Kneipenkatzen: Abenteuer auf dem Meer

Christoph

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Die ist die Fortsetzung der Abenteuer der "Kneipenkatzen" aus dem Buch "Von Biermäusen und Kneipenkatzen", das hier in der LL unter "Kindergeschichten" bereits veröffentlicht ist.
Das neue, große Abenteuer der "Kneipenkatzen" Simba und Bliny aus Christophs Restaurant an der Algarveküste ist noch in der Entstehungsphase.
Die notwendigen Recherchen auf dem Fischerboot laufen noch.
Ich würde mich dennoch über Kritik und spontane Reaktionen freuen.

Christoph


Abenteuer auf dem Meer​

1.Aber ich will doch gar nicht nach Afrika

„Aber ich will doch gar nicht nach Afrika!“
Bliny, die kleine beigefarbene Katze mit dem getigerten Schwanz und den leuchtend blauen Augen, saß zusammen gekauert und unglücklich hinter einem aufgerollten Tau.
Das ständige Rollen und Stampfen des Fischerbootes auf dem Atlantik zwischen der Algarveküste in Portugal und den fischreichen Gebieten vor Marokko in Nordafrika machte sie krank.
Und erst die Nässe: morgens war das ganze Boot feucht vom Tau und wenn es gerade nicht regnete, spritzte immer Meerwasser auf die „Deus me Ajude“ („Herr hilf!“), wie dieses Schiff hieß.
Aber leider regnete es im Dezember ziemlich oft in dieser Gegend der Welt. Heute blitzte zwar ab und zu die Sonne zwischen den grauen Wolken hervor, aber die niedergeschlagene Stimmung von Bliny konnte das nicht verbessern.
Ihr Onkel Simba, mit dem sie schon so manches Abenteuer durchgestanden hatte, saß schweigend neben ihr.
„Afrika! Ich will zurück in mein Dorf und in mein Restaurant!“
Simba schwieg noch immer, warf aber seiner Nichte einen sehnsüchtigen Blick zu. Ihm ging es nämlich genauso.
Er dachte an das gute Leben, das sie noch vor drei Tagen gehabt hatten.

Drei Tage! Unglaublich wie verschieden schnell die Zeit vergehen kann.
Drei Tage im Sommer: das war dösen mit den anderen Familienmitgliedern und Freunden auf den Stühlen der Restaurantterrasse. Bis dann irgendwann Christoph kam , die Türe aufschloss und frisches Wasser und Futter auf den Tisch unter der Palme stellte . Dann wieder dösen, bis am Abend die ersten Gäste die Stühle brauchten. Dann wieder dösen, bis die Reste aus der Küche serviert wurden.
Simba lief bei dem Gedanken an diese Genüsse das Wasser im Maul zusammen.
Drei Tage im Sommer dauerten solange, wie es dauert, einmal mit den Augen zu blinzeln.

Aber jetzt: was Bliny und er in den vergangenen drei Tagen erlebt hatten, reichte für ein komplettes Katzenleben.
Das glückliche Leben, die Familie und die Freunde, alles war so weit weg.
Simba dachte an seine Freundin Maria, die von allen nur „IA“ genannt wurde.
„Was für furchtbare Sorgen wird sie sich machen!“
Er rückte näher an Bliny und leckte ihr das Fell zwischen den Ohren und im Nacken. Er wusste, dass das beruhigend auf sie wirkte.
Bliny, die sonst so sanft und ausdauernd schnurren konnte, gab keinen Ton von sich und starrte weiter auf das Meer, als gäbe es da etwas zu sehen.
Aber es gab nichts zu sehen. Nur Wasser, Wellen und ein grau blauer Himmel, der irgendwo, weit weg, das Meer zu berühren schien.
„Afrika! Afrika!“ flüsterte sie leise nach einer Weile.
„Von Afrika habe ich schon gehört. ICH WILL NICHT NACH AFRIKA! Ich will in das Restaurant und mit Toi auf dem Campingplatz singen!“
In diesem Moment schwappte eine Welle gegen die Bootswand und die Spritzer machten Simba patschnass. Sein schönes sand- und erdfarben marmoriertes Fell und selbst der strahlend weiße dreieckige „Latz“ unter dem Kinn, troff von kaltem, salzigen Meerwasser.

Erschreckt und auch etwas beleidigt stand er auf und schüttelte sich angewidert das Wasser aus dem Fell. Vorsichtig lief er über das glitschige Deck und legte sich neben dem Steuerhaus in die Ecke. Hier stapelte der Schiffskoch die alten Kartons und Müllsäcke. Das bedeutet, es gab immer einen geschützten Platz, an dem man sich verkriechen konnte. Zumindest so lange, bis der ganze Abfall über Bord in den Atlantischen Ozean gekippt wurde.
Kurze Zeit später kam Bliny nach. Jetzt war es an der Zeit, dass sie ihrem Onkel bei der Fellpflege half – oder sollte ich besser sagen: bei der Reparatur des Wasserschadens half.

Während Bliny ihm das Fell leckte, entspannte sich Simba zunehmend und er fand zum ersten mal etwas Ruhe.
Wie war das nur alles gekommen? Wie kamen sie beide auf ein Boot auf dem Meer, wo sie doch beide Wasser nur als Getränk leiden konnten?
Wie konnte es passieren, dass sie hier auf dem Ozean waren, in Gesellschaft von 15 Fischern, einem Schiffskoch, dem Bordhund „Cão“ (was einfach „Hund“ heißt) und zahlreichen anderen Tieren, die – wie sie selber – als Blinde Passagiere mitfuhren?

Nach und nach wurde es Simba wieder warm und in Gedanken ging er zurück zu jenem verhängnisvollen Abend, an dem alles begann.


2. Bliny und Simba haben Langeweile

Dezember ist an der Algarve die langweiligste Zeit des Jahres. Nur wenige Gäste verirren sich ins Restaurant. Das heißt auch: wenig Essensreste aus der Küche und immer das gleiche Dosenfutter aus dem Supermarkt.
Allen fünf Katzen des Restaurants hing das zum Hals raus.
Vor allem dem schwarz-weißen Zorro, der seinen Namen dem schwarzen Fell verdankte, das eine perfekte Maske um seine Augen bildete und ihn wie den berühmten Filmhelden aussehen ließ.
Aber auch seine Schwester Clara (fast schwarz mit einem weißen Kinn und eleganten weißen Streifen an den Hinterbeinen), Vetter Simba, der sanftmütige marmorierte Kater mit dem weißen Latz und Nichte Bliny mit den blauen Augen waren angeödet.
Es waren kaum Gäste da, die sich für die Katzen interessierten. Fast keine Kinder, die laut quietschend alle Katzen fangen und streicheln wollten.
Sonst ging ihnen das auf die Nerven – aber in dieser ereignislosen Zeit wären sie willkommen gewesen.
Einzig der ganz schwarze Kater Fauchi, der seit dem Frühjahr mit den anderen im alten Bootslager wohnte, war nicht von der Winterstimmung angesteckt und ließ weiter seine gefürchteten Sprüche vom Stapel: „Was ist der Himmel für ´ne Katze? Ein voller Teller und ´ne weiche Matratze!“

Dann kam der Abend, an dem das Restaurant schon um zehn Uhr zugeschlossen wurde. Der Nieselregen, der den ganzen Nachmittag gefallen war, hatte aufgehört. Doch die meisten Gäste hatten sich nach den Weihnachtseinkäufen in dem feuchten und ungemütlichen Wetter vor die heimischen Öfen zurückgezogen und sich etwas zum Abendessen aufgetaut.
Für unsere Katzen gab es wieder einmal nur ein kleines Stück Steakrest – was sich Zorro sofort als erster unter den Tisch zog - und ansonsten die unvermeidliche „Lidl“- Katzenfutterdose und Trockenfutter.

„Wie langweilig!“ Bliny schimpfte halblaut vor sich hin und schlug - sichtlich ärgerlich - mit der Schwanzspitze. “Nichts los!“
Simba- ihr Lieblingsonkel – nickte zustimmend.
„Komm Simba, lasst uns was unternehmen!“
„Was sollen wir denn hier schon unternehmen?“ Die allgemeine Trägheit hatte auch auf Simba abgefärbt.
„Lasst uns doch mal auf den Campingplatz gehen und sehen, was Toi und IA machen!“ schlug Bliny vor.
Das war normalerweise ein sicheres Mittel, Simba aufzurütteln.
„IA“ – die eigentlich „Maria“ hieß - war seine Freundin und die Schwester von „Toi“ Pinto, den Bliny in ihr Herz geschlossen hatte.
„Ach Bliny!“ Simba seufzte laut.
„Die sind doch beide nicht da. Die Menschen, die sie in den letzten Wochen gefüttert haben, sind weggefahren und haben IA und Toi in ihrem rollenden Haus mitgenommen.“
Bliny gab nicht auf.
„Vielleicht sind sie ja schon wieder zurück!“
Viele Menschen vom Campingplatz verschwanden plötzlich mit ihren rollenden Häuser, aber meistens tauchten sie nach Tagen, Wochen – manchmal auch erst nach Monaten - wieder auf.
„Das glaube ich nicht! IA hätte sich sofort bei mir gemeldet. Und außerdem hat Vater Pinto gesagt, dass er seine Kinder erst zur Mandelblüte zurück erwartet.“
Simba fühlte bei dem Gedanken, IA frühestens beim nächsten Vollmond wiederzusehen, einen stechenden Schmerz in der Brust.
Bliny ging es nicht anders: wie sehr vermisste sie die Nächte, in denen sie mit den anderen Campingplatzkatzen – besonders mit ihrem Freund Toi - zusammen im Kreis gesessen hatten, um gemeinsam zu ihrer aller Freude zu singen.
Leider wussten die meisten Menschen in der Umgebung ihre Kunst nicht zu schätzen.
Doch es war für Bliny jedes mal ein Höhepunkt, wenn sie neben Toi sitzen konnte und seine kräftige, tiefe Katerstimme mit ihrem rauen Alt begleiten konnte. Wenn dann mal ein Pantoffel geflogen kam – na gut! Kleine Pause und dann weiter.
„Die Menschen sollen sich nicht so anstellen!“ sagte Toi immer.
„Was die selber für einen Lärm machen, wenn wir endlich mal einen ruhigen Schlafplatz gefunden haben. Fernseher auf voller Lautstärke, Mopeds mit kaputtem Auspuff. Mit schriller Stimme nach ihren Kindern schreien! Laut ins Handy brüllend neben meinem Schlafplatz stehen bleiben! Und, und, und ... Aber unseren lieblichen Gesang einmal im Monat bei Vollmond – da fliegen Pantoffel, Wassereimer und schlimmeres.
Banausen!“
Das Wort „Banause“ hatte er von einem jungen Spanier aufgeschnappt, der gerne über Mittag auf seiner Gitarre übte und nach einigen Tagen ähnliche Reaktionen zu spüren bekam, wie die Katzen bei ihren Konzerten.
“Banause“ schrie er dann immer den Leuten zu, die seinen Gesang störten.
Toi wusste zwar nicht genau, was das Wort bedeutete, aber es gefiel ihm von seinem Klang her und vor allem: die Angreifer zogen sich meistens beleidigt zurück.

„Komm, lasst uns was unternehmen! Ich komme um vor Langeweile“ Bliny drängelte.
„Simba, erinnere Dich was wir bei unseren letzten Ausflügen alles erlebt und wie viele neue Freunde wir gefunden haben. Aber wenn Du keine Lust hat, gehe ich eben alleine!“
Bliny stand auf und ging zwei langsame Schritte in Richtung Campingplatz.

„Halt. Warte auf mich!“ Simba wollte nicht als Langweiler dastehen und außerdem fühlte er ich für seine Nichte verantwortlich.
„Aber nur eine kleine Erkundungsrunde. Dann gehen wir zurück ins Restaurant! Das Wetter sieht nicht gut aus“
In der Tat: im Westen zogen dicke schwarze Wolken auf. Die Sterne waren kaum noch zu sehen.
Bliny antwortete nicht und lief weiter.
An der Bordsteinkante der großen Straße, die den Campingplatz vom Ort trennte, blieb sie stehen.
Gemeinsam warteten sie, bis sie sicher waren, dass kein Auto oder Moped heran brauste und liefen dann zügig auf die andere Seite.
Von hier aus mussten sie noch eine weitere Straße überqueren. Aber in den vergangenen Monaten waren sie so oft auf dem Campingplatz zu Besuch gewesen, dass sie auch diese gefährliche Aufgabe sicher überstanden.

„Komm Simba. Lasst und über den Zaun steigen!“
„Entschuldige Bliny. Aber ich glaube ich habe dazu keine Lust. Ohne IA ist der Campingplatz nur traurig“
In Grunde ihres Herzens ging es Bliny ähnlich wie Simba. Ohne die Aussicht, ihren Freund Toi zu treffen, wusste sie auch nicht so recht was sie hier sollte.
„Und jetzt? Hast Du eine Idee?“
Simba zögerte einen Moment.
„Wir waren noch nie auf der anderen Seite des Platzes. Ich habe gehört, es soll da ganz anders als bei uns sein. Und da gibt es auch Restaurants. Vielleicht haben die ja was anderes als Dosenfutter für uns.“
Diese Aussicht verlockte Bliny so sehr, dass sie sofort zustimmte.
„Kennst Du den Weg?“
Simba, der für seine Verhältnisse in den letzten Minuten schon außerordentlich viel geredet hatte, zeigte mit dem Kopf schweigend nach links und setzte sich in Bewegung.
Bliny folgte ihm ebenso schweigend.

Die dunklen Wolken hatten inzwischen den ganzen Himmel verdunkelt. Aber das Licht der Straßenlaternen und die Blitze die weit draußen über dem Meer zuckten, reichten aus, um die Katzen mit ihrer guten Nachtsicht, alles klar und deutlich erkennen zu lassen.
Der Weg am Campingplatz entlang war wesentlich enger als auf der anderen Seite am Tor.
Zwischen der Buchsbaumhecke, die durch den Maschendraht des Zauns wucherte und dem vollgeparkten Straßenrand standen in zwei Metern Abstand schwere Holzbänke, auf denen fast nie jemand saß. Zwischen den Bänken wuchsen Jakarandas, Bäume die im Frühjahr noch bevor sie grüne Blätter bekamen in strahlendem Blau blühten. Dazwischen standen Pfefferbäume, deren rote Beeren in Deutschland im Supermarkt sehr viel Geld kosten, die hier aber von den Bewohnern nicht weiter beachtet werden.

Dann dieses Durcheinander von Gerüchen: vom Campingplatz her trug der Wind die verschiedenen Reviermarkierungen der Kater, gemischt mit menschlichen Essensgerüchen.
Die Bänke und Bäume auf ihrem Weg waren von unzähligen Hunden markiert worden.
Bliny erkannte den typischen Geruch von Buda. Buda war einer der Hunde, den Bliny und Simba mochten. Buda war ein Chow.Chow, ein Hund mit dicken Fell. Im Sommer lag ein immer unter Katzentisch im Schatten und hechelte mit seiner blauen Zunge. Er lebte im Café BUDA (nach ihm benannt!!!) zusammen mit der Katze Mimi. Mit seiner ruhigen Art hatten ihn die Restaurantkatzen schnell akzeptiert. Außerdem war er ein guter Freund, da er alle Katzen in seinem Revier für Mitglieder seiner Familie hielt und jeden anderen Hund sofort vertrieb, der es wagte, eine „seiner“ Katzen zu jagen.
Die zunehmend feuchter werdende Luft des heranziehenden Gewitters ließ Simba und Bliny die Gerüche noch intensiver als sonst wahrnehmen.
Einige Gerüche waren ihnen unangenehm. Offensichtlich hatten es häufiger betrunkene Menschen nicht bis nach Hause geschafft und sich in den dunklen Bereichen des Weges erleichtert. Die beiden machten jedes Mal einen großen Bogen um diese Stellen.

Sie kamen nur langsam vorwärts. Wie es die Art der Katzen ist, werden neue Reviere nur im Zeitlupentempo erkundet. Immer dann, wenn alles Wesentliche erforscht und verstanden worden ist, kann das nächste Stück „erobert“ werden.
Das Wetter wurde immer ungemütlicher. Das Gewitter zog vom Meer her auf die Küste zu und die ersten Windböen ließen die Straßenbäume heftig rauschen. Eine Menge trockenes Laub und kleine Äste regneten auf Bliny und Simba.
Auch der Gewitterregen ließ nicht lange auf sich warten.

Endlich hatten sie das Ende des Zauns erreicht und bogen um die Ecke.
Hier war das Restaurant „Sol e Mar“ („Sonne und Meer“) von dem Simba gehört hatte, ohne jedoch der Namen zu wissen.
Dieses Restaurant war völlig anders als „sein“ Restaurant. Kein Haus aus Stein sondern eine Bude aus Brettern mit einer aus Brettern zusammen gezimmerten Terrasse. Drei hohe Eukalyptusbäume sorgten im Sommer für Schatten.
Es war ein typisches Strandrestaurant, wie es an allen Küsten zu finden ist und das normalerweise nur in den Sommermonaten öffnet. Es war diesen Sommer von einem Franzosen gekauft worden. Offensichtlich versprach er sich hier auch in den Wintermonaten ein Geschäft und hielt mit mäßigem Erfolg die Küche geöffnet.
Bei diesem Wetter waren die Fenster bereits mit Holzplatten verschlossen und ein leichter, angenehmer Duft nach gebratenem Fisch zeugte davon, dass heute irgendwann einmal geöffnet war.

