem Fall. Als Kurzprosa mit durchgängig eigenwilligem Stil, könnte man den Satz stehen lassen. Mir gefällt er so nicht, weil das gesprochen okay ist, aber hier? Kein durchgängiger Schreibstil.[/blue] Mit übersetzten Speisekarten. Aber das kann man verschmerzen. [blue]Ungenau. Was verschmerzen? Die Speisekarten? Wegen keine Hotelplatten? Absatz.[/blue]

Da sind wir dann also. Steigen am Abend die Treppen hinunter. Zum Hafen. Das Dorf ist an einen Hügel hinauf gebaut. Steile Straßen. Zwischen den Häusern schmale Treppen. Anstrengend ist das schon. [blue]Was ist anstrengend? Die schmalen Treppen gebaut zu haben? Die Treppen zu benutzen? Nur weil man mal am Abend die Treppen hinunter gestiegen ist, ist das noch nicht anstrengend. Du meinst vielleicht, wenn man das täglich mehrmals machen müsse. Aber davon ist hier ja nicht die Rede. Du müsstest das umformulieren, was genau Du ausdrücken möchtest.[/blue] Sieht aber schön aus. Die kargen, braunen Hügel, und dazwischen [blue]so[/blue] ein weißer. [blue]So? Umgangssprache. Funktioniert doch auch ohne das Wort "so". Wieso also dieses "so"?[/blue] Blaue Türen. Blaue Fensterläden. Blaue Nächte. [blue]Gefällt mir. Hier passt der kurze Stil.[/blue]

Da unten steht so eine kleine Taverne. [blue]So? Wie sieht denn "so" eine Taverne aus? Was macht sie so "so-würdig"?[/blue] Mit kleinen runden Tischen bis hin zur Hafenmole. Direkt am Wasser kann man da sitzen und auf die kleine Bucht rauskucken. Am Ende von der Bucht schließt eine Mauer den Hafen ab. [blue]Das war wieder schön formuliert.[/blue] Geschützt schaukeln [strike]da[/strike] die vielen kleinen Fischerboote verträumt herum. [blue]Schöner Satz.[/blue] Müssen ja morgen früh raus. Genauso wie die Fischer, die an den anderen Tischen sitzen. Segeltuchhosen, Sandalen, offene Hemden, braune Haut. Bärte. Vor allem Bärte. Ich muss da immer an Alexis Sorbas denken. Die sehen irgendwie alle so aus. Wie der Alexis. Sie trinken Ouzo und Wein. Wir auch. Griechischer Wein ist so wie das Blut der Erde. Bis hierhin sehr schön, hat mir gefallen. Das hat der Udo Jürgens geschafft. Was bleibendes. Immer wenn griechisch und Wein kommt, muss man an sein Lied denken. Komm schenk mir ein. [blue]Wobei aber doch von Hölzchen aufs Stöckchen gewechselt wird. Dass der Leser so lange bei der Stange bleibt, ist nicht selbstverständlich, da der Text eigentlich so vor sich hinplätschert und man nicht weiß, worauf er hinauslaufen soll. Absatz[/blue]

Und da streicht dann immer so ein Kätzchen um uns herum. [blue]Ungenau. Dann immer? Immer dann, wenn ihr dort unten seid?[/blue]
So ein[strike][blue]e[/blue][/strike] schwarz-braun geschecktes. Ist noch jung. Und ziemlich unterernährt. Man kann die Rippen unter dem Fell sehen. [blue]Doppelt gemoppelt. Wenn man die Rippen zählen kann, ist das ziemlich unterernährt.[/blue] Sie hofft wohl auf Futter. [blue]Wenn sie um Eure Beine streift, ist das in dem Zusammenhang "liebkind machen weil Hunger". Sie bettelt also um Futter. Und hofft dann, dass Ihr ihr vielleicht Futter gebt.[/blue] Vielleicht, weil wir nicht wie Alexis Sorbas aussehen. Die scheuchen sie nur weg. Die Sorbasse. [blue]Schön aufgegriffen.[/blue] Und meine Frau sagt natürlich[strike].[/strike][blue]: "[/blue]Komm. Lass uns die mitnehmen, die arme.[blue]"[/blue] Frauen und Katzen. Da kommt man nicht gegen an. Also die Katze untern Arm und mit zum Haus. [blue]Umgangssprache.[/blue] Das arme Tier hochpäppeln. [blue]"[/blue]Gell, die behalten wir.[blue]", s[/blue][strike]S[/strike]agt sie. Wir geben ihr einen Namen. [blue]"[/blue]Katzanzakis[blue]",[/blue] sage ich. Wie der Autor von Alexis Sorbas. Findet sie blöd. Will sie Kleopatra nennen. Das wiederum finde ich blöd. Ist ja keine ägyptische Katze. Kann mich durchsetzen. Obwohl sie weiblich ist, die Katze. [blue]Absatz[/blue]

