Kleine Wespe, große Wirkung

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Kleine Wespe, große Wirkung

An einem Montag im August,
da hatte eine Wespe Lust
auf Marmelade oder Kuchen,
drum wollte sie ihr Glück versuchen
und flog beherzt mit viel Elan
geradewegs zur Autobahn.

Dort gab’s, was sie so gerne wollte:
Ganz nah an ihr vorüberrollte
ein Sattelzug mit süßer Last.
Die Wespe hatte schnell erfasst:
Das Schicksal war ihr wohlgesinnt,
und wer nicht wagt, der nicht gewinnt.

Sie fand den Weg in’s Führerhaus,
stach dort den Fahrer, der – oh Graus –
vor Schreck das Lenkrad fahren ließ,
das Fahrzeug an die Planken stieß
und kippte mit der Ladung um,
zerbrochen lag sie nun herum.

Die Wespe dachte sich: "Wie schade
um all’ die Gläser Marmelade!
Für mich hätt’ eines auch gereicht,
davon ernährte ich mich leicht
mein ganzes Wespenleben lang,
zuviel davon macht mich doch krank,
und übermäßig Süßes tut
der Wespentaille auch nicht gut!"
 
K

Klopfstock

Gast
[red]Das Schicksal war ihr wohlgesinnt,
und wer nicht wagt, der nicht gewinnt.[/red]

[blue]Das Schicksal war ihr wohlgesonnen
und wer nicht wagt, hat nicht gewonnen.[/blue]

Liebe Anne Marie,
bis auf die obigen zwei Zeilen kann ich nüscht zum
Meckern finden- im Gegenteil, ich finde Dein Gedicht
einfach bezaubernd;)

Das Blaue ist die grammatikalische Verschlimmbesserung;)

Liebe Grüße
Klopfstock
 
Hallo Klopfstock,

Deine Verschlimmbesserung, oder viel mehr Deine Bewertung hat jedenfalls große Wirkung gezeigt und mich zum Erfolgs-Autor befördert. Ich bin beeindruckt und freue mich sehr darüber und noch mehr dass Du mein Gedicht bezaubernd findest, denn ich hatte eine mehrwöchige Schreibflaute, die ich jetzt hoffentlich überwunden habe ;)

Herzliche Grüße
Anne-Marie
 

LuMen

Mitglied
gesinnt - gesonnen?

Hallo Anne-Marie,

Du hast Dir da eine sehr nette Reimgeschichte ausgedacht! Sie enthält nur einen Fehler, an dem Du aber nicht Schuld bist. Klopstock hat diesmal - ausnahmsweise - Unrecht. "Wohlgesinnt" ist richtig, "wohlgesonnen" falsch. Das ist ein häufiger, man kann schon sagen "gebräuchlicher" Fehler (s. Großer Duden, sprachliche Zweifelsfälle): Gesonnen bedeutet "gewillt sein, willens sein", z. B. muss es heißen, "ich bin nicht gesonnen, das zu tun" (nicht "gesinnt"). Gesinnt bedeutet dagegen, eine bestimmte Gesinnung haben, also jemandem gleichgesinnt, gut gesinnt oder eben auch wohlgesinnt sein. Das meinst Du in Deinem Gedicht.

Nichts für ungut, liebe Irene, ich mache auch mal Fehler, denn Deutsch ist ja eine schwierige Sprache (selbst für Deutsche). Euch beiden wünscht ein schönes Wochenende

LuMen, der Sprachfreund
 
Hallo LuMen,

die deutsche Sprache steckt voller Überraschungen. Ich bedanke mich für's Nachschauen im Duden und für die Erklärungen und werde die 2 Zeilen wieder in ihren Urzustand zurückversetzen.
Ausgedacht habe ich mir die Geschichte allerdings nicht. Kaum glaublich, aber wahr: Es passierte im letzten Sommer auf einer deutschen Autobahn. 15 Tonnen Marmeladengläser gingen zu Bruch, der Sachschaden belief sich auf 100.000 Euro, der Fahrer blieb zum Glück unverletzt. Ob die Wespe tatsächlich zugestochen hatte oder ob der Fahrer in Panik war, um sich schlug und dabei den Lenker losließ, weiß ich nicht...

Liebe Grüße
Anne-Marie
 

Zeder

Administrator
Teammitglied
Noch ein paar kleinere Anmerkungen von mir (insbesondere zur Optik des Textes):


Kleine Wespe, große Wirkung

An einem Montag im August,
da hatte eine Wespe Lust
auf Marmelade oder Kuchen,
drum wollte sie ihr Glück versuchen
und flog beherzt mit viel Elan
geradewegs zur Autobahn.

Dort gab’s, was sie so gerne wollte,
es nah an ihr vorüberrollte:
[red]Nen [/red]Sattelzug mit süßer Last.
Die Wespe hatte schnell erfasst:
Das Schicksal war ihr wohlgesinnt,
und wer nicht wagt, der nicht gewinnt.