3. Feuer!

Der Regen war stärker geworden. Dicke,schwere Tropfen fielen mit lautem Platschen auf das Pflaster und das hölzerne Dach des Restaurants. Die Blätter der Eukalyptusbäume rauschten im heranziehenden Gewittersturm. Das Gewitter war jetzt so nah, dass die Zeit zwischen Blitz und Donner nur noch wenige Sekunden betrug. Der Regen wurde so stark, dass er einem geschlossenen Vorhang aus Wasser glich.

Bliny und Simba flüchteten sich in einen Hohlraum unter der hölzernen Terrasse. Da dieser Teil der Terrasse noch vom Dach des Restaurants überdeckt wurde, waren sie da auch bei dem heftigen Gewitterregen ziemlich sicher vor Feuchtigkeit.
Ein Blitz zuckte über den pechschwarzen Nachthimmel und der Donner folgte unmittelbar danach,
so laut und so heftig, dass der gesamte Boden zu zittern schien.

Bliny zuckte unwillkürlich zusammen und presste sich noch näher an ihren Onkel.
„Eigentlich habe ich ja keine Angst vor Gewitter“ flüsterte sie leise, „aber heute scheint es direkt auf uns zu zukommen.“
„Ja, Bliny. Ich bin auch nicht wie diese Hunde, die sich bei Blitz und Donner zitternd und mit eingezogenem Schwanz unter dem nächsten Sofa oder Tisch verkriechen. Aber heute scheint es besonders schlimm zu sein. Vor allem dieser Regen!“
Simba rückte etwas zur Seite um einen kleinen Bach aus Regenwasser vorbei zulassen, der es trotz allem in ihr ansonsten trockenes Versteck geschafft hatte.

Die nächsten zehn Minuten warteten sie ab, bis das Gewitter weiter die Küste entlang zog. In dieser Zeit mussten sie noch zweimal den Platz wechseln, weil jedes mal, wenn sie gerade trocken lagen, ein neuer Regenwasserbach genau da durch wollte, wohin sie sich gerade zurückgezogen hatten.
Fast so plötzlich, wie er gekommen war, hörte der Regen auf. Die Stille, die nur vom entfernten Donnergrollen unterbrochen wurde, war geradezu unheimlich. Nur von den Bäumen tropfte das Regenwasser weiter zu Boden.

„ Hast Du das gehört?“
Bliny setzte sich mit aufgerichteten Ohren auf und starrte in Richtung Restaurant, da wo direkt am Zaun zum Campinglatz die Küche lag, aus der es eben noch so lecker nach gebratenem Fisch gerochen hatte.
„Was?“
Simba war von Blinys Unruhe angesteckt.
„Ein komisches Geräusch!“
„Wie meinst Du das?“
„Ich kann das nicht genau sagen. Komisch halt!“
Simba wollte gerade weiter reden, aber Bliny unterbrach ihn:
„Leise. Hör mal! Da ist es wieder!“

Da war ein unregelmäßiges Zischen und Knistern, wie die beiden noch nie gehört hatten.
„Hast Du das gesehen?“
Simba nickte schweigend.
Die nassen Blätter der Buchsbaumhecke zum Campingplatz spiegelten kleine, silbrig-blaue Blitze die irgendwie aus der Küche zu kommen schienen.
Gleichzeitig zog ein unangenehm beißender Geruch zu den beiden hinüber.
Das Knistern und Prasseln wurde lauter.
„Lasst uns hier abhauen! Das gefällt mir gar nicht!“
Simba war schon halb aus den Versteck unter der Holzterrasse heraus und schlich geduckt einige Meter weiter. Dabei versuchte er möglichst die Regenpfützen zu umgehen, was ihm aber nur teilweise gelang. Bliny folgte ihm.
Unter einem geparktem Auto fanden sie Schutz.
Auch hier war der scharfe Geruch, der aus der Restaurantküche kam, noch wahrzunehmen.
Dann plötzlich ein lautes „Klack“ und Stille.

Beide kannten dieses Geräusch aus „ihrem“ Restaurant. Oft, wenn viel Betrieb war und alle Öfen und Maschinen gleichzeitig arbeiteten, hatten sie dieses „Klack“ gehört.
Mit diesem „Klack“ gingen alle Lichter und alle Maschinen aus. Gleichzeitig es trat eine himmlische Stille ein. Aber nur für einige Sekunden. Dann konnte man Christoph aus der Küche rufen hören:
„Kann mal einer die Sicherung rein machen?“ (Christoph war gut gelaunt)
oder:
„Macht doch mal die Spülmaschine vorne aus. Und hallo! Sicherung rein! Mir brennt was an!“
(Christoph leicht gereizt)
oder auch:
„Verflixt! Muss denn alles gleichzeitig laufen? KANN MAL EINER DIE SPÜLMASCHINE AUS MACHEN?!! Wie soll man denn so vernünftig arbeiten? HALLO, HALLO DA VORNE! DIE SICHERUNG REIN!“ (Christoph hat miserable Laune. Nur nicht ansprechen!)

Auch hier draußen dauerte die Stille nur einige Sekunden. Aber niemand rief. Wie auch, da ja wegen der schlechten Wetters niemand draußen unterwegs war.
Statt dessen hörte man ein leichtes Prasseln, das völlig anders klang als vorher. Auch der Geruch, der jetzt herüber wehte, hatte sich verändert. Es roch nach Grill und Holzfeuer, vermischt mit dem scharfen Geruch von brennendem Plastik. Das Licht, das sich in der feuchten Buchsbaumhecke spiegelte hatte ebenfalls die Farbe geändert. Es zuckte jetzt in gelben, orangefarbenen und roten Tönen.
Simba und Bliny zogen sich noch tiefer unter das Auto zurück.

Das Licht wurde stärker, das Prasseln lauter und jetzt drangen auch dicke schwarze Rauchschwaden aus allen Ritzen des hölzernen „Sol e Mar“.

Von weitem hörten sie Schritte und ein undeutliches Selbstgespräch.
Ein Kneipenbesucher aus einer der anderen Holzbuden am Hafenkanal war auf dem Heimweg. Er hatte wahrscheinlich gewartet, bis das Gewitter vorbei war. In der Wartezeit hatte er so viel getrunken, dass er schlingerte wie ein Schiff in schwerem Wellengang.
Als er näher kam, verstanden sie etwas von dem, was er sich selbst erzählte:
„Kein Wetter für Fisch! Ich glaube ich muss noch einen trinken“
Er blieb stehen und wühlte in seinen Taschen. Schließlich angelte er eine völlig zerdrückte Packung Zigaretten heraus und schob sich einen verknautschten „Glimmstängel“ in den Mundwinkel. Dabei fing er an, halblaut vor sich hin zu schimpfen, was mit er Zigarette im Mundwinkel kaum noch zu verstehen war.
Irgendwie klang es wie:
„Mist! Mein Feuerzeusch is´ wesch. Ho-Ho. Kein-Fisch. Scheissgewidder!“
Und dann lauter: „Hat ma` einer Feuer?“
Er blieb stehen und drehte sich schwankend einmal um die eigene Achse. Aber es war niemand da.
„He! He! Hallo! Hat ma einer Feuer?“
Er schaute zum „Sol e Mar“.
„Kann isch mal Feuer haben? Feuer?“
„Feuer!“
Und dann nach einer kleinen Pause:
„Feuer! ES BRENNT! FEUER! FEUER!“
Er schien schlagartig nüchtern zu werden. Auf jeden Fall hörte er auf, zu schwanken.
Nach einer kurzen Pause drehte er sich in die Richtung, aus der er gekommen war und lief immer schneller werdend zu dem nächsten Café, in dem noch Licht brannte.

Bliny und Simba kauerten unbeweglich und fast unsichtbar unter dem Auto und sahen, wie die Flammen immer größer wurden und schon die ersten Feuerzungen durch das Dach kamen.

Nach und nach kamen die Leute aus den umliegenden Bars. Löschen konnten sie nicht, denn dafür fehlte ihnen das Material. Die Hitze der Flammen konnten die beiden Katzen auch unter ihrem Auto deutlich spüren.
Weit in der Ferne waren die ersten Sirenen der Feuerwehr zu hören, die aus dem 12 km entfernten Nachbarort mit höchster Geschwindigkeit angerast kam.
Einer der Zuschauer rief plötzlich:
„Die Gasflaschen! Da sind Gasflaschen in der Küche!“
Die Umstehenden, die alle Flaschengas aus ihren Wohnungen kannten, wussten was das zu bedeuten hatte: höchste Explosionsgefahr.
Bliny und Simba verstanden zwar nichts von Gasflaschen, aber an der Unruhe der Menschen spürten Sie, dass eine größere Gefahr bestand.
Simba zog sich langsam nach hinten zurück, ohne das Feuer aus den Augen zu lassen. Bliny folgte ihm ebenso vorsichtig.
Simba schaute sich ängstlich um. Auf der anderen Straßenseite, direkt am Hafenkanal und vor den Fischerboten, die dort festgemacht waren, stand eine große Kiste, die etwas Schutz zu bieten schien.
„Los weg hier!“ zischte er leise zu Bliny und ohne das einer der Umstehenden das mitbekam, liefen sie schnell und geräuschlos – wie Katzen halt sind – über die Straße und versteckten sich hinter der Kiste.
Hier war die Hitze nicht mehr so stark und sie konnten das Feuer auf der anderen Seite im Auge behalten.
Simba, der sich für Bliny verantwortlich fühlte, suchte mit den Augen die Umgebung nach Fluchtmöglichkeiten ab.
Der Brand gab genug Licht um alles sehen zu können. Auf dieser Straßenseite standen keine Autos, unter denen man Schutz suchen konnte und hinter Ihnen war der Kanal und die Boote, die mit langen Tauen an Pollern festgemacht waren. Da gab es keinen Weg.
Oder doch? An einem Boot, schräg hinter ihnen, lag eine Planke zwischen Boot und Festland. Wahrscheinlich um auf diesem Weg das Material für die nächste Fahrt an Bord bringen zu können. Auf dem Boot lagen verschiedene Kisten und Ballen, aufgerollte Taue und Dinge, die Simba aus dem alten Bootslager kannte, wo die Katzen normalerweise schliefen. Er hatte allerdings keine Idee, wofür sie gut sein könnten. Auf jeden Fall gab es da Verstecke und einen trockenen Weg hin und zurück.

Das Feuer schlug in hohen Flammen aus dem Dach des „Sol e Mar“ und die Zuschauer zogen sich vor dem schwarzen Qualm und der Hitze weit zurück. Das Geheul der Feuerwehrsirenen kam immer näher, als es geschah:
aus der brennenden Küche war ein Knall zu hören. Ungefähr so, als wenn ein Sektkorken aus der Flasche fliegt- nur viel lauter. Und es war auch kein Sekt, der da nach oben schoß, es war eine Säule aus brennendem Gas. Durch den Druck wurden glühende Reste meterhoch mitgerissen, die dann in weiterem Umkreis zu Boden fielen. Ein Gewitterregen aus prasselnden, glühenden und brennenden Holzstücken und Dachpappe.
Die Zuschauer schrien auf und versuchten sich weiter entfernt in Sicherheit zu bringen.
„Komm hier her hinter die Kiste! João! João!“
Eine junge Frau rief in die Zuschauermenge. Gleichzeitig quetschte sie sich hinter die Kiste ohne die beiden ängstlichen Katzen zu bemerken.
„João!“
„Andreia? Wo steckst du“ rief eine Männerstimme laut, um gegen das Geräusch des Brandes anzukommen.
„Hier“ rief Andreia so laut sie konnte zurück.
„Wo ist ´Hier`?“
„Hinter der Kiste am Kanal! Komm doch bitte! Ich habe solche Angst!“
Wenige Augenblicke später kam ein großer kräftiger Mann von etwa dreißig Jahren hinter die Kiste.
„Gottseidank! Dabistduja. Istallesgut?“ Er sprach laut und hatte die Angewohnheit alle Worte miteinander zu verbinden. Wer diese Angewohnheit der Leute aus dem Fischerviertel nicht kannte, hatte unweigerlich Schwierigkeiten die Sätze zu verstehen.
Andreia sagte nichts und presste sich an ihn.
„Unddas geradejetzt woich dreiWochen wegmuss.“
„Und wenn euer Boot jetzt Feuer fängt?“ fragte Andreia ängstlich.
„Derwind kommt vommeer“ beruhigte Joao sie „Aber auf demCamping möchteichnicht wohnen“
Und wirklich: der Regen glühender Teile des „Sol e Mar“ wurde von dem wieder stärker gewordenen Wind den Zuschauern weg auf den Campingplatz getragen. Zu Glück waren die wenigen Wohnwagen, die um diese Jahreszeit hier standen, unbewohnt.
Andreia rückte noch näher an Joăo.
Auch Bliny presste sich – so nahe es ging – an ihren Onkel. Ganz am Rand und im Schatten der Kiste waren sie für die Menschen fast unsichtbar. Nur Simbas Schwanz ragte etwas weiter raus.
Das Geheul der Feuerwehrsirenen war jetzt ganz nah und man konnte schon das Blaulicht blass hinter der nächsten Ecke blitzen sehen.
„Dakommtdie Feuerwehr“ rief João und sprang auf, um besser sehen zu können.
Leider war Simbas Schwanz unter seinem Fuß.
Der Kater sprang mit einem Schmerzensschrei auf und stieß sich den Kopf an der Kiste.
Bliny war mindestens genauso erschrocken, sprang auf und stieß sich ebenfalls den Kopf an der Kiste.
Einen Sekundenbruchteil blieben die beiden bewegungslos stehen um einen Fluchtweg zu finden.
Die Planke! Das Boot!
Beide hatten den gleichen Gedanken.
So schnell sie konnten jagten sie mit gerade gestrecktem Schwanz die wenigen Meter Kanal entlang. Über die Planke – auf das Schiff!
Bliny sah als erste das aufgewickelte Tau. Wie bei einem überdimensionaler Katzenkorb gab es ein großes Loch in der Mitte das von einer hohen Wand umschlossen war. Ein ideales Versteck!
Sehen, hineinspringen und damit – für die Menschen fast unsichtbar – zu verschwinden war eins.
Simba folgte ihr und nun war es an ihm, Schutz und Trost bei seiner Nichte zu suchen.
Sein Kopf brummte von dem Stoß an die Kiste und sein Schwanz schmerzte und pochte von dem unbeabsichtigten Tritt von João.
Was für eine Nacht!
Von den Ereignissen gegenüber konnten sie in ihrem Versteck fast nichts sehen. Nur die Spiegelung des blauen Lichts der Feuerwehr und des gelb-roten Feuers in den Aufbauten des Schiffs schufen eine unheimliche Athmosphäre.

Langsam und durch die Wärme des jeweils anderen kamen Bliny und Simba zur Ruhe.
Erschöpft fielen sie in einen unruhigen Halbschlaf.

Nur durch eine wattige Wand von Müdigkeit bekamen sie etwas von den dramatischen Ereignissen beim „Sol e Mar“ mit: wie die Feuerwehr mit zwei Löschwagen versuchte, den Brand im Restaurant zu löschen. Letztendlich aber nichts als ein Haufen dampfender, verkohlter Bretter und die traurigen Überreste des Herdes übrig blieb.
Sie sahen nicht, wie durch den Flug glühender Teile ein leerer, alter Wohnwagen auf dem Campingplatz Feuer fing und bis auf sein Metallgerüst und die Metallfelgen der Räder abbrannte.

Nach und nach gingen auch die letzten Zuschauer nach Hause. Nur ein Wagen der Feuerwehr blieb da, um zu verhindern, dass die Flammen wieder auflodern konnten.

Es wurde still. Bliny und Simba fielen in ihrem Versteck in einen tiefen Schlaf.
 

Christoph

Mitglied
Die ist die Fortsetzung der Abenteuer der "Kneipenkatzen" aus dem Buch "Von Biermäusen und Kneipenkatzen", das hier in der LL unter "Kindergeschichten" bereits veröffentlicht ist.
Das neue, große Abenteuer der "Kneipenkatzen" Simba und Bliny aus Christophs Restaurant an der Algarveküste ist noch in der Entstehungsphase.
Die notwendigen Recherchen auf dem Fischerboot laufen noch.
Ich würde mich dennoch über Kritik und spontane Reaktionen freuen.
Die Geschichte ist übrigens für Grundschulkinder ab ca. 8 Jahren gedacht.