Am nächsten Tag fahren wir nach Heraklion. Die große Stadt mit dem Flughafen. Katzen[strike]spreu[/strike] besorgen.
[blue]Man kann die Spreu vom Weizen trennen, aber hier ist wohl eher das Streu gemeint.[/blue]
Alles oben genannte gibt nur meine Meinung wieder und beansprucht nicht das Rechthaben für sich.

Viele Grüße
Alessa
 

Jens Rohrer

Mitglied
Letztes Jahr haben wir uns einen Traum erfüllt. Meine Frau und ich verbringen schon seit Jahren unsere Ferien in dem kleinen Fischerdorf Agia Galini im Süden Kretas. Eines der Häuser stand seit längerem leer, und da haben wir gespart und es schließlich gekauft. So ein kleines, weißes. Mit blauer Tür und blauen Fensterläden. Ganz klassisch.
Ich bin ja Grieche. Also nicht richtig. Geboren bin ich in Deutschland. Meine Eltern hatten dreißig Jahre lang ein Restaurant. Kreta. Da kamen sie auch her. Als ich ein Kind war, sind wir da immer hin gefahren. Und jetzt fahre ich immer hin. Ist wohl noch der Zauber der Kindheit. Ein Sehnsuchtsort. Sorglose Kindheitstage. Und ein bisschen Wehmut. Weil es die Eltern ja nicht mehr gibt.
In dem Ort gibt es noch keine Hotelplatten, wie andernorts auf der Insel. Ein paar Restaurants, gut. Mit übersetzten Speisekarten, aber die kann man verschmerzen.
Da sind wir dann also. Steigen am Abend die Treppen hinunter. Zum Hafen. Das Dorf ist an einen Hügel hinauf gebaut. Steile Straßen. Zwischen den Häusern schmale Treppen. Anstrengend ist das schon. Vor allem, wenn man ganz nach oben muss. Sieht aber schön aus. Die kargen, braunen Hügel, und dazwischen so ein weißer. Blaue Türen. Blaue Fensterläden. Blaue Nächte.
Da unten steht eine kleine Taverne. Drinnen ist nicht viel Platz. Eine Bar und drei Tische. Dafür draußen umso mehr. Die kleinen runden Tischen bedecken den ganzen Platz davor bis hin zur Hafenmole. Direkt am Wasser kann man da sitzen und auf die kleine Bucht rauskucken. Am Ende von der Bucht schließt eine Mauer den Hafen ab. Geschützt schaukeln die vielen kleinen Fischerboote verträumt herum. Müssen ja morgen früh raus. Genauso wie die Fischer, die an den anderen Tischen sitzen. Segeltuchhosen, Sandalen, offene Hemden, braune Haut. Bärte. Vor allem Bärte. Ich muss da immer an Alexis Sorbas denken. Die sehen irgendwie alle so aus. Wie der Alexis. Sie trinken Ouzo und Wein. Wir auch. Griechischer Wein ist so wie das Blut der Erde. Das hat der Udo Jürgens geschafft. Was bleibendes. Immer wenn griechisch und Wein kommt, muss man an sein Lied denken. Komm schenk mir ein.
Und da, vor der Taverne, streicht dann immer so ein Kätzchen um uns herum. So ein schwarz-braun geschecktes. Ist noch jung. Und ziemlich unterernährt. Man kann die Rippen unter dem Fell sehen. Sie hofft wohl auf Futter. Vielleicht, weil wir nicht wie Alexis Sorbas aussehen. Die scheuchen sie nur weg. Die Sorbasse. Und meine Frau sagt natürlich:
