Katzenjammer

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Bentom

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Katzenjammer
Benjamin Tomkins​
Frau Meissner stand mit einem Weidenkorb in der Hand vor der Pfarrei und klopfte energisch an die hölzerne Tür, während brodelnder Ärger aus den Tiefen ihrer gutbürgerlichen Seele emporstieg. Ein Vulkan kurz vor dem Ausbruch. Lediglich einer kleinen platzenden Magmablase bedurfte es noch und Frau Meissner würde eruptieren.
[ 4]„Da!“ sagte sie, stellte den Korb auf die Türschwelle und blickte den öffnenden, verdutzt und überrascht dreinschauenden Pfarrer Wundschuh, einen etwa fünfzigjährigen blassen und bärtigen Mann, auffordernd an.
[ 4]„Was ist das?“ fragte Wundschuh überrascht und beugte sich neugierig über den geflochtenen Korb.
[ 4]„Die Brut ihres Hermes!“ erwiderte sie barsch.
Zurückhaltend stocherte er mit seinem Zeigefinger in dem Korb herum, bis er die durch Tücher und Decken versteckten kleinen Kätzchen freigelegt hatte.
[ 4]„Putzig. Gesund und munter. Wirklich putzig.“ Er schmunzelte in seinen Bart.
[ 4]„Aasgeier sind das! Satt gefressen haben sie sich. An meiner Antoinette. Leergepumpt bis aufs Blut. Jawohl! Ganz mager sieht sie aus.“ Sie wedelte mit erhobenem Zeigefinger vor des Pfarrers Gesicht, um ihren Worten Nachdruck zu verleihen. „Nun sind sie dran. Sie können die Racker selber weiterfüttern. Mit Milch, mit Brei, Mäusen oder von mir aus mit Bibelversen, ist mir vollkommen wurscht!“
Pfarrer Wundschuh war vom Wesen her ein einfach gestrickter, gemütlicher Mann. Seine Arbeit und sein Leben waren geordnet und folgten einem einfachen, aber durchaus wirkungsvollen System. Einem Getriebe ähnlich sorgten unterschiedliche Zahnräder für den Fortbestand der katholischen Kirche. Wundschuh betrachtete sich selbst als eines der größeren Zahnräder im heiligen Getriebe, das seine Kraft an andere, kleinere Zahnräder verteilte, die für die Details zuständig waren. Seine Aufgabe bestand darin, Spenden und Gelder innerhalb der Kirche zu verteilen. Sie sinnvoll auszugeben, fiel in die Zuständigkeit kleinerer Zahnräder und er hatte kein Interesse sich mit derartigen Gedanken beschäftigen zu müssen oder gar mit Details konfrontiert und belästigt zu werden. Details bedeuteten Kopfzerbrechen, Kopfzerbrechen mündeten mit größter Wahrscheinlichkeit in Schwierigkeiten und Schwierigkeiten führten unweigerlich zu einer Störung der Ordnung. Und Ordnung musste sein.
Er wünschte sich, dass diese Frau ihn mit ihren, für ihn unwichtigen Details in Ruhe ließe und, ihren Katzennachwuchs unterm Arm, wieder nach Hause ging. Insgeheim ärgerte er sich bereits, die Tür überhaupt geöffnet zu haben.
Er richtete sich auf, um dieser Person seine Auffassung von Ordnung zu verdeutlichen und sog im gleichen Augenblick den Duft von wohligem warmen Apfelkuchen ein, den diese Frau verströmte. Ein angenehmer Geruch, der vermuten ließ, dass sie etwas vom Backen verstünde. Backwerk hatte für Pfarrer Wundschuh zwar nicht den gleichen Stellenwert wie Gottes Paradies, aber es kam dem durchaus nahe und ob des köstlichen Aromas in seiner Nase, besann er sich augenblicklich und versuchte die Beweggründe dieser Frau zu verstehen. Eine überforderte Hausfrau vielleicht, die lediglich ein paar Worte des Trostes suchte. Beistand in einer Notlage.
[ 4]„Ich verstehe nicht ganz, was sie wollen, gnädige Frau“ sagte er, während er entschuldigend seine Arme mit den Handflächen nach oben ausbreitete. „Wirklich, ich begreife kein Wort davon. Ich kann mir nur vorstellen, dass diese kleinen putzigen Kätzchen sicher ihre Mutter vermissen, aber...“
[ 4]„Ganz bestimmt tun sie das!“ hieb Frau Meissner eine Bresche in seinen unvollendeten Satz. „Aber ihre Mutter, meine Antoinette, vermisst sie sicher nicht. Zaundürr ist sie bereits. Ihre Zitzen sind geschwollen und blutverkrustet. Ständig saugt einer dieser kleinen Bastarde an ihr herum. Sie findet keinen Schlaf. Und warum das alles. Wegen ihres Hermes!“
