Kitty, Kitty, Kitty

frasdorf

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Kitty war das, was man durchaus als eine Ausgeburt der Hölle bezeichnen konnte. Es gab, zumindest für ihre Begriffe oder die ihrer Opfer, keinen annähernd zutreffenderen Vergleich. Sie lebte in einem kleinen Dorf mit dreizehn Bauernhöfen und war unangefochten die Nummer Eins. Es war ein harter Kampf, dahin zu kommen, wo sie jetzt war, aber es hat sich gelohnt. Es gab nun mal kein geileres Gefühl als absolute Macht.
Kitty streunte Nacht für Nacht von Hof zu Hof und liebte es, ihre Terrorherrschaft immer wieder aufs Neue unter Beweis zu stellen. Sie suchte die Herausforderung und fand sie, zugegeben immer seltener, aber dafür um so dramatischer. Angefangen hat es mit ein paar Raufereien, die mitunter sogar noch freundlich und im Liebestaumel ihrer wilden Jugend ausgingen. Aber mit der Zeit entwickelte sich in ihrem Inneren ein Dämon, der Besessenheit von Macht suggerierte. Sie wurde zunehmend aggressiver und in ihrem Blick spiegelte sich der erste Anflug von Mordlust. Aber noch besser war: Je brutaler sie wurde und immer wieder als Sieger hervor ging, desto immuner wurde sie für Mitgefühl.
Sie vergaß nie ihren ersten Mord. Es war eine regnerische und stürmische Nacht und das war gut so. Denn nur in solchen Nächten trieben sich die wirklich harten Artgenossen durch die Gegend. Es war ein kurzer, aber gnadenloser Kampf. Ein Bursche, sie erfuhr seinen Namen Theodor erst Wochen später, hatte ihren Weg gekreuzt und das war absolut verboten. Keine Katze durfte das und alle wussten es. Diese und noch ein paar andere merkwürdige Regeln spiegelten ihren Wahnsinn wieder. Aber nun: Er hat die Regel missachtet und nun durfte er ihren Zorn spüren. Eine Vorliebe hatte sie lieben gelernt: Sie war immer darauf aus, zuerst die Augen ihrer Opfer auszukratzen. Das gab dem Machtgefühl noch das Sahnehäubchen der absoluten Überlegenheit. Aber genau so schnell, wie sie ihnen die Sicht nahm, raubte sie ihnen auch ihr Leben. Sie hatten jedes Recht darauf verwirkt.
Das war also Kittys Leben: Töten, um des Tötens Willen. Neben den Augen gab es noch weitere Knüller: Das Fell ausreißen, den Hals durchkratzen, damit ihre „Feinde“ langsam verbluteten, den Schwanz abbeißen oder auch die Füße abfressen. Nicht nur vor dem Blut und Fleisch machte sie keinen Halt, sie fing auch damit an, sich an kleinere Hunde heran zu wagen.
Thomas Burrow war in diesem Ort ein eher schüchterner kleiner Junge, der niemanden und nichts etwas zuleide tun konnte. Er liebte es, Blumen für seine Mutter zu pflücken und sie mit Gedichten zu überraschen. Seine Mitschüler in der dritten Klasse waren der Meinung, er sei nun wirklich das wahre Abbild eines Weicheis. Nun denn, es ergab sich an einem besonders schönen Spätsommerabend, das Thomas mit einem nur wirklich glücklichen Kindern vorbehaltenen unschuldigen Lächeln im Garten herumlief und von Kitty interessiert beobachtet wurde. Sie überlegte gerade, wie sie es wohl schaffen könnte, so ein Menschenkind zu erlegen, als sich ihr Blick traf. Thomas hielt inne und sein Lächeln schwand. Langsam ging er zurück ins Haus und bemerkte, das ihm die schwarze Katze folgte.
Kitty fiel auf, das ungewöhnlich viele andere Katzen ebenfalls vor Ort waren und dachte sich: „Na, die sind wohl darauf gespannt, ob ich den Schwanz vor so einem Kind einziehe. Ich werde sie eines Besseren belehren müssen.“
Sie trottete dem Jungen hinterher, durch die offene Terrassentür, nichtsahnend in Thomas` Falle: Ein Strick, den er an einem langen Stock um ihren Hals legte. Sie drehte schier durch und wehrte sich mit allen Mitteln, aber nach etwa einer Stunde lag sie erschöpft in der Kinderzimmerecke und beobachtete mit ungläubigem Blick ihr „Opfer“. Thomas war sich nun sicher, das die Katze keinen Ärger mehr machen würde und lächelte sie an.
„Ich glaube, ich werde später mal Tierarzt“ sagte er zu Kitty, während er vor ihr ein Täschchen öffnete mit nichts weiter darin als einem etwas größeren Küchenmesser und einer verrosteten Schere. Er nahm die Schere zur Hand, schnippte ein paar Mal und ein irrer Blick legte sich auf sein Gesicht, den sie nur all zu gut kannte: Macht.
Er beugte sich zu ihr hinüber, legte mit der Schere an ihrem Schwanz an und flüsterte leise: „Kitty, Kitty, Kitty.“
Das letzte, was Kitty sah, bevor Thomas ihre Augen bei lebendigem Leib herausoperierte, war eine ganze Ansammlung von Nachbarskatzen auf dem Fensterbrett vor Thomas Zimmer. Und ALLE hatten den gleichen Blick wie Thomas.
 