"Komm. Lass uns die mitnehmen, die arme."
Frauen und Katzen. Da kommt man nicht gegen an. Also die Katze untern Arm und mit zum Haus. Das arme Tier hochpäppeln.
"Gell, die behalten wir." sagt sie.
Wir geben ihr einen Namen. "Katzanzakis", sage ich. Wie der Autor von Alexis Sorbas. Findet sie blöd. Will sie Kleopatra nennen. Das wiederum finde ich blöd. Ist ja keine ägyptische Katze. Kann mich durchsetzen. Obwohl sie weiblich ist, die Katze.
Am nächsten Tag fahren wir nach Heraklion. Die große Stadt mit dem Flughafen. Katzenstreu besorgen. Gibt aber keines. Wir finden Sägemehl. Das geht auch. Wir kaufen noch eine flache Plastikwanne. Fertig.
Als wir am Abend zurückkommen, hat sich eine Menschentraube vor unserem Fenster gebildet. Was machen die da? Kucken alle auf unser Fenster. Sitzt aber nur die Katze drin. Ich frage die Nachbarin. Die steht auch dabei. Klein, schwarzes Kleid, Kopftuch. Ganz klassisch.
"Eine Katze im Haus. Sachen gibt´s.", sagt die. Und schüttelt ungläubig den Kopf.
"Ja ja, auf der Straße. Fangen die Mäuse und die Ratten. Aber was soll so ein Tier im Haus?"
Ich erkläre ihr, das Katzen in Deutschland als Haustiere gehalten werden. So wie Hunde und Hamster. Ich sehe ihr an, dass das Konzept Katze und Haustier in Griechenland nicht nur unbekannt, sondern gänzlich unvorstellbar ist. Ein Affe im Fenster wäre nicht weniger ungewöhnlich.
Als wir abreisen, frage ich die Nachbarin, ob sie die Katze füttern kann. Die ist besorgt.
"Aber die macht doch überall hin.", sagt sie. Runzelt die Augenbrauen.
"Nein, nein, wir haben doch ein Katzenklo."
"Was? Die geht aufs Klo?" Sie sieht aus, als hätten wir ihr gerade erzählt, das Tier könne sprechen. Wir zeigen ihr die Wanne mit dem Sägemehl. Hat Katzanzakis schnell kapiert. Das mit dem Katzenklo. Ob sie die Katze mal streicheln will. Fragt meine Frau. Die Nachbarin geht in die Hocke, streckt die Hand aus, zieht sie kurz vor dem Ziel wieder zurück. Steht wieder auf. Lieber nicht.
Als wir wieder zu Hause sind kommt ein Anruf. Die Nachbarin klingt bestürzt. "Die Katze muss zum Tierarzt.", sagt sie. "Die ist erkältet."
"Was? Erkältet? Im Sommer? In Griechenland? Wo sie nur im Haus ist?"
"Ja.", antwortet sie. "Ich habe sie nach dem Füttern ein bisschen gekrault. Und da hat sie so geröchelt. So rrrrrrrrrrrrrrrr. Hat sie gemacht." Sie wiederholt noch einmal, um sicherzugehen, dass sie das Symptom auch richtig geschildert hat. "Rrrrrrrrrrrrrrrrrr."
Ich lache. "Nein, nein, die schnurrt. Das machen die, wenn sie sich wohlfühlen." Ich kann das ungläubige Kopfschütteln beinahe durch den Hörer hindurch spüren.
Ich lege auf und denke. Vielleicht gilt das ja mal als Kulturleistung. Die Domestizierung der Katze in Griechenland. Durch Kostas Mitroglou. Und dann bin ich ein bisschen stolz.
 

