Katzengeschichte -- Nachbarn

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sylvanamaria

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Gestatten Sie, dass ich mich vorstelle: Kasimir von Hohenstein. Sie haben sicher schon von mir gehört. Nein ? Sie sind wohl nicht aus der Branche. Wie bedauerlich. Jeder kennt meinen Erfolg in Insiderkreisen. Sie müssen sich unbedingt einmal meine Preisgalerie anschauen. Rassekatzen wie ich sind heutzutage selten und die Klasse will immer bewahrt werden. Allein die Pflege meines blauschimmernden Fells nimmt Zeit in Anspruch; aber dazu hat man Personal. Sie denken, ich bin eingebildet. Das sehen Sie aber falsch. Ich weiß, wer ich bin. Nun, eigentlich wusste ich es bis vergange-nen Samstag. Aus ungeklärten Gründen, die mir nicht mitgeteilt wurden, hat meine Herrschaft beschlossen, den Wohnsitz zu wechseln. Die wun-derschöne Villa mit eigenem Zimmer musste ich tauschen gegen ein Ge-meinschaftszimmer mit meiner Herrschaft; sie nennen es Wohnzimmer. Ich nenne es klein. Und erst das Umfeld. Mir fehlen die großen Terassen-fenster, vor denen ich stundenlang lag. Mir fehlt meine Privatsphäre und meine täglichen Massageeinheiten. Meine Herrschaften sind neuerdings den ganzen Tag beschäftigt und keiner spielt mit mir so ausgiebig wie früher. Es wird sogar verlangt, dass ich mich putzen soll. Neulich wurde mir sehr übel mitgespielt, obwohl ich bemerken muss, es gab ein gutes und erstaunliches Ende. Diese Geschichte muss ich Ihnen einfach erzählen.
Meine Herrschaft setzte mich außerhalb des Hauses ab und verlangte allen Ernstes, dass ich meine Samtpfötchen mit der braunen Substanz beschmut-zte. Sie nennen es Garten mit Erde, Wiese und Bäumen. Es war unheim-lich ; ein komisches Singen lag in meinen Ohren, die ich vergeblich anzu- legen versuchte. Später erfuhr ich, dass dieses Geräusch Wind heißt. Mei-ne Schnurrhaare sträubten sich. Ich saß verlassen und allein vor der Tür und überlegte allen Ernstes, warum ich diesem Ungemach ausgesetzt wur-de. Ich bin doch ein Vorbild von einem Kater – gut erzogen, nicht laut oder lästig. Verstehe einer die Menschen. Plötzlich ertönte eine Stimme neben mir und riss mich aus meinen kläglichen Gedanken. Nicht, dass ich



Angst hatte; nein, aber etwas erschrocken war ich schon. Neben mir saß ein großes braunes Wesen, von dem ich annahm, dass es auch zur Gattung der Katzen gehört. Aber wie ordinär: struppiges, kurzhaariges Fell, das wie Draht aussah, und einem gefranzten Schwanz. Große glasklare Augen (merkwürdig für eine Katze) schauten mich durchdringend an. Du bist bestimmt der Neue, sprach er mich an. Willkommen. Ich bin Tom von nebenan. Wenn du willst, kann ich dich ein bisschen rumführen. Ich fühlte mich erhaben über diese Ehrverletzung. Wie kam er dazu, mich zu duzen. Er musste doch sehen, dass ich Stufen über ihm stand. Er schien dies nicht so zu empfinden und fuhr fort. Willst du meine Schwester Mizzi kennen lernen ? Komm, ich lade dich ein. Dem schönen Geschlecht war ich noch nie abgeneigt gewesen. Wer weiß, vielleicht fand sich in dieser Einöde ein bisschen Abwechslung. Viel erwartete ich allerdings nicht. Ich überwand daher meine Abneigung gegen die sogenannte Erde, die sich krümelig in meine empfindsamen Pfotenballen eingrub, und hoffte, dass der Tag sich etwas besser entwickeln würde. Ich, der ich doch das beste von allem gewohnt war: samtweiche Kissen im Katzenkörbchen, Flausch-decken auf dem Diwan und vor dem Fenster, schritt hinter einem Unbe-kannten her, in einem unbekannten Land um eine Unbekannte zu treffen. Ich verstand die Welt nicht mehr. Plötzlich standen wir vor einem Hin-dernis. Tom nahm Anlauf und war verschwunden . Komm, rief er von der anderen Seite. Wie denn, knurrte ich missgelaunt. Spring einfach ! Was bedeutet – springen ? Tom kam zurück. Du willst mich veralbern. Wo kommst du denn her, dass du nicht weißt, wie man einen Zaun überspringt ? Nun Tom, klärte ich ihn auf. Ich bin aus adligem Hause und für Dienst-leistungen hat man Personal. Das ist mir zu hoch, seufzte Tom. Bleib hier, ich hole Mizzi, ich glaube, sie versteht deine Sprache besser. Ich versuch-te, ein einigermaßen sauberes Plätzchen zu finden, um mein Fell nicht all-zu sehr zu verfilzen und zu beschmutzen, denn ich war mir mit einem Mal nicht mehr so sicher, ob es noch Personal geben würde. Ich schaute mich