Christoph


Abenteuer auf dem Meer​

1.Aber ich will doch gar nicht nach Afrika

„Aber ich will doch gar nicht nach Afrika!“
Bliny, die kleine beigefarbene Katze mit dem getigerten Schwanz und den leuchtend blauen Augen, saß zusammen gekauert und unglücklich hinter einem aufgerollten Tau.
Das ständige Rollen und Stampfen des Fischerbootes auf dem Atlantik zwischen der Algarveküste in Portugal und den fischreichen Gebieten vor Marokko in Nordafrika machte sie krank.
Und erst die Nässe: morgens war das ganze Boot feucht vom Tau und wenn es gerade nicht regnete, spritzte immer Meerwasser auf die „Deus me Ajude“ („Herr hilf!“), wie dieses Schiff hieß.
Aber leider regnete es im Dezember ziemlich oft in dieser Gegend der Welt. Heute blitzte zwar ab und zu die Sonne zwischen den grauen Wolken hervor, aber die niedergeschlagene Stimmung von Bliny konnte das nicht verbessern.
Ihr Onkel Simba, mit dem sie schon so manches Abenteuer durchgestanden hatte, saß schweigend neben ihr.
„Afrika! Ich will zurück in mein Dorf und in mein Restaurant!“
Simba schwieg noch immer, warf aber seiner Nichte einen sehnsüchtigen Blick zu. Ihm ging es nämlich genauso.
Er dachte an das gute Leben, das sie noch vor drei Tagen gehabt hatten.

Drei Tage! Unglaublich wie verschieden schnell die Zeit vergehen kann.
Drei Tage im Sommer: das war dösen mit den anderen Familienmitgliedern und Freunden auf den Stühlen der Restaurantterrasse. Bis dann irgendwann Christoph kam , die Türe aufschloss und frisches Wasser und Futter auf den Tisch unter der Palme stellte . Dann wieder dösen, bis am Abend die ersten Gäste die Stühle brauchten. Dann wieder dösen, bis die Reste aus der Küche serviert wurden.
Simba lief bei dem Gedanken an diese Genüsse das Wasser im Maul zusammen.
Drei Tage im Sommer dauerten solange, wie es dauert, einmal mit den Augen zu blinzeln.

Aber jetzt: was Bliny und er in den vergangenen drei Tagen erlebt hatten, reichte für ein komplettes Katzenleben.
Das glückliche Leben, die Familie und die Freunde, alles war so weit weg.
Simba dachte an seine Freundin Maria, die von allen nur „IA“ genannt wurde.
„Was für furchtbare Sorgen wird sie sich machen!“
Er rückte näher an Bliny und leckte ihr das Fell zwischen den Ohren und im Nacken. Er wusste, dass das beruhigend auf sie wirkte.
Bliny, die sonst so sanft und ausdauernd schnurren konnte, gab keinen Ton von sich und starrte weiter auf das Meer, als gäbe es da etwas zu sehen.
Aber es gab nichts zu sehen. Nur Wasser, Wellen und ein grau blauer Himmel, der irgendwo, weit weg, das Meer zu berühren schien.
„Afrika! Afrika!“ flüsterte sie leise nach einer Weile.
„Von Afrika habe ich schon gehört. ICH WILL NICHT NACH AFRIKA! Ich will in das Restaurant und mit Toi auf dem Campingplatz singen!“
In diesem Moment schwappte eine Welle gegen die Bootswand und die Spritzer machten Simba patschnass. Sein schönes sand- und erdfarben marmoriertes Fell und selbst der strahlend weiße dreieckige „Latz“ unter dem Kinn, troff von kaltem, salzigen Meerwasser.

Erschreckt und auch etwas beleidigt stand er auf und schüttelte sich angewidert das Wasser aus dem Fell. Vorsichtig lief er über das glitschige Deck und legte sich neben dem Steuerhaus in die Ecke. Hier stapelte der Schiffskoch die alten Kartons und Müllsäcke. Das bedeutet, es gab immer einen geschützten Platz, an dem man sich verkriechen konnte. Zumindest so lange, bis der ganze Abfall über Bord in den Atlantischen Ozean gekippt wurde.
Kurze Zeit später kam Bliny nach. Jetzt war es an der Zeit, dass sie ihrem Onkel bei der Fellpflege half – oder sollte ich besser sagen: bei der Reparatur des Wasserschadens half.

Während Bliny ihm das Fell leckte, entspannte sich Simba zunehmend und er fand zum ersten mal etwas Ruhe.
Wie war das nur alles gekommen? Wie kamen sie beide auf ein Boot auf dem Meer, wo sie doch beide Wasser nur als Getränk leiden konnten?
Wie konnte es passieren, dass sie hier auf dem Ozean waren, in Gesellschaft von 15 Fischern, einem Schiffskoch, dem Bordhund „Cão“ (was einfach „Hund“ heißt) und zahlreichen anderen Tieren, die – wie sie selber – als Blinde Passagiere mitfuhren?

Nach und nach wurde es Simba wieder warm und in Gedanken ging er zurück zu jenem verhängnisvollen Abend, an dem alles begann.


2. Bliny und Simba haben Langeweile

Dezember ist an der Algarve die langweiligste Zeit des Jahres. Nur wenige Gäste verirren sich ins Restaurant. Das heißt auch: wenig Essensreste aus der Küche und immer das gleiche Dosenfutter aus dem Supermarkt.
Allen fünf Katzen des Restaurants hing das zum Hals raus.
Vor allem dem schwarz-weißen Zorro, der seinen Namen dem schwarzen Fell verdankte, das eine perfekte Maske um seine Augen bildete und ihn wie den berühmten Filmhelden aussehen ließ.
Aber auch seine Schwester Clara (fast schwarz mit einem weißen Kinn und eleganten weißen Streifen an den Hinterbeinen), Vetter Simba, der sanftmütige marmorierte Kater mit dem weißen Latz und Nichte Bliny mit den blauen Augen waren angeödet.
Es waren kaum Gäste da, die sich für die Katzen interessierten. Fast keine Kinder, die laut quietschend alle Katzen fangen und streicheln wollten.
Sonst ging ihnen das auf die Nerven – aber in dieser ereignislosen Zeit wären sie willkommen gewesen.
Einzig der ganz schwarze Kater Fauchi, der seit dem Frühjahr mit den anderen im alten Bootslager wohnte, war nicht von der Winterstimmung angesteckt und ließ weiter seine gefürchteten Sprüche vom Stapel: „Was ist der Himmel für ´ne Katze? Ein voller Teller und ´ne weiche Matratze!“

Dann kam der Abend, an dem das Restaurant schon um zehn Uhr zugeschlossen wurde. Der Nieselregen, der den ganzen Nachmittag gefallen war, hatte aufgehört. Doch die meisten Gäste hatten sich nach den Weihnachtseinkäufen in dem feuchten und ungemütlichen Wetter vor die heimischen Öfen zurückgezogen und sich etwas zum Abendessen aufgetaut.
Für unsere Katzen gab es wieder einmal nur ein kleines Stück Steakrest – was sich Zorro sofort als erster unter den Tisch zog - und ansonsten die unvermeidliche „Lidl“- Katzenfutterdose und Trockenfutter.

„Wie langweilig!“ Bliny schimpfte halblaut vor sich hin und schlug - sichtlich ärgerlich - mit der Schwanzspitze. “Nichts los!“
Simba- ihr Lieblingsonkel – nickte zustimmend.
„Komm Simba, lasst uns was unternehmen!“
„Was sollen wir denn hier schon unternehmen?“ Die allgemeine Trägheit hatte auch auf Simba abgefärbt.
„Lasst uns doch mal auf den Campingplatz gehen und sehen, was Toi und IA machen!“ schlug Bliny vor.
Das war normalerweise ein sicheres Mittel, Simba aufzurütteln.
„IA“ – die eigentlich „Maria“ hieß - war seine Freundin und die Schwester von „Toi“ Pinto, den Bliny in ihr Herz geschlossen hatte.
„Ach Bliny!“ Simba seufzte laut.
„Die sind doch beide nicht da. Die Menschen, die sie in den letzten Wochen gefüttert haben, sind weggefahren und haben IA und Toi in ihrem rollenden Haus mitgenommen.“
Bliny gab nicht auf.
„Vielleicht sind sie ja schon wieder zurück!“
Viele Menschen vom Campingplatz verschwanden plötzlich mit ihren rollenden Häuser, aber meistens tauchten sie nach Tagen, Wochen – manchmal auch erst nach Monaten - wieder auf.
„Das glaube ich nicht! IA hätte sich sofort bei mir gemeldet. Und außerdem hat Vater Pinto gesagt, dass er seine Kinder erst zur Mandelblüte zurück erwartet.“
Simba fühlte bei dem Gedanken, IA frühestens beim nächsten Vollmond wiederzusehen, einen stechenden Schmerz in der Brust.
Bliny ging es nicht anders: wie sehr vermisste sie die Nächte, in denen sie mit den anderen Campingplatzkatzen – besonders mit ihrem Freund Toi - zusammen im Kreis gesessen hatten, um gemeinsam zu ihrer aller Freude zu singen.
Leider wussten die meisten Menschen in der Umgebung ihre Kunst nicht zu schätzen.
Doch es war für Bliny jedes mal ein Höhepunkt, wenn sie neben Toi sitzen konnte und seine kräftige, tiefe Katerstimme mit ihrem rauen Alt begleiten konnte. Wenn dann mal ein Pantoffel geflogen kam – na gut! Kleine Pause und dann weiter.
„Die Menschen sollen sich nicht so anstellen!“ sagte Toi immer.
„Was die selber für einen Lärm machen, wenn wir endlich mal einen ruhigen Schlafplatz gefunden haben. Fernseher auf voller Lautstärke, Mopeds mit kaputtem Auspuff. Mit schriller Stimme nach ihren Kindern schreien! Laut ins Handy brüllend neben meinem Schlafplatz stehen bleiben! Und, und, und ... Aber unseren lieblichen Gesang einmal im Monat bei Vollmond – da fliegen Pantoffel, Wassereimer und schlimmeres.
Banausen!“
Das Wort „Banause“ hatte er von einem jungen Spanier aufgeschnappt, der gerne über Mittag auf seiner Gitarre übte und nach einigen Tagen ähnliche Reaktionen zu spüren bekam, wie die Katzen bei ihren Konzerten.
“Banause“ schrie er dann immer den Leuten zu, die seinen Gesang störten.
Toi wusste zwar nicht genau, was das Wort bedeutete, aber es gefiel ihm von seinem Klang her und vor allem: die Angreifer zogen sich meistens beleidigt zurück.

„Komm, lasst uns was unternehmen! Ich komme um vor Langeweile“ Bliny drängelte.
„Simba, erinnere Dich was wir bei unseren letzten Ausflügen alles erlebt und wie viele neue Freunde wir gefunden haben. Aber wenn Du keine Lust hat, gehe ich eben alleine!“
Bliny stand auf und ging zwei langsame Schritte in Richtung Campingplatz.

„Halt. Warte auf mich!“ Simba wollte nicht als Langweiler dastehen und außerdem fühlte er ich für seine Nichte verantwortlich.
„Aber nur eine kleine Erkundungsrunde. Dann gehen wir zurück ins Restaurant! Das Wetter sieht nicht gut aus“
In der Tat: im Westen zogen dicke schwarze Wolken auf. Die Sterne waren kaum noch zu sehen.
Bliny antwortete nicht und lief weiter.
An der Bordsteinkante der großen Straße, die den Campingplatz vom Ort trennte, blieb sie stehen.
Gemeinsam warteten sie, bis sie sicher waren, dass kein Auto oder Moped heran brauste und liefen dann zügig auf die andere Seite.
Von hier aus mussten sie noch eine weitere Straße überqueren. Aber in den vergangenen Monaten waren sie so oft auf dem Campingplatz zu Besuch gewesen, dass sie auch diese gefährliche Aufgabe sicher überstanden.

„Komm Simba. Lasst und über den Zaun steigen!“
„Entschuldige Bliny. Aber ich glaube ich habe dazu keine Lust. Ohne IA ist der Campingplatz nur traurig“
In Grunde ihres Herzens ging es Bliny ähnlich wie Simba. Ohne die Aussicht, ihren Freund Toi zu treffen, wusste sie auch nicht so recht was sie hier sollte.
„Und jetzt? Hast Du eine Idee?“
Simba zögerte einen Moment.
„Wir waren noch nie auf der anderen Seite des Platzes. Ich habe gehört, es soll da ganz anders als bei uns sein. Und da gibt es auch Restaurants. Vielleicht haben die ja was anderes als Dosenfutter für uns.“
Diese Aussicht verlockte Bliny so sehr, dass sie sofort zustimmte.
„Kennst Du den Weg?“
Simba, der für seine Verhältnisse in den letzten Minuten schon außerordentlich viel geredet hatte, zeigte mit dem Kopf schweigend nach links und setzte sich in Bewegung.
Bliny folgte ihm ebenso schweigend.

Die dunklen Wolken hatten inzwischen den ganzen Himmel verdunkelt. Aber das Licht der Straßenlaternen und die Blitze die weit draußen über dem Meer zuckten, reichten aus, um die Katzen mit ihrer guten Nachtsicht, alles klar und deutlich erkennen zu lassen.
Der Weg am Campingplatz entlang war wesentlich enger als auf der anderen Seite am Tor.
Zwischen der Buchsbaumhecke, die durch den Maschendraht des Zauns wucherte und dem vollgeparkten Straßenrand standen in zwei Metern Abstand schwere Holzbänke, auf denen fast nie jemand saß. Zwischen den Bänken wuchsen Jakarandas, Bäume die im Frühjahr noch bevor sie grüne Blätter bekamen in strahlendem Blau blühten. Dazwischen standen Pfefferbäume, deren rote Beeren in Deutschland im Supermarkt sehr viel Geld kosten, die hier aber von den Bewohnern nicht weiter beachtet werden.

Dann dieses Durcheinander von Gerüchen: vom Campingplatz her trug der Wind die verschiedenen Reviermarkierungen der Kater, gemischt mit menschlichen Essensgerüchen.
Die Bänke und Bäume auf ihrem Weg waren von unzähligen Hunden markiert worden.
Bliny erkannte den typischen Geruch von Buda. Buda war einer der Hunde, den Bliny und Simba mochten. Buda war ein Chow.Chow, ein Hund mit dicken Fell. Im Sommer lag ein immer unter Katzentisch im Schatten und hechelte mit seiner blauen Zunge. Er lebte im Café BUDA (nach ihm benannt!!!) zusammen mit der Katze Mimi. Mit seiner ruhigen Art hatten ihn die Restaurantkatzen schnell akzeptiert. Außerdem war er ein guter Freund, da er alle Katzen in seinem Revier für Mitglieder seiner Familie hielt und jeden anderen Hund sofort vertrieb, der es wagte, eine „seiner“ Katzen zu jagen.
Die zunehmend feuchter werdende Luft des heranziehenden Gewitters ließ Simba und Bliny die Gerüche noch intensiver als sonst wahrnehmen.
Einige Gerüche waren ihnen unangenehm. Offensichtlich hatten es häufiger betrunkene Menschen nicht bis nach Hause geschafft und sich in den dunklen Bereichen des Weges erleichtert. Die beiden machten jedes Mal einen großen Bogen um diese Stellen.

Sie kamen nur langsam vorwärts. Wie es die Art der Katzen ist, werden neue Reviere nur im Zeitlupentempo erkundet. Immer dann, wenn alles Wesentliche erforscht und verstanden worden ist, kann das nächste Stück „erobert“ werden.
Das Wetter wurde immer ungemütlicher. Das Gewitter zog vom Meer her auf die Küste zu und die ersten Windböen ließen die Straßenbäume heftig rauschen. Eine Menge trockenes Laub und kleine Äste regneten auf Bliny und Simba.
Auch der Gewitterregen ließ nicht lange auf sich warten.

Endlich hatten sie das Ende des Zauns erreicht und bogen um die Ecke.
Hier war das Restaurant „Sol e Mar“ („Sonne und Meer“) von dem Simba gehört hatte, ohne jedoch der Namen zu wissen.
Dieses Restaurant war völlig anders als „sein“ Restaurant. Kein Haus aus Stein sondern eine Bude aus Brettern mit einer aus Brettern zusammen gezimmerten Terrasse. Drei hohe Eukalyptusbäume sorgten im Sommer für Schatten.
Es war ein typisches Strandrestaurant, wie es an allen Küsten zu finden ist und das normalerweise nur in den Sommermonaten öffnet. Es war diesen Sommer von einem Franzosen gekauft worden. Offensichtlich versprach er sich hier auch in den Wintermonaten ein Geschäft und hielt mit mäßigem Erfolg die Küche geöffnet.
Bei diesem Wetter waren die Fenster bereits mit Holzplatten verschlossen und ein leichter, angenehmer Duft nach gebratenem Fisch zeugte davon, dass heute irgendwann einmal geöffnet war.

3. Feuer!

Der Regen war stärker geworden. Dicke,schwere Tropfen fielen mit lautem Platschen auf das Pflaster und das hölzerne Dach des Restaurants. Die Blätter der Eukalyptusbäume rauschten im heranziehenden Gewittersturm. Das Gewitter war jetzt so nah, dass die Zeit zwischen Blitz und Donner nur noch wenige Sekunden betrug. Der Regen wurde so stark, dass er einem geschlossenen Vorhang aus Wasser glich.

