Katzengeschichten (Teil 1)

lron

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"...es ist sechs Uhr. Die Nachrichten..."
Oje - schon aufstehen... Eigentlich ist mir überhaupt nicht danach... zumindest nicht jetzt schon. Aber es hilft ja nichts - die Zeit ist ran, und ich sollte mich besser in mein Schicksal fügen. Zum Glück ist heute schon Freitag, und das Wochenende steht praktisch schon fast in den Startlöchern.
Als ich mich gerade strecken will, merke ich, dass du auf meinem Arm liegst und die Augen geschlossen hältst, als würdest du schlafen. Aber bei DEM Krach glaube ich dir das einfach nicht. Ich habe den Wecker nun schon beinahe auf voller Lautstärke, da ich ziemliche Probleme mit dem Aufwachen habe. Und dass gerader DU da schlafen können willst, wo du doch sonst praktisch die Flöhe husten hörst - nein, das glaube ich dir nicht. Heute nicht, gestern nicht, und auch all die anderen Male nicht, die du es schon versucht hast (und wahrscheinlich noch versuchen wirst). Aber du hoffst wahrscheinlich immer noch darauf, dass du es eines Tages schaffst, mich zum liegen bleiben zu bewegen. Und eigentlich würde ich deinen Bemühungen auch gern nachgeben, aber es hilft ja nichts. Die Arbeit ruft, und ich muss folgen. Du hast ja auch was davon - schließlich lebst du bei mir nicht schlecht. Also ziehe ich meinen Arm unter dir hervor. Natürlich schlägst du sofort deine herrlich smaragdgrünen Augen auf und schaust mich vorwurfsvoll an. Ich muss jeden morgen wieder unwillkürlich darüber lächeln und streichele dir über den Kopf. Dann atme ich noch einmal kurz durch und schwinge die Beine aus dem Bett. Na, du beschließt auch, dich ausgiebig zu strecken und dann ebenfalls aufzustehen. Du stellst dich an der Terrassentür auf und schaust, wo ich denn so lange bleibe. Wie jeden Morgen lasse ich dich erst raus, damit du deine geschäftlichen Dinge erledigen kannst, und gehe dann ins Bad, wo ich mal kurz kalt dusche, um wach zu werden. Nach dem Anziehen bereite ich dann das Frühstück vor. Dein Timing ist wie immer perfekt - du erscheinst gerade, als ich die Milch aus dem Kühlschrank nehme. Majestätisch platzierst du dich vor deinem Napf und schaust zu mir hin. Du drückst damit eindeutig aus, dass du jetzt geneigt wärst, ebenfalls dein Frühstück einzunehmen. Und wenn ich sowieso schon mal am Kühlschrank stehe... Na, ich konnte dir bisher noch nie was abschlagen. Das hast du damals, vor einem knappen Jahr, ziemlich schnell raus gehabt, nachdem du mir zugelaufen warst. Na - ich war auch ein recht dankbares Dressurobjekt. Ruckzuck hattest du mich fest im Griff deiner Samtpfoten. Du bist aber auch äußerst faszinierend - deine großen Smaragdaugen, dein samtweiches Fell, deine majestätische Art - einfach alles. Ich war praktisch wie verzaubert, als ich dich das erste Mal gesehen hatte, und du bist sofort bei mir eingezogen. Am Anfang hatte ich hier und dort Zettel ausgehängt, ob dich jemand vermisst. Äußerst ungern zwar, aber dich einfach behalten, wenn du jemandem gehörst - nein, das geht nicht. Aber ich hatte Glück - niemand schien dich zu vermissen. Und so wohnst du bei mir, und wir verbringen einiges an Zeit zusammen: vor dem Fernseher, am Computer, im Garten. Es ist unheimlich beruhigend, finde ich, einfach nur dazusitzen und dich auf dem Schoß liegen zu haben, zusammengerollt und schnurrend. Desöfteren bin ich dabei schon auf dem Sofa eingeschlafen. Und dann mitten in der Nacht aufgewacht. Du hast dann immer noch zusammengerollt auf mir gelegen. Ist dann immer blöd, dass ich dich stören muss, weil ich ins Bett will. Einmal habe ich deswegen versucht, auf dem Sofa zu übernachten, aber das hat meinem Rücken überhaupt nicht gut getan. Also versuche ich möglichst, es noch irgendwie ins Bett zu schaffen, wenn's geht. Nachts kommst du dann meist dazu und schläfst mit im Bett. Gut, dass ich nicht allergisch bin. Dabei hast du eine Vorliebe für Körperteile, wo ich nicht einfach aufstehen kann, ohne dich zu stören. Ich bin fast der Meinung, das ist Absicht von dir. Und dann am Morgen schaust du mich jedes Mal an... als wenn ich sonst was gemacht hätte mit dir. Genau wie gestern, genau wie heute. Und am Wochenende kannst du dann gar nicht früh genug aufstehen. Da trittst du dann so lange auf meiner Brust herum (um sieben Uhr morgens!), bis ich wach werde. Und dann willst du unbedingt nach draußen. Ich habe ja schon öfter überlegt, einfach die Tür hinter dir zu schließen und dich auszusperren, damit ich meine Ruhe habe. Aber bisher habe ich es dann doch nicht übers Herz gebracht, dir das anzutun. Aber zumindest verschließe ich die Schlafzimmertür, damit ich wenigstens ein wenig Ruhe habe zum Schlafen, während du die Wohnung unsicher machst. Wobei "unsicher machen" übertrieben ist, denn du legst dich meist irgendwo in eine Ecke oder ins Fensterbrett. Bei schönem Wetter liegst du ach schon mal auf der Terrasse und sonnst dich. Rein und raus kommst du ja immer, weil ich dir zumindest das Fenster einen Spalt offen lasse, selbst, wenn ich auf der Arbeit bin. Ich weiß, dass ich das machen kann, weil die Nachbarn aufpassen, dass niemand unbefugtes einsteigt. Außerdem sind sie wohl auch ein bisschen neidisch, weil du dich für mich entschieden hast und nicht für einen von ihnen. Aber ich weiß, sie gönnen es mir, wie ich allein lebe und weil sie mit mir sehr gut zurecht kommen. Und einen Hund könnte ich mir nicht zulegen, weil ich den nicht die ganze Zeit allein lassen kann. Zum Glück sind Katzen viel selbstständiger und können sich den ganzen Tag allein beschäftigen, wenn es sein muss.
Wenn die alle wüssten, dass dich ein Geheimnis umgibt...
 



 
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