Keko

2,00 Stern(e) 1 Stimme

MarcusErtmer

Mitglied
Das Geräusch hinter ihm ließ Keko zusammenfahren.
Eigentlich rechnete er immer mit dem Unerwarteten, mit etwas, das ihn angreifen wollte und im ungeeignetsten Moment auch angreifen würde. Aber dieses Geräusch hatte etwas wirklich Gefährliches. Etwas, das er noch nie gehört hatte.
Gerade heute war Keko besonders aufmerksam. Normalerweise war er mit den anderen unterwegs. Dafür gab es die Gruppe. Jeder passte auf den anderen auf. Es musste immer gejagt werden, und die Sippe hatte auch immer Hunger.
Jetzt hatte es einige Tage nur Beeren und Kräuter gegeben. Fast neun Tage hatte Keko krank in seiner Höhle gelegen, bedeckt mit Mammut- und Bärenfellen, kurz davor, dem Weg seiner Ahnen zu folgen. Sein Weib hatte sich, soweit es in ihren Möglichkeiten stand, um ihn gekümmert, aber die meiste Zeit war sie unterwegs gewesen, um zumindest spärliche Mahlzeiten auf den Tisch bringen zu können.
Heute war der erste Tag, an dem es ihm wieder leidlich gut ging. Er war aufgebrochen, etwas zu essen zu fangen. Es wäre ihm egal gewesen, selbst wenn es Schlangen gewesen wären, es ging nur darum, dass es genießbar war.

Die Gruppe war unterwegs, schon einen Tag vor ihm aufgebrochen. Keko wusste, für ihn und Malla, selbst für ihre beiden Kinder, würden sie nichts mitbringen. Jeder ist sich selbst der Nächste, besonders in Zeiten wie diesen. Und das Essen war fast immer knapp, selbst wenn alle gesund waren.
Keko erinnerte sich an die Zeiten, als die großen Mammutherden durch das Land gezogen waren. Es waren gute Zeiten damals, mit viel Essen, aber seit dem großen Knall war das vorbei.
Der große Knall.
Sie hatten es lange vorher am Himmel gesehen, bei Tag und auch bei Nacht. In der Nacht war es hell wie am Morgen, und am Tag stand das Licht wie eine zweite Sonne am Firmament. Heller und heller wurde es. Dann kam der Knall.
Er hatte vor seiner Hütte gesessen, als das Feuer kam. Und er hatte es vorher gewusst. Irgendwie wusste er es. Er hatte blitzschnell sein Weib und die Kinder hinter einem Felsen in Sicherheit gebracht. Sie hatten überlebt. Nicht gut, aber überlebt. Das konnte man von den wenigsten sagen.
Sie waren viele gewesen, vor dem Knall und vor dem Feuer. Ein großer Stamm, aber es gab auch viel Essen. Danach war nichts mehr wie vorher.
Verdorbenes Fleisch, ein verbrannter und toter Geruch in der Luft, das war die Zeit danach. Eine lange Zeit. Nicht wenige, die das Feuer überlebt hatten, waren verhungert. Viele waren auch krank geworden, Kinder waren tot oder verkrüppelt zur Welt gekommen. Säuglinge waren so deformiert, dass die Mütter sie, wenn sie noch lebten, mit einem Stein erschlugen. Manchen aus dem Stamm fielen die Haare aus, die Zähne, sie konnten sich irgendwann nicht mehr bewegen und starben. Andere wurden aber langsam wieder gesund. Was man gesund nennt. Das Feuer hatte sie alle gezeichnet.
Jetzt kam das Leben langsam zurück. Pflanzen wuchsen wieder auf verbranntem Boden, und es gab auch wieder Tiere. Vereinzelt, aber es gab sie. Um sie zu suchen und zu jagen, brauchte die Gruppe jetzt viele Tage. Das waren Tage, an denen sie nicht wussten, wie es der Sippe ging. Es war die ständige Hoffnung, alle noch lebend vorzufinden, wenn man, im besten Fall mit Fleisch, zurück zum Stamm kam.

