Klassentreffen (4. und letzter Teil)

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DocSchneider

Foren-Redakteur
Teammitglied
Es gab ein fürchterlich knirschendes Geräusch, Arno kippte vornüber und knallte auf Sally. Monika starrte wie hypnotisiert auf die klaffende Wunde in Arnos Hinterkopf, aus der sofort reichlich das Blut schoss. Sie besah sich den Schaden näher. Oh, sie konnte zum ersten Mal in ihrem Leben in Arnos Kopf hineinsehen! Es schimmerte weißlich-gräulich durch all das Blut. Ob das Arnos Gehirn war? Fast war sie versucht, die Hand auszustrecken, in das Loch zu fassen und alles zu berühren. Plötzlich aber wurde sie sich bewusst, in welcher Situation sie sich befand. Die blutverschmierte Sally unter dem heftig blutenden Arno, sie selbst einer Nemesis gleich mit einem zerdepperten Bierkrug in der Hand, dessen Splitter sich über Arno ausbreiteten. Was sollte sie jetzt tun?
Arno gab stöhnende Laute von sich und sie dachte, ich muss einen Arzt holen! Sofort entschlüpfte ihr ein beinahe sardonisches Lächeln: Ha, Arno war selbst Arzt, sollte er sich helfen, wenn er noch konnte. Sally bewegte sich jetzt unter der Last seines Körpers und öffnete wieder vorsichtig die Augen. Scheiße, dachte Monika, ich muss hier weg. Ich kann das nie und nimmer jemandem erklären. Sie stellte den Bierkrug neben Sally, wischte ihn notdürftig mit ihrem Blusenärmel ab und spähte in den Gang. Die Luft war rein, also nichts wie hin zur Toilette. Sie schloss sich in einer Kabine ein und betrachtete ihr weißes Gesicht im Spiegel. So sah also eine Mörderin aus, denn sie war fest davon überzeugt, dass Arno dieses Loch in seinem Kopf nicht überleben würde.
Das fehlte noch, dass dieser bekloppte Typ es auch nach Jahrzehnten noch schaffen würde, ihr Leben zu zerstören. Sie würde hinter Gitter kommen. Sie würde ihre Familie verlassen müssen. Sie bekäme nie wieder ein Bein auf den Boden, nur in ein privates Fernsehstudio, das ihre Geschichte mit Vorliebe preis geben würde. Nein, so weit durfte es nicht kommen! Sie würde sich nicht limboartig in gesellschaftliche Niederungen begeben, sie nicht! Sie musste die Normale spielen. Hier war der perfekte Ort zum Üben. Sie kniff sich in die Wangen, um etwas Farbe hinein zu bringen und sagte zu ihrem Spiegelbild: "Hallo, ich glaube, ich fahre gleich nach Hause. Ist schon spät....und wir machen doch nochmal ein Treffen?" Das klang ja furchtbar, so wie sie das sagte! Also nochmal, nochmal und nochmal. Schließlich war sie zufrieden. Sie entriegelte die Tür und ging in den Saal zurück. Das Zimmer des Grauens würdigte sie mit keinem Blick.
Im Saal traf sie gleich auf eine angeheiterte Gruppe, bestehend aus Werner, Paula und Lothar, und sagte ihr geübtes Sprüchlein auf. Niemand schöpfte Verdacht. Sie hakte sich bei Paula unter und plötzlich sagte Werner: "Wo ist eigentlich Arno? Der wollte nur zum Klo, ist aber schon lange weg!" "Der hat sicherlich jemand zum Nageln gefunden", warf Paula ein, "guck doch mal, wer von den Weibern auch verschwunden ist!" "Klar, Sally ist auch nicht da, komm, wir gehen die beiden suchen! Denen vermasseln wir aber die Tour", rief Lothar und alle drei schwärmten Richtung Toilette aus. Monika nahm sich einen Ouzo - sie fand, das sei der richtige Moment für einen Schnaps - und hielt den Atem an.
Tatsächlich, zwei Minuten später ertönten spitze Schreie und entsetzte Ausrufe. "Schnell, ruf einen Krankenwagen, jetzt mach!" war zu vernehmen und Werner stürzte mit leichenblassem Gesicht zurück in den Saal. "Arno und Sally liegen übereinander in ihrem Blut, Sally hat dem wohl mit nem Bierkrug einen verbraten, sie ist bei Bewusstsein, aber Arno hat es übel erwischt", berichtete Werner, der zwar nur Tierarzt war, aber den Ernst der Lage erkannt hatte. "Mann, der kratzt ab!", schrie Paula, die ebenfalls in den Saal gelaufen kam. "Ach, was weißt denn du, du bist bloß Zahnärztin", ereiferte sich Werner, "so schnell stirbt es sich nicht!". "Halt die Klappe", schimpfte Paula drauflos, "wer Kälber herauszerrt, hat eh keine Ahnung" und es sah aus, als gäbe es gleich die nächsten Verletzten. "Habt ihr jetzt endlich den Notarzt gerufen?", fragte Lothar, der dazustieß, während sich am Unfallort immer mehr Schaulustige drängten. "Ja, habe ich", antwortete Werner und im selben Moment hörten sie schon die Sirene.
Monika hielt sich dezent im Hintergrund, als das Notärzte-Team, unterstützt von gut gemeinten, aber falschen fachmännischen Ratschlägen von Werner und Paula die Verletzten behandelte. Vorsichtig trennten sie Sally und Arno, führten die Erstversorgung der Wunden durch und brachten beiden auf zwei Tragen heraus. Paula ging heulend hinterher. "Wie schlimm ist es?", wagte Monika zu fragen. "Die werden wieder", brummte einer der Notärzte, "dann können sie es ja nochmal miteinander versuchen!" Monika war erleichtert. Sie war keine Mörderin!
In kleinen Gruppen standen die Ehemaligen zusammen, um die Ereignisse zu beraten. Auf einen Schlag schienen alle nüchtern zu sein. "Ist doch klar, was da passiert ist", referierte Lothar, der vernünftige Rechtsanwalt. "Arno hat Sally angebaggert, sie gingen in den Raum, dann wollte sie nichts mehr oder nicht so viel wie er, also hat sie ihm den Krug über den Schädel gedonnert! Allerdings ist Sally auch verletzt. Vermutlich hat er sie vorher irgendwie vertrümmt!", schloss er. Monika schwieg. Sie dachte, falls Sally oder Arno auspacken, nehme ich Lothar als Rechtsbeistand. Ihn konnte ich schon immer gut leiden ....bald zerstreuten sich alle, um nach Hause zu fahren. Monika war sehr mit sich zufrieden. Von wegen verhuschtes Weib! Nein, sie hatte die Situation bis dahin gut gemeistert und war stolz auf sich.
Am nächsten Morgen fragte Monikas Familie, wie denn ihr Klassentreffen gewesen sei. "Ach, das Übliche", entgegnete sie und strich Leberwurst auf ihr Brötchen, "die gleichen Idioten wie früher! Ich glaube, das war definitiv mein letztes Treffen! Zwei waren so betrunken, dass sie sogar ins Krankenhaus mussten! Unmöglich!" Ihre Familie nickte zufrieden. Genau, Klassentreffen waren blöd! -

Epilog: Sally konnte das Krankenhaus einen Tag später mit genähter Stirn verlassen. Sie erinnerte sich nur noch daran, dass Monika sie verschmäht hatte. Sie traute sich nicht, sie zu fragen, ob sie ihr die Verletzung beigebracht hatte, weil sie sich inzwischen entsetzlich für ihr damaliges Angebot schämte. Sie besuchte Arno auf der Intensivstation, wo dieser sein inzwischen aufgetretenes Herzproblem heimlich selbst behandelte. Arno ließ sie in dem Glauben, dass sie ihn in Panik niedergeschlagen hatte, weil sie seine angebotene Hilfe falsch deutete. Er würde die Sache aber auch sich beruhen lassen, weil er Angst hatte, dass Monika die Wahrheit erzählen würde. Sally wiederum verschwieg, weshalb sie mit Monika in dem Raum gewesen war. Monika stellten sie nicht zur Rede. So verstrickten sie sich in ein Gespinst aus Lügen und Schweigen.

Sie sahen sich nie wieder. Monika lebte inzwischen mit Lothar zusammen, sie fühlte sich dadurch sehr sicher, falls Sally und Arno doch auf die Idee kämen, alles auszuplaudern. Sally zog sich völlig ins Privatleben zurück und suchte nie mehr den Kontakt zu Frauen. Arnos Genesung dauerte lange, er verlor seine Stelle in der Klinik. Heute ist er Leiter eines Gesundheitsamtes in Bayern.
 
U

USch

Gast
Hallo Doc,
da ich so lange Texte nicht am Monitor lesen mag, hab ich die vier Teile mal zusammengefasst und ausgedruckt.
Grundsätzlich mag ich es nicht so gern, wenn Kettengeschichten geschrieben werden, die doch eher Erzählungen sind. In deinem Fall hängt das wohl mit dem sukzessiven Entstehen und gewünschtem Feedback zusammen. Ich finde das o.K, wenn die LL als Arbeitsforum im Prozessgeschehen fungiert. Aber da meistens sofort gewertet wird, ist das etwas problematisch.
Wenn Kettengeschichten, dann muss am Ende eines Teils so viel Neugier auf eine Fortsetzung bestehen, dass man unbedingt weiter lesen will. In deiner Geschichte steigt mit zunehmender Abstrusität des Geschehens die Spannung ständig an, was eine Steigerung des Lesevergnügens schafft.

Ein paar redaktionelle Anmerkungen und Korrekturen:
Du schreibst sehr oft >herunter<. Manchmal würde besser hinunter passen, sowohl vom Blickwinkel als auch von der Sprachmelodie (Wdh.)

Monika schloss aufatmend die Tür hinter sich und ließ sich auf den geschlossenen Deckel sinken. Gelobt sei der Erfinder der Toiletten, dachte sie, endlich ein Ort, an dem man alleine sein kann. Sie streckte die Beine von sich und massierte ihre Schläfen. Dieser Abend war einfach misslungen und entwickelte sich überhaupt nicht nach ihrem Geschmack. Zuerst hatte es gar nicht danach ausgesehen. Fast alle ehemaligen Klassenkameraden waren zum ersten Treffen zwanzig Jahre nach dem Schulabschluss aufgetaucht. Herrlich zu sehen, wer sich gut gehalten hatte oder wer völlig aus dem Leim gegangen war! Einige wirkten wie konserviert, andere schon mächtig angekratzt, aber alle waren sie gleichaltrig.