[ 4]„Sie meinen unseren Hermes, den Kater der Pfarrei?“ fragte Wundschuh verwirrt.
[ 4]„Ja!“ posaunte sie und es kam Wundschuh so vor, als ob sie ihre Worte mit Zement und Mörtel vor ihm aufmauern würde. So unumstößlich war ihr Auftreten, dass Wundschuhs Gedanken kurz der Überlegung entschwanden, diese Frau hätte von Gott persönlich dazu auserkoren sein können, die zehn Gebote vom Berg Sinai herab zu tragen. In einem Weidenkorb natürlich. Er wischte das grotesk ketzerische Bild mit einem Kopfschütteln beiseite.
„[ 4]Und unser Hermes hat also...“ Wundschuh zögerte, die richtigen Worte zu finden, „ist sozusagen...“ eine weitere Pause, „... der Vater, dieser entzückenden kleinen Kätzchen.“
[ 4]„Genau! Und ich muss für diese Brut nun sorgen. Muss meiner Antoinette das Dreifache verfüttern und den ganzen Dreck dieser Rasselbande wegmachen. Und wofür das alles?“
[ 4]„Ah, ich verstehe“, sagte Pfarrer Wundschuh fast erleichtert. „Sie müssen all das ganz alleine bewältigen und bezahlen. Es geht um finanziellen Beistand.“
Frau Meissner sah ihn fragend an.
[ 4]„Um Geld!“ präzisierte Wundschuh seine Ausführung. Offensichtlich hatte sie seine Umschreibung nicht verstanden. „Es geht um Geld!“
[ 4]„Nein!“ Ihre Antwort kam mit dem Gewicht und der Bestimmtheit eines tonnenschweren Eisenankers.
[ 4]„Nein? Worum dann?“ Wundschuh kannte sich nicht mehr aus und die Hoffnung, diese Frau mit ihren Kätzchen durch eine wohltätige Spende im Namen der Kirche loszuwerden, wäre für ihn fast eine Erlösung gewesen.
[ 4]„Es sind Bastarde!“, zischelte sie. „Ihr Hermes ist kein reinrassiger Kater und noch dazu entstammen diese Bastarde“, sie hob inquisitorisch ihren Zeigefinger, „einer unehelichen Verbindung!“
[ 4]„Liebe Frau. Es sind Tiere“, antwortete Wundschuh entnervt. War das tatsächlich wahr? Diese Person störte seine Arbeit wegen ein paar unehelicher Katzenkinder? Seine kostbare Zeit, die er der Kirche, dem Wohl der Menschheit und der karitativen Einrichtungen widmete.
[ 4]„Tiere?“ Ihre Stimme schnellte drei Oktaven höher. „Ihr Hermes wird mit Sicherheit ein Tier sein. Meine Antoinette aber ist von fürstlichem Blut.“ Sie warf ihren Kopf in die Höhe. „Eine Siamkatze vom Fürstentum Metternich.“
[ 4]„Der Sektkellerei Metternich?“ fragte Wundschuh und betete zu Gott, er möge Erbarmen mit ihm haben und ihn von dieser Frau erlösen. Er nahm einen tiefen Atemzug und der warme Dunst von Apfelkuchen stieg ihm erneut in die Nase. Es war das einzige Positive, was er der Frau abgewinnen konnte und obwohl er als Pfarrer von Nächstenliebe beseelt sein sollte, wünschte er sich nichts mehr, bei dieser Frau eine Ausnahme machen zu dürfen.
[ 4]„Genau. Dachte ich’s mir doch. Mit Wein und Sekt kennen sich Kirchenmänner aus.“ schnarrte sie verächtlich.
[ 4]„Vorsicht, gute Frau.“ hub er an. Der dunkle Ton der kirchlichen Autorität klang in seiner Stimme mit. „Mit Höflichkeit und Interesse habe ich mich Ihrer Sorgen angenommen, habe ein offenes Ohr gehabt. Aber nun“, er nutzte die Atempause, um seinen Worten eine Prise warnende Drohung beizumischen. „Aber was genug ist, ist genug! Ob nun Katze von höherer Abstammung oder Kater aus niederer Abstammung. Vor Gott, gute Frau“, er setzte eine erneute Pause, um noch wirkungsvoller zu erscheinen. „Vor Gott sind wir und auch diese Katzen letztendlich doch alle gleich!“ Bei seinen letzten Worten verfärbte sich seine Stimme wieder in einen freundlichen, warmen, fast versöhnlichen Ton. Er hoffte sie mit seiner kleinen Predigt überzeugt und zurecht gestutzt zu haben.
[ 4]„Ach ja?“, feuerte sie zurück. „Vor Gott sind alle gleich. Und was ist mit Beischlaf vor der Ehe? Na, was ist damit. Wie sieht Ihr Hermes das? Was sagt denn der Papst dazu?“ Sie richtete sich plusternd auf.