Das Geräusch war kratzend, wie ein Stein, der über einen anderen Stein geschoben wurde. Nur heller, intensiver, unheimlicher. Keko spürte, wie sich die Haare in seinem Nacken aufrichteten. Das Geräusch war nah, aber er flüchtete nicht. Er konnte nicht. Er wusste, dass an schnelles Rennen in seinem Zustand noch nicht zu denken war, aber er wusste auch, dass er einen Kampf vielleicht nicht gewinnen konnte. Er hoffte nur, dass er hier, hinter dem Baum, vielleicht noch nicht gesehen worden war. Keko wünschte sich zurück in seine Hütte. Zurück zu seinem Weib.
In der Gruppe war Keko der Sucher. Er hatte gelernt, sich unauffällig durch das inzwischen wieder recht hohe Gras zu schleichen, um Tiere zu finden. Er achtete immer darauf, woher der Wind kam, damit er nicht schon am Geruch gewittert wurde. Eigentlich hatte er seine Augen und Ohren immer überall. Das war auch der Grund, weshalb ihn das unerwartete Geräusch innerlich in Panik versetzte. Was immer das war, es musste sehr schnell sein.
Langsam, fast in Zeitlupentempo, drehte Keko seinen Kopf und schaute hinter sich. Nichts. Aber das Echo des Geräuschs war noch in seinem Kopf. Ein heißer Wind strich über Kekos Rücken. Dennoch hatte er eine Gänsehaut.
Ein leises Zischen erfüllte die Luft. Langsam wich Keko zurück, nicht ohne sich vorher noch einmal umzuschauen. Etwas stimmte hier nicht. Etwas stimmte ganz und gar nicht.
Der Baum zitterte leicht, als sich der Boden vor ihm langsam bewegte und öffnete. Es entstand ein Loch, erst klein, dann immer größer werdend. Das Zischen schwoll an zu einem alles durchdringenden Poltern. Keko sprang zurück, glaubte nicht, was er da sah. Halb rennend, halb kriechend wich Keko immer weiter zurück, als ihn das Loch fast zu verschlingen drohte.
Dann sah er die Schere. Etwas versuchte, sich aus dem Boden zu befreien. Etwas Großes. Keko versuchte, zu schreien, aber er konnte nicht. Noch eine Schere schob sich über den Rand des Lochs, dann schnellte ein langer Schwanz hervor. Keko erkannte, was das war, aber er glaubte es nicht. Nie hatte er einen Skorpion von dieser Größe gesehen.
Die einzigen Waffen, die Keko mit sich führte, waren sein Speer und sein aus einem Stein gehauenes, primitives Messer. Beides hielt er jetzt in den Händen, während er versuchte, rückwärts, auf dem Rücken kriechend, aus diesem Alptraum zu entkommen.
Der Skorpion zischte laut. Es klang wie ein Gewitterdonnern. Dann glitt er mit geöffneten Scheren aus dem Loch auf Keko zu.
Keko sprang auf die Beine und wich weiter zurück. Das Biest war schnell, sehr schnell. Es versuchte, ihn zu packen, aber wenn es etwas gab, das er gelernt hatte, dann war es, mit dem Speer umzugehen. Keko schlug mit einem Arm die Schere beiseite, die auf ihn zugeschossen war, und mit dem Speer zielte er zwischen die Augen des Ungeheuers. Es gab ein heiseres Geräusch, dann brach der Stiel seiner Waffe.
Im nächsten Moment sah er den Schwanz mit dem langen Stachel über sich. er warf sich zur Seite und verlor das Gleichgewicht. Im Fallen spürte er den Schmerz in seinem Arm. Ein Schmerz, der ihn fast ohnmächtig werden ließ. Aber er musste weg hier, schnell, das wusste er.
Keko rollte sich ab, im nächsten Moment stand er wieder auf den Beinen, während das Monster sich zu ihm drehte und zischte. Laut stöhnte Keko auf und sprang, so schnell er konnte, aus dem Zugriff der Schere, die laut schnappend auf seinen Bauch zielte.
Dann rannte er los.
Hinter sich hörte Keko das kratzende Geräusch, das ihm sagte, dass der Skorpion ihm folgte. Er schaute sich nicht um und lief, so schnell er konnte. Diesem Tier hatte er nichts entgegenzusetzen, das wusste er. Sein Arm fühlte sich an, als würde er verbrennen, aber Keko versuchte, den Schmerz in seinem Kopf auszuschalten. Er versuchte, ihn zu unterdrücken, und einfach nur zu rennen. Er wusste, noch etwa zweihundert Schritte, dann war er an der Schlucht, hinter der sein Dorf lag.
Jedem Moment rechnete er mit einem Schmerz in seinem Rücken, was ihm zusätzliche Kraft verlieh. Das Kratzen schien lauter zu werden, aber vielleicht war es auch nur der Klang seines Herzschlags in seinem Kopf. Da war die Schlucht.
Keko sprang.
Über sich hörte er ein wütendes Zischen, als er hart mit den Beinen auf dem Stein aufschlug, nach vorn rollte und den steilen Abhang halb rollend, halb stürzend herunter schlitterte. Es dauerte eine gefühlte Ewigkeit, bis er auf dem Grund der Schlucht zu liegen kam. Seit ganzer Körper schrie vor Schmerz. Aber die Bestie über ihm schien verschwunden zu sein.

