Klassentreffen (1)

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DocSchneider

Foren-Redakteur
Teammitglied
Monika schloss aufatmend die Tür hinter sich und ließ sich auf den geschlossenen Deckel sinken. Gelobt sei der Erfinder der Toiletten, dachte sie, endlich ein Ort, an dem man alleine sein kann. Sie streckte die Beine von sich und massierte ihre Schläfen. Dieser Abend war einfach misslungen und entwickelte sich überhaupt nicht nach ihrem Geschmack. Zuerst hatte es gar nicht danach ausgesehen. Fast alle ehemaligen Klassenkameraden waren zum ersten Treffen zwanzig Jahre nach dem Schulabschluss aufgetaucht. Herrlich zu sehen, wer sich gut gehalten hatte oder wer völlig aus dem Leim gegangen war! Einige wirkten wie konserviert, andere schon mächtig angekratzt, aber alle waren sie gleichaltrig.

Bei Monika hatte es geheißen: „Du hast dich ja gar nicht verändert!“ und sie wusste nicht, ob das jetzt positiv oder negativ war. Jedenfalls hatte sie sich gefreut, einige liebe Leidensgenossen von damals wiederzusehen, denn wohl kaum jemand war gerne zur Schule gegangen. Die üblichen Cliquen rotteten sich erneut zusammen und verglichen ihre Statussymbole, Haus, Auto, Karriere, Kinder. Monika beteiligte sich nicht daran, denn irgendwann war ER aufgetaucht. Arno. Arno, mit dem sie damals nach der alkoholgetränkten Abschlussfeier knutschend neben der Parkbank gelegen hatte. Seine Hände waren überall gewesen, seine Zunge auch, seine Hose war plötzlich wie von selbst herunterglitten, aber sehr viel weiter war er nicht gekommen, tatsächlich auch nicht, denn er war schlicht zu betrunken gewesen. Ihr war das Ganze höchst peinlich erschienen. Arno hatte sie jahrelang nicht beachtet, um dann auf einmal ausgerechnet sie zu wollen. So ein Schmarrn!

Jetzt sah sie, dass Arno noch immer gut aussah, kein Bauch wölbte sich unter seinem T-Shirt wie bei manch anderem – einer trug gar einen Anzug mit Weste und Uhrkette - , die Jeans modellierte seinen perfekten Hintern und feine graue Strähnen durchzogen die noch immer blonden Haare, was ihn höchst attraktiv machte. Er trug keinen Ehering, wie Monika sofort sah, dafür aber ein Goldarmband und eine ebensolche Kette. Ach, der Typ war wahrscheinlich der üble Aufschneider geblieben, der damals die meisten Fremdwörter kannte, schon mit achtzehn Jahren ein Auto sein eigen nannte, mit dem er grundsätzlich links fuhr und das eine eingebaute Vorfahrt hatte. Sie beobachtete ihn nun, wie er plaudernd umher ging und schließlich auch zu ihr kam. Er hauchte ihr zwei Küsschen rechts und links auf die Wangen und sagte: „Mensch, du hast dich ja fast gar nicht verändert! Super siehst du aus – wenn man sich dagegen einige andere Maschinen hier anguckt.....“, schloss er vielsagend und zwinkerte ihr zu. Blöder Kerl, dachte Monika. Der hält sich wohl für besonders schön. „Was ist aus dir geworden?“, frage sie höflich und dachte: Hoffentlich erinnert er sich nicht an unsere letzte Begegnung! „Oh, ich bin Kardiologe in Duisburg. Also falls du mal etwas am Herzen hast, ich bin immer für dich da! Ich operiere auch, deshalb habe ich ständig ein scharfes Messer dabei“, entgegnete er und senkte dann die Stimme: „Außerdem habe ich noch was ganz anderes dabei...wie wäre es denn noch ein Mal mit uns beiden, das letzte Mal war ja ein bisschen...“, er verstummte und blickte sie herausfordernd an.