[ 4]“Der Pa... Papst?“, stotterte Wundschuh hilflos. Er wusste nichts mehr zu sagen. Das Gespräch steuerte in eine Richtung, die nicht mehr zu kontrollieren war und eine Verbindung zwischen unehelichen Katzenkindern und dem Papst herzustellen, überstieg seine Diskussionsbereitschaft bei Weitem. Was kam als nächstes? Er zwang sich diese unerfreuliche Begegnung höflich aber dennoch bestimmt zu beenden. „Ich kann Ihnen leider nicht weiterhelfen, außerdem warten auf mich Geschäfte, die nicht länger aufzuschieben sind.“ Er setzte zu einer leichten Kopfverbeugung an, um sich zu verabschieden, als die letzte kleine Magmablase im Inneren Frau Meissners platzte. Der Vulkan entlud sich.
[ 4]„So, da haben wir es!“, spie sie verächtlich. „Kirchensteuern eintreiben und sonntags den Klingelbeutel herumreichen. Wasser predigen und Wein saufen. Und Ihr Papst? Der versteckt sich hinter einer heuchelnden Doppelmoral!“
Mittlerweile hatten sich, sehr zum Missfallen des Pfarrers, neugierige Passanten eingefunden, die, angezogen von der lautstarken Frau Meissner, stehen blieben und, von gemeiner Schaulust getrieben, näher kamen. „Und nun zu allem Übel. Meine Antoinette...“ ein kurzes Schluchzen mischte sich, recht überzeugend übrigens, wie Pfarrer Wundschuh meinte, unter ihre Worte. „Meine geliebte Antoinette, von einem Angehörigen dieser Pfarrei geschwängert und sie versuchen sich um die Verantwortung zu drücken. Was soll meine Antoinette nun tun? Die Bälger durchfüttern, sich aufzehren lassen?“ Wundschuh nahm eine Veränderung in dem Duft Frau Meissners wahr. Der Apfelkuchen roch jetzt leicht säuerlich und verdorben. Oder schlängelte sich der beißende störende Duft etwa aus dem Katzenkorb herauf?
[ 4]„Gute Frau“, flehte Wundschuh beschwörend.
[ 4]„Nichts da!“ ,schmetterte sie. „Sie kümmern sich um den Nachwuchs und das ist mein letztes Wort.“ Wie Eisenbahngleise lag der letzte Satz zwischen ihnen beiden. Pfarrer Wundschuh nahm die Entrüstung der umstehenden Passanten wahr. Aus ihren Augen schossen kleine spitze Pfeile. Es war, als ob sein Ansehen empfindlich verletzt wurde. Noch während er versuchte, sein herumstehendendes Publikum mittels religiös freundlichen Blicken einigermaßen zu beruhigen, drehte sich Frau Meissner um und schritt zielstrebig davon, ohne auch nur einmal zurück zu blicken.
Justament begannen die Katzenkinder, wie auf ein geheimes Kommando hin, gemeinsam zu miauen. Die erschreckende Ähnlichkeit dieses Katzenjammers mit dem Geschrei eines Säuglings und den eventuell daraus resultierenden vollkommen falschen Schlussfolgerungen der Zuschauer, veranlasste Pfarrer Wundschuh ohne zu zögern, den Korb aufzuheben und hineinzutragen, bevor die umstehenden Passanten, die einer Hinrichtungsprozession glichen und ihn mit verdammenden Blicken bedachten, auf die Idee kamen ihn zu steinigen. Wundschuh schloss eilig die Tür hinter sich und fand in der abgeschlossenen Pfarrei sofort etwas seiner Selbstsicherheit wieder.
Der Katzenjammer steigerte sich. Die kleinen Bastarde, wie Frau Meissner sie genannt hatte, waren hungrig und da er, Pfarrer Wundschuh, Verwalter des karitativen Fonds der katholischen Kirche, sich zwar mit den finanziellen Zuwendungen der Kirche an das örtliche Tierheim auskannte, aber nicht so weit gegangen wäre zu behaupten, sich deswegen mit der Ernährung von Katzenbabys auszukennen, tat das einzig Richtige und brachte den Korb mit dem sich mittlerweile nachdrücklich beklagenden Katzennachwuchs in die Küche zu Frau Hutscherer, der Köchin und guten Seele der Pfarrei.
Die Köchin, die sich des Pfarrers Geschichte um Frau Meissner, Antoinette, den Pfarrkater Hermes und der kreischenden Katzenjungen mit aufrichtiger Anteilnahme anhörte und dann und wann, wenn der Herr Pfarrer die ein oder andere Stelle seiner Erzählung besonders hervorhob und sich empörte, mitfühlend zu ihm aufschaute, entschied sich schon allein aus ihrer Christenpflicht heraus, die Katzenkinder zu versorgen und, um das mittlerweile aufgewühlte Nervenkostüm des Herrn Pfarrer zu schonen, ihm zu verheimlichen, dass der Kater Hermes schon seit Jahren kastriert war.[/center][/center]
 