Malla weinte, als sie ihn sah. Mit letzter Kraft hatte er sich in die Hütte geschleppt und war dort zusammengebrochen.
Mit Hilfe der anderen Frauen hatten sie ihn auf das Bett gelegt und seine Wunden notdürftig versorgt. Er schien glücklicherweise keine Knochenbrüche zu haben, das war aber das einzige Glück, das er gehabt hatte.
Die schlimmste Wunde war die an seinem Arm. Der Muskel des Unterarms war aufgerissen bis zum Knochen, und Keko hatte viel Blut verloren.
Sofort machten sich einige Frauen des Dorfes auf den Weg, Heilkräuter zu sammeln. Später am selben Abend kochte Malla einen Brei aus Pflanzen und Kräutern und bestrich die Wunde, um dann ein Fell fest um den Arm zu binden.
Malla war nicht gläubig. Trotzdem betete sie in dieser Nacht, bevor sie sich neben ihren Mann ins Bett legte.

Keko musste das Dorf warnen. Das Monster würde zurückkommen, dessen war er sich sicher, und niemand in seinem Stamm hatte dem Biest etwas entgegenzusetzen.
Sein gesamter Körper fühlte sich an, als würde er über einem Feuer geröstet. Das Schlimmste war sein Arm. Keko hoffte, er würde ihn irgendwann wieder benutzen können. Derzeit war daran nicht zu denken.
Er wusste nicht, wie lange er gelegen hatte oder wie lange er ohnmächtig gewesen war. Sein Arm war verbunden, aber auch jeder Muskel seines Körpers schmerzte. Dann durchzuckte ihn die Erkenntnis wie ein Blitz. Sein Weib und seine Kinder waren in Gefahr. Der ganze Stamm war in Gefahr. Er musste aufstehen. Er musste sie warnen. Keko wusste nicht, ob die Hütten einem Angriff des Skorpions standhalten konnten, aber er wusste, draußen war die Gefahr noch größer.
Langsam und unter Qualen richtete er seinen Kopf auf und sah sich in der Hütte um. Außer ihm war niemand im Raum. Er versuchte, zu rufen, aber außer einem Krächzen kam nichts aus seiner Kehle. Und dann diese Hitze. Das musste Fieber sein. Hohes Fieber.
Trotz allem, liegen bleiben durfte er nicht. Vielleicht war es schon zu spät. Vielleicht war die Bestie schon da. Keko schwenkte erst ein Bein, dann das andere mühevoll aus dem Bett. Die Felle, die ihn bedeckt hatten, fielen zu Boden. Keko fühlte die kühle Luft auf seiner schweißnassen Haut, dann richtete er langsam und qualvoll seinen Oberkörper auf.
Das wäre geschafft, dachte er.
Er blieb sitzen, bis der Schmerz ein wenig nachließ, dann machte er den ersten zaghaften Versuch, auf seinen Beinen zu stehen. Es funktionierte besser, als er geglaubt hatte. Ihm war schwindelig, sein Magen rebellierte, aber er stand aufrecht. Mit kleinen Schritten schleppte er sich zur anderen Ecke der Hütte, in der er seine Waffen in einer notdürftig zusammengebundenen Kiste verstaut hatte. Er nahm einen langen, steinernen Dolch, den er sonst zur Mammutjagd nutzte, und einen seiner Speere von der Wand.
Keko dachte an die Kämpfe, die er in der Vergangenheit ausgetragen hatte. Mammuts waren nicht leicht zu töten, und wenn man sie in die Enge trieb, konnten sie hart austeilen. Wenn ein Mammut erlegt war, kamen manchmal die Säbelzähne. Sie rochen das frische Blut und wollten ihren Teil. Aber auch sie waren nichts im Vergleich zu dem, was ihn dort in der Steppe angegriffen hatte.
Trotzdem, vielleicht könnten sie es töten. Er allein war zu schwach, aber wenn alle, auch die Frauen, ihre Waffen holten, hatten sie eine Chance. Es ging vor allem um die Kinder. Sie mussten geschützt werden, sie waren die Zukunft.