Bliny und Simba flüchteten sich in einen Hohlraum unter der hölzernen Terrasse. Da dieser Teil der Terrasse noch vom Dach des Restaurants überdeckt wurde, waren sie da auch bei dem heftigen Gewitterregen ziemlich sicher vor Feuchtigkeit.
Ein Blitz zuckte über den pechschwarzen Nachthimmel und der Donner folgte unmittelbar danach,
so laut und so heftig, dass der gesamte Boden zu zittern schien.

Bliny zuckte unwillkürlich zusammen und presste sich noch näher an ihren Onkel.
„Eigentlich habe ich ja keine Angst vor Gewitter“ flüsterte sie leise, „aber heute scheint es direkt auf uns zu zukommen.“
„Ja, Bliny. Ich bin auch nicht wie diese Hunde, die sich bei Blitz und Donner zitternd und mit eingezogenem Schwanz unter dem nächsten Sofa oder Tisch verkriechen. Aber heute scheint es besonders schlimm zu sein. Vor allem dieser Regen!“
Simba rückte etwas zur Seite um einen kleinen Bach aus Regenwasser vorbei zulassen, der es trotz allem in ihr ansonsten trockenes Versteck geschafft hatte.

Die nächsten zehn Minuten warteten sie ab, bis das Gewitter weiter die Küste entlang zog. In dieser Zeit mussten sie noch zweimal den Platz wechseln, weil jedes mal, wenn sie gerade trocken lagen, ein neuer Regenwasserbach genau da durch wollte, wohin sie sich gerade zurückgezogen hatten.
Fast so plötzlich, wie er gekommen war, hörte der Regen auf. Die Stille, die nur vom entfernten Donnergrollen unterbrochen wurde, war geradezu unheimlich. Nur von den Bäumen tropfte das Regenwasser weiter zu Boden.

„ Hast Du das gehört?“
Bliny setzte sich mit aufgerichteten Ohren auf und starrte in Richtung Restaurant, da wo direkt am Zaun zum Campinglatz die Küche lag, aus der es eben noch so lecker nach gebratenem Fisch gerochen hatte.
„Was?“
Simba war von Blinys Unruhe angesteckt.
„Ein komisches Geräusch!“
„Wie meinst Du das?“
„Ich kann das nicht genau sagen. Komisch halt!“
Simba wollte gerade weiter reden, aber Bliny unterbrach ihn:
„Leise. Hör mal! Da ist es wieder!“

Da war ein unregelmäßiges Zischen und Knistern, wie die beiden noch nie gehört hatten.
„Hast Du das gesehen?“
Simba nickte schweigend.
Die nassen Blätter der Buchsbaumhecke zum Campingplatz spiegelten kleine, silbrig-blaue Blitze die irgendwie aus der Küche zu kommen schienen.
Gleichzeitig zog ein unangenehm beißender Geruch zu den beiden hinüber.
Das Knistern und Prasseln wurde lauter.
„Lasst uns hier abhauen! Das gefällt mir gar nicht!“
Simba war schon halb aus den Versteck unter der Holzterrasse heraus und schlich geduckt einige Meter weiter. Dabei versuchte er möglichst die Regenpfützen zu umgehen, was ihm aber nur teilweise gelang. Bliny folgte ihm.
Unter einem geparktem Auto fanden sie Schutz.
Auch hier war der scharfe Geruch, der aus der Restaurantküche kam, noch wahrzunehmen.
Dann plötzlich ein lautes „Klack“ und Stille.

Beide kannten dieses Geräusch aus „ihrem“ Restaurant. Oft, wenn viel Betrieb war und alle Öfen und Maschinen gleichzeitig arbeiteten, hatten sie dieses „Klack“ gehört.
Mit diesem „Klack“ gingen alle Lichter und alle Maschinen aus. Gleichzeitig es trat eine himmlische Stille ein. Aber nur für einige Sekunden. Dann konnte man Christoph aus der Küche rufen hören:
„Kann mal einer die Sicherung rein machen?“ (Christoph war gut gelaunt)
oder:
„Macht doch mal die Spülmaschine vorne aus. Und hallo! Sicherung rein! Mir brennt was an!“
(Christoph leicht gereizt)
oder auch:
„Verflixt! Muss denn alles gleichzeitig laufen? KANN MAL EINER DIE SPÜLMASCHINE AUS MACHEN?!! Wie soll man denn so vernünftig arbeiten? HALLO, HALLO DA VORNE! DIE SICHERUNG REIN!“ (Christoph hat miserable Laune. Nur nicht ansprechen!)

Auch hier draußen dauerte die Stille nur einige Sekunden. Aber niemand rief. Wie auch, da ja wegen der schlechten Wetters niemand draußen unterwegs war.
Statt dessen hörte man ein leichtes Prasseln, das völlig anders klang als vorher. Auch der Geruch, der jetzt herüber wehte, hatte sich verändert. Es roch nach Grill und Holzfeuer, vermischt mit dem scharfen Geruch von brennendem Plastik. Das Licht, das sich in der feuchten Buchsbaumhecke spiegelte hatte ebenfalls die Farbe geändert. Es zuckte jetzt in gelben, orangefarbenen und roten Tönen.
Simba und Bliny zogen sich noch tiefer unter das Auto zurück.

Das Licht wurde stärker, das Prasseln lauter und jetzt drangen auch dicke schwarze Rauchschwaden aus allen Ritzen des hölzernen „Sol e Mar“.

Von weitem hörten sie Schritte und ein undeutliches Selbstgespräch.
Ein Kneipenbesucher aus einer der anderen Holzbuden am Hafenkanal war auf dem Heimweg. Er hatte wahrscheinlich gewartet, bis das Gewitter vorbei war. In der Wartezeit hatte er so viel getrunken, dass er schlingerte wie ein Schiff in schwerem Wellengang.
Als er näher kam, verstanden sie etwas von dem, was er sich selbst erzählte:
„Kein Wetter für Fisch! Ich glaube ich muss noch einen trinken“
Er blieb stehen und wühlte in seinen Taschen. Schließlich angelte er eine völlig zerdrückte Packung Zigaretten heraus und schob sich einen verknautschten „Glimmstängel“ in den Mundwinkel. Dabei fing er an, halblaut vor sich hin zu schimpfen, was mit er Zigarette im Mundwinkel kaum noch zu verstehen war.
Irgendwie klang es wie:
„Mist! Mein Feuerzeusch is´ wesch. Ho-Ho. Kein-Fisch. Scheissgewidder!“
Und dann lauter: „Hat ma` einer Feuer?“
Er blieb stehen und drehte sich schwankend einmal um die eigene Achse. Aber es war niemand da.
„He! He! Hallo! Hat ma einer Feuer?“
Er schaute zum „Sol e Mar“.
„Kann isch mal Feuer haben? Feuer?“
„Feuer!“
Und dann nach einer kleinen Pause:
„Feuer! ES BRENNT! FEUER! FEUER!“
Er schien schlagartig nüchtern zu werden. Auf jeden Fall hörte er auf, zu schwanken.
Nach einer kurzen Pause drehte er sich in die Richtung, aus der er gekommen war und lief immer schneller werdend zu dem nächsten Café, in dem noch Licht brannte.

Bliny und Simba kauerten unbeweglich und fast unsichtbar unter dem Auto und sahen, wie die Flammen immer größer wurden und schon die ersten Feuerzungen durch das Dach kamen.

Nach und nach kamen die Leute aus den umliegenden Bars. Löschen konnten sie nicht, denn dafür fehlte ihnen das Material. Die Hitze der Flammen konnten die beiden Katzen auch unter ihrem Auto deutlich spüren.
Weit in der Ferne waren die ersten Sirenen der Feuerwehr zu hören, die aus dem 12 km entfernten Nachbarort mit höchster Geschwindigkeit angerast kam.
Einer der Zuschauer rief plötzlich:
„Die Gasflaschen! Da sind Gasflaschen in der Küche!“
Die Umstehenden, die alle Flaschengas aus ihren Wohnungen kannten, wussten was das zu bedeuten hatte: höchste Explosionsgefahr.
Bliny und Simba verstanden zwar nichts von Gasflaschen, aber an der Unruhe der Menschen spürten Sie, dass eine größere Gefahr bestand.
Simba zog sich langsam nach hinten zurück, ohne das Feuer aus den Augen zu lassen. Bliny folgte ihm ebenso vorsichtig.
Simba schaute sich ängstlich um. Auf der anderen Straßenseite, direkt am Hafenkanal und vor den Fischerboten, die dort festgemacht waren, stand eine große Kiste, die etwas Schutz zu bieten schien.
„Los weg hier!“ zischte er leise zu Bliny und ohne das einer der Umstehenden das mitbekam, liefen sie schnell und geräuschlos – wie Katzen halt sind – über die Straße und versteckten sich hinter der Kiste.
Hier war die Hitze nicht mehr so stark und sie konnten das Feuer auf der anderen Seite im Auge behalten.
Simba, der sich für Bliny verantwortlich fühlte, suchte mit den Augen die Umgebung nach Fluchtmöglichkeiten ab.
Der Brand gab genug Licht um alles sehen zu können. Auf dieser Straßenseite standen keine Autos, unter denen man Schutz suchen konnte und hinter Ihnen war der Kanal und die Boote, die mit langen Tauen an Pollern festgemacht waren. Da gab es keinen Weg.
Oder doch? An einem Boot, schräg hinter ihnen, lag eine Planke zwischen Boot und Festland. Wahrscheinlich um auf diesem Weg das Material für die nächste Fahrt an Bord bringen zu können. Auf dem Boot lagen verschiedene Kisten und Ballen, aufgerollte Taue und Dinge, die Simba aus dem alten Bootslager kannte, wo die Katzen normalerweise schliefen. Er hatte allerdings keine Idee, wofür sie gut sein könnten. Auf jeden Fall gab es da Verstecke und einen trockenen Weg hin und zurück.

Das Feuer schlug in hohen Flammen aus dem Dach des „Sol e Mar“ und die Zuschauer zogen sich vor dem schwarzen Qualm und der Hitze weit zurück. Das Geheul der Feuerwehrsirenen kam immer näher, als es geschah:
aus der brennenden Küche war ein Knall zu hören. Ungefähr so, als wenn ein Sektkorken aus der Flasche fliegt- nur viel lauter. Und es war auch kein Sekt, der da nach oben schoß, es war eine Säule aus brennendem Gas. Durch den Druck wurden glühende Reste meterhoch mitgerissen, die dann in weiterem Umkreis zu Boden fielen. Ein Gewitterregen aus prasselnden, glühenden und brennenden Holzstücken und Dachpappe.
Die Zuschauer schrien auf und versuchten sich weiter entfernt in Sicherheit zu bringen.
„Komm hier her hinter die Kiste! João! João!“
Eine junge Frau rief in die Zuschauermenge. Gleichzeitig quetschte sie sich hinter die Kiste ohne die beiden ängstlichen Katzen zu bemerken.
„João!“
„Andreia? Wo steckst du“ rief eine Männerstimme laut, um gegen das Geräusch des Brandes anzukommen.
„Hier“ rief Andreia so laut sie konnte zurück.
„Wo ist ´Hier`?“
„Hinter der Kiste am Kanal! Komm doch bitte! Ich habe solche Angst!“
Wenige Augenblicke später kam ein großer kräftiger Mann von etwa dreißig Jahren hinter die Kiste.
„Gottseidank! Dabistduja. Istallesgut?“ Er sprach laut und hatte die Angewohnheit alle Worte miteinander zu verbinden. Wer diese Angewohnheit der Leute aus dem Fischerviertel nicht kannte, hatte unweigerlich Schwierigkeiten die Sätze zu verstehen.
Andreia sagte nichts und presste sich an ihn.
„Unddas geradejetzt woich dreiWochen wegmuss.“
„Und wenn euer Boot jetzt Feuer fängt?“ fragte Andreia ängstlich.
„Derwind kommt vommeer“ beruhigte Joao sie „Aber auf demCamping möchteichnicht wohnen“
Und wirklich: der Regen glühender Teile des „Sol e Mar“ wurde von dem wieder stärker gewordenen Wind den Zuschauern weg auf den Campingplatz getragen. Zu Glück waren die wenigen Wohnwagen, die um diese Jahreszeit hier standen, unbewohnt.
Andreia rückte noch näher an Joăo.
Auch Bliny presste sich – so nahe es ging – an ihren Onkel. Ganz am Rand und im Schatten der Kiste waren sie für die Menschen fast unsichtbar. Nur Simbas Schwanz ragte etwas weiter raus.
Das Geheul der Feuerwehrsirenen war jetzt ganz nah und man konnte schon das Blaulicht blass hinter der nächsten Ecke blitzen sehen.
„Dakommtdie Feuerwehr“ rief João und sprang auf, um besser sehen zu können.
Leider war Simbas Schwanz unter seinem Fuß.
Der Kater sprang mit einem Schmerzensschrei auf und stieß sich den Kopf an der Kiste.
Bliny war mindestens genauso erschrocken, sprang auf und stieß sich ebenfalls den Kopf an der Kiste.
Einen Sekundenbruchteil blieben die beiden bewegungslos stehen um einen Fluchtweg zu finden.
Die Planke! Das Boot!
Beide hatten den gleichen Gedanken.
So schnell sie konnten jagten sie mit gerade gestrecktem Schwanz die wenigen Meter Kanal entlang. Über die Planke – auf das Schiff!
Bliny sah als erste das aufgewickelte Tau. Wie bei einem überdimensionaler Katzenkorb gab es ein großes Loch in der Mitte das von einer hohen Wand umschlossen war. Ein ideales Versteck!
Sehen, hineinspringen und damit – für die Menschen fast unsichtbar – zu verschwinden war eins.
Simba folgte ihr und nun war es an ihm, Schutz und Trost bei seiner Nichte zu suchen.
Sein Kopf brummte von dem Stoß an die Kiste und sein Schwanz schmerzte und pochte von dem unbeabsichtigten Tritt von João.
Was für eine Nacht!
Von den Ereignissen gegenüber konnten sie in ihrem Versteck fast nichts sehen. Nur die Spiegelung des blauen Lichts der Feuerwehr und des gelb-roten Feuers in den Aufbauten des Schiffs schufen eine unheimliche Athmosphäre.

Langsam und durch die Wärme des jeweils anderen kamen Bliny und Simba zur Ruhe.
Erschöpft fielen sie in einen unruhigen Halbschlaf.

Nur durch eine wattige Wand von Müdigkeit bekamen sie etwas von den dramatischen Ereignissen beim „Sol e Mar“ mit: wie die Feuerwehr mit zwei Löschwagen versuchte, den Brand im Restaurant zu löschen. Letztendlich aber nichts als ein Haufen dampfender, verkohlter Bretter und die traurigen Überreste des Herdes übrig blieb.
Sie sahen nicht, wie durch den Flug glühender Teile ein leerer, alter Wohnwagen auf dem Campingplatz Feuer fing und bis auf sein Metallgerüst und die Metallfelgen der Räder abbrannte.

Nach und nach gingen auch die letzten Zuschauer nach Hause. Nur ein Wagen der Feuerwehr blieb da, um zu verhindern, dass die Flammen wieder auflodern konnten.

Es wurde still. Bliny und Simba fielen in ihrem Versteck in einen tiefen Schlaf.
 

flammarion

Foren-Redakteur
Teammitglied
Korrekturvorschläge:

Kneipenkatzen: Abenteuer auf dem Meer
Veröffentlicht von Christoph am 08. 04. 2008 15:33
[red] Die [/red] (Dies ist die Fortsetzung der Abenteuer der "Kneipenkatzen" aus dem Buch "Von Biermäusen und Kneipenkatzen", das hier in der LL unter "Kindergeschichten" bereits veröffentlicht ist.
Das neue, große Abenteuer der "Kneipenkatzen" Simba und Bliny aus Christophs Restaurant an der Algarveküste ist noch in der Entstehungsphase.
Die notwendigen Recherchen auf dem Fischerboot laufen noch.
Ich würde mich dennoch über Kritik und spontane Reaktionen freuen.

Christoph

Abenteuer auf dem Meer


1.(Leerfeld)Aber ich will doch gar nicht nach Afrika

„Aber ich will doch gar nicht nach Afrika!“
Bliny, die kleine beigefarbene Katze mit dem getigerten Schwanz und den leuchtend blauen Augen, saß zusammen gekauert und unglücklich hinter einem aufgerollten Tau.
Das ständige Rollen und Stampfen des Fischerbootes auf dem Atlantik zwischen der Algarveküste in Portugal und den fischreichen Gebieten vor Marokko in Nordafrika machte sie krank.
Und erst die Nässe: morgens war das ganze Boot feucht vom Tau und wenn es gerade nicht regnete, spritzte immer Meerwasser auf die „Deus me Ajude“ („Herr hilf!“), wie dieses Schiff hieß.
Aber leider regnete es im Dezember ziemlich oft in dieser Gegend der Welt. Heute blitzte zwar ab und zu die Sonne zwischen den grauen Wolken hervor, aber die niedergeschlagene Stimmung von Bliny konnte das nicht verbessern.
Ihr Onkel Simba, mit dem sie schon so manches Abenteuer durchgestanden hatte, saß schweigend neben ihr.
„Afrika! Ich will zurück in mein Dorf und in mein Restaurant!“
Simba schwieg noch immer, warf aber seiner Nichte einen sehnsüchtigen Blick zu. Ihm ging es nämlich genauso.
Er dachte an das gute Leben, das sie noch vor drei Tagen gehabt hatten.