Jens Rohrer

Mitglied
Letztes Jahr haben wir uns einen Traum erfüllt. Meine Frau und ich verbringen schon seit Jahren unsere Ferien in dem kleinen Fischerdorf Agia Galini im Süden Kretas. Eines der Häuser stand seit längerem leer, und da haben wir gespart und es schließlich gekauft. So ein kleines, weißes. Mit blauer Tür und blauen Fensterläden. Ganz klassisch.
Ich bin ja Grieche. Also nicht richtig. Geboren bin ich in Deutschland. Meine Eltern hatten dreißig Jahre lang ein Restaurant. Kreta. Da kamen sie auch her. Als ich ein Kind war, sind wir da immer hin gefahren. Und jetzt fahre ich immer hin. Ist wohl noch der Zauber der Kindheit. Ein Sehnsuchtsort. Sorglose Kindheitstage. Und ein bisschen Wehmut. Weil es die Eltern ja nicht mehr gibt.
In dem Ort gibt es noch keine Hotelplatten, wie andernorts auf der Insel. Ein paar Restaurants, gut. Mit übersetzten Speisekarten, aber die kann man verschmerzen.
Da sind wir dann also. Steigen am Abend die Treppen hinunter. Zum Hafen. Das Dorf ist an einen Hügel hinauf gebaut. Steile Straßen. Zwischen den Häusern schmale Treppen. Anstrengend ist das schon. Vor allem, wenn man ganz nach oben muss. Sieht aber schön aus. Die kargen, braunen Hügel, und dazwischen so ein weißer. Blaue Türen. Blaue Fensterläden. Blaue Nächte.
Da unten steht eine kleine Taverne. Drinnen ist nicht viel Platz. Eine Bar und drei Tische. Dafür draußen umso mehr. Die kleinen runden Tischen bedecken den ganzen Platz davor bis hin zur Hafenmole. Direkt am Wasser kann man da sitzen und auf die kleine Bucht rauskucken. Am Ende von der Bucht schließt eine Mauer den Hafen ab. Geschützt schaukeln die vielen kleinen Fischerboote verträumt herum. Müssen ja morgen früh raus. Genauso wie die Fischer, die an den anderen Tischen sitzen. Segeltuchhosen, Sandalen, offene Hemden, braune Haut. Bärte. Vor allem Bärte. Ich muss da immer an Alexis Sorbas denken. Die sehen irgendwie alle so aus. Wie der Alexis. Sie trinken Ouzo und Wein. Wir auch. Griechischer Wein ist so wie das Blut der Erde. Das hat der Udo Jürgens geschafft. Was bleibendes. Immer wenn griechisch und Wein kommt, muss man an sein Lied denken. Komm schenk mir ein.
Und da, vor der Taverne, streicht dann immer so ein Kätzchen um uns herum. So ein schwarz-braun geschecktes. Ist noch jung. Und ziemlich unterernährt. Man kann die Rippen unter dem Fell sehen. Sie hofft wohl auf Futter. Vielleicht, weil wir nicht wie Alexis Sorbas aussehen. Die scheuchen sie nur weg. Die Sorbasse. Und meine Frau sagt natürlich:
"Komm. Lass uns die mitnehmen, die arme."
Frauen und Katzen. Da kommt man nicht gegen an. Also die Katze untern Arm und mit zum Haus. Das arme Tier hochpäppeln.
"Gell, die behalten wir." sagt sie.
Wir geben ihr einen Namen. "Katzanzakis", sage ich. Wie der Autor von Alexis Sorbas. Findet sie blöd. Will sie Kleopatra nennen. Das wiederum finde ich blöd. Ist ja keine ägyptische Katze. Kann mich durchsetzen. Obwohl sie weiblich ist, die Katze.
Am nächsten Tag fahren wir nach Heraklion. Die große Stadt mit dem Flughafen. Katzenstreu besorgen. Gibt aber keines. Wir finden Sägemehl. Das geht auch. Wir kaufen noch eine flache Plastikwanne. Fertig.
