Klimaxlüge

3,40 Stern(e) 10 Bewertungen

Plejadus

Mitglied
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Nun, Meere zu teilen war mir bislang noch nicht vergönnt.
Wie oft saß ich verlorener Erdenmensch meditativ gekreuzter Beine am Saume des Gestades und tat teilende Armbewegungen, stets bereit zum ersten trockenen Schritt ocean-einwärts, doch nein, nichts schied sich, wie immer und womit ich auch fuchtelte und in die Gischt rief:

"So teile Dich, Du Mutter aller schwappenden Wasser, Du inselmachende Riffpeitsche, Du Salzwassersäulen türmende Braut mit Dauerwelle, auf dass ich einen Fuß nach dem anderen setze, und Du mir Spalier stehest längs meines Wegs zum Himmelszähler hinan!"

Nichts also tat sich und es schien, als wolle es das auch nicht. So wand ich mich anderen Gewässern zu, und bald fand ich mich wieder am Ufer eines Baches. In bescheidener Kühnheit erwählte ich einen, welchen ich nicht zu überspringen vermochte, stand, fuchtelte und donnerte das Wort:

"Bach, in welchem Forellen schnellen! Du, der Du sprudelst, schäumst und bald Dich durch Feld und Acker würmst, der Du tanztest aus der Quelle Topf und kussbereit zum Meere strebst!
Hier nun sei Schicksal und Stätte Deines Verweilens um meinetwegen! Teile Dich, dass ich Dich quere wie ein des süßen Nasses müder Dorsch!"

Es ist gewissermaßen die Konsequenz des Scheiterns, die einen letztlich an den Rand einer Pfütze in einem gesichtslosen Außenbezirk der Stadt ***** treibt, so auch mich. Und ich verhehle nicht, noch immer am Rande dieser Pfütze zu stehen und blöde zum Gott der Verdunstung zu flehen, da es zu regnen beginnt.
 
G

Gelöschtes Mitglied 18005

Gast
Mich lockte die Masse an positiven Bewertungen an, war dann auch verzaubert und fasziniert von der Fülle an bildhaften Worten, dann irgendwie aber - und das mag an meiner Konzentrationsschwäche liegen - abgelenkt und desinteressiert. Das alles bloß nach dem ersten Lesen.

Nach dem zweiten Lesen hat sich nicht sonderlich viel dazugetan. Es ist ein schönes Stück, zweifellos, doch irgendwie ein Stück ... überdramatisiert? Wer schreit denn so in einen Ozean?

Ja, beim dritten Lesen verstehe ich plötzlich mehr, da gibt es auch einen Bach der angeschrien wird. Was ist denn bloß los mit mir, dass ich so viele Male fliegen muss um einen Überblick zu gewinnen?

Nach dem vierten Mal beginne ich dieses Werk außerordentlich lieb zu haben, verwinkelte Schätze bergen sich drin. Nun ab zum fünften Treiben:

Ein stummes Ende. Wortlos. Man muss eben ein Moses sein um Wasser teilen zu können. Oder wenigstens in inniger Verbindung - und das ist die Hauptsache - mit Gott stehen. Macht Lust auf die Bibel. Konzentriertes Bibellesen ist es wonach ich mich sehne!

Vorsicht mit "Gott der Verdunstung" - der (griechische) Polytheismus ist ein Weg der in die Irre führt, das heißt falsch.
 

Plejadus

Mitglied
Hai!
Wollen wir uns zunächst einmal einander unsympathisch machen, Etma?
Ich meine, so als Kniff, damit wir nicht unvermittelt in dieses langweilige Harmonieplanschbecken hüpfen, wo Fischchen schwimmen, die noch der letzten Lüge die Blubberblase ihrer Erkenntnis entgegen ... ähm .. blubbern?
Also, ich empfehle die Bibel den Flammen; zumindest den Flammen der Erkenntnis. Und: Ich empfehle, wenn schon religiös herum murksen (besser darauf verzichten) den Polytheismus, sprich:
Gott der Verdunstung, Gott des Erster-an-der-kasse-Seins, Gott der rechtzeitig eintreffenden U-Bahn, Gott des richtig-herum-fallenden- Honigbrots, Gott des leeren Briefkastens, Gott der Vermeidung allgemeiner Dummheit, Gott des Vergnügens, Gott der nachhaltigen Pflege des Synapsenfriedhofs etc.
Alles ist besser als jener EIne - wenn schon, dann bitte verteilt auf ungefähr unendlich viele Halbgott-Schultern, bitte, bitte, bitte!
Nachdem das klar-soweit ist, möchte ich mich ganz herzlich dafür bedanken, dass Du meinen Text mit wachsender Freude und so mehrfach gelesen hast.
Es ist ein Text, der satirisch die Hybris aufs Korn nimmt, bis sein Protagonist letztlich gar an der Aufgabe scheitert, eine Pfütze zu teilen.
Lieber und ernstgemeinter Gruß nach Budapest aus dem Harz, angeknüpft an diesen meine unverhohlene Sympathie mit Deiner congenial größenwahnsinnigen Maus:
Plej.
 

Der Andere

Mitglied
ein sehr ungewöhnlicher text. ich habe ihn gestern gelesen und er beschäftigt mich noch immer, weil er fragen stellt, problematisiert. eigentlich gefällt mir auch die sprache, die verschränkung von gesprochener und märchenhaft-altertümlicher sprache. vielleicht hätte das sogar noch konsequenter ausgearbeitet werden können.
zwei sprachhürden gab es für mich dennoch:
dies "tat teilende Armbewgeungen" ist schrecklich ungelenkt.
"in welchem Forellen schnellen" erscheint mir etwas ungewollt komisch in seinem reim.

sehr gern gelesen.
 



 
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