Drei Tage! Unglaublich wie verschieden schnell die Zeit vergehen kann.
Drei Tage im Sommer: das war dösen mit den anderen Familienmitgliedern und Freunden auf den Stühlen der Restaurantterrasse. Bis dann irgendwann Christoph kam (kein Leerfeld), die [red] Türe [/red] (Tür Türe ist Jargon) aufschloss und frisches Wasser und Futter auf den Tisch unter der Palme stellte (kein Leerfeld). Dann wieder dösen, bis am Abend die ersten Gäste die Stühle brauchten. Dann wieder dösen, bis die Reste aus der Küche serviert wurden.
Simba lief bei dem Gedanken an diese Genüsse das Wasser im Maul zusammen.
Drei Tage im Sommer dauerten solange, wie es dauert, einmal mit den Augen zu blinzeln.

Aber jetzt: was Bliny und er in den vergangenen drei Tagen erlebt hatten, reichte für ein komplettes Katzenleben.
Das glückliche Leben, die Familie und die Freunde, alles war so weit weg.
Simba dachte an seine Freundin Maria, die von allen nur „IA“ genannt wurde.
„Was für furchtbare Sorgen wird sie sich machen!“
Er rückte näher an Bliny und leckte ihr das Fell zwischen den Ohren und im Nacken. Er wusste, dass das beruhigend auf sie wirkte.
Bliny, die sonst so sanft und ausdauernd schnurren konnte, gab keinen Ton von sich und starrte weiter auf das Meer, als gäbe es da etwas zu sehen.
Aber es gab nichts zu sehen. Nur Wasser, Wellen und ein grau blauer Himmel, der irgendwo, weit weg, das Meer zu berühren schien.
„Afrika! Afrika!“(Komma) flüsterte sie leise nach einer Weile.
„Von Afrika habe ich schon gehört. ICH WILL NICHT NACH AFRIKA! Ich will in das Restaurant und mit Toi auf dem Campingplatz singen!“
In diesem Moment schwappte eine Welle gegen die Bootswand und die Spritzer machten Simba patschnass. Sein schönes sand- und erdfarben marmoriertes Fell und selbst der strahlend weiße dreieckige „Latz“ unter dem Kinn,(kein Komma) troff von kaltem, [red] salzigen [/red] (salzigem) Meerwasser.

Erschreckt und auch etwas beleidigt stand er auf und schüttelte sich angewidert das Wasser aus dem Fell. Vorsichtig lief er über das glitschige Deck und legte sich neben dem Steuerhaus in die Ecke. Hier stapelte der Schiffskoch die alten Kartons und Müllsäcke. Das bedeutet, es gab immer einen geschützten Platz, an dem man sich verkriechen konnte. Zumindest so lange, bis der ganze Abfall über Bord in den Atlantischen Ozean gekippt wurde.
Kurze Zeit später kam Bliny nach. Jetzt war es an der Zeit, dass sie ihrem Onkel bei der Fellpflege half – oder sollte ich besser sagen: bei der Reparatur des Wasserschadens[blue] half[/blue] (überflüssig) .

Während Bliny ihm das Fell leckte, entspannte sich Simba zunehmend und er fand zum ersten mal etwas Ruhe.
Wie war das nur alles gekommen? Wie kamen sie beide auf ein Boot auf dem Meer, wo sie doch beide Wasser nur als Getränk leiden konnten?
Wie konnte es passieren, dass sie hier auf dem Ozean waren, in Gesellschaft von 15 Fischern, einem Schiffskoch, dem Bordhund „Cão“ (was einfach „Hund“ heißt) und zahlreichen anderen Tieren, die – wie sie selber – als [red] Blinde [/red] (blinde) Passagiere mitfuhren?

Nach und nach wurde es Simba wieder warm und in Gedanken ging er zurück zu jenem verhängnisvollen Abend, an dem alles begann.


2. Bliny und Simba haben Langeweile

Dezember ist an der Algarve die langweiligste Zeit des Jahres. Nur wenige Gäste verirren sich ins Restaurant. Das heißt auch: wenig Essensreste aus der Küche und immer das gleiche Dosenfutter aus dem Supermarkt.
Allen fünf Katzen des Restaurants hing das zum Hals raus.
Vor allem dem schwarz-weißen Zorro, der seinen Namen dem schwarzen Fell verdankte, das eine perfekte Maske um seine Augen bildete und ihn wie den berühmten Filmhelden aussehen ließ.
Aber auch seine Schwester Clara (fast schwarz mit einem weißen Kinn und eleganten weißen Streifen an den Hinterbeinen), Vetter Simba, der sanftmütige marmorierte Kater mit dem weißen Latz und Nichte Bliny mit den blauen Augen waren angeödet.
Es waren kaum Gäste da, die sich für die Katzen interessierten. Fast keine Kinder, die laut quietschend alle Katzen fangen und streicheln wollten.
Sonst ging ihnen das auf die Nerven – aber in dieser ereignislosen Zeit wären sie willkommen gewesen.
Einzig der ganz schwarze Kater Fauchi, der seit dem Frühjahr mit den anderen im alten Bootslager wohnte, war nicht von der Winterstimmung angesteckt und ließ weiter seine gefürchteten Sprüche vom Stapel: „Was ist der Himmel für ´ne Katze? Ein voller Teller und ´ne weiche Matratze!“

Dann kam der Abend, an dem das Restaurant schon um zehn Uhr zugeschlossen wurde. Der Nieselregen, der den ganzen Nachmittag gefallen war, hatte aufgehört. Doch die meisten Gäste hatten sich nach den Weihnachtseinkäufen in dem feuchten und ungemütlichen Wetter vor die heimischen Öfen zurückgezogen und sich etwas zum Abendessen aufgetaut.
Für unsere Katzen gab es wieder einmal nur ein kleines Stück Steakrest – was sich Zorro sofort als erster unter den Tisch zog - und ansonsten die unvermeidliche „Lidl“- Katzenfutterdose und Trockenfutter.

„Wie langweilig!“ Bliny schimpfte halblaut vor sich hin und schlug - sichtlich ärgerlich - mit der Schwanzspitze. “Nichts los!“
Simba- ihr Lieblingsonkel – nickte zustimmend.
„Komm(Komma) Simba, lasst uns was unternehmen!“
„Was sollen wir denn hier schon unternehmen?“ Die allgemeine Trägheit hatte auch auf Simba abgefärbt.
„Lasst uns doch mal auf den Campingplatz gehen und sehen, was Toi und IA machen!“ schlug Bliny vor.
Das war normalerweise ein sicheres Mittel, Simba aufzurütteln.
„IA“ – die eigentlich „Maria“ hieß - war seine Freundin und die Schwester von „Toi“ Pinto, den Bliny in ihr Herz geschlossen hatte.
„Ach Bliny!“ Simba seufzte laut.
„Die sind doch beide nicht da. Die Menschen, die sie in den letzten Wochen gefüttert haben, sind weggefahren und haben IA und Toi in ihrem rollenden Haus mitgenommen.“
Bliny gab nicht auf.
„Vielleicht sind sie ja schon wieder zurück!“
Viele Menschen vom Campingplatz verschwanden plötzlich mit ihren rollenden[red] Häuser[/red] (Häusern), aber meistens tauchten sie nach Tagen, Wochen – manchmal auch erst nach Monaten - wieder auf.
„Das glaube ich nicht! IA hätte sich sofort bei mir gemeldet. Und außerdem hat Vater Pinto gesagt, dass er seine Kinder erst zur Mandelblüte zurück erwartet.“
Simba fühlte bei dem Gedanken, IA frühestens beim nächsten Vollmond[red] wiederzusehen[/red] (wieder zu sehen), einen stechenden Schmerz in der Brust.
Bliny ging es nicht anders: wie sehr vermisste sie die Nächte, in denen sie mit den anderen Campingplatzkatzen – besonders mit ihrem Freund Toi - zusammen im Kreis gesessen hatten, um gemeinsam zu ihrer aller Freude zu singen.
Leider wussten die meisten Menschen in der Umgebung ihre Kunst nicht zu schätzen.
Doch es war für Bliny jedes mal ein Höhepunkt, wenn sie neben Toi sitzen konnte und seine kräftige, tiefe Katerstimme mit ihrem rauen Alt begleiten konnte. Wenn dann mal ein Pantoffel geflogen kam – na gut! Kleine Pause und dann weiter.
„Die Menschen sollen sich nicht so anstellen!“(Komma) sagte Toi immer.
„Was die selber für einen Lärm machen, wenn wir endlich mal einen ruhigen Schlafplatz gefunden haben. Fernseher auf voller Lautstärke, Mopeds mit kaputtem Auspuff. Mit schriller Stimme nach ihren Kindern schreien! Laut ins Handy brüllend neben meinem Schlafplatz stehen bleiben! Und, und, und ... Aber [blue] unseren lieblichen [/blue] (unser lieblicher) Gesang einmal im Monat bei Vollmond – da fliegen Pantoffel, Wassereimer und[red] schlimmeres[/red] (Schlimmeres).
Banausen!“
Das Wort „Banause“ hatte er von einem jungen Spanier aufgeschnappt, der gerne über Mittag auf seiner Gitarre übte und nach einigen Tagen ähnliche Reaktionen zu spüren bekam, wie die Katzen bei ihren Konzerten.
“Banause“ schrie er dann immer den Leuten zu, die seinen Gesang störten.
Toi wusste zwar nicht genau, was das Wort bedeutete, aber es gefiel ihm von seinem Klang her und vor allem: die Angreifer zogen sich meistens beleidigt zurück.

„Komm, lasst uns was unternehmen! Ich komme um vor Langeweile“ Bliny drängelte.
„Simba, erinnere [red] Dich [/red] (dich Komma) was wir bei unseren letzten Ausflügen alles erlebt und wie viele neue Freunde wir gefunden haben. Aber wenn [red] Du [/red] (du) keine Lust[red] hat[/red] (hast) , gehe ich eben alleine!“
Bliny stand auf und ging zwei langsame Schritte in Richtung Campingplatz.

„Halt. Warte auf mich!“ Simba wollte nicht als Langweiler dastehen und außerdem fühlte er [red] ich [/red] (sich) für seine Nichte verantwortlich.
„Aber nur eine kleine Erkundungsrunde. Dann gehen wir zurück ins Restaurant! Das Wetter sieht nicht gut aus“(Punkt)
In der Tat: im Westen zogen dicke schwarze Wolken auf. Die Sterne waren kaum noch zu sehen.
Bliny antwortete nicht und lief weiter.
An der Bordsteinkante der großen Straße, die den Campingplatz vom Ort trennte, blieb sie stehen.
Gemeinsam warteten sie, bis sie sicher waren, dass kein Auto oder Moped heran brauste und liefen dann zügig auf die andere Seite.
Von hier aus mussten sie noch eine weitere Straße überqueren. Aber in den vergangenen Monaten waren sie so oft auf dem Campingplatz zu Besuch gewesen, dass sie auch diese gefährliche Aufgabe sicher überstanden.

„Komm(Komma) Simba. [red] Lasst und [/red] (Lass uns) über den Zaun steigen!“
„Entschuldige(Komma) Bliny. Aber ich glaube(Komma) ich habe dazu keine Lust. Ohne IA ist der Campingplatz nur traurig“(Punkt)
[red] In [/red] (Im) Grunde ihres Herzens ging es Bliny ähnlich wie Simba. Ohne die Aussicht, ihren Freund Toi zu treffen, wusste sie auch nicht so recht(Komma) was sie hier sollte.
„Und jetzt? Hast [red] Du [/red] (du) eine Idee?“
Simba zögerte einen Moment.
„Wir waren noch nie auf der anderen Seite des Platzes. Ich habe gehört, es soll da ganz anders als bei uns sein. Und da gibt es auch Restaurants. Vielleicht haben die ja was anderes als Dosenfutter für uns.“
Diese Aussicht verlockte Bliny so sehr, dass sie sofort zustimmte.
„Kennst [red] Du [/red] den Weg?“
Simba, der für seine Verhältnisse in den letzten Minuten schon außerordentlich viel geredet hatte, zeigte mit dem Kopf schweigend nach links und setzte sich in Bewegung.
Bliny folgte ihm ebenso schweigend.

Die dunklen Wolken hatten inzwischen den ganzen Himmel[blue] verdunkelt[/blue] (verdeckt). Aber das Licht der Straßenlaternen und die Blitze(Komma) die weit draußen über dem Meer zuckten, reichten aus, um die Katzen mit ihrer guten Nachtsicht,(kein Komma) alles klar und deutlich erkennen zu lassen.
Der Weg am Campingplatz entlang war wesentlich enger als auf der anderen Seite am Tor.
Zwischen der Buchsbaumhecke, die durch den Maschendraht des Zauns wucherte und dem voll(getrennt)geparkten Straßenrand standen in zwei Metern Abstand schwere Holzbänke, auf denen fast nie jemand saß. Zwischen den Bänken wuchsen Jakarandas, Bäume(Komma) die im Frühjahr noch bevor sie grüne Blätter bekamen in strahlendem Blau blühten. Dazwischen standen Pfefferbäume, deren rote Beeren in Deutschland im Supermarkt sehr viel Geld kosten, die hier aber von den Bewohnern nicht weiter beachtet werden.

Dann dieses Durcheinander von Gerüchen: vom Campingplatz her trug der Wind die verschiedenen Reviermarkierungen der Kater, gemischt mit menschlichen Essensgerüchen.
Die Bänke und Bäume auf ihrem Weg waren von unzähligen Hunden markiert worden.
Bliny erkannte den typischen Geruch von Buda. Buda war einer der Hunde, den Bliny und Simba mochten. Buda war ein Chow.(besser Bindestrich)Chow, ein Hund mit [red] dicken [/red] (dickem) Fell. Im Sommer lag [red] ein [/red] (er) immer unter (dem) Katzentisch im Schatten und hechelte mit seiner blauen Zunge. Er lebte im Café BUDA (nach ihm benannt!!!) zusammen mit der Katze Mimi. Mit seiner ruhigen Art hatten ihn die Restaurantkatzen schnell akzeptiert. Außerdem war er ein guter Freund, da er alle Katzen in seinem Revier für Mitglieder seiner Familie hielt und jeden anderen Hund sofort vertrieb, der es wagte, eine „seiner“ Katzen zu jagen.
Die zunehmend feuchter werdende Luft des heranziehenden Gewitters ließ Simba und Bliny die Gerüche noch intensiver als sonst wahrnehmen.
Einige Gerüche waren ihnen unangenehm. Offensichtlich hatten es häufiger betrunkene Menschen nicht bis nach Hause geschafft und sich in den dunklen Bereichen des Weges erleichtert. Die beiden machten jedes Mal einen großen Bogen um diese Stellen.

Sie kamen nur langsam vorwärts. Wie es die Art der Katzen ist, werden neue Reviere nur im Zeitlupentempo erkundet. Immer dann, wenn alles Wesentliche erforscht und verstanden worden ist, kann das nächste Stück „erobert“ werden.
Das Wetter wurde immer ungemütlicher. Das Gewitter zog vom Meer her auf die Küste zu und die ersten Windböen ließen die Straßenbäume heftig rauschen. Eine Menge trockenes Laub und kleine Äste regneten auf Bliny und Simba.
Auch der Gewitterregen ließ nicht lange auf sich warten.

Endlich hatten sie das Ende des Zauns erreicht und bogen um die Ecke.
Hier war das Restaurant „Sol e Mar“ („Sonne und Meer“) von dem Simba gehört hatte, ohne jedoch [red] der [/red] (den) Namen zu wissen.
Dieses Restaurant war völlig anders als „sein“ Restaurant. Kein Haus aus Stein(Komma) sondern eine Bude aus Brettern mit einer aus Brettern zusammen gezimmerten Terrasse. Drei hohe Eukalyptusbäume sorgten im Sommer für Schatten.
Es war ein typisches Strandrestaurant, wie es an allen Küsten zu finden ist und das normalerweise nur in den Sommermonaten öffnet. Es war diesen Sommer von einem Franzosen gekauft worden. Offensichtlich versprach er sich hier auch in den Wintermonaten ein Geschäft und hielt mit mäßigem Erfolg die Küche geöffnet.
Bei diesem Wetter waren die Fenster bereits mit Holzplatten verschlossen und ein leichter, angenehmer Duft nach gebratenem Fisch zeugte davon, dass heute irgendwann einmal geöffnet war.

3. Feuer!

Der Regen war stärker geworden. Dicke,(Leerfeld)schwere Tropfen fielen mit lautem Platschen auf das Pflaster und das hölzerne Dach des Restaurants. Die Blätter der Eukalyptusbäume rauschten im heranziehenden Gewittersturm. Das Gewitter war jetzt so nah, dass die Zeit zwischen Blitz und Donner nur noch wenige Sekunden betrug. Der Regen wurde so stark, dass er einem geschlossenen Vorhang aus Wasser glich.