Als wir am Abend zurückkommen, hat sich eine Menschentraube vor unserem Fenster gebildet. Was machen die da? Kucken alle auf unser Fenster. Sitzt aber nur die Katze drin. Ich frage die Nachbarin. Die steht auch dabei. Klein, schwarzes Kleid, Kopftuch. Ganz klassisch.
"Eine Katze im Haus. Sachen gibt´s.", sagt die. Und schüttelt ungläubig den Kopf.
"Ja ja, auf der Straße. Fangen die Mäuse und die Ratten. Aber was soll so ein Tier im Haus?"
Ich erkläre ihr, das Katzen in Deutschland als Haustiere gehalten werden. So wie Hunde und Hamster. Ich sehe ihr an, dass das Konzept Katze und Haustier in Griechenland nicht nur unbekannt, sondern gänzlich unvorstellbar ist. Ein Affe im Fenster wäre nicht weniger ungewöhnlich.
Als wir abreisen, frage ich die Nachbarin, ob sie die Katze füttern kann. Die ist besorgt.
"Aber die macht doch überall hin.", sagt sie. Runzelt die Augenbrauen.
"Nein, nein, wir haben doch ein Katzenklo."
"Was? Die geht aufs Klo?" Sie sieht aus, als hätten wir ihr gerade erzählt, das Tier könne sprechen. Wir zeigen ihr die Wanne mit dem Sägemehl. Hat Katzanzakis schnell kapiert. Das mit dem Katzenklo. Ob sie die Katze mal streicheln will. Fragt meine Frau. Die Nachbarin geht in die Hocke, streckt die Hand aus, zieht sie kurz vor dem Ziel wieder zurück. Steht wieder auf. Lieber nicht.
Als wir wieder zu Hause sind kommt ein Anruf. Die Nachbarin klingt bestürzt. "Die Katze muss zum Tierarzt.", sagt sie. "Die ist erkältet."
"Was? Erkältet? Im Sommer? In Griechenland? Wo sie nur im Haus ist?"
"Ja.", antwortet sie. "Ich habe sie nach dem Füttern ein bisschen gekrault. Und da hat sie so geröchelt. So rrrrrrrrrrrrrrrr. Hat sie gemacht." Sie wiederholt es noch einmal, um sicherzugehen, dass sie das Symptom auch richtig geschildert hat. "Rrrrrrrrrrrrrrrrrr."
Ich lache. "Nein, nein, die schnurrt. Das machen die, wenn sie sich wohlfühlen." Ich kann das ungläubige Kopfschütteln beinahe durch den Hörer hindurch spüren.
Ich lege auf und denke. Vielleicht gilt das ja mal als Kulturleistung. Die Domestizierung der Katze in Griechenland. Durch Kostas Mitroglou. Und dann bin ich ein bisschen stolz.
 

Vagant

Mitglied
hallo jens, hallo alessa.

zu alessa wollte ich sagen: nein, du machst dich nicht unbeliebt. dies ist genau die art textarbeit, die wir hier dringend bräuchten, zu der wir aber entweder zu faul sind, oder nur eine ungenügende lesekompetenz besitzen.

ich teile alessas meinung: nett erzählt; nicht mehr, nicht weniger.
allerdings möchte ich deine anmerkungen zur erzählstimme relativieren. also ich habe in kurzgeschichten nichts gegen einen umgangssprachlichen erzählton. als ich-erzähler sollte er diesen dann allerdings auch konsequent durchhalten. auf grund seiner grichische abstammung hätte ich dem ich-erzähler gern ein paar sprachliche ungenauigkeiten durchgehen lassen. die angemerkten stellen im erzählberich bergen aber weder radebrechenden sprachmarotten, noch deuten sie auf irgendeine milieuzugehörigkeit hin, und wurden deshalb völlig zu recht kritisiert.
trotzalledem; als katzenhalter habe den kurzen text ganz gern gelesen.
vagant.
 



 
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