Bei Monika hatte es geheißen: „Du hast dich ja gar nicht verändert!“ und sie wusste nicht, ob das jetzt positiv oder negativ war. Jedenfalls hatte sie sich gefreut, einige liebe Leidensgenossen von damals wiederzusehen, denn [strike][red]wohl [/red][/strike]kaum jemand war gerne zur Schule gegangen. Die üblichen Cliquen rotteten sich erneut zusammen und verglichen ihre Statussymbole, Haus, Auto, Karriere, Kinder. Monika beteiligte sich nicht daran, denn irgendwann war ER aufgetaucht. [strike][red]Arno.[/red][/strike] Arno, mit dem sie damals nach der alkoholgetränkten Abschlussfeier knutschend neben der Parkbank gelegen hatte. Seine Hände waren überall gewesen, seine Zunge auch, seine Hose war plötzlich wie von selbst herunterglitten, aber sehr viel weiter war er nicht gekommen, [strike][red]tatsächlich auch nicht, [/red][/strike]denn er war schlicht zu betrunken gewesen. Ihr war das Ganze höchst peinlich erschienen. Arno hatte sie jahrelang nicht beachtet, um dann auf einmal ausgerechnet sie zu wollen. So ein Schmarrn!

Jetzt sah sie, dass Arno noch immer gut aussah, kein Bauch wölbte sich unter seinem T-Shirt wie bei manch anderem [strike][red]– einer trug gar einen Anzug mit Weste und Uhrkette - [/red][/strike], die Jeans modellierte seinen perfekten Hintern und feine graue Strähnen durchzogen die noch immer blonden Haare, was ihn höchst attraktiv machte. Er trug keinen Ehering, wie Monika sofort sah, dafür aber ein Goldarmband und eine ebensolche Kette. Ach, der Typ war wahrscheinlich der üble Aufschneider geblieben, der damals die meisten Fremdwörter kannte, schon mit achtzehn Jahren ein Auto sein eigen nannte, [strike][red]mit dem er grundsätzlich links fuhr und [/red][/strike]das eine eingebaute Vorfahrt hatte. Sie beobachtete ihn nun, wie er plaudernd umher ging und schließlich auch zu ihr kam. Er hauchte ihr [strike][red]zwei [/red][/strike]Küsschen rechts und links auf die Wangen und sagte: „Mensch, du hast dich ja fast gar nicht verändert! Super siehst du aus – wenn man sich dagegen einige andere Maschinen hier anguckt.....“, schloss er vielsagend und zwinkerte ihr zu. Blöder Kerl, dachte Monika. Der hält sich wohl für besonders schön. „Was ist aus dir geworden?“, [red][strike]frage sie [/strike][/red][blue]fragte ich[/blue] höflich und dachte: Hoffentlich erinnert er sich nicht an unsere letzte Begegnung! „Oh, ich bin Kardiologe in Duisburg. Also falls du mal etwas am Herzen hast, ich bin immer für dich da! Ich operiere auch, deshalb habe ich ständig ein scharfes Messer dabei“, entgegnete er und senkte dann die Stimme: „Außerdem habe ich noch was ganz anderes dabei...wie wäre es denn noch ein Mal mit uns beiden, das letzte Mal war ja ein bisschen...“, er verstummte und blickte sie herausfordernd an.

Monika schwieg entsetzt und wie üblich fiel ihr keine schlagfertige Antwort ein. Wichser, dachte sie, der hat sich kein bisschen verändert. „Ich muss mal auf die Toilette“, antwortete sie lahm und verschwand so schnell wie möglich. Und so saß sie nun hier und überlegte, wie sie den restlichen Abend gestalten sollte, ohne Arno zu begegnen. Hoffentlich könnte er eine andere aufreißen, dann wäre sie ihn los. Seine plumpe Anmache hatte sie verletzt. Sie blickte in den Spiegel, erneuerte ihr Make-up und verließ die Toilette.

Auf dem Weg zurück in den Saal kam ihr Sally entgegen. Sie und Monika hatten nie viel miteinander zu tun gehabt, aber auch keinen Streit ausgetragen. „Na, findest du es auch langweilig, dieses harmoniesüchtige Revival?“, fragte sie und blieb stehen. Monika sagte leise: „Ich muss Arno aus dem Weg gehen. Der hat mich angemacht, der ist noch genauso doof wie früher!“ „Ach der Arno! Vergiss den. Männer sind doch nur testosterongesteuerte Vollidioten! Komm mit, wir gehen in die Sektbar. Da ist es ruhiger. Ich gebe dir einen aus[blue]!“,[/blue] antwortete Sally und zog Monika mit sich.

[blue]Du hast im Folgenden des öfteren Kommas hinter >Frage- oder Ausrufezeichen und "< vergessen zu setzen. Das würde ich noch mal gegenlesen und korrigieren.[/blue]

Bald stießen sie mit zwei gefüllten Sektgläsern an und erzählten sich aus ihren beiden Leben, welche völlig unterschiedlich verlaufen waren. Aber das machte nichts, sie wurden immer vertrauter und kicherten und lachten und nach dem dritten Glas Sekt stellte Monika fest, dass der Abend doch nicht so schlecht werden würde wie befürchtet. Sally blickte sie plötzlich spitzbübisch an. „Und sonst?“, fragte sie und strich leicht mit ihren Fingern über Monikas rechten Unterarm.

Monika zuckte zusammen. Die feinen Härchen stellten sich auf. Was meinte Sally mit ihrer Bemerkung? Und mit ihrer Berührung? „Ich meine“, fuhr Sally fort, als hätte sie Monikas Gedanken gelesen, „ sehnst du dich nicht manchmal nach etwas ganz ...Neuem, etwas ganz Verrücktem?“ und federleicht fuhren ihre Finger wieder über Monikas Arm, drehten ihn sanft um und zeichneten feine Linien auf die Haut.

Monika schluckte. Was tat Sally da? Ob es jemand gesehen hatte? Vorsichtig blickte sie sich um, aber sie waren fast alleine in der Bar. Ihr ganzer Arm schien zu kribbeln. Sally hielt ihre Hand fest und spielte mit ihren Fingern. Monika durchfuhr ein Schauer. So etwas hatte sie noch nie erlebt. Was hatte Sally denn vor? Sie beide waren doch gestandene Ehefrauen....zumindest hatte sie das angenommen.

Sally senkte den Blick, näherte sich Monikas rechtem Ohr und flüsterte: „Komm mit, ich zeig dir was“, und ihre Lippen streiften kurz die Muschel, küssten zärtlich das Ohrläppchen und glitten am Hals abwärts. Monikas Herz klopfte. Das musste jetzt sofort hier aufhören, sofort! Aber zu ihrer eigenen Überraschung tat sie nichts, um Sally aufzuhalten. Nahezu willenlos stand sie auf und folgte ihr leicht schwankend. Der Sekt tat auch seine Wirkung, alles wirkte verschwommen. Sally hatte ihre Hand ergriffen und führte sie zielstrebig an dem gefüllten großen Saal vorbei.

Sie gingen in Richtung Toiletten und als sie diese passiert hatten, standen sie plötzlich vor einer Tür mit der Aufschrift „Privat – Kein Zutritt“. „Das ist ja genau richtig für uns“, flüsterte Sally und drückte vorsichtig die Klinke herunter. Tatsächlich, der Raum war nicht verschlossen. Das aufflammende Licht gab den Blick auf Regale frei, die mit allerhand Vorräten gefüllt waren: Gläser, Bierdeckel, Tischdecken, Prospekte – alles das, was ein Restaurant immer mal wieder brauchte. Sally schloss die Tür und drängte Monika gegen ein Regal. Monikas Kopf berührte einen Stapel karierter weicher Decken, ihr Rücken drückte gegen Kartons. Ihr war schwindelig, doch sie spürte Sallys Hände, die über ihren Körper strichen, ihn erkundeten und dann legten sich die Lippen auf ihren Mund.

Vorsichtig versuchte Sally, ihn mit ihrer Zunge zu öffnen, aber im selben Moment zuckte Monika zurück, ihr Körper wehrte sich gegen den anderen weiblichen und die Erkenntnis des widrigen falschen Begehrens überkam sie in dem Moment, als sich Sally zudem an Monikas Bluse zu schaffen machte. Monika stieß Sally von sich und keuchte: „Lass mich in Ruhe! So etwas muss ich nicht haben!“ und hielt sie auf Armeslänge von sich.

Sallys Augen blitzten wütend. Sie umfasste Monikas Handgelenke mit einem schmerzhaften Griff. „Wieso, du wolltest es auch!“, rief sie empört, „Oder habe ich dich so falsch verstanden?“ „Nein, aber ich“, setzte Monika an, „ich will das nicht, ich kann das nicht, lass mich jetzt wirklich in Frieden“. Die Situation kam ihr surreal vor und sie sah Sally und sich selbst wie auf einer Bühne. Sally schnappte nach Luft. „Du bist noch genauso spießig wie früher, du verhuschtes Weib, du langweiliges Stück, was ist schon dabei, es auch mal mit einer Frau zu versuchen, herrje, nen Mann haben wir doch immer! Aber nein, du bist halt einfach eine....“, sie suchte nach einem Ausdruck, „einfach eine... Doris Day mit ihrem pieksauberen Badezimmersex, also total verklemmt!“ Monika entwand sich Sallys Handgriffen und sagte leise: „Ich gehe jetzt. Ich fahre dann auch gleich. Mit dem Taxi, anders geht es ja nicht mehr.“ Sally stellte sich vor die Tür. „So einfach kommst du mir nicht davon, du Schlampe!“, giftete sie und ihre Gesichtszüge entglitten ihr in gleichem Maße wie ihr Mundwerk. „Ich rette dir den Abend, nachdem dich dieser blöde Arsch Arno angebaggert hat, du lässt dich von mir hierher bringen und nun machst du die Fliege! Bäh!“ Sie streckte ihr die Zunge raus.