Bliny und Simba flüchteten sich in einen Hohlraum unter der hölzernen Terrasse. Da dieser Teil der Terrasse noch vom Dach des Restaurants überdeckt wurde, waren sie da auch bei dem heftigen Gewitterregen ziemlich sicher vor Feuchtigkeit.
Ein Blitz zuckte über den pechschwarzen Nachthimmel und der Donner folgte unmittelbar danach,(kein Absatz)
so laut und so heftig, dass der gesamte Boden zu zittern schien.

Bliny zuckte unwillkürlich zusammen und presste sich noch näher an ihren Onkel.
„Eigentlich habe ich ja keine Angst vor Gewitter“(Komma) flüsterte sie leise, „aber heute scheint es direkt auf uns zu zu(getrennt)kommen.“
„Ja, Bliny. Ich bin auch nicht wie diese Hunde, die sich bei Blitz und Donner zitternd und mit eingezogenem Schwanz unter dem nächsten Sofa oder Tisch verkriechen. Aber heute scheint es besonders schlimm zu sein. Vor allem dieser Regen!“
Simba rückte etwas zur Seite(Komma) um einen kleinen Bach aus Regenwasser vorbei zulassen, der es trotz allem in ihr ansonsten trockenes Versteck geschafft hatte.

Die nächsten zehn Minuten warteten sie ab, bis das Gewitter weiter die Küste entlang zog. In dieser Zeit mussten sie noch zweimal den Platz wechseln, weil jedes mal, wenn sie gerade trocken lagen, ein neuer Regenwasserbach genau da durch wollte, wohin sie sich gerade zurückgezogen hatten.
Fast so plötzlich, wie er gekommen war, hörte der Regen auf. Die Stille, die nur vom entfernten Donnergrollen unterbrochen wurde, war geradezu unheimlich. Nur von den Bäumen tropfte das Regenwasser weiter zu Boden.

„ (kein Leerfeld)Hast [red] Du [/red] das gehört?“
Bliny setzte sich mit aufgerichteten Ohren auf und starrte in Richtung Restaurant, da(Komma) wo direkt am Zaun zum Campinglatz die Küche lag, aus der es eben noch so lecker nach gebratenem Fisch gerochen hatte.
„Was?“
Simba war von Blinys Unruhe angesteckt.
„Ein komisches Geräusch!“
„Wie meinst [red] Du [/red] das?“
„Ich kann das nicht genau sagen. Komisch halt!“
Simba wollte gerade weiter reden, aber Bliny unterbrach ihn:
„Leise. Hör mal! Da ist es wieder!“

Da war ein unregelmäßiges Zischen und Knistern, wie die beiden noch nie gehört hatten.
„Hast [red] Du [/red] das gesehen?“
Simba nickte schweigend.
Die nassen Blätter der Buchsbaumhecke zum Campingplatz spiegelten kleine, silbrig-blaue Blitze(Komma) die irgendwie aus der Küche zu kommen schienen.
Gleichzeitig zog ein unangenehm beißender Geruch zu den beiden hinüber.
Das Knistern und Prasseln wurde lauter.
„[red] Lasst [/red] (Lass) uns hier abhauen! Das gefällt mir gar nicht!“
Simba war schon halb aus [red] den [/red] (dem) Versteck unter der Holzterrasse heraus und schlich geduckt einige Meter weiter. Dabei versuchte er(Komma) möglichst die Regenpfützen zu umgehen, was ihm aber nur teilweise gelang. Bliny folgte ihm.
Unter einem [red] geparktem [/red] (geparkten) Auto fanden sie Schutz.
Auch hier war der scharfe Geruch, der aus der Restaurantküche kam, noch wahrzunehmen.
Dann plötzlich ein lautes „Klack“ und Stille.

Beide kannten dieses Geräusch aus „ihrem“ Restaurant. Oft, wenn viel Betrieb war und alle Öfen und Maschinen gleichzeitig arbeiteten, hatten sie dieses „Klack“ gehört.
Mit diesem „Klack“ gingen alle Lichter und alle Maschinen aus. Gleichzeitig [blue] es [/blue] (überflüssig) trat eine himmlische Stille ein. Aber nur für einige Sekunden. Dann konnte man Christoph aus der Küche rufen hören:(kein Absatz)
„Kann mal einer die Sicherung rein machen?“ (Christoph war gut gelaunt)
oder: (kein Absatz)
„Macht doch mal die Spülmaschine vorne aus. Und hallo! Sicherung rein! Mir brennt was an!“
(Christoph leicht gereizt)
oder auch: (kein Absatz)
„Verflixt! Muss denn alles gleichzeitig laufen? KANN MAL EINER DIE SPÜLMASCHINE AUS MACHEN?!! Wie soll man denn so vernünftig arbeiten? HALLO, HALLO DA VORNE! DIE SICHERUNG REIN!“ (Christoph hat miserable Laune. Nur nicht ansprechen!)

Auch hier draußen dauerte die Stille nur einige Sekunden. Aber niemand rief. Wie auch, da ja wegen [red] der [/red] (des) schlechten Wetters niemand draußen unterwegs war.
Statt dessen hörte man ein leichtes Prasseln, das völlig anders klang als vorher. Auch der Geruch, der jetzt herüber wehte, hatte sich verändert. Es roch nach Grill und Holzfeuer, vermischt mit dem scharfen Geruch von brennendem Plastik. Das Licht, das sich in der feuchten Buchsbaumhecke spiegelte(Komma) hatte ebenfalls die Farbe geändert. Es zuckte jetzt in gelben, orangefarbenen und roten Tönen.
Simba und Bliny zogen sich noch tiefer unter das Auto zurück.

Das Licht wurde stärker, das Prasseln lauter und jetzt drangen auch dicke schwarze Rauchschwaden aus allen Ritzen des hölzernen „Sol e Mar“.

Von weitem hörten sie Schritte und ein undeutliches Selbstgespräch.
Ein Kneipenbesucher aus einer der anderen Holzbuden am Hafenkanal war auf dem Heimweg. Er hatte wahrscheinlich gewartet, bis das Gewitter vorbei war. In der Wartezeit hatte er so viel getrunken, dass er schlingerte wie ein Schiff in schwerem Wellengang.
Als er näher kam, verstanden sie etwas von dem, was er sich selbst erzählte: (kein Absatz)
„Kein Wetter für Fisch! Ich glaube(Komma) ich muss noch einen trinken“
Er blieb stehen und wühlte in seinen Taschen. Schließlich angelte er eine völlig zerdrückte Packung Zigaretten heraus und schob sich einen verknautschten „Glimmstängel“ in den Mundwinkel. Dabei fing er an, halblaut vor sich hin zu schimpfen, was mit [red] er [/red] Zigarette im Mundwinkel kaum noch zu verstehen war.
Irgendwie klang es wie: (kein Absatz)
„Mist! Mein Feuerzeusch is´ wesch. Ho-Ho. Kein-Fisch. Scheissgewidder!“
Und dann lauter: „Hat ma` einer Feuer?“
Er blieb stehen und drehte sich schwankend einmal um die eigene Achse. Aber es war niemand da.
„He! He! Hallo! Hat ma einer Feuer?“
Er schaute zum „Sol e Mar“.
„Kann isch mal Feuer haben? Feuer?“
„Feuer!“
Und dann nach einer kleinen Pause: (kein Absatz)
„Feuer! ES BRENNT! FEUER! FEUER!“
Er schien schlagartig nüchtern zu werden. Auf jeden Fall hörte er auf, zu schwanken.
Nach einer kurzen Pause drehte er sich in die Richtung, aus der er gekommen war und lief immer schneller werdend zu dem nächsten Café, in dem noch Licht brannte.

Bliny und Simba kauerten unbeweglich und fast unsichtbar unter dem Auto und sahen, wie die Flammen immer größer wurden und schon die ersten Feuerzungen durch das Dach kamen.

Nach und nach kamen die Leute aus den umliegenden Bars. Löschen konnten sie nicht, denn dafür fehlte ihnen das Material. Die Hitze der Flammen konnten die beiden Katzen auch unter ihrem Auto deutlich spüren.
Weit in der Ferne waren die ersten Sirenen der Feuerwehr zu hören, die aus dem 12 km entfernten Nachbarort mit höchster Geschwindigkeit angerast kam.
Einer der Zuschauer rief plötzlich: (kein Absatz)
„Die Gasflaschen! Da sind Gasflaschen in der Küche!“
Die Umstehenden, die alle Flaschengas aus ihren Wohnungen kannten, wussten(Komma) was das zu bedeuten hatte: höchste Explosionsgefahr.
Bliny und Simba verstanden zwar nichts von Gasflaschen, aber an der Unruhe der Menschen spürten[red] Sie[/red] (sie) , dass eine größere Gefahr bestand.
Simba zog sich langsam nach hinten zurück, ohne das Feuer aus den Augen zu lassen. Bliny folgte ihm ebenso vorsichtig.
Simba schaute sich ängstlich um. Auf der anderen Straßenseite, direkt am Hafenkanal und vor den Fischerboten, die dort festgemacht waren, stand eine große Kiste, die etwas Schutz zu bieten schien.
„Los(Komma) weg hier!“(Komma) zischte er leise zu Bliny und ohne [red] das [/red] (dass) einer der Umstehenden das mitbekam, liefen sie schnell und geräuschlos – wie Katzen halt sind – über die Straße und versteckten sich hinter der Kiste.
Hier war die Hitze nicht mehr so stark und sie konnten das Feuer auf der anderen Seite im Auge behalten.
Simba, der sich für Bliny verantwortlich fühlte, suchte mit den Augen die Umgebung nach Fluchtmöglichkeiten ab.
Der Brand gab genug Licht(Komma) um alles sehen zu können. Auf dieser Straßenseite standen keine Autos, unter denen man Schutz suchen konnte und hinter [red] Ihnen [/red] (ihnen) war der Kanal und die Boote, die mit langen Tauen an Pollern festgemacht waren. Da gab es keinen Weg.
Oder doch? An einem Boot, schräg hinter ihnen, lag eine Planke zwischen Boot und Festland. Wahrscheinlich(Komma) um auf diesem Weg das Material für die nächste Fahrt an Bord bringen zu können. Auf dem Boot lagen verschiedene Kisten und Ballen, aufgerollte Taue und Dinge, die Simba aus dem alten Bootslager kannte, wo die Katzen normalerweise schliefen. Er hatte allerdings keine Idee, wofür sie gut sein könnten. Auf jeden Fall gab es da Verstecke und einen trockenen Weg hin und zurück.

Das Feuer schlug in hohen Flammen aus dem Dach des „Sol e Mar“ und die Zuschauer zogen sich vor dem schwarzen Qualm und der Hitze weit zurück. Das Geheul der Feuerwehrsirenen kam immer näher, als es geschah:
aus der brennenden Küche war ein Knall zu hören. Ungefähr so, als wenn ein Sektkorken aus der Flasche fliegt- nur viel lauter. Und es war auch kein Sekt, der da nach oben[red] schoß[/red] (schoss) , es war eine Säule aus brennendem Gas. Durch den Druck wurden glühende Reste meterhoch mitgerissen, die dann in weiterem Umkreis zu Boden fielen. Ein Gewitterregen aus prasselnden, glühenden und brennenden Holzstücken und Dachpappe.
Die Zuschauer [red] schrien [/red] (schrieen) auf und versuchten(Komma) sich weiter entfernt in Sicherheit zu bringen.
„Komm hier her hinter die Kiste! João! João!“
Eine junge Frau rief in die Zuschauermenge. Gleichzeitig quetschte sie sich hinter die Kiste(Komma) ohne die beiden ängstlichen Katzen zu bemerken.
„João!“
„Andreia? Wo steckst du(Fragezeichen)“(Komma) rief eine Männerstimme laut, um gegen das Geräusch des Brandes anzukommen.
„Hier“(Komma) rief Andreia so laut sie konnte zurück.
„Wo ist ´Hier`?“
„Hinter der Kiste am Kanal! Komm doch bitte! Ich habe solche Angst!“
Wenige Augenblicke später kam ein großer kräftiger Mann von etwa dreißig Jahren hinter die Kiste.
„Gottseidank! Dabistduja. Istallesgut?“ Er sprach laut und hatte die Angewohnheit(Komma) alle Worte miteinander zu verbinden. Wer diese Angewohnheit der Leute aus dem Fischerviertel nicht kannte, hatte unweigerlich Schwierigkeiten(Komma) die Sätze zu verstehen.
Andreia sagte nichts und presste sich an ihn.
„Unddas geradejetzt(Komma) woich dreiWochen wegmuss.“
„Und wenn euer Boot jetzt Feuer fängt?“(Komma) fragte Andreia ängstlich.
„Der[red] wind [/red] (Wind) kommt vom[red] meer[/red] (Meer)“(Komma) beruhigte Joao sie(Punkt) „Aber auf demCamping möchteichnicht wohnen“
Und wirklich: der Regen glühender Teile des „Sol e Mar“ wurde von dem wieder stärker gewordenen Wind (von) den Zuschauern weg auf den Campingplatz getragen. Zu Glück waren die wenigen Wohnwagen, die um diese Jahreszeit hier standen, unbewohnt.
Andreia rückte noch näher an Joăo.
Auch Bliny presste sich – so nahe es ging – an ihren Onkel. Ganz am Rand und im Schatten der Kiste waren sie für die Menschen fast unsichtbar. Nur Simbas Schwanz ragte etwas weiter[red] raus[/red] (heraus).
Das Geheul der Feuerwehrsirenen war jetzt ganz nah und man konnte schon das Blaulicht blass hinter der nächsten Ecke blitzen sehen.
„Dakommtdie Feuerwehr“(Komma) rief João und sprang auf, um besser sehen zu können.
Leider war Simbas Schwanz unter seinem Fuß.
Der Kater sprang mit einem Schmerzensschrei auf und stieß sich den Kopf an der Kiste.
Bliny war mindestens genauso erschrocken, sprang auf und stieß sich ebenfalls den Kopf an der Kiste.
Einen Sekundenbruchteil blieben die beiden bewegungslos stehen(Komma) um einen Fluchtweg zu finden.
Die Planke! Das Boot!
Beide hatten den gleichen Gedanken.
So schnell sie konnten jagten sie mit gerade gestrecktem Schwanz die wenigen Meter Kanal entlang. Über die Planke – auf das Schiff!
Bliny sah als erste das aufgewickelte Tau. Wie bei einem [red] überdimensionaler [/red] (überdimensionalen) Katzenkorb gab es ein großes Loch in der Mitte(Komma) das von einer hohen Wand umschlossen war. Ein ideales Versteck!
Sehen, hineinspringen und damit – für die Menschen fast unsichtbar – zu verschwinden war eins.
Simba folgte ihr und nun war es an ihm, Schutz und Trost bei seiner Nichte zu suchen.
Sein Kopf brummte von dem Stoß an die Kiste und sein Schwanz schmerzte und pochte von dem unbeabsichtigten Tritt von João.
Was für eine Nacht!
Von den Ereignissen gegenüber konnten sie in ihrem Versteck fast nichts sehen. Nur die Spiegelung des blauen Lichts der Feuerwehr und des gelb-roten Feuers in den Aufbauten des Schiffs schufen eine unheimliche[red] Athmosphäre[/red] (Atmosphäre).

Langsam und durch die Wärme des jeweils anderen kamen Bliny und Simba zur Ruhe.
Erschöpft fielen sie in einen unruhigen Halbschlaf.

Nur durch eine wattige Wand von Müdigkeit bekamen sie etwas von den dramatischen Ereignissen beim „Sol e Mar“ mit: wie die Feuerwehr mit zwei Löschwagen versuchte, den Brand im Restaurant zu löschen. Letztendlich aber nichts als ein Haufen dampfender, verkohlter Bretter und die traurigen Überreste des Herdes übrig blieb.
Sie sahen nicht, wie durch den Flug glühender Teile ein leerer, alter Wohnwagen auf dem Campingplatz Feuer fing und bis auf sein Metallgerüst und die Metallfelgen der Räder abbrannte.

Nach und nach gingen auch die letzten Zuschauer nach Hause. Nur ein Wagen der Feuerwehr blieb da, um zu verhindern, dass die Flammen wieder auflodern konnten.

Es wurde still. Bliny und Simba fielen in ihrem Versteck in einen tiefen Schlaf.
__________________
Christoph

Spannend. Wann gibbet die fortsetzung?
lg
 

Christoph

Mitglied
Hallo Flammarion,

DANKE für die Korrekturen. Meistens sind halt die Finger langsamer als der Kopf. Zudem habe ich hier im Ausland nicht viel von Neuen Rechtschreibung mitbekommen. Die Rechtschreibprogramme von Word und von Open Office haben auch noch häufig unterschiedliche Korrekturvorschläge, so dass die richtige Schreibweise oft ein Lotteriespiel ist.
Ich werde mich an das Schreibprogramm "flammarion" halten!