Die Kinder schliefen alle gemeinsam in einer großen Hütte in der Mitte des Dorfes. Das hatten sie entschieden, weil es der beste Schutz gewährleistet war. Diese Hütte musste verteidigt werden, sie alle standen mit Ihrem Leben für die Sicherheit der Kinder.
Vor allem hoffte Keko, dass die Gruppe zurückgekehrt war. Gute Kämpfer konnten sie gerade jetzt brauchen, besonders Flok, seinen Freund, der ein Meister mit dem Speer war. Auf ihn hatte er sich immer verlassen können, sie hielten sich gegenseitig den Rücken frei. Flok würde wissen, was jetzt zu tun war.
Keko setzte sich wieder auf die Kante seines Bettes und begann, sich anzuziehen. Ihn fröstelte, und gleichzeitig war ihm brennend heiß. In seinem Kopf begann sich alles zu drehen, trotzdem zwang er sich, weiterzumachen. Er stöhnte kurz auf, als er mit einem der Felle an seinen Arm kam, und bunte Lichtblitze des Schmerzes flackerten vor seinen Augen. Das war jetzt gleichgültig, er musste sich fertig machen. Er musste einfach.
Dunkle Nacht umfing ihn, als er langsam aus der Hütte trat. Niemand war zu sehen, nur das Feuer vor der Sammelstelle prasselte leise.
Keko schaute herüber zu der Hütte, in der die Kinder schliefen. Was er sah, ließ sein Herz gefrieren. Vor der Hütte wartete das Monster.
Es war kleiner, als er es in Erinnerung hatte, es stand einfach da und wartete. Ein leises Zischen war zu hören. Sofort waren alle seine Sinne hellwach. Die Schmerzen in seinem Körper fühlte er nicht mehr. Die Kinder mussten beschützt werden. Würde er jetzt schreien, wären alle verloren. Er hoffte nur, sich anschleichen und die Bestie allein töten zu können. Für Hilfe von anderen war es zu spät.
Keko schlich sich von hinten an den Angreifer. Er versuchte, keinen Laut zu machen. Genau solche Situationen hatte er jahrelang bei der Jagd geübt, das kam ihm nun zugute.
Das war nicht der Skorpion, der ihn angegriffen hatte. Dieser hier war um einiges kleiner, sah aber nicht minder gefährlich aus. Keko dachte nach. Wenn dies ein Jungtier war, bestand natürlich die Frage, wie viele dieser Kreaturen es hier gab. Er musste sie ausschalten, ohne großen Lärm zu machen. Langsam hob er seinen Speer, um ihn in den Rücken des Tieres zu rammen. Seine Erfahrung sagte ihm, dass er genau zielen und hart zuschlagen musste, um sein Opfer zu töten.
Der Skorpion stand mit dem Hinterteil zu ihm, in Richtung der großen Hütte gewandt. Er machte keinen Laut, wahrscheinlich wartete er auf Nahrung. Keko durfte sich nicht zu viel Zeit lassen. Würde eines der Kinder aus der Hütte treten, um seine Notdurft zu verrichten, wäre es im nächsten Moment tot. Und dann hätten sie alle ein viel größeres Problem.
Der Schwanz des Skorpions mit dem tödlichen Stachel war noch nicht so stark ausgebildet wie bei dem großen Tier aus der Steppe. Trotzdem schwang er bedrohlich hin und her, jedoch ohne ein Geräusch zu machen. Keko musste genau den Moment abpassen, den tödlichen Speerstoß in den Rücken des Monsters zu setzen, ohne dass ihm der Schwanz des Tieres in den Weg kam.
Dann passierte es. Keko machte einen weiteren Schritt auf das Monstrum zu, ohne auf den Boden zu achten. Ein Zweig unter seinem Fuß brach, und der Skorpion wirbelte herum. Keko hörte ein fast erstaunt klingendes, helles Quieken, dann stach er mit seinem Speer zu.
