Katzen

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FlorianFloh

Mitglied
Katzen

Die Katze war schon lange tot. Zahllose Autoreifen hatten sie plattgewalzt, so dass sie jetzt fast papierdünn auf der Straße klebte.

Anna verzog das Gesicht und fragte: `Was passiert eigentlich mit den toten Katzen?´

`Gar nichts´, sagte Boris. `Oder dasselbe wie mit dem Regenwasser. Das verschwindet irgendwann von selber und die Katzen auch. Wofür sonst gibt es die Sonne, den Wind und die Bakterien, die alles zersetzen?´

`Wofür sonst gibt es die Sonne?´ wiederholte Anna. `Da würden mir schon noch zwei, drei andere Antworten einfallen.´

`Außerdem stimmt das alles nicht´, mischte sich jetzt ein Mann ein. `Von wegen Sonne und Bakterien! Für die toten Katzen sind wir zuständig.´

`Wer sind Sie?´ fragte Anna.

`Das tut nichts zur Sache. Wir erweisen jedenfalls den überfahrenen Tieren die letzte Ehre´, sagte er und bürstete mit der Hand ein Staubkorn von seinem dunklen Anzug, zu dem er eine weiße Krawatte trug. `Lassen Sie mich bitte vorbei!´

Er griff in die mitgebrachte Leinentasche, zog einen flachen Schaber hervor und winkte damit zwei anderen Herren, die auf sein Zeichen hin auf die Straße traten, beide etwa zehn Meter von der Katze entfernt, um, jeder auf seiner Seite, die herankommenden Autos aufzuhalten. Zu diesem Zweck hatten sie Holztafeln mitgebracht, die aussahen wie Tischtennisschläger, nur etwa dreimal so groß, und die auf einer Seite rot, auf der anderen grün lackiert waren.

Beide hielten den Autofahrern die rote Seite entgegen, und der erste Herr ging jetzt neben der toten Katze in die Hocke, kratzte sie sorgsam von der Straße, steckte sie in eine Plastiktüte und versenkte diese in seiner Leinentasche.

`Und was machen Sie nun damit?´ fragte Boris, der interessiert zugesehen hatte.

`Wenn wir die Tiere dieser Straße eingesammelt haben, richten wir eine würdige kleine Feier aus, und danach werden ihnen Wertstoffe entnommen.´

`Wertstoffe?´ fragte Anna.

`Aus denen man zum Beispiel Tortenguss herstellt oder eine Würztunke für Dosensuppen.´

`Hören Sie auf!´ rief Anna. `Das ist ja widerlich, und außerdem kann das gar nicht sein. Ich habe bei den Inhaltsstoffen von Obsttorten und Dosensuppen noch nie „tote Katzen“ gelesen.´

`Das steht da auch nicht, sondern „Geliermittel“ und „Geschmacksverstärker“´, sagte der Mann. `Und jetzt entschuldigen Sie mich. Auf uns wartet noch viel Arbeit.´
 
Hallo Florian

Dein Text liest sich so was von unglaubwürdig, dass ich über deine Tat staunen muss. Es ist mir ein Rätsel, wie du auf solche Gedanken kommen kannst. Entweder bist du ein übergeschnappter Apostel, ein Clown oder Genie. Du hast es auf jeden Fall geschaft, dass es mir alle Haare aufgestellt hat.

schöne Grüße und willkommen auf der Lelu

Gernot

Ps. wärst du schon länger auf der Lelu, würd ich dir für diesen Text eine glatte Eins geben.
 
G

Gelöschtes Mitglied 8846

Gast
Hallo,

auch von mir ein herzliches Willkommen, der Text verursacht eine Gänsehaut, bietet aber Stoff zum Nachdenken.

LG Franka
 

Ralf Langer

Mitglied
hallo florian,
schoeneverquickung von zwei gedanken

-wofuer ist die sonne da
-und Wertsoffe entnehmen

trefflich formuliert, mit einem schockfrost-ende

arbeite gerade selbsy an einem stueck
ueber zusatzprodukte von formfleisch bis industriekaese.

schoenes stueck

lg ralf
 
S

suzah

Gast
hallo florian,

ich finde deine geschichte sehr gut.

zwar werden die toten katzen nicht von der straße gekratzt, dennoch hat deine geschichte einen wahren hintergrund. ich habe mal gelesen und auch im tv eine sendung gesehen, dass z.b. aus schweineborsten und aus ähnlichen unappetitlichen dingen geliermittel, marmeladenzusätze, kekse etc hergestellt werden, besonders wurde dabei england als herstellerland genannt.
auch in der wurst z.b. findet sich plasma etc.

ich esse deshalb lieber bio.

liebe grüße suzah
 

Sigurt Funk

Mitglied
Krähenkonkurrenz

Finde die Idee wirklich lustig.
"So ist das Leben, der eine kommt nach Paris, der andere".... endet als "Plaster" am Asphalt oder/und als Geschmacksverstärker.