Nomen est Omen

Ursprünglich veröffentlicht von frasdorf

Hallo Frasdorf,

da bin ich schon wieder. Eines muss man dir lassen, Ideen hast du. Sprachlich habe ich nichts zu meckern, bis auf ein paar kleine Übertreibungen kommt alles gut und lebendig rüber. Beim Horror - meine ich zumindest - sollte man manchmal ein bisschen untertreiben, damit mehr Platz für die Phantasie des Lesers bleibt. Dann wirkt das Grauen um so stärker.

Für den "Dämon" würde ich unbedingt einen anderen Namen wählen. Mit "Kitty" wird schon beim ersten Wort verraten, um welche Art von Teufelsbraten es sich handelt.
Den Jungen würde ich nicht als "Mamas Liebling" vorstellen. Da weiß man ja gleich - es lebe das Klischee - wen man vor sich hat. Ein Normalo wäre da ein bisschen gruseliger.

Ein paar Kleinigkeiten habe ich gleich unter die entsprechende Stelle geschrieben.

Grüße
Marlene



Kitty war das, was man durchaus als eine Ausgeburt der Hölle bezeichnen konnte.
Die Sache mit dem Namen.

Es gab, zumindest für ihre Begriffe oder die ihrer Opfer, keinen annähernd zutreffenderen Vergleich. Sie lebte in einem kleinen Dorf mit dreizehn Bauernhöfen und war unangefochten die Nummer Eins. Es war ein harter Kampf, dahin zu kommen, wo sie jetzt war, aber es hat sich gelohnt. Es gab nun mal kein geileres Gefühl als absolute Macht.
Ein "tolleres Gefühl" und einfach nur Macht würden mir reichen.

Kitty streunte Nacht für Nacht von Hof zu Hof und liebte es, ihre Terrorherrschaft immer wieder aufs Neue unter Beweis zu stellen.
Hier: einfach nur Herrschaft.

Sie suchte die Herausforderung und fand sie, zugegeben immer seltener, aber dafür um so dramatischer.
Nach "fand sie" würde ich Schluss machen. Klingt sonst zu übertrieben.

Angefangen hat es mit ein paar Raufereien, die mitunter sogar noch freundlich und im Liebestaumel ihrer wilden Jugend ausgingen. Aber mit der Zeit entwickelte sich in ihrem Inneren ein Dämon, der Besessenheit von Macht suggerierte.
Hier reicht mir "ein Gefühl unbesiegbarer Stärke".

Sie wurde zunehmend aggressiver und in ihrem Blick spiegelte sich der erste Anflug von Mordlust. Aber noch besser war: Je brutaler sie wurde und immer wieder als Sieger hervor ging, desto immuner wurde sie für Mitgefühl.
Mitgefühl hat das Biest m. W. nie gehabt. Bekommt sie einfach nur Lust auf mehr?

Sie vergaß nie ihren ersten Mord. Es war eine regnerische und stürmische Nacht und das war gut so. Denn nur in solchen Nächten trieben sich die wirklich harten Artgenossen durch die Gegend. Es war ein kurzer, aber gnadenloser Kampf.
... trieben sich die ebenbürtigen Artgenossen herum. Es war ein kurzer, harter Kampf.

Ein Bursche, sie erfuhr seinen Namen Theodor erst Wochen später, hatte ihren Weg gekreuzt und das war absolut verboten. Keine Katze durfte das und alle wussten es.
... hatte sich ihr in den Weg gestellt ...

Diese und noch ein paar andere merkwürdige Regeln spiegelten ihren Wahnsinn wieder.
Könnte man fortlassen.

Aber nun: Er hat die Regel missachtet und nun durfte er ihren Zorn spüren. Eine Vorliebe hatte sie lieben gelernt:
Der letzte Satz ist doppelt gemoppelt. Man hat eine Vorliebe.

Sie war immer darauf aus, zuerst die Augen ihrer Opfer auszukratzen. Das gab dem Machtgefühl noch das Sahnehäubchen der absoluten Überlegenheit.
Vielleicht ein wenig straffen.