Sie fand den Weg in’s Führerhaus,
stach dort den Fahrer, der – oh Graus –
vor Schreck [strike]den Lenker [/strike][blue]das Lenkrad [/blue]fahren ließ [blue]- [/blue]
das Fahrzeug an die Planken stieß [blue]- [/blue]
und kippte mit der Ladung um[strike],[/strike][blue]:[/blue]
[blue]Z[/blue]erbrochen lag sie nun herum.

Die Wespe dachte sich: „Wie schade
um all’ die Gläser Marmelade!
Für mich hätt’ eines auch gereicht,
davon ernährte ich mich leicht
mein ganzes Wespenleben lang,
zuviel davon macht mich doch krank,
und übermäßig Süßes tut
der Wespentaille auch nicht gut!“
 
Hallo Zeder,

Dankeschön für die optischen Verbesserungsvorschläge. Das sieht wirklich besser aus, nicht so kompakt wie meine Version. Ich verstehe nur nicht so ganz, warum ist "nen" in rot und die anderen Vorschläge in blau?

LG
Anne-Marie
 

LuMen

Mitglied
noch mehr

Hallo Anne-Marie,

man sollte auch nicht auf noch so gut gemeinte Ratschläge hin immer noch mehr verbessern, verbessern heißt auch manchmal verwässern.

In Ordnung geht der Vorschlag von Zeder zur Strophenaufteilung, das sieht nicht nur besser aus, sondern erleichtert auch das Lesen. Warum Du aber aus "ein" das unschöne "´nen" machen solltest, leuchtet mir nicht ein. "Nen" passt als Akkusativobjekt zwar zur ersten Zeile der Strophe ("..dort gibt es.."), zur zweiten Zeile ("..rollt vorüber..") passt aber "ein" als Nominativ genau so gut. Man kann also, je nachdem, was man als Bezugspunkt ansieht, beides sagen, und warum sollte ich dann das ungelenke "nen" wählen?

Über "Lenker" oder "Lenkrad" kann man eigentlich nicht streiten, das ist reine Geschmackssache.

Herzlichen Gruß

LuMen
 
Hallo Zeder, hallo LuMen,

vielen Dank für die freundliche Unterstützung.
Das "nen" finde ich auch nicht gut, und da das "ein" nicht falsch ist, lasse ich es stehen. Das "Lenkrad" und die Absätze von Zeders Vorschlag habe ich gerne übernommen.

Liebe Grüße
Anne-Marie
 

Zeder

Administrator
Teammitglied
Hallo in die Runde,

das "Nen" ist sicherlich eine Behelfslösung, aber grammatikalisch richtiger als "ein".

Denn wenn wir den unbestimmten Artikel hier suchen:
"Dort gab’s, was sie so gerne wollte,
es nah an ihr vorüberrollte:
[blue]Ein Sattelzug [/blue]mit süßer Last."
finden wir ihn bei "ein". Also: "Dort gab’s, was sie so gerne wollte [...] ein Sattelzug mit süßer Last."

Es müsste natürlich heißen: "Einen" Sattelzug mit süßer Last. Dies geht aber aus silbentechnischen Gründen nicht.
Denkbar wäre - der Silbenzahl angemessen - "Den" Sattelzug mit süßer Last. Das wäre aber ein bestimmter Sattelzug. Der hier aber nicht gemeint ist.

Deshalb habe ich das umgangssprachliche "Nen" gewählt, das das Ende von "ei-nen" darstellt und auch noch in die Metrik passt. Aber, wie schon gesagt, auch nur eine Behelfslösung ist.
(Dies nur zur Erklärung, warum das eine von mir rot und der Rest blau markiert wurde.)

Zum Lenker: Ein Lenker ist (jenseits von dem Leiter und Führer) auch das Gerät, das bei Dreirädern oder Fahrrädern oder Motorrädern der Lenkung dient; ein Lenkrad hingegen ist rund.
Allerdings ergeben sich auch aufgrund der unterschiedlichen Sprachgebräuche unterschiedliche Nutzungen der Worte - bis hin zur Gleichsetzung, wie hier geschehen (darum auch blau und nicht rot - es ist üblich, zum Lenkrad "Lenker" zu sagen, auch wenn, wie schon gesagt, ein Rad rund ist).

Und: Welche Vorschläge der Autor übernimmt, bleibt immer ihm überlassen. Es handelt sich immer um seinen Text :)

Viele Grüße, Zeder
 
Hallo Zeder,

ganz lieben Dank für die ausführlichen Erläuterungen. Ich habe mich nun für folgende Lösung entschieden:

Dort gab's, was sie so gerne wollte:
Ganz nah an ihr vorüberrollte
ein Sattelzug mit süßer Last...

Herzlichen Dank nochmal an alle, die meinen Zeilen so viel Aufmerksamkeit geschenkt haben :)

Liebe Grüße
Anne-Marie
 



 
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