Monika dachte: Sie ist ja total betrunken! Bloß raus hier! Sie packte Sallys linken Arm und zerrte sie mit ihrer ganzen Kraft, die sie aufbieten konnte, von der Tür weg. Sally schwankte. „Pack mich nicht an!“, schrie sie und wollte Monika mit ihrer freien Hand wegschieben. Dabei verlor sie das Gleichgewicht und drohte zu fallen. Monika packte erschrocken ihren Arm noch fester, konnte aber nicht verhindern, dass Sally tatsächlich umkippte. Instinktiv ließ Monika sie los. Sally fiel gegen ein mit Gläsern gefülltes Regal. Mit lautem Getöse krachten zahlreiche Gläser zu Boden und begruben Sally, die mit dem Gesicht nach unten auf den Boden gefallen war.

Monika blickte entsetzt auf Sally, die regungslos in einer sich langsam ausbreitenden Blutlache lag. Um Himmels willen, dachte Monika. Sie beugte sich hinunter, traute sich aber nicht, Sally zu berühren. Sie musste Hilfe holen! Aber wie erklären, was sie beide in diesen Raum verschlagen hatte? O Gott, in welche Situation hatte sie sich da gebracht! Egal, sie musste hier raus. Sie öffnete vorsichtig die Tür und lugte heraus. Von weither schwappten Musik und Gesprächswirrwarr zu ihr herüber. Plötzlich kam ein Mann pfeifend den Gang entlang, um zur Toilette zu gehen. Arno! Natürlich, Arno, er konnte ihr helfen, er war Arzt, und wenn er noch so ein mieses Stück war. Aber er würde ja wohl kaum lebensnotwendige Hilfe verweigern! Schließlich hatte er mal einen Eid geschworen, sagte sich Monika. „Arno!“, rief sie leise. Der Angesprochene blieb überrascht stehen. „Monika! Was machst du denn hier?“

„Ich brauche deine Hilfe“, flüsterte Monika, „komm her!“ Arno näherte sich dem Raum und sagte misstrauisch: „Was ist denn los? Was machst du eigentlich hier?“ und spähte durch die angelehnte Tür. Monika sagte beschwörend: „Versprich mir, dass du nichts sagst, du hast doch Schweigepflicht! Es gab einen kleinen....“ sie hüstelte, „...Unfall. Sally ist gestürzt. Schau sie dir bitte an, sie ist verletzt!“ Sie gab den Weg frei und Arno schüttelte den Kopf, weil er sich keinen Reim auf das Gesagte machen konnte. Dann erblickte er Sally in der Blutlache liegend, die sich inzwischen weiter vergrößert hatte. „Mein Gott, was ist denn hier passiert?“, rief er entsetzt aus, hockte sich neben Sally auf den Boden und tastete fachmännisch nach ihrer Halsschlagader. „Ihr Puls ist gut, also kann es nicht so schlimm sein, sicher nur eine Platzwunde“, meinte er. „Komm, hilf mir, sie umzudrehen!“ Monika ging ebenfalls in die Hocke und vorsichtig bugsierten sie Sally auf den Rücken.

Ihr Gesicht war blass, die Augen [red][strike]waren [/strike][/red]geschlossen, ein leises Stöhnen entwich ihrem Mund, als Arno behutsam die Wunde untersuchte. „Naja, das müsste genäht werden“, befand er, „und sie hat sicherlich auch einen Schock! Aber kannst du mir bitte mal erklären, was hier vorgefallen ist?! Weshalb seid ihr überhaupt in diesem Raum? Ihr durftet doch gar nicht hier herein! Nüchtern bist du jedenfalls nicht!“, konstatierte er leicht angewidert, da er bereits Monikas Alkoholatem gerochen hatte. Diese schwieg und wand sich vor Verlegenheit. „Tja, was soll ich dir sagen, wir.....“, sie brach ab und wusste einfach nicht mehr weiter. Ihr Gehirn suchte verzweifelt nach einer glaubhaften Ausrede. Arno zog die Augenbrauen hoch. „Also ich raff das nicht, auf jeden Fall müssen wir jetzt einen Krankenwagen rufen, auch wenn es nicht lebensbedrohlich ist“, er warf einen Blick auf Sally, deren Kopfwunde nun zu bluten aufgehört hatte. „Hm, eigentlich mochte ich Sally schon immer gern, sie war so schön kratzbürstig, hat mich ständig abblitzen lassen, so eine richtige kleine Furie! Wie nett, sie jetzt so hilflos zu sehen!“, schloss er und fuhr sachte mit dem rechten Zeigefinger über Sallys linkes Jochbein. „Sie sieht immer noch scharf aus, selbst verletzt, und im Grunde könnte ich doch jetzt mal.....“, er ließ den Satz in der Luft hängen und begann, Sallys Bluse zu öffnen.

Monikas Augen weiteten sich ungläubig. Dieser Schuft, was hatte DER denn jetzt vor? Sich an der wehrlosen Sally zu vergehen? Der war wirklich vollkommen gestört! Und das als Arzt! Sie sagte leise. „Müssen wir nicht lieber den Krankenwagen rufen?“ und hätte am liebsten Arnos Hände gepackt, die inzwischen sämtliche Knöpfe geöffnet hatten. „Jetzt mach mal kein Theater, meine Süße“, antwortete Arno, „Sallys Verletzung sieht schlimmer aus als sie ist, sie blutet nicht mehr und immerhin sagst du mir nicht, was ihr beiden hier getrieben habt, ich buche das jetzt unter die ärztliche Schweigepflicht, dass ich euch nicht verraten werde, obwohl mir das Ganze sehr komisch vorkommt. Und du hältst die Klappe darüber, was ich hier mit Sally anstellen werde“, mit diesen Worten schob er Sallys Bluse beiseite und betrachtete verzückt ihren wohlgeformten Busen, welcher von einem champagnerfarbenen Spitzen-BH umschlossen wurde.

Monika konnte nicht mehr klar denken. Sie musste diesem Albtraum hier ein Ende bereiten! Sally halb ausgezogen, die Stirn blutverschmiert, der lüsterne Arno davor kniend. Seine Hände schoben sich nun unter Sallys Rücken und machten sich am Verschluss zu schaffen, nach einer gefühlten Ewigkeit konnte er ihn öffnen und kurz darauf starrte Arno auf Sallys nackte Brüste. „Sehr schön“, murmelte er, „SO habe ich sie mir immer vorgestellt“ und als er sich zu ihnen herunter beugen wollte, öffnete Sally die Augen.

„Was ist los?“, murmelte sie, „wo bin ich?“ und gleich darauf schlossen sich ihre Augen wieder halb. „Das ist gut“, sagte Arno leise, „so bekommt sie auch etwas mit“, und machte Anstalten, Sally zu küssen. Endlich kam Leben in Monika. „Lass sie in Ruhe, du Schuft“, rief sie, „ich bring dich um, wenn sie du anrührst“ und sie ergriff den erstbesten Gegenstand in Reichweite. Es war ein gläserner Maßkrug.

Arno drehte sich um, ein amüsiertes Grinsen lag auf seinem Gesicht. „Ach komm, du spinnst ja, du kannst doch sogar mitmachen! Stell das Glas hin und...“ weiter kam er nicht. Mit voller Wucht ließ Monika den Bierkrug auf seinen Kopf niedersausen.