Die Fortsetzung hängt von der erfolgreichen "Vor Ort Recherche" auf dem Fischerboot ab, das in der Geschichte "Deus me ajude" heißt (ein solches Boot gibt es wirklich hier im Hafen!). Nach dreivierteljahr bitten und betteln habe ich für kommenden Dienstag einen Besichtigungstermin!
Wenn das wirklich klappt, geht die Geschichte zügig weiter - vorausgesetzt Simba und Bliny haben genug Zeit, mir alles zu erzählen!
 

Christoph

Mitglied
Dies ist die Fortsetzung der Abenteuer der "Kneipenkatzen" aus dem Buch "Von Biermäusen und Kneipenkatzen", das hier in der LL unter "Kindergeschichten" bereits veröffentlicht ist.
Das neue, große Abenteuer der "Kneipenkatzen" Simba und Bliny aus Christophs Restaurant an der Algarveküste ist noch in der Entstehungsphase.
Die notwendigen Recherchen auf dem Fischerboot laufen noch.
Ich würde mich dennoch über Kritik und spontane Reaktionen freuen.
Die Geschichte ist übrigens für Grundschulkinder ab ca. 8 Jahren gedacht.

Christoph


Abenteuer auf dem Meer​

1. Aber ich will doch gar nicht nach Afrika

„Aber ich will doch gar nicht nach Afrika!“
Bliny, die kleine beigefarbene Katze mit dem getigerten Schwanz und den leuchtend blauen Augen, saß zusammen gekauert und unglücklich hinter einem aufgerollten Tau.
Das ständige Rollen und Stampfen des Fischerbootes auf dem Atlantik zwischen der Algarveküste in Portugal und den fischreichen Gebieten vor Marokko in Nordafrika machte sie krank.
Und erst die Nässe: morgens war das ganze Boot feucht vom Tau und wenn es gerade nicht regnete, spritzte immer Meerwasser auf die „Deus me Ajude“ („Herr hilf!“), wie dieses Schiff hieß.
Aber leider regnete es im Dezember ziemlich oft in dieser Gegend der Welt. Heute blitzte zwar ab und zu die Sonne zwischen den grauen Wolken hervor, aber die niedergeschlagene Stimmung von Bliny konnte das nicht verbessern.
Ihr Onkel Simba, mit dem sie schon so manches Abenteuer durchgestanden hatte, saß schweigend neben ihr.
„Afrika! Ich will zurück in mein Dorf und in mein Restaurant!“
Simba schwieg noch immer, warf aber seiner Nichte einen sehnsüchtigen Blick zu. Ihm ging es nämlich genauso.
Er dachte an das gute Leben, das sie noch vor drei Tagen gehabt hatten.

Drei Tage! Unglaublich wie verschieden schnell die Zeit vergehen kann.
Drei Tage im Sommer: das war dösen mit den anderen Familienmitgliedern und Freunden auf den Stühlen der Restaurantterrasse. Bis dann irgendwann Christoph kam, die Tür aufschloss und frisches Wasser und Futter auf den Tisch unter der Palme stellte. Dann wieder dösen, bis am Abend die ersten Gäste die Stühle brauchten. Dann wieder dösen, bis die Reste aus der Küche serviert wurden.
Simba lief bei dem Gedanken an diese Genüsse das Wasser im Maul zusammen.
Drei Tage im Sommer dauerten solange, wie es dauert, einmal mit den Augen zu blinzeln.

Aber jetzt: was Bliny und er in den vergangenen drei Tagen erlebt hatten, reichte für ein komplettes Katzenleben.
Das glückliche Leben, die Familie und die Freunde, alles war so weit weg.
Simba dachte an seine Freundin Maria, die von allen nur „IA“ genannt wurde.
„Was für furchtbare Sorgen wird sie sich machen!“
Er rückte näher an Bliny und leckte ihr das Fell zwischen den Ohren und im Nacken. Er wusste, dass das beruhigend auf sie wirkte.
Bliny, die sonst so sanft und ausdauernd schnurren konnte, gab keinen Ton von sich und starrte weiter auf das Meer, als gäbe es da etwas zu sehen.
Aber es gab nichts zu sehen. Nur Wasser, Wellen und ein grau blauer Himmel, der irgendwo, weit weg, das Meer zu berühren schien.
„Afrika! Afrika!“, flüsterte sie leise nach einer Weile.
„Von Afrika habe ich schon gehört. ICH WILL NICHT NACH AFRIKA! Ich will in das Restaurant und mit Toi auf dem Campingplatz singen!“
In diesem Moment schwappte eine Welle gegen die Bootswand und die Spritzer machten Simba patschnass. Sein schönes sand- und erdfarben marmoriertes Fell und selbst der strahlend weiße dreieckige „Latz“ unter dem Kinn troff von kaltem, salzigem Meerwasser.

Erschreckt und auch etwas beleidigt stand er auf und schüttelte sich angewidert das Wasser aus dem Fell. Vorsichtig lief er über das glitschige Deck und legte sich neben dem Steuerhaus in die Ecke. Hier stapelte der Schiffskoch die alten Kartons und Müllsäcke. Das bedeutet, es gab immer einen geschützten Platz, an dem man sich verkriechen konnte. Zumindest so lange, bis der ganze Abfall über Bord in den Atlantischen Ozean gekippt wurde.
Kurze Zeit später kam Bliny nach. Jetzt war es an der Zeit, dass sie ihrem Onkel bei der Fellpflege half – oder sollte ich besser sagen: bei der Reparatur des Wasserschadens.

Während Bliny ihm das Fell leckte, entspannte sich Simba zunehmend und er fand zum ersten mal etwas Ruhe.
Wie war das nur alles gekommen? Wie kamen sie beide auf ein Boot auf dem Meer, wo sie doch beide Wasser nur als Getränk leiden konnten?
Wie konnte es passieren, dass sie hier auf dem Ozean waren, in Gesellschaft von 15 Fischern, einem Schiffskoch, dem Bordhund „Cão“ (was einfach „Hund“ heißt) und zahlreichen anderen Tieren, die – wie sie selber – als blinde Passagiere mitfuhren?

Nach und nach wurde es Simba wieder warm und in Gedanken ging er zurück zu jenem verhängnisvollen Abend, an dem alles begann.


2. Bliny und Simba haben Langeweile

Dezember ist an der Algarve die langweiligste Zeit des Jahres. Nur wenige Gäste verirren sich ins Restaurant. Das heißt auch: wenig Essensreste aus der Küche und immer das gleiche Dosenfutter aus dem Supermarkt.
Allen fünf Katzen des Restaurants hing das zum Hals raus.
Vor allem dem schwarz-weißen Zorro, der seinen Namen dem schwarzen Fell verdankte, das eine perfekte Maske um seine Augen bildete und ihn wie den berühmten Filmhelden aussehen ließ.
Aber auch seine Schwester Clara (fast schwarz mit einem weißen Kinn und eleganten weißen Streifen an den Hinterbeinen), Vetter Simba, der sanftmütige marmorierte Kater mit dem weißen Latz und Nichte Bliny mit den blauen Augen waren angeödet.
Es waren kaum Gäste da, die sich für die Katzen interessierten. Fast keine Kinder, die laut quietschend alle Katzen fangen und streicheln wollten.
Sonst ging ihnen das auf die Nerven – aber in dieser ereignislosen Zeit wären sie willkommen gewesen.
Einzig der ganz schwarze Kater Fauchi, der seit dem Frühjahr mit den anderen im alten Bootslager wohnte, war nicht von der Winterstimmung angesteckt und ließ weiter seine gefürchteten Sprüche vom Stapel: „Was ist der Himmel für ´ne Katze? Ein voller Teller und ´ne weiche Matratze!“

Dann kam der Abend, an dem das Restaurant schon um zehn Uhr zugeschlossen wurde. Der Nieselregen, der den ganzen Nachmittag gefallen war, hatte aufgehört. Doch die meisten Gäste hatten sich nach den Weihnachtseinkäufen in dem feuchten und ungemütlichen Wetter vor die heimischen Öfen zurückgezogen und sich etwas zum Abendessen aufgetaut.
Für unsere Katzen gab es wieder einmal nur ein kleines Stück Steakrest – was sich Zorro sofort als erster unter den Tisch zog - und ansonsten die unvermeidliche „Lidl“- Katzenfutterdose und Trockenfutter.

„Wie langweilig!“ Bliny schimpfte halblaut vor sich hin und schlug - sichtlich ärgerlich - mit der Schwanzspitze. “Nichts los!“
Simba- ihr Lieblingsonkel – nickte zustimmend.
„Komm, Simba, lasst uns was unternehmen!“
„Was sollen wir denn hier schon unternehmen?“ Die allgemeine Trägheit hatte auch auf Simba abgefärbt.
„Lasst uns doch mal auf den Campingplatz gehen und sehen, was Toi und IA machen!“ schlug Bliny vor.
Das war normalerweise ein sicheres Mittel, Simba aufzurütteln.
„IA“ – die eigentlich „Maria“ hieß - war seine Freundin und die Schwester von „Toi“ Pinto, den Bliny in ihr Herz geschlossen hatte.
„Ach Bliny!“ Simba seufzte laut.
„Die sind doch beide nicht da. Die Menschen, die sie in den letzten Wochen gefüttert haben, sind weggefahren und haben IA und Toi in ihrem rollenden Haus mitgenommen.“
Bliny gab nicht auf.
„Vielleicht sind sie ja schon wieder zurück!“
Viele Menschen vom Campingplatz verschwanden plötzlich mit ihren rollenden Häusern, aber meistens tauchten sie nach Tagen, Wochen – manchmal auch erst nach Monaten - wieder auf.
„Das glaube ich nicht! IA hätte sich sofort bei mir gemeldet. Und außerdem hat Vater Pinto gesagt, dass er seine Kinder erst zur Mandelblüte zurück erwartet.“
Simba fühlte bei dem Gedanken, IA frühestens beim nächsten Vollmond wieder zu sehen, einen stechenden Schmerz in der Brust.
Bliny ging es nicht anders: wie sehr vermisste sie die Nächte, in denen sie mit den anderen Campingplatzkatzen – besonders mit ihrem Freund Toi - zusammen im Kreis gesessen hatten, um gemeinsam zu ihrer aller Freude zu singen.
Leider wussten die meisten Menschen in der Umgebung ihre Kunst nicht zu schätzen.
Doch es war für Bliny jedes mal ein Höhepunkt, wenn sie neben Toi sitzen konnte und seine kräftige, tiefe Katerstimme mit ihrem rauen Alt begleiten konnte. Wenn dann mal ein Pantoffel geflogen kam – na gut! Kleine Pause und dann weiter.
„Die Menschen sollen sich nicht so anstellen!“, sagte Toi immer.
„Was die selber für einen Lärm machen, wenn wir endlich mal einen ruhigen Schlafplatz gefunden haben. Fernseher auf voller Lautstärke, Mopeds mit kaputtem Auspuff. Mit schriller Stimme nach ihren Kindern schreien! Laut ins Handy brüllend neben meinem Schlafplatz stehen bleiben! Und, und, und ... Aber unser lieblicher Gesang einmal im Monat bei Vollmond – da fliegen Pantoffel, Wassereimer und Schlimmeres.
Banausen!“
Das Wort „Banause“ hatte er von einem jungen Spanier aufgeschnappt, der gerne über Mittag auf seiner Gitarre übte und nach einigen Tagen ähnliche Reaktionen zu spüren bekam, wie die Katzen bei ihren Konzerten.
“Banause“ schrie er dann immer den Leuten zu, die seinen Gesang störten.
Toi wusste zwar nicht genau, was das Wort bedeutete, aber es gefiel ihm von seinem Klang her und vor allem: die Angreifer zogen sich meistens beleidigt zurück.

„Komm, lasst uns was unternehmen! Ich komme um vor Langeweile“ Bliny drängelte.
„Simba, erinnere dich, was wir bei unseren letzten Ausflügen alles erlebt und wie viele neue Freunde wir gefunden haben. Aber wenn du keine Lust hast, gehe ich eben alleine!“
Bliny stand auf und ging zwei langsame Schritte in Richtung Campingplatz.

„Halt. Warte auf mich!“ Simba wollte nicht als Langweiler dastehen und außerdem fühlte er sich für seine Nichte verantwortlich.
„Aber nur eine kleine Erkundungsrunde. Dann gehen wir zurück ins Restaurant! Das Wetter sieht nicht gut aus“.
In der Tat: im Westen zogen dicke schwarze Wolken auf. Die Sterne waren kaum noch zu sehen.
Bliny antwortete nicht und lief weiter.
An der Bordsteinkante der großen Straße, die den Campingplatz vom Ort trennte, blieb sie stehen.
Gemeinsam warteten sie, bis sie sicher waren, dass kein Auto oder Moped heran brauste und liefen dann zügig auf die andere Seite.
Von hier aus mussten sie noch eine weitere Straße überqueren. Aber in den vergangenen Monaten waren sie so oft auf dem Campingplatz zu Besuch gewesen, dass sie auch diese gefährliche Aufgabe sicher überstanden.

„Komm, Simba. Lass und über den Zaun steigen!“
„Entschuldige, Bliny. Aber ich glaube, ich habe dazu keine Lust. Ohne IA ist der Campingplatz nur traurig“.
Im Grunde ihres Herzens ging es Bliny ähnlich wie Simba. Ohne die Aussicht, ihren Freund Toi zu treffen, wusste sie auch nicht so recht, was sie hier sollte.
„Und jetzt? Hast du eine Idee?“
Simba zögerte einen Moment.
„Wir waren noch nie auf der anderen Seite des Platzes. Ich habe gehört, es soll da ganz anders als bei uns sein. Und da gibt es auch Restaurants. Vielleicht haben die ja was anderes als Dosenfutter für uns.“
Diese Aussicht verlockte Bliny so sehr, dass sie sofort zustimmte.
„Kennst du den Weg?“
Simba, der für seine Verhältnisse in den letzten Minuten schon außerordentlich viel geredet hatte, zeigte mit dem Kopf schweigend nach links und setzte sich in Bewegung.
Bliny folgte ihm ebenso schweigend.

Die dunklen Wolken hatten inzwischen den ganzen Himmel verdeckt. Aber das Licht der Straßenlaternen und die Blitze, die weit draußen über dem Meer zuckten, reichten aus, um die Katzen mit ihrer guten Nachtsicht alles klar und deutlich erkennen zu lassen.
Der Weg am Campingplatz entlang war wesentlich enger als auf der anderen Seite am Tor.
Zwischen der Buchsbaumhecke, die durch den Maschendraht des Zauns wucherte und dem vollgeparkten Straßenrand standen in zwei Metern Abstand schwere Holzbänke, auf denen fast nie jemand saß. Zwischen den Bänken wuchsen Jakarandas, Bäume, die im Frühjahr noch bevor sie grüne Blätter bekamen in strahlendem Blau blühten. Dazwischen standen Pfefferbäume, deren rote Beeren in Deutschland im Supermarkt sehr viel Geld kosten, die hier aber von den Bewohnern nicht weiter beachtet werden.

Dann dieses Durcheinander von Gerüchen: vom Campingplatz her trug der Wind die verschiedenen Reviermarkierungen der Kater, gemischt mit menschlichen Essensgerüchen.
Die Bänke und Bäume auf ihrem Weg waren von unzähligen Hunden markiert worden.
Bliny erkannte den typischen Geruch von Buda. Buda war einer der Hunde, den Bliny und Simba mochten. Buda war ein Chow-Chow, ein Hund mit dickem Fell. Im Sommer lag ein immer unter dem Katzentisch im Schatten und hechelte mit seiner blauen Zunge. Er lebte im Café BUDA (nach ihm benannt!!!) zusammen mit der Katze Mimi. Mit seiner ruhigen Art hatten ihn die Restaurantkatzen schnell akzeptiert. Außerdem war er ein guter Freund, da er alle Katzen in seinem Revier für Mitglieder seiner Familie hielt und jeden anderen Hund sofort vertrieb, der es wagte, eine „seiner“ Katzen zu jagen.
Die zunehmend feuchter werdende Luft des heranziehenden Gewitters ließ Simba und Bliny die Gerüche noch intensiver als sonst wahrnehmen.
Einige Gerüche waren ihnen unangenehm. Offensichtlich hatten es häufiger betrunkene Menschen nicht bis nach Hause geschafft und sich in den dunklen Bereichen des Weges erleichtert. Die beiden machten jedes Mal einen großen Bogen um diese Stellen.

Sie kamen nur langsam vorwärts. Wie es die Art der Katzen ist, werden neue Reviere nur im Zeitlupentempo erkundet. Immer dann, wenn alles Wesentliche erforscht und verstanden worden ist, kann das nächste Stück „erobert“ werden.
Das Wetter wurde immer ungemütlicher. Das Gewitter zog vom Meer her auf die Küste zu und die ersten Windböen ließen die Straßenbäume heftig rauschen. Eine Menge trockenes Laub und kleine Äste regneten auf Bliny und Simba.
Auch der Gewitterregen ließ nicht lange auf sich warten.