um, verschiedene Dinge kannte ich, auch wenn ich sie noch nie aus der Nähe gesehen hatte. Das Grüne war Rasen, das grüne Bunte Wiese, das Hohe nannte man Baum, das Halbhohe Strauch, das Braune dazwischen Erde mit grünen und bunten Dinge, die mir noch unbekannt waren und deren Zweck ich nicht verstand. Das Ganze hatte den Namen Garten. Das Strahlende vom Himmel war Sonnenlicht. Ich streckte mich etwas aus, da mir warm wurde. Ich gab es ungern zu, aber vielleicht war Toms drahtiger kurzhaariger Körper doch besser diesem Wetter angepasst als mein Lang-pelz, der aber zugegebenermaßen sehr gepflegt und elegant war. Seufzend sah ich mich um. Ich würde mich sehr vorsehen müssen. Plötzlich – ola la, das hatte ich nicht erwartet. Auf dem Hindernis vor mir, dem Zaun, saß ein Traum von einem Mädchen: hellgrau getigert mit schwarzen Ein-schlüssen, sehr vornehm, bernsteinfarbene Augen, ein hinreißender Au-genaufschlag. Und diese Stimme erst. Wir wurden uns noch nicht vorge-stellt. Ich bin Mizzi. Tom meinte, dass Sie eine Führung benötigen, da Ihnen die Umgebung fremd ist. Sie verneigte sich tatsächlich kurz. Das sollte Toms Schwester sein ? Unmöglich. Ein Unterschied wie Licht und Schatten. Sie schien Gedanken zu lesen zu können. Sie wundern sich über die verwandtschaftliche Beziehung ? Durchaus erklärbar. Wir haben ver-schiedene Väter. Wie darf ich Sie nennen. Wie unhöflich von mir, brummte ich, der ich sonst nie um Worte verlegen war. Meine Pfote folgte meinem Körper in einer Verbeugung: Kasimir von Hohenstein. Für Sie jedoch Kasimir. Sie sprang vom Pfosten und landete graziös vor mir. Erzählen Sie mir etwas von Ihrem vorherigen Heim, es war wohl sehr anders, schlussfolgerte Mizzi. Beim Erzählen geriet ich ins Schwärmen, merkte aber bald, dass sie uninteressiert und unlustig wirkte. Es hört sich langweilig an, sagte sie. Langweilig ? Oh nein, ich hatte viele intellektu-elle und erbauliche Unterhaltungen. Aber hatten Sie auch Spaß ? Spaß, ein merkwürdiges Wort, was ist darunter zu verstehen ? Mizzis Augen weite-ten sich. Plötzlich in das Du verfallend rief sie entsetzt: Du weißt nicht,





was Spaß ist ? Mäuse jagen, Wettrennen auf Bäume, über die Wiese mit
den Schmetterlingen, Hunden einen Streich spielen – eben Spaß. Mizzi, das ist mir fremd, was ist ein Hund und was sind Schmetterringe ? Schmetterlinge, verbesserte sie mich. Mit einem Blick in den Himmel sagte sie: es wird spät, dein Frauchen wird dich vermissen und suchen. Frauchen.. ? Wie nennst du den, der dir dein Futter gibt. Herrschaft, erwiderte ich . Nun, deine Herrschaft wird dich vermissen. Wir treffen uns morgen wieder hier, wenn die Sonne aufgeht. Entsetzt rief ich: so früh ? Mizzi schien die Geduld mit mir zu verlieren, ich setzte daher hinzu: ich versuche es, ich bin es nicht gewöhnt. Ich empfand ihre Gesellschaft als sehr angenehm und wollte daher meinen ersten Kontakt nicht verlieren.. Mizzi erwiderte, versuch es, es ist die schönste Zeit des Tages. Falls du verschlafen solltest, ich werde öfters dem Garten einen Besuch abstatten. Mit einem Satz über den Zaun entschwand sie meinen Blicken. Was für ein Tag. Langsam trat ich den Heimweg an. Rückwärts sah alles anders aus als vorwärts, aber bald stand ich vor dem Haus und miaute. Die Tür öffnete sich und vor mir stand wie nannte es Mizzi mein Frauchen und kraulte mir den Rücken. Das mag ich über alles. Nun Kasimir, hast du schon deine Nachbarn kennen gelernt ? Ich habe gehört, sie haben zwei Katzen. Ich schlängelte mich durch ihre Beine in Erwartung meines Abendmahls. Aha, Nachbarn – so nennt man also jemanden von nebenan. Das neue Leben versprach sehr abwechslungsreich und vor allem anders zu werden.
 

flammarion

Foren-Redakteur
Teammitglied
zu

erst einmal herzlich willkommen auf der lupe.
deine geschichte gefällt mir, allerdings könnte sie stärker gegliedert sein. so eine bleiwüste liest sich nicht gut. entferne bitte auch die trennstriche.
ich bin gespannt auf eine fortsetzung dieser geschichte. dein edelkater erlebt doch hoffentlich noch mehr?
lg
 

sylvanamaria

Mitglied
Kommentar Katzengeschichte

Ich war ziemlich aufgeregt, bis jetzt habe ich meine Geschichten niemanden gezeigt.Vielen Dank für den guten Kommentar. Fortsetzung wird garantiert folgen.
 

AliasI

Mitglied
Hallo sylvanamaria,

ich liebe Katzengeschichten, und deine ist richtig gut geschrieben, so von der Sicht eines Adeligen her, der noch nicht einmal einen Garten kennt.

Tom von nebenan, das ist bestimmt auch ein Adelstitel...

Was ich zu bemängeln habe? Nicht viel. Ich stehe sowieso mehr auf originelle und gute Ideen als auf blendenden Stil, aber: Nicht zuviele kurze Sätze hintereinander, das ermüdet - genau so wie viele lange Sätze hintereinander. (Ich wünschte, ich könnte mich an meine eigenen Ratschläge halten.) Es kommt halt auf die Mischung an. Und natürlich die blöden Trennstriche. Am besten die Trennautomatk in Word abschalten.

Ansonsten ist alles bestens. Freue mich auf eine Fortsetzung. Romanze mit Mizzi?

Liebe Grüße Ingrid
 



 
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