Es gab ein fürchterlich knirschendes Geräusch, Arno kippte vornüber und knallte auf Sally. Monika starrte wie hypnotisiert auf die klaffende Wunde in Arnos Hinterkopf, aus der sofort reichlich das Blut schoss. Sie besah sich den Schaden näher. Oh, sie konnte zum ersten Mal in ihrem Leben in Arnos Kopf hineinsehen! Es schimmerte weißlich-gräulich durch all das Blut. Ob das Arnos Gehirn war? Fast war sie versucht, die Hand auszustrecken, in das Loch zu fassen und alles zu berühren. Plötzlich aber wurde sie sich bewusst, in welcher Situation sie sich befand. Die blutverschmierte Sally unter dem heftig blutenden Arno, sie selbst einer Nemesis gleich mit einem zerdepperten Bierkrug in der Hand[strike][red], dessen Splitter sich über Arno ausbreiteten[/red][/strike]. [blue]Finde ich zu dick aufgetragen! Vor allem Ausbreiten passt nicht so richtig.[/blue]Was sollte sie jetzt tun?
Arno gab stöhnende Laute von sich und sie dachte, ich muss einen Arzt holen! Sofort entschlüpfte ihr ein beinahe sardonisches Lächeln: Ha, Arno war selbst Arzt, sollte er sich helfen, wenn er noch konnte. Sally bewegte sich jetzt unter der Last seines Körpers und öffnete wieder vorsichtig die Augen. Scheiße, dachte Monika, ich muss hier weg. Ich kann das nie und nimmer jemandem erklären. Sie stellte den Bierkrug neben Sally, wischte ihn notdürftig mit ihrem Blusenärmel ab und spähte in den Gang. Die Luft war rein, also nichts wie hin zur Toilette. Sie schloss sich in einer Kabine ein und betrachtete ihr weißes Gesicht im Spiegel. So sah also eine Mörderin aus, denn sie war fest davon überzeugt, dass Arno dieses Loch in seinem Kopf nicht überleben würde.
Das fehlte noch, dass dieser bekloppte Typ es auch nach Jahrzehnten noch schaffen würde, ihr Leben zu zerstören. Sie würde hinter Gitter kommen. Sie würde ihre Familie verlassen müssen. Sie bekäme nie wieder ein Bein auf den Boden, nur in ein privates Fernsehstudio, das ihre Geschichte mit Vorliebe preis geben würde. Nein, so weit durfte es nicht kommen! Sie würde sich nicht limboartig in gesellschaftliche Niederungen begeben, sie nicht! Sie musste die Normale spielen. Hier war der perfekte Ort zum Üben. Sie kniff sich in die Wangen, um etwas Farbe hinein zu bringen und sagte zu ihrem Spiegelbild: "Hallo, ich glaube, ich fahre gleich nach Hause. Ist schon spät....und wir machen doch nochmal ein Treffen?" Das klang ja furchtbar, so wie sie das sagte! Also nochmal, nochmal und nochmal. Schließlich war sie zufrieden. Sie entriegelte die Tür und ging in den Saal zurück. Das Zimmer des Grauens würdigte sie mit keinem Blick.
Im Saal traf sie gleich auf eine angeheiterte Gruppe, bestehend aus Werner, Paula und Lothar, und sagte ihr geübtes Sprüchlein auf. Niemand schöpfte Verdacht. Sie hakte sich bei Paula unter und plötzlich sagte Werner: "Wo ist eigentlich Arno? Der wollte nur zum Klo, ist aber schon lange weg!" "Der hat sicherlich jemand zum Nageln gefunden", warf Paula ein, "guck doch mal, wer von den Weibern auch verschwunden ist!" "Klar, Sally ist auch nicht da, komm, wir gehen die beiden suchen! Denen vermasseln wir aber die Tour", rief Lothar und alle drei schwärmten Richtung Toilette aus. Monika nahm sich einen Ouzo - sie fand, das sei der richtige Moment für einen Schnaps - und hielt den Atem an.
Tatsächlich, zwei Minuten später ertönten spitze Schreie und entsetzte Ausrufe. "Schnell, ruf einen Krankenwagen, jetzt mach!" war zu vernehmen und Werner stürzte mit leichenblassem Gesicht zurück in den Saal. "Arno und Sally liegen übereinander in ihrem Blut, Sally hat dem wohl mit nem Bierkrug einen verbraten, sie ist bei Bewusstsein, aber Arno hat es übel erwischt", berichtete Werner, der zwar nur Tierarzt war, aber den Ernst der Lage erkannt hatte. "Mann, der kratzt ab!", schrie Paula, die ebenfalls in den Saal gelaufen kam. "Ach, was weißt denn du, du bist bloß Zahnärztin", ereiferte sich Werner, "so schnell stirbt es sich nicht!". "Halt die Klappe", schimpfte Paula drauflos, "wer Kälber herauszerrt, hat eh keine Ahnung" und es sah aus, als gäbe es gleich die nächsten Verletzten. "Habt ihr jetzt endlich den Notarzt gerufen?", fragte Lothar, der dazustieß, während sich am Unfallort immer mehr Schaulustige drängten. "Ja, habe ich", antwortete Werner und im selben Moment hörten sie schon die Sirene.
Monika hielt sich dezent im Hintergrund, als das Notärzte-Team, unterstützt von gut gemeinten, aber falschen fachmännischen Ratschlägen von Werner und Paula die Verletzten behandelte. Vorsichtig trennten sie Sally und Arno, führten die Erstversorgung der Wunden durch und brachten beide[red][strike]n [/strike][/red]auf zwei Tragen heraus. Paula ging heulend hinterher. "Wie schlimm ist es?", wagte Monika zu fragen. "Die werden wieder", brummte einer der Notärzte, "dann können sie es ja nochmal miteinander versuchen!" Monika war erleichtert. Sie war keine Mörderin!
In kleinen Gruppen standen die Ehemaligen zusammen, um die Ereignisse zu beraten. Auf einen Schlag schienen alle nüchtern zu sein. "Ist doch klar, was da passiert ist", referierte Lothar, der vernünftige Rechtsanwalt. "Arno hat Sally angebaggert, sie gingen in den Raum, dann wollte sie nichts mehr oder nicht so viel wie er, also hat sie ihm den Krug über den Schädel gedonnert! Allerdings ist Sally auch verletzt. Vermutlich hat er sie vorher irgendwie vertr[red][strike]ü[/strike][/red][blue]i [/blue]mmt!", schloss er. Monika schwieg. Sie dachte, falls Sally oder Arno auspacken, nehme ich Lothar als Rechtsbeistand. Ihn konnte ich schon immer gut leiden ....bald zerstreuten sich alle, um nach Hause zu fahren. Monika war sehr mit sich zufrieden. Von wegen verhuschtes Weib! Nein, sie hatte die Situation bis dahin gut gemeistert und war stolz auf sich.
Am nächsten Morgen fragte Monikas Familie, wie denn ihr Klassentreffen gewesen sei. "Ach, das Übliche", entgegnete sie und strich Leberwurst auf ihr Brötchen, "die gleichen Idioten wie früher! Ich glaube, das war definitiv mein letztes Treffen! Zwei waren so betrunken, dass sie sogar ins Krankenhaus mussten! Unmöglich!" Ihre Familie nickte zufrieden. Genau, Klassentreffen waren blöd! -

Epilog: Sally konnte das Krankenhaus einen Tag später mit genähter Stirn verlassen. Sie erinnerte sich nur noch daran, dass Monika sie verschmäht hatte. Sie traute sich nicht, sie zu fragen, ob sie ihr die Verletzung beigebracht hatte, weil sie sich inzwischen entsetzlich für ihr damaliges Angebot schämte. Sie besuchte Arno auf der Intensivstation, wo dieser sein inzwischen aufgetretenes Herzproblem heimlich selbst behandelte. Arno ließ sie in dem Glauben, dass sie ihn in Panik niedergeschlagen hatte, weil sie seine angebotene Hilfe falsch deutete. Er würde die Sache aber auch sich beruhen lassen, weil er Angst hatte, dass Monika die Wahrheit erzählen würde. Sally wiederum verschwieg, weshalb sie mit Monika in dem Raum gewesen war. Monika stellten sie nicht zur Rede. So verstrickten sie sich in ein Gespinst aus Lügen und Schweigen.

Sie sahen sich nie wieder. Monika lebte inzwischen mit Lothar zusammen, sie fühlte sich dadurch sehr sicher, falls Sally und Arno doch auf die Idee kämen, alles auszuplaudern. Sally zog sich völlig ins Privatleben zurück und suchte nie mehr den Kontakt zu Frauen. Arnos Genesung dauerte lange, er verlor seine Stelle in der Klinik. Heute ist er Leiter eines Gesundheitsamtes in Bayern.
[blue]Den Epilog würde ich ganz weglassen![/blue]
Eine spannende und gut geschriebene Geschichte! Gern gelesen.
LG USch
 

DocSchneider

Foren-Redakteur
Teammitglied
Liebe Thylda, ein bisschen mehr als ein Smiley wäre schön gewesen!

Lieber USch, Du hast Dir so viel Mühe gegeben! Danke! Damit kann ich wenigstens etwas anfangen! Werde alles sorgfältig verbessern.

Lieber anonymer Werter, Du gibst mir kurz nach Erscheinen 10 Punkte. Das ist sehr schmeichelhaft, aber auch sehr unheimlich. Vielleicht arbeitest Du bei der NSA. ;-)
LG Doc (du weißt ja dann sicher, wer ich bin. Smile.)
 
G

Gelöschtes Mitglied 14278

Gast
Hallo Doc,

warum die einen Mehrteiler zu den „Langen Texten“ verschoben werden, andere dagegen nicht – ich weiß es nicht und möchte meine Gedanken hierzu auch nicht öffentlich machen. Ich bin aber der Ansicht, dass bei der Länge des Gesamttextes (ca. 5 DIN-A4-Seiten), den man sicher noch an einigen Stellen straffen könnte, ein Aufsplitten nicht unbedingt nötig gewesen wäre.

Die Geschichte liest sich durchaus unterhaltsam, auch wenn ich von Anfang an das Gefühl hatte, Du hättest kein Gesamtkonzept gehabt, sondern die einzelnen Teile einfach locker heruntergeschrieben. Das beginnt schon mit dem irreführenden Titel: Es hätte durchaus auch ein kleiner alter Freundeskreis gewesen sein können, der sich wiedertrifft, denn außer fünf bis sechs Figuren spielen die übrigen alten Klassenkameraden in der Geschichte sowieso keine Rolle.

Als nächstes führst Du den Leser auf eine falsche Spur, denn zum Ende des ersten Teils denkt der geneigte (und für erotische Geschichten offene) Leser, dass sich nun eine Lesbengeschichte entwickeln würde. Dass Sally so unvermittelt über Monika herfällt, scheint mir sowieso nicht sehr glaubwürdig, zumal es keinerlei Vorgeschichte zu Sally gibt, die einen entsprechenden Hinweis geben könnte. Stattdessen folgen ein unglücklicher Unfall und versuchter Totschlag, am Ende sind alle fein raus und freuen sich ihres Daseins. Damit verpufft die Geschichte und hinterlässt keinen Nachhall.

Meine Meinung: Denk mal darüber nach, ob Du die Geschichte nicht erheblich straffen und zu einem einzigen Text zusammenfassen solltest. Kommt vielleicht bei einigen Lesern auch besser an ...

Gruß Ciconia
 

Thylda

Mitglied
Lieber Doc

Ich habe Deine Geschichte gerne gelesen.

Da ich mich aber mit Prosa noch nicht genug beschäftigt habe, um mir ein Urteil erlauben zu können und auch nicht sattelfest in der neuen Rechtschreibung bin, wollte ich mir keinen unqualifizierten Kommentar anmaßen. Ich wollte Dir lediglich zeigen, daß ich vorbeigesehen und mich gefreut habe.