Aber genau so schnell, wie sie ihnen die Sicht nahm, raubte sie ihnen auch ihr Leben. Sie hatten jedes Recht darauf verwirkt.
Das Biest nahm seinen Opfern das Augenlicht, nicht die Sicht, und tötete danach gewissermaßen als krönenden Abschluss.

Das war also Kittys Leben: Töten, um des Tötens Willen. Neben den Augen gab es noch weitere Knüller: Das Fell ausreißen, den Hals durchkratzen, damit ihre "Feinde" langsam verbluteten, den Schwanz abbeißen oder auch die Füße abfressen.
Nicht nur vor dem Blut und Fleisch machte sie keinen Halt,sie fing auch damit an, sich an kleinere Hunde heran zu wagen.
Den letzten Satz würde ich fortlassen.

Thomas Burrow war in diesem Ort ein eher schüchterner kleiner Junge, der niemanden und nichts etwas zuleide tun konnte. Er liebte es, Blumen für seine Mutter zu pflücken und sie mit Gedichten zu überraschen. Seine Mitschüler in der dritten Klasse waren der Meinung, er sei nun wirklich das wahre Abbild eines Weicheis.
s. o. Ein Normalo käme m. E. besser rüber.

Nun denn, es ergab sich an einem besonders schönen Spätsommerabend, das Thomas mit einem nur wirklich glücklichen Kindern vorbehaltenen unschuldigen Lächeln im Garten herumlief und von Kitty interessiert beobachtet wurde.
Hier müsstest du alles an einen Normalo mit großer Neugier anpassen.

Sie überlegte gerade, wie sie es wohl schaffen könnte, so ein Menschenkind zu erlegen, als sich ihr Blick traf. Thomas hielt inne und sein Lächeln schwand. Langsam ging er zurück ins Haus und bemerkte, das ihm die schwarze Katze folgte.
"Kameraschwenk" zum Jungen. Hier könntest du unterbringen, wie der Junge fühlt, dass er sich auf etwas ganz Besonderes freut. - Wird ja wohl wissen, wen er da vor sich hat.

Kitty fiel auf, das ungewöhnlich viele andere Katzen ebenfalls vor Ort waren und dachte sich: "Na, die sind wohl darauf gespannt, ob ich den Schwanz vor so einem Kind einziehe. Ich werde sie eines Besseren belehren müssen."
Würde ich fortlassen. Katzen sehen hervorragend. Kitty müsste sofort merken, was Sache ist. Außerdem sind diese anderen Viecher schon seit einiger Zeit von der Bildfläche verschwunden. Die müsste sie eigentlich vermisst haben. Waren doch nicht ihre Opfer.

Sie trottete dem Jungen hinterher, durch die offene Terrassentür, nichtsahnend in Thomas` Falle: Ein Strick, den er an einem langen Stock um ihren Hals legte. Sie drehte schier durch und wehrte sich mit allen Mitteln, aber nach etwa einer Stunde lag sie erschöpft in der Kinderzimmerecke und beobachtete mit ungläubigem Blick ihr ?Opfer?. Thomas war sich nun sicher, das die Katze keinen Ärger mehr machen würde und lächelte sie an.
Sehr gut!

"Ich glaube, ich werde später mal Tierarzt" sagte er zu Kitty, während er vor ihr ein Täschchen öffnete mit nichts weiter darin als einem etwas größeren Küchenmesser und einer verrosteten Schere. Er nahm die Schere zur Hand, schnippte ein paar Mal und ein irrer Blick legte sich auf sein Gesicht, den sie nur all zu gut kannte: Macht.
Hier würde ein kalter Blick reichen. Brutalität hat nicht unbedingt was mit Geisteskrankheit zu tun. Klingt auch ein wenig übertrieben.

Er beugte sich zu ihr hinüber, legte mit der Schere an ihrem Schwanz an und flüsterte leise: "Kitty, Kitty, Kitty."
Hier würde ich Schluss machen und den grausigen Rest der Phantasie des Lesers überlassen.

Das letzte, was Kitty sah, bevor Thomas ihre Augen bei lebendigem Leib herausoperierte, war eine ganze Ansammlung von Nachbarskatzen auf dem Fensterbrett vor Thomas Zimmer. Und ALLE hatten den gleichen Blick wie Thomas.
 

frasdorf

Mitglied
Whoa

Also, ich bin wirklich überrascht und schwer beidruckt. Ich hätte nie erwartet, dass sich jemand soo intensiv mit meinen Texten auseinandersetzt. Woanders muss man für sowas bestimmt ne Menge Geld hinblättern. Auf jeden Fall, vielen, vielen Dank, Marlene.

Momentan arbeite ich an einigen Texten und ich versuche, in jedem neuen Text die Anregungen der Leser mit einfliessen zu lassen. Also insbesondere zum Beispiel die Wortwahl. Du bist mir dabei eine enorme Hilfe. Auch eine Überarbeitung der vorhandenen Texte ist nicht ausgeschlossen. Ich werde dabei auf jeden Fall auf deine Ideen zurückgreifen.