SF
 

Ofterdingen

Mitglied
Hallo Florian,

Gernot sagt, die Geschichte sei unglaubwürdig. Vielleicht, oder auch nicht. Das Vertrackte an deinem Text ist, dass er keineswegs bloß purer Phantasie entspringt, sondern vieles enthält, das uns sehr wohl bekannt ist:

1) Jeden Tag werden zahllose Tiere überfahren.

2) Irgendwann kleben sie tatsächlich platt auf der Straße.

3) Viele Menschen, u.a. die Indianer waren/sind der Meinung, dass man einem getöteten Tier seine Würde lassen, ihm Respekt entgegenbringen soll. So ähnlich hörte man es auch im Film „Avatar“.

4) Bestatter tragen dunkle Anzüge.

5) Wie auch Suzah feststellt, werden tote Tiere ver“wert“et, und es stimmt, dass man ihnen „Wertstoffe“ entnimmt.

6) Tortenguss wird tatsächlich aus toten Tieren hergestellt, wenn auch – so jedenfalls hofft man - nicht gerade aus überfahrenen Katzen. Aber ganz sicher ist sich da niemand.

7) Welche Inhaltsstoffe die Supermarktdosen und –packungen enthalten, weiß keiner so genau. Man erinnert sich nur, dass es immer wieder Lebensmittelskandale gibt, bei denen äußerst unappetitliche Dinge ans Licht kommen und man ahnt, dass man vieles Eklige gar nicht erfährt.

8) Und schließlich: Manch einer mag sich dunkel erinnern, dass er die im Text erwähnten übergroßen Tischtennisschläger schon irgendwo gesehen hat, vielleicht im letzten Urlaub.

Zieht man das alles ab, bleibt kaum etwas übrig, das du dir bloß ausgedacht hast, Florian; im Grunde hast du allgemein bekannte Einzelheiten als Puzzlesteine benutzt und sie – mit deinem offenbar ausgeprägten Sinn für schwarzen Humor – spielerisch zu einem Bild zusammengefügt, und das ist dir verteufelt gut gelungen. Ob sich dem Leser dabei die Haare sträuben, scheint dich nicht zu kümmern. Oder aber du legst es gerade darauf an, ihn vor den Kopf zu stoßen, um ihn zum Nachdenken darüber zu bringen, wie wir Menschen mit Tieren umgehen. Allerdings versteckst du die Hände hinter deinem Rücken und das Gesicht unter einer Clownsmaske, so dass man nicht sieht, ob du den Zeigefinger hebst oder womöglich sogar heulst.
 
Wenn das Stück hier eine moderne Skurrilität und keine Possenreißerei sein sollte, dann frage ich mich, ob die verehrten Lupanier den Moralin gesäuerten, in den Himmel stinkenden Finger nicht wahrnehmen können oder wollen. Sollte es unerkannt bleiben, hat Freund scurra floh selbstredlich einen Stuhl unter Seinesgleichen verdient und darf sich in der Gemeinschaft über das Sengen der Sonne freuen.

grüsschen gernot
 

Ofterdingen

Mitglied
Hallo Gernot,

Wenn ich richtig gelesen habe, warst du anfänglich im Zweifel, ob Florian „ein übergeschnappter Apostel, ein Clown oder Genie“ ist. Damals konntest du den Text und seinen Verfasser offensichtlich keineswegs eindeutig einordnen, sonst hättest du nicht mehrere Möglichkeiten gesehen.

Wie erklärt sich das Wunder, dass du plötzlich die eine und einzige Wahrheit gefunden hast, auf die sonst keiner kam?

Und überhaupt Florian: Was soll ich davon halten, dass einer seinen Text hier reinstellt und sich dann nicht weiter zu dem äußert, was andere über ihn schreiben? Wehe, der sitzt irgendwo und amüsiert sich über uns! Wenn ich so darüber nachdenke, würde ich es, glaube ich, in diesem Fall vorziehen, er wäre selber überfahren worden und läge jetzt mit einem zerquetschten Bein in einem Krankenhaus, wo er keinen Computer hat und deswegen nicht antworten kann.
 
hallo Ofterdingen

"spontaner Leseeindruck", das war's. Wobei ich schon kurze Zeit später "unglaubwürdig" als schlechte Wortwahl von mir erkennen musste, zur Strafe habe ich mir darauf hin gleich zwei Finger abgehackt, denn solche Patzer müssen gerächt sein.

Die Haare aufgestellt hat es mir nicht wegen dem bisschen Katzengeschmiere auf dem Asphalt, sondern wegen der naiv dargestellten Moral im Stück. Katzen und Tierliebhaber werden diesem Schmarren vielleicht ein Loblied singen und ihren Papageien in den Käfigen vorplärren.