Liebe Grüße
Thylda
 

DocSchneider

Foren-Redakteur
Teammitglied
Es gab ein fürchterlich knirschendes Geräusch, Arno kippte vornüber und knallte auf Sally. Monika starrte wie hypnotisiert auf die klaffende Wunde in Arnos Hinterkopf, aus der sofort reichlich das Blut schoss. Sie besah sich den Schaden näher. Oh, sie konnte zum ersten Mal in ihrem Leben in Arnos Kopf hineinsehen! Es schimmerte weißlich-gräulich durch all das Blut. Ob das Arnos Gehirn war? Fast war sie versucht, die Hand auszustrecken, in das Loch zu fassen und alles zu berühren. Plötzlich aber wurde sie sich bewusst, in welcher Situation sie sich befand. Die blutverschmierte Sally unter dem heftig blutenden Arno, sie selbst einer Nemesis gleich mit einem zerdepperten Bierkrug in der Hand. Was sollte sie jetzt tun?
Arno gab stöhnende Laute von sich und sie dachte, ich muss einen Arzt holen! Sofort entschlüpfte ihr ein beinahe sardonisches Lächeln: Ha, Arno war selbst Arzt, sollte er sich helfen, wenn er noch konnte. Sally bewegte sich jetzt unter der Last seines Körpers und öffnete wieder vorsichtig die Augen. Scheiße, dachte Monika, ich muss hier weg. Ich kann das nie und nimmer jemandem erklären. Sie stellte den Bierkrug neben Sally, wischte ihn notdürftig mit ihrem Blusenärmel ab und spähte in den Gang. Die Luft war rein, also nichts wie hin zur Toilette. Sie schloss sich in einer Kabine ein und betrachtete ihr weißes Gesicht im Spiegel. So sah also eine Mörderin aus, denn sie war fest davon überzeugt, dass Arno dieses Loch in seinem Kopf nicht überleben würde.
Das fehlte noch, dass dieser bekloppte Typ es auch nach Jahrzehnten noch schaffen würde, ihr Leben zu zerstören. Sie würde hinter Gitter kommen. Sie würde ihre Familie verlassen müssen. Sie bekäme nie wieder ein Bein auf den Boden, nur in ein privates Fernsehstudio, das ihre Geschichte mit Vorliebe preis geben würde. Nein, so weit durfte es nicht kommen! Sie würde sich nicht limboartig in gesellschaftliche Niederungen begeben, sie nicht! Sie musste die Normale spielen. Hier war der perfekte Ort zum Üben. Sie kniff sich in die Wangen, um etwas Farbe hinein zu bringen und sagte zu ihrem Spiegelbild: "Hallo, ich glaube, ich fahre gleich nach Hause. Ist schon spät....und wir machen doch nochmal ein Treffen?" Das klang ja furchtbar, so wie sie das sagte! Also nochmal, nochmal und nochmal. Schließlich war sie zufrieden. Sie entriegelte die Tür und ging in den Saal zurück. Das Zimmer des Grauens würdigte sie mit keinem Blick.
Im Saal traf sie gleich auf eine angeheiterte Gruppe, bestehend aus Werner, Paula und Lothar, und sagte ihr geübtes Sprüchlein auf. Niemand schöpfte Verdacht. Sie hakte sich bei Paula unter und plötzlich sagte Werner: "Wo ist eigentlich Arno? Der wollte nur zum Klo, ist aber schon lange weg!" "Der hat sicherlich jemand zum Nageln gefunden", warf Paula ein, "guck doch mal, wer von den Weibern auch verschwunden ist!" "Klar, Sally ist auch nicht da, komm, wir gehen die beiden suchen! Denen vermasseln wir aber die Tour", rief Lothar und alle drei schwärmten Richtung Toilette aus. Monika nahm sich einen Ouzo - sie fand, das sei der richtige Moment für einen Schnaps - und hielt den Atem an.
Tatsächlich, zwei Minuten später ertönten spitze Schreie und entsetzte Ausrufe. "Schnell, ruf einen Krankenwagen, jetzt mach!" war zu vernehmen und Werner stürzte mit leichenblassem Gesicht zurück in den Saal. "Arno und Sally liegen übereinander in ihrem Blut, Sally hat dem wohl mit nem Bierkrug einen verbraten, sie ist bei Bewusstsein, aber Arno hat es übel erwischt", berichtete Werner, der zwar nur Tierarzt war, aber den Ernst der Lage erkannt hatte. "Mann, der kratzt ab!", schrie Paula, die ebenfalls in den Saal gelaufen kam. "Ach, was weißt denn du, du bist bloß Zahnärztin", ereiferte sich Werner, "so schnell stirbt es sich nicht!". "Halt die Klappe", schimpfte Paula drauflos, "wer Kälber herauszerrt, hat eh keine Ahnung" und es sah aus, als gäbe es gleich die nächsten Verletzten. "Habt ihr jetzt endlich den Notarzt gerufen?", fragte Lothar, der dazustieß, während sich am Unfallort immer mehr Schaulustige drängten. "Ja, habe ich", antwortete Werner und im selben Moment hörten sie schon die Sirene.
Monika hielt sich dezent im Hintergrund, als das Notärzte-Team, unterstützt von gut gemeinten, aber falschen fachmännischen Ratschlägen von Werner und Paula die Verletzten behandelte. Vorsichtig trennten sie Sally und Arno, führten die Erstversorgung der Wunden durch und brachten beide auf zwei Tragen heraus. Paula ging heulend hinterher. "Wie schlimm ist es?", wagte Monika zu fragen. "Die werden wieder", brummte einer der Notärzte, "dann können sie es ja nochmal miteinander versuchen!" Monika war erleichtert. Sie war keine Mörderin!
In kleinen Gruppen standen die Ehemaligen zusammen, um die Ereignisse zu beraten. Auf einen Schlag schienen alle nüchtern zu sein. "Ist doch klar, was da passiert ist", referierte Lothar, der vernünftige Rechtsanwalt. "Arno hat Sally angebaggert, sie gingen in den Raum, dann wollte sie nichts mehr oder nicht so viel wie er, also hat sie ihm den Krug über den Schädel gedonnert! Allerdings ist Sally auch verletzt. Vermutlich hat er sie vorher irgendwie vertrümmt!", schloss er. Monika schwieg. Sie dachte, falls Sally oder Arno auspacken, nehme ich Lothar als Rechtsbeistand. Ihn konnte ich schon immer gut leiden ....bald zerstreuten sich alle, um nach Hause zu fahren. Monika war sehr mit sich zufrieden. Von wegen verhuschtes Weib! Nein, sie hatte die Situation bis dahin gut gemeistert und war stolz auf sich.
Am nächsten Morgen fragte Monikas Familie, wie denn ihr Klassentreffen gewesen sei. "Ach, das Übliche", entgegnete sie und strich Leberwurst auf ihr Brötchen, "die gleichen Idioten wie früher! Ich glaube, das war definitiv mein letztes Treffen! Zwei waren so betrunken, dass sie sogar ins Krankenhaus mussten! Unmöglich!" Ihre Familie nickte zufrieden. Genau, Klassentreffen waren blöd! -

Epilog: Sally konnte das Krankenhaus einen Tag später mit genähter Stirn verlassen. Sie erinnerte sich nur noch daran, dass Monika sie verschmäht hatte. Sie traute sich nicht, sie zu fragen, ob sie ihr die Verletzung beigebracht hatte, weil sie sich inzwischen entsetzlich für ihr damaliges Angebot schämte. Sie besuchte Arno auf der Intensivstation, wo dieser sein inzwischen aufgetretenes Herzproblem heimlich selbst behandelte. Arno ließ sie in dem Glauben, dass sie ihn in Panik niedergeschlagen hatte, weil sie seine angebotene Hilfe falsch deutete. Er würde die Sache aber auch sich beruhen lassen, weil er Angst hatte, dass Monika die Wahrheit erzählen würde. Sally wiederum verschwieg, weshalb sie mit Monika in dem Raum gewesen war. Monika stellten sie nicht zur Rede. So verstrickten sie sich in ein Gespinst aus Lügen und Schweigen.

Sie sahen sich nie wieder. Monika lebte inzwischen mit Lothar zusammen, sie fühlte sich dadurch sehr sicher, falls Sally und Arno doch auf die Idee kämen, alles auszuplaudern. Sally zog sich völlig ins Privatleben zurück und suchte nie mehr den Kontakt zu Frauen. Arnos Genesung dauerte lange, er verlor seine Stelle in der Klinik. Heute ist er Leiter eines Gesundheitsamtes in Bayern.
 

DocSchneider

Foren-Redakteur
Teammitglied
Lieber USch, ich habe fast alle Deine Verbesserungsvorschläge übernommen und den Text bwz. die Textteile entsprechend verändert. (Puh! ;-) Du hast Dir in der Tat gute Gedanken gemacht. Vier Augen sehen eben mehr als zwei.
Einzig das Wort "vertrümmen" habe ich so stehen lassen, ich kenne es aus meiner Kindheit als Synonym für "vertrimmen", welches auch schon umgangssprachlich für verprügeln steht. Vermutlich ist "vertrümmen" noch schlimmer als "vertrimmen" . ;-) Ich finde es jedenfalls brutaler ausgedrückt. Ich lasse es vorerst mal so.
Ja, der Epilog ist noch drin, weil er mich viel Mühe gekostet hat und ich ihn 5 Mal neu geschrieben habe. Ich war der Meinung, der Leser hätte noch ein bisschen mehr Aufklärung verdient. Vor allem Arnos Schicksal ist gemein, denn seine berufliche Entwicklung bedeutet eigentlich eine Degradierung. Vielleicht hat das aber kein Leser so empfunden. ;-) Ich gehe nochmal in mich, ob ich ihn doch weglasse. Lässt der Text dann aber nicht zu viele Fragen offen?
Auf jeden Fall habe ich mich gefreut, das gilt auch für Thylda, wenn der Text einfach unterhalten hat.

Liebe Ciconia, es ist richtig, dass ich kein Konzept hatte, als ich die Geschichte zu schreiben begann. Ich hörte immer dann auf, wenn ich nicht mehr weiterwusste und ließ das Ende für mich selbst offen. Das war dann auch für mich spannend, ähem. Auf jeden Fall hat es mich sehr beflügelt. Natürlich sollte der Leser auf eine falsche Fährte gelockt werden. Monika macht durchaus eine Entwicklung durch, denn am Ende ist sie ganz gewieft. Die Geschichte bleibt ein Mehrteiler und wird kein zusammenhängender Text. Es hat einfach viel zu viel Freude gemacht, weiterzuschreiben. ,-)

Allen nochmals vielen Dank für die Kommentare.
LG Doc
 
U

USch

Gast
Hallo Doc,
Konzept hin oder her - ist das wichtig? Entscheidend ist doch das Ergebnis!
Der Epilog: Ich weiß wie schwer es ist, kluge Gedanken loszulassen, aber der Text würde bei Streichung für den Leser meines Erachtens gewinnen, auch schon allein wegen seiner Länge. Mir ging´s mit der Streichung des letzten Absatzes bei >Das Loch< gerade auch so.