Nochmal: Danke, danke, danke *freu*

MfG
Christian Ertl
 
G

Gelöschtes Mitglied 5196

Gast
hallo,

lass mich raten, welche geshcichte von stephen king hier inspiration war... cujo ;-), erinnert mich stark an den roman.

ja, ich bleibe -auf die sprache bezogen- bei der ansicht, die ich auch bei deinem ersten text vertreten habe: sie ist mir zu einfach (wenn das die richtige formulierung ist). hier einige beispiele zum verständnis (erster absatz):

Kitty war das, was man [red]durchaus als [/red](streichen) eine Ausgeburt der Hölle bezeichnen konnte. Es gab, zumindest für ihre Begriffe [red]oder die ihrer Opfer[/red] (würde ich klammern setzen), keinen [red]annähernd[/red] (streichen) zutreffenderen Vergleich. Sie lebte in einem kleinen Dorf mit dreizehn Bauernhöfen und war [red]unangefochten die [/red] (andersherum: die unangefochtene .../ wobei ich "Nummer Eins" nicht sehr gelungen finde) Nummer Eins. [red]Es war ein harter Kampf, dahin zu kommen, wo sie jetzt war, aber es hat sich gelohnt[/red] (besser: Der Weg dorthin war hart, aber es hat sich gelohnt/ wenn die sätze zu verschachtelt sind, macht es dem leser schnell keinen spaß mehr, manchmal völlig in ordnung -mach ich auch- aber eben nicht zu häufig). Es gab nun mal kein [red]geileres[/red] (statt "geileres" vielleicht "besseres") Gefühl als [red]absolute [/red] (streichen) Macht.

du siehst, ich finde im grunde satz für satz kleinigkeiten, die -und an dieser stelle muss ich natürlich betonen, dass es sich nur um meine meinung handelt- mich stören. vielleicht siehst du manches ebenso, dann hilft dir möglicherweise mein vorschlag.

gruß

mye
 

frasdorf

Mitglied
Adverbien

Hallo, Mye...

...um gleich mal auf dieser Stephen-King-Schiene zu bleiben: Die meisten Wörter, die du angestrichen hast, sind sogenannte Adverbien. King schreibt in "Über das Leben und Schreiben", wie sehr er solche Wörter hasst und es geradezu liebt, diese klein zu treten. Ich muss mich bei dir bedanken, denn ich habe mir zwar vorgenommen, solche Fehler zu verhindern, aber schau: Ich mache sie zuhauf. Und weiter mit Stephen-King: Inspiration (das bleibt jetzt aber unter uns) war nicht "Cujo", sondern eine etwas unbekannte Kurzgeschichte aus dem Jahre 1960 von King (!!!) mit dem Titel "The thing at the bottom of the well". Aber von dieser Geschichte auf "Kitty, Kitty, Kitty" ist es ein grooooooßer Umweg. :)))

Auf jeden Fall werde ich versuchen, in Zukunft auch ein paar Adverbien klein zu treten. Mach weiter so, Mye!!

MfG
Christian Ertl
 
G

Gelöschtes Mitglied 5196

Gast
ja

du hast recht. auch ich habe diese -wie ich finde brillante- biographie von king gelesen und muss mich manchmal auch noch sehr dazu zwingen, wegzulassen. das ist wirklich nicht einfach. aber gehst du den text am ende nochmal richtig durch, das ist keine rethorische frage, denn ich kenne das phänomen (gerade wenn man erst enfängt, was du ja schon einige male gesagt hast), dass der stolz und die freue darüber, eine geschichte zu ende gebracht zu haben, dazu verleitet, sie sozusagen kompromislos einzustellen. wenn du dir die geshcichte nochmal durchliest und genau auf diesen einen punkt achtest, dann findest du auch solche überflüssigen wörter und killst sie einfach. du darfst nur kein schlechtes gewissen haben, betrachte sie nicht als etwas, dass dir am herzen liegt... sie sind viren, die deinen text vergiften... :)

bis dann,

mye
 

frasdorf

Mitglied
Selbsteinschätzung

Ja (lach), da hast du vollkommen recht. Anfangs ist man wirklich so von sich selbst überzeugt, daß es einem wirklich, wirklich schwer fällt, auch nur ein einziges Wort zu streichen. Zwischenzeitlich achte ich aber nun verstärkt auch bei den Sachen, die ich lese (momentan "Formula" von Preston/Child) auf diese Wörter, die ja dann nicht da sein sollten. :)-)

Das ist es, was ich erreichen wollte: Lernen, lernen, lernen und Tipps, Tipps, Tipps *JUHU*

Bis demnächst, Mye

MfG
Christian Ertl
 



 
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