Monika schwieg entsetzt und wie üblich fiel ihr keine schlagfertige Antwort ein. Wichser, dachte sie, der hat sich kein bisschen verändert. „Ich muss mal auf die Toilette“, antwortete sie lahm und verschwand so schnell wie möglich. Und so saß sie nun hier und überlegte, wie sie den restlichen Abend gestalten sollte, ohne Arno zu begegnen. Hoffentlich könnte er eine andere aufreißen, dann wäre sie ihn los. Seine plumpe Anmache hatte sie verletzt. Sie blickte in den Spiegel, erneuerte ihr Make-up und verließ die Toilette.

Auf dem Weg zurück in den Saal kam ihr Sally entgegen. Sie und Monika hatten nie viel miteinander zu tun gehabt, aber auch keinen Streit ausgetragen. „Na, findest du es auch langweilig, dieses harmoniesüchtige Revival?“, fragte sie und blieb stehen. Monika sagte leise: „Ich muss Arno aus dem Weg gehen. Der hat mich angemacht, der ist noch genauso doof wie früher!“ „Ach der Arno! Vergiss den. Männer sind doch nur testosterongesteuerte Vollidioten! Komm mit, wir gehen in die Sektbar. Da ist es ruhiger. Ich gebe dir einen aus!“ antwortete Sally und zog Monika mit sich.

Bald stießen sie mit zwei gefüllten Sektgläsern an und erzählten sich aus ihren beiden Leben, welche völlig unterschiedlich verlaufen waren. Aber das machte nichts, sie wurden immer vertrauter und kicherten und lachten und nach dem dritten Glas Sekt stellte Monika fest, dass der Abend doch nicht so schlecht werden würde wie befürchtet. Sally blickte sie plötzlich spitzbübisch an. „Und sonst?“, fragte sie und strich leicht mit ihren Fingern über Monikas rechten Unterarm.

Monika zuckte zusammen. Die feinen Härchen stellten sich auf. Was meinte Sally mit ihrer Bemerkung? Und mit ihrer Berührung? „Ich meine“, fuhr Sally fort, als hätte sie Monikas Gedanken gelesen, „ sehnst du dich nicht manchmal nach etwas ganz ...Neuem, etwas ganz Verrücktem?“ und federleicht fuhren ihre Finger wieder über Monikas Arm, drehten ihn sanft um und zeichneten feine Linien auf die Haut.

Monika schluckte. Was tat Sally da? Ob es jemand gesehen hatte? Vorsichtig blickte sie sich um, aber sie waren fast alleine in der Bar. Ihr ganzer Arm schien zu kribbeln. Sally hielt ihre Hand fest und spielte mit ihren Fingern. Monika durchfuhr ein Schauer. So etwas hatte sie noch nie erlebt. Was hatte Sally denn vor? Sie beide waren doch gestandene Ehefrauen....zumindest hatte sie das angenommen.

Sally senkte den Blick, näherte sich Monikas rechtem Ohr und flüsterte: „Komm mit, ich zeig dir was“, und ihre Lippen streiften kurz die Muschel, küssten zärtlich das Ohrläppchen und glitten am Hals abwärts. Monikas Herz klopfte. Das musste jetzt sofort hier aufhören, sofort! Aber zu ihrer eigenen Überraschung tat sie nichts, um Sally aufzuhalten. Nahezu willenlos stand sie auf und folgte ihr leicht schwankend. Der Sekt tat auch seine Wirkung, alles wirkte verschwommen. Sally hatte ihre Hand ergriffen und führte sie zielstrebig an dem gefüllten großen Saal vorbei.

(Fortsetzung folgt)
 

Hagen

Mitglied
Hallo Doc,

hoffentlich folgt die Fortsetzung recht bald. Ich brenne drauf!

Pass aber auf, dass die Forenredakteure dich nicht ins 'Nirwana', sprich 'lange Texte' verschiebt.
Das ist mir auch schon passiert bei 'Krimis und Thriller', seit dem liest das kaum noch Jemand, aber egal.