Haremsdame

Mitglied
Hallo Bentom,

Dein Katzenjammer hat mich zum Schmunzeln gebracht. Allein die Idee, dem Pfarrer den unehelichen Nachwuchs unterzujubeln, während seine Schäfchen neugierig zuhören... Das daraus resultierende Gerücht konnte ich schon hören...

Der Titel Deiner Geschichte hat mich nicht sonderlich angesprochen, auch wenn ich jetzt sagen muss, dass er passt. Unter so einem Titel habe ich mir was anderes vorgestellt, deshalb hätte ich ihn beinahe nicht angeklickt...

Mit den Adjektiven solltest Du etwas sparsamer umgehen. Schon im ersten Absatz bin ich über die schwülstige Sprache gestolpert:

[blue]Frau Meissner stand mit einem Weidenkorb in der Hand vor der Pfarrei und klopfte energisch an die hölzerne Tür, während brodelnder Ärger aus den Tiefen ihrer gutbürgerlichen Seele emporstieg. Ein Vulkan kurz vor dem Ausbruch. Lediglich einer kleinen platzenden Magmablase bedurfte es noch und Frau Meissner würde eruptieren.[/blue]

Zum Beispiel kann ich mit dem "brodelnden Ärger" wenig anfangen. Und der Satz mit der Magmablase, die zur Eruption führen könnte - naja...

Im zweiten Absatz geht es gleich weiter, mit dem [blue]verdutzt und überrascht dreinschauenden[/blue] Pfarrer.

Es ist mir jetzt zu mühsam, den gesamten Text zu durchsuchen. Das solltest Du besser selbst machen, um die ganze Geschichte lesbarer zu machen und den Leser nicht schon am Anfang abzuhalten, weiter zu lesen. Ich war auch schon drauf und dran, mit dem Lesen vorzeitig aufzuhören - bin aber froh, dass ich bis zum Schluss durchhielt, denn - wie schon erwähnt - die Idee ist hervorragend!
 



 
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