Hallo Ciconia,
eine Straffung wäre natürlich durchaus möglich. Doch ich finde die Geschichte in allen Teilen sehr unterhaltsam und sie wirkt so wie sie ist sehr spontan, was mir gut gefällt. Das liegt wohl auch am sukzessiven Prozess des Schreibens des Autors. Tun wir das nicht auch oft/manchmal. Oder wird nicht oft erst später ein Konzept draus. Manch konzeptionelle Geschichte kommt auch oft/manchmal sehr steif daher. Also, was soll´s, ist doch egal WIE der Text entstanden ist.
LG euch beiden
USch
 

DocSchneider

Foren-Redakteur
Teammitglied
Es gab ein fürchterlich knirschendes Geräusch, Arno kippte vornüber und knallte auf Sally. Monika starrte wie hypnotisiert auf die klaffende Wunde in Arnos Hinterkopf, aus der sofort reichlich das Blut schoss. Sie besah sich den Schaden näher. Oh, sie konnte zum ersten Mal in ihrem Leben in Arnos Kopf hineinsehen! Es schimmerte weißlich-gräulich durch all das Blut. Ob das Arnos Gehirn war? Fast war sie versucht, die Hand auszustrecken, in das Loch zu fassen und alles zu berühren. Plötzlich aber wurde sie sich bewusst, in welcher Situation sie sich befand. Die blutverschmierte Sally unter dem heftig blutenden Arno, sie selbst einer Nemesis gleich mit einem zerdepperten Bierkrug in der Hand. Was sollte sie jetzt tun?
Arno gab stöhnende Laute von sich und sie dachte, ich muss einen Arzt holen! Sofort entschlüpfte ihr ein beinahe sardonisches Lächeln: Ha, Arno war selbst Arzt, sollte er sich helfen, wenn er noch konnte. Sally bewegte sich jetzt unter der Last seines Körpers und öffnete wieder vorsichtig die Augen. Scheiße, dachte Monika, ich muss hier weg. Ich kann das nie und nimmer jemandem erklären. Sie stellte den Bierkrug neben Sally, wischte ihn notdürftig mit ihrem Blusenärmel ab und spähte in den Gang. Die Luft war rein, also nichts wie hin zur Toilette. Sie schloss sich in einer Kabine ein und betrachtete ihr weißes Gesicht im Spiegel. So sah also eine Mörderin aus, denn sie war fest davon überzeugt, dass Arno dieses Loch in seinem Kopf nicht überleben würde.
Das fehlte noch, dass dieser bekloppte Typ es auch nach Jahrzehnten noch schaffen würde, ihr Leben zu zerstören. Sie würde hinter Gitter kommen. Sie würde ihre Familie verlassen müssen. Sie bekäme nie wieder ein Bein auf den Boden, nur in ein privates Fernsehstudio, das ihre Geschichte mit Vorliebe preis geben würde. Nein, so weit durfte es nicht kommen! Sie würde sich nicht limboartig in gesellschaftliche Niederungen begeben, sie nicht! Sie musste die Normale spielen. Hier war der perfekte Ort zum Üben. Sie kniff sich in die Wangen, um etwas Farbe hinein zu bringen und sagte zu ihrem Spiegelbild: "Hallo, ich glaube, ich fahre gleich nach Hause. Ist schon spät....und wir machen doch nochmal ein Treffen?" Das klang ja furchtbar, so wie sie das sagte! Also nochmal, nochmal und nochmal. Schließlich war sie zufrieden. Sie entriegelte die Tür und ging in den Saal zurück. Das Zimmer des Grauens würdigte sie mit keinem Blick.
Im Saal traf sie gleich auf eine angeheiterte Gruppe, bestehend aus Werner, Paula und Lothar, und sagte ihr geübtes Sprüchlein auf. Niemand schöpfte Verdacht. Sie hakte sich bei Paula unter und plötzlich sagte Werner: "Wo ist eigentlich Arno? Der wollte nur zum Klo, ist aber schon lange weg!" "Der hat sicherlich jemand zum Nageln gefunden", warf Paula ein, "guck doch mal, wer von den Weibern auch verschwunden ist!" "Klar, Sally ist auch nicht da, komm, wir gehen die beiden suchen! Denen vermasseln wir aber die Tour", rief Lothar und alle drei schwärmten Richtung Toilette aus. Monika nahm sich einen Ouzo - sie fand, das sei der richtige Moment für einen Schnaps - und hielt den Atem an.
Tatsächlich, zwei Minuten später ertönten spitze Schreie und entsetzte Ausrufe. "Schnell, ruf einen Krankenwagen, jetzt mach!" war zu vernehmen und Werner stürzte mit leichenblassem Gesicht zurück in den Saal. "Arno und Sally liegen übereinander in ihrem Blut, Sally hat dem wohl mit nem Bierkrug einen verbraten, sie ist bei Bewusstsein, aber Arno hat es übel erwischt", berichtete Werner, der zwar nur Tierarzt war, aber den Ernst der Lage erkannt hatte. "Mann, der kratzt ab!", schrie Paula, die ebenfalls in den Saal gelaufen kam. "Ach, was weißt denn du, du bist bloß Zahnärztin", ereiferte sich Werner, "so schnell stirbt es sich nicht!". "Halt die Klappe", schimpfte Paula drauflos, "wer Kälber herauszerrt, hat eh keine Ahnung" und es sah aus, als gäbe es gleich die nächsten Verletzten. "Habt ihr jetzt endlich den Notarzt gerufen?", fragte Lothar, der dazustieß, während sich am Unfallort immer mehr Schaulustige drängten. "Ja, habe ich", antwortete Werner und im selben Moment hörten sie schon die Sirene.
Monika hielt sich dezent im Hintergrund, als das Notärzte-Team, unterstützt von gut gemeinten, aber falschen fachmännischen Ratschlägen von Werner und Paula die Verletzten behandelte. Vorsichtig trennten sie Sally und Arno, führten die Erstversorgung der Wunden durch und brachten beide auf zwei Tragen heraus. Paula ging heulend hinterher. "Wie schlimm ist es?", wagte Monika zu fragen. "Die werden wieder", brummte einer der Notärzte, "dann können sie es ja nochmal miteinander versuchen!" Monika war erleichtert. Sie war keine Mörderin!
In kleinen Gruppen standen die Ehemaligen zusammen, um die Ereignisse zu beraten. Auf einen Schlag schienen alle nüchtern zu sein. "Ist doch klar, was da passiert ist", referierte Lothar, der vernünftige Rechtsanwalt. "Arno hat Sally angebaggert, sie gingen in den Raum, dann wollte sie nichts mehr oder nicht so viel wie er, also hat sie ihm den Krug über den Schädel gedonnert! Allerdings ist Sally auch verletzt. Vermutlich hat er sie vorher irgendwie vertrümmt!", schloss er. Monika schwieg. Sie dachte, falls Sally oder Arno auspacken, nehme ich Lothar als Rechtsbeistand. Ihn konnte ich schon immer gut leiden ....bald zerstreuten sich alle, um nach Hause zu fahren. Monika war sehr mit sich zufrieden. Von wegen verhuschtes Weib! Nein, sie hatte die Situation bis dahin gut gemeistert und war stolz auf sich.
Am nächsten Morgen fragte Monikas Familie, wie denn ihr Klassentreffen gewesen sei. "Ach, das Übliche", entgegnete sie und strich Leberwurst auf ihr Brötchen, "die gleichen Idioten wie früher! Ich glaube, das war definitiv mein letztes Treffen! Zwei waren so betrunken, dass sie sogar ins Krankenhaus mussten! Unmöglich!" Ihre Familie nickte zufrieden. Genau, Klassentreffen waren blöd!
 

DocSchneider

Foren-Redakteur
Teammitglied
Hallo USch, jetzt habe ich den Epilog doch gestrichen. Hast recht, wirkt besser und der Leser kann sich ja eigene Gedanken machen, was aus den Protagonisten geworden ist.
LG Doc
 
U

USch

Gast
Hallo Doc,
Gratulation! Ja, das Loslassen fällt immer wieder schwer, macht aber frei für Neues.
LG USch
 

DocSchneider

Foren-Redakteur
Teammitglied
Monika schloss aufatmend die Tür hinter sich und ließ sich auf den geschlossenen Deckel sinken. Gelobt sei der Erfinder der Toiletten, dachte sie, endlich ein Ort, an dem man alleine sein kann. Sie streckte die Beine von sich und massierte ihre Schläfen. Dieser Abend war einfach misslungen und entwickelte sich überhaupt nicht nach ihrem Geschmack. Zuerst hatte es gar nicht danach ausgesehen. Fast alle ehemaligen Klassenkameraden waren zum ersten Treffen zwanzig Jahre nach dem Schulabschluss aufgetaucht. Herrlich zu sehen, wer sich gut gehalten hatte oder wer völlig aus dem Leim gegangen war! Einige wirkten wie konserviert, andere schon mächtig angekratzt, aber alle waren sie gleichaltrig.

Bei Monika hatte es geheißen: „Du hast dich ja gar nicht verändert!“ und sie wusste nicht, ob das jetzt positiv oder negativ war. Jedenfalls hatte sie sich gefreut, einige liebe Leidensgenossen von damals wiederzusehen, denn kaum jemand war gerne zur Schule gegangen. Die üblichen Cliquen rotteten sich erneut zusammen und verglichen ihre Statussymbole, Haus, Auto, Karriere, Kinder. Monika beteiligte sich nicht daran, denn irgendwann war ER aufgetaucht. Arno, mit dem sie damals nach der alkoholgetränkten Abschlussfeier knutschend neben der Parkbank gelegen hatte. Seine Hände waren überall gewesen, seine Zunge auch, seine Hose war plötzlich wie von selbst herunterglitten, aber sehr viel weiter war er nicht gekommen, tatsächlich auch nicht, denn er war schlicht zu betrunken gewesen. Ihr war das Ganze höchst peinlich erschienen. Arno hatte sie jahrelang nicht beachtet, um dann auf einmal ausgerechnet sie zu wollen. So ein Schmarrn!