Endlich hatten sie das Ende des Zauns erreicht und bogen um die Ecke.
Hier war das Restaurant „Sol e Mar“ („Sonne und Meer“) von dem Simba gehört hatte, ohne jedoch den Namen zu wissen.
Dieses Restaurant war völlig anders als „sein“ Restaurant. Kein Haus aus Stein, sondern eine Bude aus Brettern mit einer aus Brettern zusammen gezimmerten Terrasse. Drei hohe Eukalyptusbäume sorgten im Sommer für Schatten.
Es war ein typisches Strandrestaurant, wie es an allen Küsten zu finden ist und das normalerweise nur in den Sommermonaten öffnet. Es war diesen Sommer von einem Franzosen gekauft worden. Offensichtlich versprach er sich hier auch in den Wintermonaten ein Geschäft und hielt mit mäßigem Erfolg die Küche geöffnet.
Bei diesem Wetter waren die Fenster bereits mit Holzplatten verschlossen und ein leichter, angenehmer Duft nach gebratenem Fisch zeugte davon, dass heute irgendwann einmal geöffnet war.

3. Feuer!

Der Regen war stärker geworden. Dicke, schwere Tropfen fielen mit lautem Platschen auf das Pflaster und das hölzerne Dach des Restaurants. Die Blätter der Eukalyptusbäume rauschten im heranziehenden Gewittersturm. Das Gewitter war jetzt so nah, dass die Zeit zwischen Blitz und Donner nur noch wenige Sekunden betrug. Der Regen wurde so stark, dass er einem geschlossenen Vorhang aus Wasser glich.

Bliny und Simba flüchteten sich in einen Hohlraum unter der hölzernen Terrasse. Da dieser Teil der Terrasse noch vom Dach des Restaurants überdeckt wurde, waren sie da auch bei dem heftigen Gewitterregen ziemlich sicher vor Feuchtigkeit.
Ein Blitz zuckte über den pechschwarzen Nachthimmel und der Donner folgte unmittelbar danach, so laut und so heftig, dass der gesamte Boden zu zittern schien.

Bliny zuckte unwillkürlich zusammen und presste sich noch näher an ihren Onkel.
„Eigentlich habe ich ja keine Angst vor Gewitter“, flüsterte sie leise, „aber heute scheint es direkt auf uns zu zukommen.“
„Ja, Bliny. Ich bin auch nicht wie diese Hunde, die sich bei Blitz und Donner zitternd und mit eingezogenem Schwanz unter dem nächsten Sofa oder Tisch verkriechen. Aber heute scheint es besonders schlimm zu sein. Vor allem dieser Regen!“
Simba rückte etwas zur Seite, um einen kleinen Bach aus Regenwasser vorbei zulassen, der es trotz allem in ihr ansonsten trockenes Versteck geschafft hatte.

Die nächsten zehn Minuten warteten sie ab, bis das Gewitter weiter die Küste entlang zog. In dieser Zeit mussten sie noch zweimal den Platz wechseln, weil jedes mal, wenn sie gerade trocken lagen, ein neuer Regenwasserbach genau da durch wollte, wohin sie sich gerade zurückgezogen hatten.
Fast so plötzlich, wie er gekommen war, hörte der Regen auf. Die Stille, die nur vom entfernten Donnergrollen unterbrochen wurde, war geradezu unheimlich. Nur von den Bäumen tropfte das Regenwasser weiter zu Boden.

„Hast du das gehört?“
Bliny setzte sich mit aufgerichteten Ohren auf und starrte in Richtung Restaurant, da, wo direkt am Zaun zum Campinglatz die Küche lag, aus der es eben noch so lecker nach gebratenem Fisch gerochen hatte.
„Was?“
Simba war von Blinys Unruhe angesteckt.
„Ein komisches Geräusch!“
„Wie meinst du das?“
„Ich kann das nicht genau sagen. Komisch halt!“
Simba wollte gerade weiter reden, aber Bliny unterbrach ihn:
„Leise. Hör mal! Da ist es wieder!“

Da war ein unregelmäßiges Zischen und Knistern, wie die beiden noch nie gehört hatten.
„Hast du das gesehen?“
Simba nickte schweigend.
Die nassen Blätter der Buchsbaumhecke zum Campingplatz spiegelten kleine, silbrig-blaue Blitze, die irgendwie aus der Küche zu kommen schienen.
Gleichzeitig zog ein unangenehm beißender Geruch zu den beiden hinüber.
Das Knistern und Prasseln wurde lauter.
„Lass uns hier abhauen! Das gefällt mir gar nicht!“
Simba war schon halb aus dem Versteck unter der Holzterrasse heraus und schlich geduckt einige Meter weiter. Dabei versuchte er, möglichst die Regenpfützen zu umgehen, was ihm aber nur teilweise gelang. Bliny folgte ihm.
Unter einem geparkten Auto fanden sie Schutz.
Auch hier war der scharfe Geruch, der aus der Restaurantküche kam, noch wahrzunehmen.
Dann plötzlich ein lautes „Klack“ und Stille.

Beide kannten dieses Geräusch aus „ihrem“ Restaurant. Oft, wenn viel Betrieb war und alle Öfen und Maschinen gleichzeitig arbeiteten, hatten sie dieses „Klack“ gehört.
Mit diesem „Klack“ gingen alle Lichter und alle Maschinen aus. Gleichzeitig trat eine himmlische Stille ein. Aber nur für einige Sekunden. Dann konnte man Christoph aus der Küche rufen hören:„Kann mal einer die Sicherung rein machen?“ (Christoph war gut gelaunt)
oder:„Macht doch mal die Spülmaschine vorne aus. Und hallo! Sicherung rein! Mir brennt was an!“
(Christoph leicht gereizt)
oder auch:„Verflixt! Muss denn alles gleichzeitig laufen? KANN MAL EINER DIE SPÜLMASCHINE AUS MACHEN?!! Wie soll man denn so vernünftig arbeiten? HALLO, HALLO DA VORNE! DIE SICHERUNG REIN!“ (Christoph hat miserable Laune. Nur nicht ansprechen!)

Auch hier draußen dauerte die Stille nur einige Sekunden. Aber niemand rief. Wie auch, da ja wegen des schlechten Wetters niemand draußen unterwegs war.
Statt dessen hörte man ein leichtes Prasseln, das völlig anders klang als vorher. Auch der Geruch, der jetzt herüber wehte, hatte sich verändert. Es roch nach Grill und Holzfeuer, vermischt mit dem scharfen Geruch von brennendem Plastik. Das Licht, das sich in der feuchten Buchsbaumhecke spiegelte hatte ebenfalls die Farbe geändert. Es zuckte jetzt in gelben, orangefarbenen und roten Tönen.
Simba und Bliny zogen sich noch tiefer unter das Auto zurück.

Das Licht wurde stärker, das Prasseln lauter und jetzt drangen auch dicke schwarze Rauchschwaden aus allen Ritzen des hölzernen „Sol e Mar“.

Von weitem hörten sie Schritte und ein undeutliches Selbstgespräch.
Ein Kneipenbesucher aus einer der anderen Holzbuden am Hafenkanal war auf dem Heimweg. Er hatte wahrscheinlich gewartet, bis das Gewitter vorbei war. In der Wartezeit hatte er so viel getrunken, dass er schlingerte wie ein Schiff in schwerem Wellengang.
Als er näher kam, verstanden sie etwas von dem, was er sich selbst erzählte: „Kein Wetter für Fisch! Ich glaube, ich muss noch einen trinken“
Er blieb stehen und wühlte in seinen Taschen. Schließlich angelte er eine völlig zerdrückte Packung Zigaretten heraus und schob sich einen verknautschten „Glimmstängel“ in den Mundwinkel. Dabei fing er an, halblaut vor sich hin zu schimpfen, was mit der Zigarette im Mundwinkel kaum noch zu verstehen war.
Irgendwie klang es wie: „Mist! Mein Feuerzeusch is´ wesch. Ho-Ho. Kein-Fisch. Scheissgewidder!“
Und dann lauter: „Hat ma` einer Feuer?“
Er blieb stehen und drehte sich schwankend einmal um die eigene Achse. Aber es war niemand da.
„He! He! Hallo! Hat ma einer Feuer?“
Er schaute zum „Sol e Mar“.
„Kann isch mal Feuer haben? Feuer?“
„Feuer!“
Und dann nach einer kleinen Pause: „Feuer! ES BRENNT! FEUER! FEUER!“
Er schien schlagartig nüchtern zu werden. Auf jeden Fall hörte er auf, zu schwanken.
Nach einer kurzen Pause drehte er sich in die Richtung, aus der er gekommen war und lief immer schneller werdend zu dem nächsten Café, in dem noch Licht brannte.

Bliny und Simba kauerten unbeweglich und fast unsichtbar unter dem Auto und sahen, wie die Flammen immer größer wurden und schon die ersten Feuerzungen durch das Dach kamen.

Nach und nach kamen die Leute aus den umliegenden Bars. Löschen konnten sie nicht, denn dafür fehlte ihnen das Material. Die Hitze der Flammen konnten die beiden Katzen auch unter ihrem Auto deutlich spüren.
Weit in der Ferne waren die ersten Sirenen der Feuerwehr zu hören, die aus dem 12 km entfernten Nachbarort mit höchster Geschwindigkeit angerast kam.
Einer der Zuschauer rief plötzlich: „Die Gasflaschen! Da sind Gasflaschen in der Küche!“
Die Umstehenden, die alle Flaschengas aus ihren Wohnungen kannten, wussten, was das zu bedeuten hatte: höchste Explosionsgefahr.
Bliny und Simba verstanden zwar nichts von Gasflaschen, aber an der Unruhe der Menschen spürten sie, dass eine größere Gefahr bestand.
Simba zog sich langsam nach hinten zurück, ohne das Feuer aus den Augen zu lassen. Bliny folgte ihm ebenso vorsichtig.
Simba schaute sich ängstlich um. Auf der anderen Straßenseite, direkt am Hafenkanal und vor den Fischerboten, die dort festgemacht waren, stand eine große Kiste, die etwas Schutz zu bieten schien.
„Los, weg hier!“, zischte er leise zu Bliny und ohne dass einer der Umstehenden das mitbekam, liefen sie schnell und geräuschlos – wie Katzen halt sind – über die Straße und versteckten sich hinter der Kiste.
Hier war die Hitze nicht mehr so stark und sie konnten das Feuer auf der anderen Seite im Auge behalten.
Simba, der sich für Bliny verantwortlich fühlte, suchte mit den Augen die Umgebung nach Fluchtmöglichkeiten ab.
Der Brand gab genug Licht, um alles sehen zu können. Auf dieser Straßenseite standen keine Autos, unter denen man Schutz suchen konnte und hinter ihnen war der Kanal und die Boote, die mit langen Tauen an Pollern festgemacht waren. Da gab es keinen Weg.
Oder doch? An einem Boot, schräg hinter ihnen, lag eine Planke zwischen Boot und Festland. Wahrscheinlich, um auf diesem Weg das Material für die nächste Fahrt an Bord bringen zu können. Auf dem Boot lagen verschiedene Kisten und Ballen, aufgerollte Taue und Dinge, die Simba aus dem alten Bootslager kannte, wo die Katzen normalerweise schliefen. Er hatte allerdings keine Idee, wofür sie gut sein könnten. Auf jeden Fall gab es da Verstecke und einen trockenen Weg hin und zurück.

Das Feuer schlug in hohen Flammen aus dem Dach des „Sol e Mar“ und die Zuschauer zogen sich vor dem schwarzen Qualm und der Hitze weit zurück. Das Geheul der Feuerwehrsirenen kam immer näher, als es geschah:
aus der brennenden Küche war ein Knall zu hören. Ungefähr so, als wenn ein Sektkorken aus der Flasche fliegt- nur viel lauter. Und es war auch kein Sekt, der da nach oben schoss, es war eine Säule aus brennendem Gas. Durch den Druck wurden glühende Reste meterhoch mitgerissen, die dann in weiterem Umkreis zu Boden fielen. Ein Gewitterregen aus prasselnden, glühenden und brennenden Holzstücken und Dachpappe.
Die Zuschauer schrieen auf und versuchten, sich weiter entfernt in Sicherheit zu bringen.
„Komm hier her hinter die Kiste! João! João!“
Eine junge Frau rief in die Zuschauermenge. Gleichzeitig quetschte sie sich hinter die Kiste ohne die beiden ängstlichen Katzen zu bemerken.
„João!“
„Andreia? Wo steckst du?“, rief eine Männerstimme laut, um gegen das Geräusch des Brandes anzukommen.
„Hier“, rief Andreia so laut sie konnte zurück.
„Wo ist ´Hier`?“
„Hinter der Kiste am Kanal! Komm doch bitte! Ich habe solche Angst!“
Wenige Augenblicke später kam ein großer kräftiger Mann von etwa dreißig Jahren hinter die Kiste.
„Gottseidank! Dabistduja. Istallesgut?“ Er sprach laut und hatte die Angewohnheit, alle Worte miteinander zu verbinden. Wer diese Angewohnheit der Leute aus dem Fischerviertel nicht kannte, hatte unweigerlich Schwierigkeiten, die Sätze zu verstehen.
Andreia sagte nichts und presste sich an ihn.
„Unddas geradejetzt, woich dreiWochen wegmuss.“
„Und wenn euer Boot jetzt Feuer fängt?“, fragte Andreia ängstlich.
„DerWind kommt vomMeer“, beruhigte Joao sie. „Aber auf demCamping möchteichnicht wohnen“
Und wirklich: der Regen glühender Teile des „Sol e Mar“ wurde von dem wieder stärker gewordenen Wind von den Zuschauern weg auf den Campingplatz getragen. Zu Glück waren die wenigen Wohnwagen, die um diese Jahreszeit hier standen, unbewohnt.
Andreia rückte noch näher an Joăo.
Auch Bliny presste sich – so nahe es ging – an ihren Onkel. Ganz am Rand und im Schatten der Kiste waren sie für die Menschen fast unsichtbar. Nur Simbas Schwanz ragte etwas weiter heraus.
Das Geheul der Feuerwehrsirenen war jetzt ganz nah und man konnte schon das Blaulicht blass hinter der nächsten Ecke blitzen sehen.
„Dakommtdie Feuerwehr“, rief João und sprang auf, um besser sehen zu können.
Leider war Simbas Schwanz unter seinem Fuß.
Der Kater sprang mit einem Schmerzensschrei auf und stieß sich den Kopf an der Kiste.
Bliny war mindestens genauso erschrocken, sprang auf und stieß sich ebenfalls den Kopf an der Kiste.
Einen Sekundenbruchteil blieben die beiden bewegungslos stehen, um einen Fluchtweg zu finden.
Die Planke! Das Boot!
Beide hatten den gleichen Gedanken.
So schnell sie konnten jagten sie mit gerade gestrecktem Schwanz die wenigen Meter Kanal entlang. Über die Planke – auf das Schiff!
Bliny sah als erste das aufgewickelte Tau. Wie bei einem überdimensionalen Katzenkorb gab es ein großes Loch in der Mitte, das von einer hohen Wand umschlossen war. Ein ideales Versteck!
Sehen, hineinspringen und damit – für die Menschen fast unsichtbar – zu verschwinden war eins.
Simba folgte ihr und nun war es an ihm, Schutz und Trost bei seiner Nichte zu suchen.
Sein Kopf brummte von dem Stoß an die Kiste und sein Schwanz schmerzte und pochte von dem unbeabsichtigten Tritt von João.
Was für eine Nacht!
Von den Ereignissen gegenüber konnten sie in ihrem Versteck fast nichts sehen. Nur die Spiegelung des blauen Lichts der Feuerwehr und des gelb-roten Feuers in den Aufbauten des Schiffs schufen eine unheimliche Atmosphäre.

Langsam und durch die Wärme des jeweils anderen kamen Bliny und Simba zur Ruhe.
Erschöpft fielen sie in einen unruhigen Halbschlaf.

Nur durch eine wattige Wand von Müdigkeit bekamen sie etwas von den dramatischen Ereignissen beim „Sol e Mar“ mit: wie die Feuerwehr mit zwei Löschwagen versuchte, den Brand im Restaurant zu löschen. Letztendlich aber nichts als ein Haufen dampfender, verkohlter Bretter und die traurigen Überreste des Herdes übrig blieb.
Sie sahen nicht, wie durch den Flug glühender Teile ein leerer, alter Wohnwagen auf dem Campingplatz Feuer fing und bis auf sein Metallgerüst und die Metallfelgen der Räder abbrannte.

Nach und nach gingen auch die letzten Zuschauer nach Hause. Nur ein Wagen der Feuerwehr blieb da, um zu verhindern, dass die Flammen wieder auflodern konnten.

Es wurde still. Bliny und Simba fielen in ihrem Versteck in einen tiefen Schlaf.
 

Christoph

Mitglied
Ola Flammarion,

habe Deine Korrekturen eingebaut.
Ich hoffe der Text hat jetzt weniger Fehler, als irgendein Gesetzentwurf der Bundesregierung.

Christoph
 
S

sanna

Gast
Eine

reizende Geschichte, die ich mit Vergnügen gelesen habe.
lg
 



 
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