Liebe Grüße
Yours Hagen

_________
nichts endet wie geplant!
 

DocSchneider

Foren-Redakteur
Teammitglied
Hehe, Hagen, der zweite Teil ist schon fertig. Wie lange kannst Du warten?! ;-)
LG Doc

P.S. Er ist etwas kürzer und hoffentlich wird das Ganze dann nicht verschoben.
 

DocSchneider

Foren-Redakteur
Teammitglied
Monika schloss aufatmend die Tür hinter sich und ließ sich auf den geschlossenen Deckel sinken. Gelobt sei der Erfinder der Toiletten, dachte sie, endlich ein Ort, an dem man alleine sein kann. Sie streckte die Beine von sich und massierte ihre Schläfen. Dieser Abend war einfach misslungen und entwickelte sich überhaupt nicht nach ihrem Geschmack. Zuerst hatte es gar nicht danach ausgesehen. Fast alle ehemaligen Klassenkameraden waren zum ersten Treffen zwanzig Jahre nach dem Schulabschluss aufgetaucht. Herrlich zu sehen, wer sich gut gehalten hatte oder wer völlig aus dem Leim gegangen war! Einige wirkten wie konserviert, andere schon mächtig angekratzt, aber alle waren sie gleichaltrig.

Bei Monika hatte es geheißen: „Du hast dich ja gar nicht verändert!“ und sie wusste nicht, ob das jetzt positiv oder negativ war. Jedenfalls hatte sie sich gefreut, einige liebe Leidensgenossen von damals wiederzusehen, denn kaum jemand war gerne zur Schule gegangen. Die üblichen Cliquen rotteten sich erneut zusammen und verglichen ihre Statussymbole, Haus, Auto, Karriere, Kinder. Monika beteiligte sich nicht daran, denn irgendwann war ER aufgetaucht. Arno, mit dem sie damals nach der alkoholgetränkten Abschlussfeier knutschend neben der Parkbank gelegen hatte. Seine Hände waren überall gewesen, seine Zunge auch, seine Hose war plötzlich wie von selbst herunterglitten, aber sehr viel weiter war er nicht gekommen, tatsächlich auch nicht, denn er war schlicht zu betrunken gewesen. Ihr war das Ganze höchst peinlich erschienen. Arno hatte sie jahrelang nicht beachtet, um dann auf einmal ausgerechnet sie zu wollen. So ein Schmarrn!

Jetzt sah sie, dass Arno noch immer gut aussah, kein Bauch wölbte sich unter seinem T-Shirt wie bei manch anderem, die Jeans modellierte seinen perfekten Hintern und feine graue Strähnen durchzogen die noch immer blonden Haare, was ihn höchst attraktiv machte. Er trug keinen Ehering, wie Monika sofort sah, dafür aber ein Goldarmband und eine ebensolche Kette. Ach, der Typ war wahrscheinlich der üble Aufschneider geblieben, der damals die meisten Fremdwörter kannte, schon mit achtzehn Jahren ein Auto sein eigen nannte, das eine eingebaute Vorfahrt hatte und mit dem er grundsätzlich links fuhr. Sie beobachtete ihn nun, wie er plaudernd umher ging und schließlich auch zu ihr kam. Er hauchte ihr Küsschen rechts und links auf die Wangen und sagte: „Mensch, du hast dich ja fast gar nicht verändert! Super siehst du aus – wenn man sich dagegen einige andere Maschinen hier anguckt.....“, schloss er vielsagend und zwinkerte ihr zu. Blöder Kerl, dachte Monika. Der hält sich wohl für besonders schön. „Was ist aus dir geworden?“, frage ich höflich und dachte: Hoffentlich erinnert er sich nicht an unsere letzte Begegnung! „Oh, ich bin Kardiologe in Duisburg. Also falls du mal etwas am Herzen hast, ich bin immer für dich da! Ich operiere auch, deshalb habe ich ständig ein scharfes Messer dabei“, entgegnete er und senkte dann die Stimme: „Außerdem habe ich noch was ganz anderes dabei...wie wäre es denn noch ein Mal mit uns beiden, das letzte Mal war ja ein bisschen...“, er verstummte und blickte sie herausfordernd an.

