Klagemauer (Tanka)

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Vivi

Mitglied
Hallo Alpha !

Wäre fließender zu lesen:
Ab und an man hört
nur verzagtes Klagen

Nur meine Meinung.
L.G.Viola
 
M

mako

Gast
Hallo, Alpha,

ich lese hier kein Tanka. Ich lese zwei Sätze, die einfach auf 5 Zeilen verteilt wurden. Nur die Form 5-7-5-7-7 tut es meiner Meinung nach hier nicht.

Das möchte ich auch begründen:

Vorbild für die ersten drei Zeilen sollte das Haiku sein, wobei das Thema über das reine Naturerlebnis bzw. den Jahreszeitenbezug hinausgehen kann. Es sollte bereits in den ersten drei Zeilen im gezeichneten Bild eine Bewegung spürbar werden.

Diese Bewegung wird dann in den letzten beiden Zeilen zwar aufgegriffen, aber im Sinn einer inhaltlichen Zäsur. Diese beiden Zeilen sollten sich von den ersten drei Zeilen abheben.

Mauer kalt schweigend
bröckelt zeitlos vor sich hin
Ab und an nur hört
Die Bilder sind hier für mich nicht stimmig und du gehst über die Beschreibung eines Bildes hinaus, interpretierst: "kalt schweigend". Für den Leser sollen eigene Bilder entstehen, er soll seinen eigenen Kontext zu den Zeilen finden. Da nimmst du dem Leser schon zu viel.

Das "bröckelt zeitlos" finde ich auch nicht stimmig, das Bröckeln ist sehr wohl zeitlich, wenn auch über einen langen Zeitraum und der Verfall nimmt insbesondere in den letzten Jahren bedrohliche Ausmaße an. Gerade das ließe sich als Zäsur zu der derzeitigen Situation der gegenseitigen Zerstörung, des gegenseitigen Hasses zwischen Palästinensern und Israelis im Tanka verwenden.

man verzagendes Klagen
zwischen Stein und Augenblick
Die dritte Zeile beginnt schon ein neues Bild, ohne das erste Bild in Bewegung zu versetzen.

Die beiden letzten Zeilen (eigentlich drei Zeilen) bilden eine Zäsur, bietet die "Lösung" zu den ersten Zeilen. Das ist ok.

Aber auch hier wieder zu sehr eigene Interpretation:
"verzagendes Klagen"

Ist es denn verzagendes Klagen oder deine Interpretation, um einen klaren Bezug zum Konflikt im Nahen Osten herzustellen, das Beklagen des nicht enden wollenden Sterbens?

War und ist die Klagemauer nicht vielmehr ein Symbol der Hoffnung und Standhaftigkeit für die Juden. Hier wird gebetet, still und sicher auch zaghaft. Hier wird aber auch Rat und Hilfe gesucht und erfleht, es ist ein Ort frommer Hingabe. Zettel mit Wünschen und Bitten werden in die Ritzen der Klagemauer gesteckt

"Da zerrissen sie ihre Kleider und führten große Klage."
(1 Macc 4, 39).

Das letzte Bild gefällt mir, regt zum Nachdenken an.

Insgesamt finde ich, lässt sich an diesem Gedicht noch arbeiten, können die Bilder noch klarer werden, der Raum für den Leser größer und offener.

Da Tanka eigentlich keinen Titel tragen, würde ich den Titel direkt über dem Text wegnehmen, denn er nimmt dem Leser das Nachdenken über das Gelesene schon im Vorfeld ab, weist zu deutlich auf die "Lösung".

Lieben Gruß
Mako
 

Alpha

Mitglied
Hallo Mako

Als erstes danke ich dir für deine Mühen der intensiven Auseinandersetzung mit diesem Text. In Sachen Tanka magst du bei allem Recht haben. Ich wusste nicht, dass auch Tankas so sehr inhaltsgebunden sind wie Haikus. Das tut mir sehr leid, denn ein fröhlich-friedlich-freudig-blödes Naturerlebnis zu schildern ist selten nach meinem Geschmack.

Was den Inhalt spezieller angeht, so finde ich in durchaus korrekt. Ich glaube, du hast dich da zu sehr in die Vorschriften der Tanka-Schreiberei verbissen. Wie schon gesagt, dann ist es eben kein Tanka, das ist mir auch egal.
Und der Titel, auch wenn es im ersten Moment so aussehen mag, hat nicht im geringsten Sinne mit der Klagemauer der Juden zu tun. Es war einfach nur ein Spielchen mit einem Wort, dem entgegen der allgemeinen Kenntnis eine neue Bedeutung untergelegt wurde.
Ich dachte, das wäre Dichtern manchmal so eigen...


Grüße, Alpha
 
M

mako

Gast
Hallo, Alpha,

Ich wusste nicht, dass auch Tankas so sehr inhaltsgebunden sind wie Haikus. Das tut mir sehr leid, denn ein fröhlich-friedlich-freudig-blödes Naturerlebnis zu schildern ist selten nach meinem Geschmack.
Nein, nicht nur Naturerlebnis. Das Tanka orientiert sich vom Aufbau am Haiku, aber, wie ich schrieb, es ist thematisch nicht gebunden.

Was den Inhalt spezieller angeht, so finde ich in durchaus korrekt. Ich glaube, du hast dich da zu sehr in die Vorschriften der Tanka-Schreiberei verbissen. Wie schon gesagt, dann ist es eben kein Tanka, das ist mir auch egal
Warum nennst du es dann Tanka? :confused:
Diesen Zusatz hast du ja nicht von ungefähr im Titel zu stehen, du hast dir dabei doch etwas gedacht?
Wenn es so im Titel steht, kannst du mir sicher nicht verdenken, wenn ich dein Gedicht an den Tanka-Regeln messe. Du nennst dieses Gedicht ja auch nicht Limerick und schreibst auf Nachfrage dann, es ist dir egal, ob es ein solches ist und ich soll das nicht so verbissen sehen, oder nicht? :)

Und der Titel, auch wenn es im ersten Moment so aussehen mag, hat nicht im geringsten Sinne mit der Klagemauer der Juden zu tun. Es war einfach nur ein Spielchen mit einem Wort,
Na, ist ok, da habe ich als Leser anderes gesehen und gerade durch diesen von mir interpretierten Bezug (was ja dann doch für japanische Kurzlyrik spricht :D), hat es mich zu einer Auseinandersetzung inspiriert. ;)

Lieben Gruß
Mako
 

Vivi

Mitglied
Noch ein Vorschlag !

Hört es sich jetzt nicht doch flüssiger an?

Ab und an hört man
nur verzagendes Klagen

Nur meine Meinung.
Gute Nacht, Viola
 
M

mako

Gast
Hallo, Alpha,

mal ein Link zum Forum "Theoretisches", in dem auch zu Tanka etwas geschrieben steht und dort finden sich dann auch weiterführende Links.

http://www.leselupe.de/lw/showthread.php?threadid=49255

Hoffe doch, durchaus wieder ein Tanka von dir zu lesen. :)

Lieben Gruß
Mako

_____________________
Meine Meinung ist lediglich eine Meinung, andere sehen es sicher ganz anders. ;)
 



 
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