Versgliederung (ein Vorschlag)
Unter der wolkenlosen Trübe,
unter den hohen singenden Pinien
liegt,
vergraben und zugeschüttet,
dein gemustertes Gesicht.
Kleine weiß überzogene Nacktschnecken,
mit Perlmuttaugen und Insektenlächeln,
ziehen da ihre Bahn.
Ich sitze auf der Sonnenbank
über dem nassen Gras,
der Erde und dir.
Auch die Vögel singen.
Sie singen ein altes Chanson
das ich nicht kenne.
1945 - 1988. Wie ein von dem zartesten aller Planeten
in den Bann gezogener Trabant
ziehe ich meine Kreise um diese Jahre.
Die Umlaufbahnen sehen von hier aus wie Ringe im Holz.
Da ist getrocknete Erde unter meinen Fingernägeln.
Sie sind ganz kurz vom vielen Kauen.
Da denke ich wieder an deine kurzen toten Stummeldaumen.
Als du geboren wurdest waren Nabokov und Faulkner
schon gestorben.
Und wie ich dich jetzt auf die gleiche Art liebe;
sag mir, wie geht das.
Darum grabe ich dich frei.
Aber ich grabe nur mit meinen eigenen Händen,
wie Klauen kommen sie mir jetzt vor
unter all dem Dreck.
Es soll mein eigenes Tagewerk sein.
Eine Schaufel kommt da nicht in Frage.
Wenn ich einen Regenwurm zwischen die Finger bekomme,
zerquetsche ich ihn.
Es soll kein lebendiges Etwas mein Zeuge sein
außer der im Wind verhallende
Gesang der Vögel.
Sie singen vom Schwalbenhunger,
denn sie müssen immer nur ihren Jungen zu essen geben,
obwohl sie doch wissen müssen,
dass so viele davon auf dem Erdboden zerschellen werden,
jedes Jahr wieder und wieder,
weil ihre Flügel noch zu steif sind vom Winter.
Und dann sehen sie die fressende, dicke Katze mit an.
Die sehen sie auch im Schlaf.
Es ist der Hunger nach dem neuen Guten
ohne das neue Schlechte
den sie singen.
Es ist das Lied der Partisanen;
sie singen es auf Französisch.
Das erkenne ich jetzt.
Die Erdmulde zu meinen Füßen
füllt sich langsam
mit Regen.
Vor mir liegen die Konturen deines Gesichtes
im tau- und regenfeuchtem Gras.
Dein Gesicht ist das von IHM;
sag mir wie geht das.
So mondblasse, hohle Wangen,
das Elfenbein der Zähne,
die punktierten Wangen,
die rosig glänzenden Schweinsaugen.
Dein Aschhaar keuchend im heißen Sand.
Und darüber wie ein Schleier
das schlierige Weiß mit roten Sprenkeln,
die Farbe einer erschossenen Taube
auf dem beschmutzten Januarsschnee.
Nein ich träume nicht von dir.
Denn man träumt immer von dem einen
flüchtenden Gedanken,
der tagsüber aufblitzt
und dann verschwindet.
Der Wind bläst
über die Massengräber und die Müllschiffer;
oder die Massenschiffer und die Müllgräber.
Es ist mir gleichgültig.
Ich habe dein Grab lediglich neu ausgehoben.
Meine Autonomie liegt in deiner Anatomie.
Die vergangenen Intimitäten
streicheln mein Gesicht mit dem Wind,
ich habe Hufe bekommen und Hörner.
Hör ihn anheben durch die Blätter und Federn:
Es wird Zeit zu leben?
Was für eine Lüge.
Ich liege doch schon da
in der nassen Erde
mit dir.