Monika schwieg entsetzt und wie üblich fiel ihr keine schlagfertige Antwort ein. Wichser, dachte sie, der hat sich kein bisschen verändert. „Ich muss mal auf die Toilette“, antwortete sie lahm und verschwand so schnell wie möglich. Und so saß sie nun hier und überlegte, wie sie den restlichen Abend gestalten sollte, ohne Arno zu begegnen. Hoffentlich könnte er eine andere aufreißen, dann wäre sie ihn los. Seine plumpe Anmache hatte sie verletzt. Sie blickte in den Spiegel, erneuerte ihr Make-up und verließ die Toilette.

Auf dem Weg zurück in den Saal kam ihr Sally entgegen. Sie und Monika hatten nie viel miteinander zu tun gehabt, aber auch keinen Streit ausgetragen. „Na, findest du es auch langweilig, dieses harmoniesüchtige Revival?“, fragte sie und blieb stehen. Monika sagte leise: „Ich muss Arno aus dem Weg gehen. Der hat mich angemacht, der ist noch genauso doof wie früher!“ „Ach der Arno! Vergiss den. Männer sind doch nur testosterongesteuerte Vollidioten! Komm mit, wir gehen in die Sektbar. Da ist es ruhiger. Ich gebe dir einen aus!“ antwortete Sally und zog Monika mit sich.

Bald stießen sie mit zwei gefüllten Sektgläsern an und erzählten sich aus ihren beiden Leben, welche völlig unterschiedlich verlaufen waren. Aber das machte nichts, sie wurden immer vertrauter und kicherten und lachten und nach dem dritten Glas Sekt stellte Monika fest, dass der Abend doch nicht so schlecht werden würde wie befürchtet. Sally blickte sie plötzlich spitzbübisch an. „Und sonst?“, fragte sie und strich leicht mit ihren Fingern über Monikas rechten Unterarm.

Monika zuckte zusammen. Die feinen Härchen stellten sich auf. Was meinte Sally mit ihrer Bemerkung? Und mit ihrer Berührung? „Ich meine“, fuhr Sally fort, als hätte sie Monikas Gedanken gelesen, „ sehnst du dich nicht manchmal nach etwas ganz ...Neuem, etwas ganz Verrücktem?“, und federleicht fuhren ihre Finger wieder über Monikas Arm, drehten ihn sanft um und zeichneten feine Linien auf die Haut.

Monika schluckte. Was tat Sally da? Ob es jemand gesehen hatte? Vorsichtig blickte sie sich um, aber sie waren fast alleine in der Bar. Ihr ganzer Arm schien zu kribbeln. Sally hielt ihre Hand fest und spielte mit ihren Fingern. Monika durchfuhr ein Schauer. So etwas hatte sie noch nie erlebt. Was hatte Sally denn vor? Sie beide waren doch gestandene Ehefrauen....zumindest hatte sie das angenommen.

Sally senkte den Blick, näherte sich Monikas rechtem Ohr und flüsterte: „Komm mit, ich zeig dir was“, und ihre Lippen streiften kurz die Muschel, küssten zärtlich das Ohrläppchen und glitten am Hals abwärts. Monikas Herz klopfte. Das musste jetzt sofort hier aufhören, sofort! Aber zu ihrer eigenen Überraschung tat sie nichts, um Sally aufzuhalten. Nahezu willenlos stand sie auf und folgte ihr leicht schwankend. Der Sekt tat auch seine Wirkung, alles wirkte verschwommen. Sally hatte ihre Hand ergriffen und führte sie zielstrebig an dem gefüllten großen Saal vorbei.

(Fortsetzung folgt)
 



 
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