Der Panzer des Jungtiers hielt der Gewalt seines Schlages nicht stand. Keko traf das Tier unter den Augen, und der Skorpion schrie. Er schrie wie ein Kind, dann sackte er in sich zusammen. Im nächsten Moment brach die Hölle los.
Einige weitere Jungtiere waren scheinbar schon in die Hütte eingedrungen und stürzten jetzt heraus. Nun verstand Keko. Was er gerade getötet hatte, war nur ein Wächter gewesen. Ein Tier, das aufpassen sollte, wären die anderen sich in Ruhe sattfraßen. An den Kindern. An seinen Kindern.
Keko schrie. Er stürzte sich auf die Jungtiere und tötete zwei weitere von ihnen, bevor er sich in die Hütte stürzte. Der Anblick verschlug ihm den Atem. Die Hütte war voll mit Babyskorpionen. Die Kinder waren verschwunden.
Keko schlug mit seinem Speer wild um sich, achtete auch nicht auf den Schmerz, der sich von seinem Arm aus wie glühendes Eisen in seinen Körper ausbreitete. Er sah nur noch Skorpione und versuchte, so viele von ihnen wie möglich zu töten. Er wusste, diese Situation konnten seine Kinder nicht überlebt haben.
Dann hörte er den Schrei. Keko achtete nicht mehr auf die gefährlichen Stacheln und wirbelte herum.
Da stand sie. Das Muttertier stand im Eingang der Hütte und schrie. Schrei nur, du Hexe, dachte Keko und ging auf das Tier los. Um den Rest deiner Brut kümmere ich mich auch noch, jetzt bist erst einmal du dran.
Der große Skorpion wollte in die Hütte eindringen, aber Keko warf sich gegen ihn und schob ihn hinaus ins Freie. Trotz seiner Wut und der grellen Schmerzblitze in seinen Augen schaffte er es, vor ihrem giftigen Stachel und den beiden großen Scheren auszuweichen.
Der Skorpion machte ein kreischendes Geräusch und rappelte sich auf. Auch Keko war sofort wieder auf den Beinen. Er verschaffte sich einen kurzen Überblick. Die kleinen Skorpione, die noch nicht tot waren, hielten sich in sicherem Abstand. Wahrscheinlich warteten sie darauf, auch von dieser Mahlzeit noch etwas abzubekommen, schoss es Keko durch den Kopf. Ja, wartet ab, jetzt seht ihr, wie eure Mutter stirbt, dachte er grimmig. Dann seid ihr dran.
Keko warf sich auf sein Opfer. Den Speer hatte er fallen lassen, aber jetzt hatte er seinen Dolch in der Hand. Geschickt wich er einer Schere aus, dann schlug er zu. Die Schere landete abgetrennt im Sand. Rotes Blut, wie das eines Menschen, floss aus der frischen Wunde.
Dann war er auf dem Rücken des Monsters. Der Schwanz mit dem Stachel war über ihm, aber seltsamerweise schlug das Tier damit nicht zu. Stattdessen schien es zusammenzubrechen. Keko hob den Dolch, um ihn im Rücken der Kreatur zu versenken.
Plötzlich kam der Schmerz. Keko ließ den Dolch fallen. Von seinem Rücken breitete sich eine Flammenwand aus Schmerz aus, die ihn überrollte. Etwas hatte ihn erwischt. Richtig erwischt.
Mit letzter Kraft schob sich Keko vom Rücken des Skorpions und landete rücklinks im Sand. Und da sah er ihn.
Das Tier war um einiges größer als alle, gegen die er gekämpft hatte. Es war schwarz und seine Augen schienen zu glänzen. Dann hörte er den Schrei der Kreatur. Noch bevor es Nacht um ihn wurde, sah er, wie das große Tier auf ihn zustürmte. Er dachte an Malla und seine Kinder. Für seine Kinder hatte er alle Hoffnung verloren, aber bald würde er wieder bei ihnen sein. Ein kurzes Gebet. Dann starb er.