Um skurril zu wirken, ist dieser Text zu wenig von der Norm abgewichen, sei es in der Sprache oder auch im Sinn.

Vielleicht klärt uns der Floh ja doch noch auf, was er mit seinem für mich billigen Witz bezwecken möchte.

Gernot grüßt.
 

FlorianFloh

Mitglied
Zum Thema Wahrheit möchte ich, wenn´s erlaubt ist, Goethe und Schiller zitieren:

„Steil wohl ist er, der Weg zur Wahrheit, und schlüpfrig zu steigen,
aber wir legen ihn doch nicht gern auf Eseln zurück.“ (Xenien)

Ich habe mich über den freundlichen Empfang gefreut, danke Gernot Jennerwein, Franka, Sigurt Funk, Ofterdingen und besonders Suzah für ihre ergänzende Info und Ralf für das große Lob, was meine Formulierungskünste betrifft. Eigentlich hatte ich damit gerechnet, dass einige Leute an der Sprache des Textes herummäkeln, aber scheinbar wart ihr – außer Ralf – vom Inhalt so geschockt, dass ihr das vergessen habt. Nur Gernot quakt am Ende noch ein bisschen herum, immerhin. Weiter so, Gernot!

Gernot, was meinst du mit “eine glatte Eins”? Einen einzigen lausigen Punkt oder was? Und inwiefern hat die Bewertung eines Textes mit der Anwesenheitsdauer in der LL zu tun?

Übrigens, Ofterdingen, auch wenn dir das nicht passt: Ich kann und will nicht sofort auf Kommentare antworten, denn ich bin meist ziemlich beschäftigt, auch Abends, und hänge nicht jeden Tag vor dem Computer herum. Also musst du schon Geduld haben.

LG an alle,

FlorianFloh
 

Herbstblatt

Mitglied
Hallo, euch allen,

tja, was hält man nun von der Geschichte? Ich war zuerst verwundert, dann ein wenig verunsichert. Ich kann den berühmten roten Faden nicht finden. Von Konservierungsstoffen ausgehend mag ich nicht unbedingt Geschichten schreiben, andre offenbar schon.

Florian, nun hast du dich zwar gemeldet, aber nur um uns darauf hinzuweisen, dass du wenig Zeit hast. Gehst du deshalb auf die Kritik nicht ein?

LG vom Herbstblatt
 

nisavi

Mitglied
hallo florian,

ich habe die geschichte und die kommentare der lupianer mittlerweile mehrfach gelesen.

ich kann den text weder lustig noch originell finden, leider.

der text könnte skurril oder geradezu kafkaesk geraten, wenn es mehr sätze wie diesen `Wofür sonst gibt es die Sonne?´ wiederholte Anna. `Da würden mir schon noch zwei, drei andere Antworten einfallen.´gäbe.

dass aus toten tieren leim (briefmarken!, briefumschläge!) gekocht wird, ist ja nun ein alter hut. geliermittel, geschmacksverstärker - auch vorstellbar.

gibt es nicht exotischere verwendungszwecke?

mir behagt, wie einem meiner vorschreiber, der belehrende ton nicht.

lg
n.
 
Hallo Florian,

auch wenn du keine Zeit hast, die Kommentare zu lesen, will ich dir trotzdem meine Meinung zukommen lassen. Der Titel "Katzen" zog mich magisch an, wollte natürlich wissen was du dazu schreibst. Dein Text ist gruselig, mein Magen drehte sich beim Lesen um. So etwas hatte ich nicht erwartet. Ich las ihn jedoch noch ein zweites Mal, und das war gut so. Da entdeckte ich nämlich, dass er nicht nur makaber ist. Das mit dem letzte Ehre erweisen und der würdigen Feier für die Katzen ist zwar an den Haaren herbeigezogen, macht jedoch das andere Geschriebene wett. Die Kombination deines Geschriebenen hat schon was. Das mit der Verwertung entspricht oftmals der Wahrheit. (Jetzt nicht der Katzen - hoffentlich :).

Die Kommentare hier in der LL auf deinen Text fand ich sehr interessant. Wie schade, dass du keine Zeit findest, darauf zu antworten.

LG, Estrella

P.S. Meinen Kater nahm ich zu mir, als er (5 Wochen alt) auf einem Parkplatz herumirrte. Seine Mutter lag dort plattgefahren auf der Straße. Schicksal...
 

Pola Lilith

Mitglied
Schade

mit Vergnügen und Interesse habe ich Deinen Text bis zum zweiten Drittel gelesen - hättest mehr daraus machen können, als nachher mich, die Leserin, so dumpf "auf zu klären".

Vielleicht machst du dich ja noch mal an das Ende heran.

Liebe Grüße, Pola
 



 
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