Klara weint

rabi

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Klara weint

Nachdem ich den kommenden Euro unter Humor und Satire eingestellt habe, und Sansibar schrieb, dass das wohl die falsche Rubrik sei, habe ich meinen Beitrag über die scheidende D-Mark unter Herzschmerz verfasst


Heute war ich am Geldautomaten. Habe hundert Mark abgehoben. Normalerweise stecke ich den Schein gleich ins Portemonnaie und bezahle damit im nächsten Geschäft. Und weg ist er.

Heute habe ich mir den Schein aber erst mal genauer angesehen. Er war noch ziemlich neu, muss wohl noch nicht durch allzu viele Hände gegangen sein. Aber sein junges Leben wird schon bald zu Ende sein. Sein Schicksal ist bereits heute besiegelt. Nur noch wenige Tage. Dann wird er in der Kasse irgend eines Geschäftes landen, von dort in einer Geldbombe zu einer Bank wandern. Und dann ist Ende der Reise. Es gibt kein zurück mehr. Nur noch eine Richtung. Zu einer der Landeszentralbanken. Von dort gibt es dann kein Entrinnen mehr. Die Schreddermaschinen, diese alles-papiergeld-fressenden Monster warten nur darauf, auch diesen Schein zu zerschnipseln, den ich jetzt noch in der Hand halte. Klara Schumann sieht ziemlich traurig darauf aus, so als habe sie es schon damals geahnt, welches Schicksal ihr bestimmt ist.

Sollte ich diesen Schein einfach behalten? Einen von vielen Aber-Millionen Scheinen vor der Vernichtung retten. Vielleicht wird er ja noch einmal wertvoll. Die Bundesbank hat ja zugesagt, hierfür jederzeit Euro 51,13 zu zahlen. Also, soviel kriege ich immer dafür. Aber was ist, wenn eines Tages alle Hundertmarkscheine geschreddert sind? Dann kommen doch wieder die Sammler und zahlen Unsummen für Klara. Besonders für so ein schönes Exemplar, wie ich es hier in Händen halte.

Neulich habe ich auf der Titelseite des Spiegel gelesen, deutsche Schüler seien doof. Aber man soll doch nur mal nach Frankreich, Spanien oder Italien gehen und die Kassiererin an der Supermarktkasse nach der Gaußschen Formel fragen. In Deutschland dagegen braucht sie nur einen Zehnmarkschein aus der Kasse zu ziehen, und schon hat sie sie parat. Und auf der Rückseite des Zehnmarkscheines gibt es noch Geographieunterricht gratis dazu. Oder wo erfährt man sonst, dass der Litberg zwischen Hamburg und Zeven liegt? Alles das soll nun verschwinden. Ob wir dann allerdings schlauer werden, wage ich zu bezweifeln.

Ja, die D-Mark geht in wenigen Tagen. Viele Deutsche werden darüber weinen, oder zumindest traurig ausschauen, so wie Klara Schumann.
 



 
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