Jetzt sah sie, dass Arno noch immer gut aussah, kein Bauch wölbte sich unter seinem T-Shirt wie bei manch anderem, die Jeans modellierte seinen perfekten Hintern und feine graue Strähnen durchzogen die noch immer blonden Haare, was ihn höchst attraktiv machte. Er trug keinen Ehering, wie Monika sofort sah, dafür aber ein Goldarmband und eine ebensolche Kette. Ach, der Typ war wahrscheinlich der üble Aufschneider geblieben, der damals die meisten Fremdwörter kannte, schon mit achtzehn Jahren ein Auto sein eigen nannte, das eine eingebaute Vorfahrt hatte und mit dem er grundsätzlich links fuhr. Sie beobachtete ihn nun, wie er plaudernd umher ging und schließlich auch zu ihr kam. Er hauchte ihr Küsschen rechts und links auf die Wangen und sagte: „Mensch, du hast dich ja fast gar nicht verändert! Super siehst du aus – wenn man sich dagegen einige andere Maschinen hier anguckt.....“, schloss er vielsagend und zwinkerte ihr zu. Blöder Kerl, dachte Monika. Der hält sich wohl für besonders schön. „Was ist aus dir geworden?“, frage ich höflich und dachte: Hoffentlich erinnert er sich nicht an unsere letzte Begegnung! „Oh, ich bin Kardiologe in Duisburg. Also falls du mal etwas am Herzen hast, ich bin immer für dich da! Ich operiere auch, deshalb habe ich ständig ein scharfes Messer dabei“, entgegnete er und senkte dann die Stimme: „Außerdem habe ich noch was ganz anderes dabei...wie wäre es denn noch ein Mal mit uns beiden, das letzte Mal war ja ein bisschen...“, er verstummte und blickte sie herausfordernd an.

Monika schwieg entsetzt und wie üblich fiel ihr keine schlagfertige Antwort ein. Wichser, dachte sie, der hat sich kein bisschen verändert. „Ich muss mal auf die Toilette“, antwortete sie lahm und verschwand so schnell wie möglich. Und so saß sie nun hier und überlegte, wie sie den restlichen Abend gestalten sollte, ohne Arno zu begegnen. Hoffentlich könnte er eine andere aufreißen, dann wäre sie ihn los. Seine plumpe Anmache hatte sie verletzt. Sie blickte in den Spiegel, erneuerte ihr Make-up und verließ die Toilette.

Auf dem Weg zurück in den Saal kam ihr Sally entgegen. Sie und Monika hatten nie viel miteinander zu tun gehabt, aber auch keinen Streit ausgetragen. „Na, findest du es auch langweilig, dieses harmoniesüchtige Revival?“, fragte sie und blieb stehen. Monika sagte leise: „Ich muss Arno aus dem Weg gehen. Der hat mich angemacht, der ist noch genauso doof wie früher!“ „Ach der Arno! Vergiss den. Männer sind doch nur testosterongesteuerte Vollidioten! Komm mit, wir gehen in die Sektbar. Da ist es ruhiger. Ich gebe dir einen aus!“ antwortete Sally und zog Monika mit sich.

Bald stießen sie mit zwei gefüllten Sektgläsern an und erzählten sich aus ihren beiden Leben, welche völlig unterschiedlich verlaufen waren. Aber das machte nichts, sie wurden immer vertrauter und kicherten und lachten und nach dem dritten Glas Sekt stellte Monika fest, dass der Abend doch nicht so schlecht werden würde wie befürchtet. Sally blickte sie plötzlich spitzbübisch an. „Und sonst?“, fragte sie und strich leicht mit ihren Fingern über Monikas rechten Unterarm.

Monika zuckte zusammen. Die feinen Härchen stellten sich auf. Was meinte Sally mit ihrer Bemerkung? Und mit ihrer Berührung? „Ich meine“, fuhr Sally fort, als hätte sie Monikas Gedanken gelesen, „ sehnst du dich nicht manchmal nach etwas ganz ...Neuem, etwas ganz Verrücktem?“, und federleicht fuhren ihre Finger wieder über Monikas Arm, drehten ihn sanft um und zeichneten feine Linien auf die Haut.

Monika schluckte. Was tat Sally da? Ob es jemand gesehen hatte? Vorsichtig blickte sie sich um, aber sie waren fast alleine in der Bar. Ihr ganzer Arm schien zu kribbeln. Sally hielt ihre Hand fest und spielte mit ihren Fingern. Monika durchfuhr ein Schauer. So etwas hatte sie noch nie erlebt. Was hatte Sally denn vor? Sie beide waren doch gestandene Ehefrauen....zumindest hatte sie das angenommen.

Sally senkte den Blick, näherte sich Monikas rechtem Ohr und flüsterte: „Komm mit, ich zeig dir was“, und ihre Lippen streiften kurz die Muschel, küssten zärtlich das Ohrläppchen und glitten am Hals abwärts. Monikas Herz klopfte. Das musste jetzt sofort hier aufhören, sofort! Aber zu ihrer eigenen Überraschung tat sie nichts, um Sally aufzuhalten. Nahezu willenlos stand sie auf und folgte ihr leicht schwankend. Der Sekt tat auch seine Wirkung, alles wirkte verschwommen. Sally hatte ihre Hand ergriffen und führte sie zielstrebig an dem gefüllten großen Saal vorbei.
 

DocSchneider

Foren-Redakteur
Teammitglied
Es gab ein fürchterlich knirschendes Geräusch, Arno kippte vornüber und knallte auf Sally. Monika starrte wie hypnotisiert auf die klaffende Wunde in Arnos Hinterkopf, aus der sofort reichlich das Blut schoss. Sie besah sich den Schaden näher. Oh, sie konnte zum ersten Mal in ihrem Leben in Arnos Kopf hineinsehen! Es schimmerte weißlich-gräulich durch all das Blut. Ob das Arnos Gehirn war? Fast war sie versucht, die Hand auszustrecken, in das Loch zu fassen und alles zu berühren. Plötzlich aber wurde sie sich bewusst, in welcher Situation sie sich befand. Die blutverschmierte Sally unter dem heftig blutenden Arno, sie selbst einer Nemesis gleich mit einem zerdepperten Bierkrug in der Hand, dessen Splitter sich über Arno ausbreiteten. Was sollte sie jetzt tun?
Arno gab stöhnende Laute von sich und sie dachte, ich muss einen Arzt holen! Sofort entschlüpfte ihr ein beinahe sardonisches Lächeln: Ha, Arno war selbst Arzt, sollte er sich helfen, wenn er noch konnte. Sally bewegte sich jetzt unter der Last seines Körpers und öffnete wieder vorsichtig die Augen. Scheiße, dachte Monika, ich muss hier weg. Ich kann das nie und nimmer jemandem erklären. Sie stellte den Bierkrug neben Sally, wischte ihn notdürftig mit ihrem Blusenärmel ab und spähte in den Gang. Die Luft war rein, also nichts wie hin zur Toilette. Sie schloss sich in einer Kabine ein und betrachtete ihr weißes Gesicht im Spiegel. So sah also eine Mörderin aus, denn sie war fest davon überzeugt, dass Arno dieses Loch in seinem Kopf nicht überleben würde.
Das fehlte noch, dass dieser bekloppte Typ es auch nach Jahrzehnten noch schaffen würde, ihr Leben zu zerstören. Sie würde hinter Gitter kommen. Sie würde ihre Familie verlassen müssen. Sie bekäme nie wieder ein Bein auf den Boden, nur in ein privates Fernsehstudio, das ihre Geschichte mit Vorliebe preis geben würde. Nein, so weit durfte es nicht kommen! Sie würde sich nicht limboartig in gesellschaftliche Niederungen begeben, sie nicht! Sie musste die Normale spielen. Hier war der perfekte Ort zum Üben. Sie kniff sich in die Wangen, um etwas Farbe hinein zu bringen und sagte zu ihrem Spiegelbild: "Hallo, ich glaube, ich fahre gleich nach Hause. Ist schon spät....und wir machen doch nochmal ein Treffen?" Das klang ja furchtbar, so wie sie das sagte! Also nochmal, nochmal und nochmal. Schließlich war sie zufrieden. Sie entriegelte die Tür und ging in den Saal zurück. Das Zimmer des Grauens würdigte sie mit keinem Blick.
Im Saal traf sie gleich auf eine angeheiterte Gruppe, bestehend aus Werner, Paula und Lothar, und sagte ihr geübtes Sprüchlein auf. Niemand schöpfte Verdacht. Sie hakte sich bei Paula unter und plötzlich sagte Werner: "Wo ist eigentlich Arno? Der wollte nur zum Klo, ist aber schon lange weg!" "Der hat sicherlich jemand zum Nageln gefunden", warf Paula ein, "guck doch mal, wer von den Weibern auch verschwunden ist!" "Klar, Sally ist auch nicht da, komm, wir gehen die beiden suchen! Denen vermasseln wir aber die Tour", rief Lothar und alle drei schwärmten Richtung Toilette aus. Monika nahm sich einen Ouzo - sie fand, das sei der richtige Moment für einen Schnaps - und hielt den Atem an.
Tatsächlich, zwei Minuten später ertönten spitze Schreie und entsetzte Ausrufe. "Schnell, ruf einen Krankenwagen, jetzt mach!" war zu vernehmen und Werner stürzte mit leichenblassem Gesicht zurück in den Saal. "Arno und Sally liegen übereinander in ihrem Blut, Sally hat dem wohl mit nem Bierkrug einen verbraten, sie ist bei Bewusstsein, aber Arno hat es übel erwischt", berichtete Werner, der zwar nur Tierarzt war, aber den Ernst der Lage erkannt hatte. "Mann, der kratzt ab!", schrie Paula, die ebenfalls in den Saal gelaufen kam. "Ach, was weißt denn du, du bist bloß Zahnärztin", ereiferte sich Werner, "so schnell stirbt es sich nicht!". "Halt die Klappe", schimpfte Paula drauflos, "wer Kälber herauszerrt, hat eh keine Ahnung" und es sah aus, als gäbe es gleich die nächsten Verletzten. "Habt ihr jetzt endlich den Notarzt gerufen?", fragte Lothar, der dazustieß, während sich am Unfallort immer mehr Schaulustige drängten. "Ja, habe ich", antwortete Werner und im selben Moment hörten sie schon die Sirene.
Monika hielt sich dezent im Hintergrund, als das Notärzte-Team, unterstützt von gut gemeinten, aber falschen fachmännischen Ratschlägen von Werner und Paula die Verletzten behandelte. Vorsichtig trennten sie Sally und Arno, führten die Erstversorgung der Wunden durch und brachten beiden auf zwei Tragen heraus. Paula ging heulend hinterher. "Wie schlimm ist es?", wagte Monika zu fragen. "Die werden wieder", brummte einer der Notärzte, "dann können sie es ja nochmal miteinander versuchen!" Monika war erleichtert. Sie war keine Mörderin!
In kleinen Gruppen standen die Ehemaligen zusammen, um die Ereignisse zu beraten. Auf einen Schlag schienen alle nüchtern zu sein. "Ist doch klar, was da passiert ist", referierte Lothar, der vernünftige Rechtsanwalt. "Arno hat Sally angebaggert, sie gingen in den Raum, dann wollte sie nichts mehr oder nicht so viel wie er, also hat sie ihm den Krug über den Schädel gedonnert! Allerdings ist Sally auch verletzt. Vermutlich hat er sie vorher irgendwie vertrümmt!", schloss er. Monika schwieg. Sie dachte, falls Sally oder Arno auspacken, nehme ich Lothar als Rechtsbeistand. Ihn konnte ich schon immer gut leiden ....bald zerstreuten sich alle, um nach Hause zu fahren. Monika war sehr mit sich zufrieden. Von wegen verhuschtes Weib! Nein, sie hatte die Situation bis dahin gut gemeistert und war stolz auf sich.
Am nächsten Morgen fragte Monikas Familie, wie denn ihr Klassentreffen gewesen sei. "Ach, das Übliche", entgegnete sie und strich Leberwurst auf ihr Brötchen, "die gleichen Idioten wie früher! Ich glaube, das war definitiv mein letztes Treffen! Zwei waren so betrunken, dass sie sogar ins Krankenhaus mussten! Unmöglich!" Ihre Familie nickte zufrieden. Genau, Klassentreffen waren blöd! -