Flok warf ein weiteres Stück Holz ins Feuer.
"Das gefällt mir nicht. Das gefällt mir ganz und gar nicht."
Er starrte in die Flammen. Goyo legte seine Hand auf Floks Schulter.
"Du hast das Richtige getan."
Flok schaute nicht auf.
"Er war mein Freund, mein bester Freund. Nur für ihn und Malla habe ich meinen Anteil gespart. Ich wollte ihm helfen. Warum hat er das getan?"
Vor einem Tag waren sie von der Jagd zurückgekehrt. Sie hatten Fleisch gefunden. Nicht viel, aber es würde den Stramm ernähren, bis sie wieder los mussten.
"Ihm war nicht mehr zu helfen. Du musstest es tun."
"Ich werde Malla zu meinem Weib machen. Jemand muss sich um sie kümmern."
Goyo schreckte zurück. "Sie hat nur noch eine Hand. Sie wird nicht mehr viel sammeln können."
Traurig schaute Flok auf.
"Ich bin jung. Und sie ist jung. Wir wird es schaffen. Für den Stamm. Oder für das, was nach Keko davon übrig ist. Ich hoffe, sie verzeiht mir."
"Das muss sie. Du hast sie gerettet. Er hätte auch sie getötet, das weißt du."
"Wie die Kinder." Eine Träne lief über Floks Gesicht. "Wie seine Kinder."
Aus der Ferne hörten sie ein Geräusch, wie leiser Donner, der über das Land zieht. Dann ein Kratzen.
"Es zieht wohl ein Sturm auf.", sagte Flok und legte weiteres Feuerholz nach.
 

DocSchneider

Foren-Redakteur
Teammitglied
Hallo MarcusErtmer, herzlich Willkommen in der Leselupe!

Schön, dass Du den Weg zu uns gefunden hast. Wir sind gespannt auf Deine weiteren Werke und freuen uns auf einen konstruktiven Austausch mit Dir.

Um Dir den Einstieg zu erleichtern, haben wir im 'Forum Lupanum' (unsere Plauderecke) einen Beitrag eingestellt, der sich in besonderem Maße an neue Mitglieder richtet. http://www.leselupe.de/lw/titel-Leitfaden-fuer-neue-Mitglieder-119339.htm

Ganz besonders wollen wir Dir auch die Seite mit den häufig gestellten Fragen ans Herz legen. http://www.leselupe.de/lw/service.php?action=faq

Du hast eine sehr spannende Geschichte geschrieben! Anschaulich und packend.


Viele Grüße von DocSchneider

Redakteur in diesem Forum
 



 
Oben Unten