Epilog: Sally konnte das Krankenhaus einen Tag später mit genähter Stirn verlassen. Sie erinnerte sich nur noch daran, dass Monika sie verschmäht hatte. Sie traute sich nicht, sie zu fragen, ob sie ihr die Verletzung beigebracht hatte, weil sie sich inzwischen entsetzlich für ihr damaliges Angebot schämte. Sie besuchte Arno auf der Intensivstation, wo dieser sein inzwischen aufgetretenes Herzproblem heimlich selbst behandelte. Arno ließ sie in dem Glauben, dass sie ihn in Panik niedergeschlagen hatte, weil sie seine angebotene Hilfe falsch deutete. Er würde die Sache aber auch sich beruhen lassen, weil er Angst hatte, dass Monika die Wahrheit erzählen würde. Sally wiederum verschwieg, weshalb sie mit Monika in dem Raum gewesen war. Monika stellten sie nicht zur Rede. So verstrickten sie sich in ein Gespinst aus Lügen und Schweigen.

Sie sahen sich nie wieder. Monika lebte inzwischen mit Lothar zusammen, sie fühlte sich dadurch sehr sicher, falls Sally und Arno doch auf die Idee kämen, alles auszuplaudern. Sally zog sich völlig ins Privatleben zurück und suchte nie mehr den Kontakt zu Frauen. Arnos Genesung dauerte lange, er verlor seine Stelle in der Klinik. Heute ist er Leiter eines Gesundheitsamtes in Bayern.
 

DocSchneider

Foren-Redakteur
Teammitglied
Es gab ein fürchterlich knirschendes Geräusch, Arno kippte vornüber und knallte auf Sally. Monika starrte wie hypnotisiert auf die klaffende Wunde in Arnos Hinterkopf, aus der sofort reichlich das Blut schoss. Sie besah sich den Schaden näher. Oh, sie konnte zum ersten Mal in ihrem Leben in Arnos Kopf hineinsehen! Es schimmerte weißlich-gräulich durch all das Blut. Ob das Arnos Gehirn war? Fast war sie versucht, die Hand auszustrecken, in das Loch zu fassen und alles zu berühren. Plötzlich aber wurde sie sich bewusst, in welcher Situation sie sich befand. Die blutverschmierte Sally unter dem heftig blutenden Arno, sie selbst einer Nemesis gleich mit einem zerdepperten Bierkrug in der Hand, dessen Splitter sich über Arno ausbreiteten. Was sollte sie jetzt tun?
Arno gab stöhnende Laute von sich und sie dachte, ich muss einen Arzt holen! Sofort entschlüpfte ihr ein beinahe sardonisches Lächeln: Ha, Arno war selbst Arzt, sollte er sich helfen, wenn er noch konnte. Sally bewegte sich jetzt unter der Last seines Körpers und öffnete wieder vorsichtig die Augen. Scheiße, dachte Monika, ich muss hier weg. Ich kann das nie und nimmer jemandem erklären. Sie stellte den Bierkrug neben Sally, wischte ihn notdürftig mit ihrem Blusenärmel ab und spähte in den Gang. Die Luft war rein, also nichts wie hin zur Toilette. Sie schloss sich in einer Kabine ein und betrachtete ihr weißes Gesicht im Spiegel. So sah also eine Mörderin aus, denn sie war fest davon überzeugt, dass Arno dieses Loch in seinem Kopf nicht überleben würde.
Das fehlte noch, dass dieser bekloppte Typ es auch nach Jahrzehnten noch schaffen würde, ihr Leben zu zerstören. Sie würde hinter Gitter kommen. Sie würde ihre Familie verlassen müssen. Sie bekäme nie wieder ein Bein auf den Boden, nur in ein privates Fernsehstudio, das ihre Geschichte mit Vorliebe preis geben würde. Nein, so weit durfte es nicht kommen! Sie würde sich nicht limboartig in gesellschaftliche Niederungen begeben, sie nicht! Sie musste die Normale spielen. Hier war der perfekte Ort zum Üben. Sie kniff sich in die Wangen, um etwas Farbe hinein zu bringen und sagte zu ihrem Spiegelbild: "Hallo, ich glaube, ich fahre gleich nach Hause. Ist schon spät....und wir machen doch nochmal ein Treffen?" Das klang ja furchtbar, so wie sie das sagte! Also nochmal, nochmal und nochmal. Schließlich war sie zufrieden. Sie entriegelte die Tür und ging in den Saal zurück. Das Zimmer des Grauens würdigte sie mit keinem Blick.
Im Saal traf sie gleich auf eine angeheiterte Gruppe, bestehend aus Werner, Paula und Lothar, und sagte ihr geübtes Sprüchlein auf. Niemand schöpfte Verdacht. Sie hakte sich bei Paula unter und plötzlich sagte Werner: "Wo ist eigentlich Arno? Der wollte nur zum Klo, ist aber schon lange weg!" "Der hat sicherlich jemand zum Nageln gefunden", warf Paula ein, "guck doch mal, wer von den Weibern auch verschwunden ist!" "Klar, Sally ist auch nicht da, komm, wir gehen die beiden suchen! Denen vermasseln wir aber die Tour", rief Lothar und alle drei schwärmten Richtung Toilette aus. Monika nahm sich einen Ouzo - sie fand, das sei der richtige Moment für einen Schnaps - und hielt den Atem an.
Tatsächlich, zwei Minuten später ertönten spitze Schreie und entsetzte Ausrufe. "Schnell, ruf einen Krankenwagen, jetzt mach!" war zu vernehmen und Werner stürzte mit leichenblassem Gesicht zurück in den Saal. "Arno und Sally liegen übereinander in ihrem Blut, Sally hat dem wohl mit nem Bierkrug einen verbraten, sie ist bei Bewusstsein, aber Arno hat es übel erwischt", berichtete Werner, der zwar nur Tierarzt war, aber den Ernst der Lage erkannt hatte. "Mann, der kratzt ab!", schrie Paula, die ebenfalls in den Saal gelaufen kam. "Ach, was weißt denn du, du bist bloß Zahnärztin", ereiferte sich Werner, "so schnell stirbt es sich nicht!". "Halt die Klappe", schimpfte Paula drauflos, "wer Kälber herauszerrt, hat eh keine Ahnung" und es sah aus, als gäbe es gleich die nächsten Verletzten. "Habt ihr jetzt endlich den Notarzt gerufen?", fragte Lothar, der dazustieß, während sich am Unfallort immer mehr Schaulustige drängten. "Ja, habe ich", antwortete Werner und im selben Moment hörten sie schon die Sirene.
Monika hielt sich dezent im Hintergrund, als das Notärzte-Team, unterstützt von gut gemeinten, aber falschen fachmännischen Ratschlägen von Werner und Paula die Verletzten behandelte. Vorsichtig trennten sie Sally und Arno, führten die Erstversorgung der Wunden durch und brachten beiden auf zwei Tragen heraus. Paula ging heulend hinterher. "Wie schlimm ist es?", wagte Monika zu fragen. "Die werden wieder", brummte einer der Notärzte, "dann können sie es ja nochmal miteinander versuchen!" Monika war erleichtert. Sie war keine Mörderin!
In kleinen Gruppen standen die Ehemaligen zusammen, um die Ereignisse zu beraten. Auf einen Schlag schienen alle nüchtern zu sein. "Ist doch klar, was da passiert ist", referierte Lothar, der vernünftige Rechtsanwalt. "Arno hat Sally angebaggert, sie gingen in den Raum, dann wollte sie nichts mehr oder nicht so viel wie er, also hat sie ihm den Krug über den Schädel gedonnert! Allerdings ist Sally auch verletzt. Vermutlich hat er sie vorher irgendwie vertrümmt!", schloss er. Monika schwieg. Sie dachte, falls Sally oder Arno auspacken, nehme ich Lothar als Rechtsbeistand. Ihn konnte ich schon immer gut leiden ....bald zerstreuten sich alle, um nach Hause zu fahren. Monika war sehr mit sich zufrieden. Von wegen verhuschtes Weib! Nein, sie hatte die Situation bis dahin gut gemeistert und war stolz auf sich.
Am nächsten Morgen fragte Monikas Familie, wie denn ihr Klassentreffen gewesen sei. "Ach, das Übliche", entgegnete sie und strich Leberwurst auf ihr Brötchen, "die gleichen Idioten wie früher! Ich glaube, das war definitiv mein letztes Treffen! Zwei waren so betrunken, dass sie sogar ins Krankenhaus mussten! Unmöglich!" Ihre Familie nickte zufrieden. Genau, Klassentreffen waren blöd!
 



 
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