Knucklehead Teil 2

bluesnote

Mitglied
Ruff dachte, die Welt gehöre ihm und er brauche nur zu bestimmen, was gespielt wird. Alle würden zu ihm aufsehen und darauf warten, welche Spielregeln und Einsätze er ausrief.
Schon am Morgen erfuhr Rufus von einem Informanten von der Polizeiaktion im Clubhaus und er schloß daraus, das sie ihn wahrscheinlich holen würden. Aber das war nicht sein einziges Problem, in letzter Zeit liefen immer mehr fremde Pferde auf seiner Bahn. Das Konkurrenz ihn angreifen könnte und ihm seinen Rang streitig machen würde, daran hatte er oft gedacht. Das ein Machtkampf zwischen ihm und einer rivalisierenden Organisation dermaßen eskalieren könnte, daran glaubte er bisher nicht. Er saß auf der Hauptwache im Büro eines Inspektor Goldingers und seines Kollegen, der im Augenblick guter Polizist spielte und Kaffee besorgte.

Renner, Goldingers langjähriger Kollege war auf dem Weg zurück vom heiligen Kaffeeautomaten. Er gehörte mit zur Sonderkommission, die noch in der Nacht gebildet wurde, direkt, als sie vom Tatort aus dem Gewerbegebiet kamen. Der Kommissar ereichte die Tür, die ins Verhörzimmer führte, wo sein Partner einem zwielichtigen Geschäftsmann und mutmaßlichen Chef einer Bande hoffentlich inzwischen einige wichtige Details entlocken konnte.
Renner öffnete die Tür und ging einen Schritt hinein, er sah auf den Rücken des maßgeschneiderten Anzugs von Edgar Rufus, dann in das Gesicht seines Kollegen. Beide saßen an einem nackten Tisch jeweils an den Stirnseiten.
> Herr Rufus! Ich möchte ihnen jetzt eine Frage stellen. < Der Befragte nickte langsam.
> Haben sie einen Mord in Auftrag gegeben? <
> Nein! <
Renner hielt die Hand noch immer auf die Klinke der offenen Tür und schüttelte innerlich den Kopf. Was für Fragen sein Kollege stellen konnte. Er wußte, das dieser Mann für sie eine harte Nuß darstellte, die es zu knacken galt.
Der Polizist wandte sich um, sah noch einmal in den leeren Flur, dann schloß er die Tür.

Ihr Glück war es, auf dieser Party nicht erschienen zu sein.
Die sechs hatten beschlossen, ihren Traum vom Süden endgültig wahr zu machen und auf Tournee zu gehen, wie sie sich ausdrückten. Die Männer hatten noch an dem Morgen ihres Freiheitsschwures ausgemacht, an welchen Orten sie sich zur ausgemachten Zeit Mann für Mann einsammelten. Es war nicht nötig, und ganz und gar nicht in der Nähe des Hauptquartiers, daß sie auffällig in der Rotte fuhren.
Ihr Glück war es weiterhin, das sie Rufus für einen Bericht nicht aufsuchen sollten, ein vom Präsidenten eingesetzter Beobachter war aus der Entfernung bei der Tat dabei. Das war sicherer und brachte keinen mit irgend jemanden in Verbindung.
Sie konnten die Zeit für ein paar Stunden Schlaf nutzen und um Geld und Campingausrüstung zu besorgen.
Tom wählte einen Platz, um auf die anderen zu warten, an dem er ihr ganzes Viertel übersehen konnte. Hinter einem Fenster ging ein sanftes Licht an. Er kniete im Gras am oberen Rand einer Senke, welches ihr Viertel einschloß. Hinter ihm begann das wilde Buschland. Sein Blick ruhte auf das milde Licht seines Elternhauses, wo Sie jetzt wie immer in der Küche das Abendessen herrichtete.
> Mutter <, flüsterte er, > Mutter. <
> He! Willst du dort anwachsen oder mit uns auf Tournee? <
Sie waren über einen Feldweg gekommen, den er vorher auch genommen hatte. Er war in Gedanken so mit Ihr beschäftigt, das er Will und Bons Knucklehead’s nicht mal kommen hörte. Tom erhob sich, drehte dem Heim seiner Eltern den Rücken zu. Er ging zu den anderen Jungs, die mit laufenden Motoren auf ihn warteten.
Ich hoffe, ihr passiert nichts, dachte er, als er auf seine Maschine stieg, startete und mit den beiden anderen hinter aufgewühlten Dreck in den kühlen Abend verschwand.

Sie fuhren in einen Sonnenuntergang, der staubig violett vor ihnen am Horizont stand. Die Maschinen donnerten über den Asphalt.
Die Männer hatten inzwischen zusammengefunden. Es blieb ruhig in der Gruppe, bis auf einen Zwischenfall.
Auf einer Nebenstrasse fuhr ein Cabriolet von hinten heran. Der Fahrer überholte Will und kam an den wild geordneten Pulk nicht sofort vorbei. Laut hupend drängte er sein Fahrzeug zwischen die Biker, was ein Fehler war. Bon fuhr neben den Wagen, packte den jungen Mann in den Nacken, hob ihn fast mühelos ein Stück vom Sitz und stieß ihn nach vorn. Der Fahrer war nicht angeschnallt und schlug mit der Stirn auf die Kante der vorderen Scheibe seines Wagens. Das Auto rollte nach rechts aus, bis es an eine Laterne stieß. Blutend sackte der Mann auf seinem Sitz zusammen. Bon setzte nach, hielt und zog ein Stilett aus dem Schaft einer seiner Stiefel und stach in den Vorderreifen.
Bevor es zu weiteren Schwierigkeiten für den Mann im Wagen kam, war Will heran, > es ist gut jetzt! <

Einige seiner besten Jungs waren auf und davon, hatten mit ihrer Loyalität gegenüber ihm gebrochen. Ruff war schon lange nicht mehr der Meinung, seine Männer würden für ihn alles tun, bis in den Tod hinein. Um keine Revolte aufkommen zu lassen, setzte er ausgesuchte Spione ein. Einer davon meldete ihm die Flucht sechs seiner bewährtesten Männer. Er fühlte sich in seiner Eitelkeit als Präsident der Perros gekränkt. Sie waren abgehauen und hatten ihn somit verraten. Mit der Flucht seiner Leute fürchtete er, das der Respekt, den man ihn entgegenbrachte, bröckelte. Noch ein Problem, das seine Angst nährte, die Perros zu verlieren. Die Gang, welche er von seiner Jugend an führte und bis zur heutigen Organisation mit all ihren Geschäften aufbaute.

Tom, Will und die anderen vier fuhren ihre zu Choppern umgebauten Knucklehead’s mit original 47er Rahmen. Während Tom mitten im Pulk fuhr, fuhr Will ganz hinten, dabei sah er oft in die Spiegel und suchte die Strasse in ihrem Rücken nach Verfolgern ab. Die Bullen selber würden sie so nicht entdecken, falls sie von der Polizei gesucht wurden, dann würde eine Straßensperre vor ihnen auf sie warten.
Du nimmst die nächste Kurve, schon sind sie da und erwarten dich!
Will gab Gas und fuhr an der Rotte vorbei, mit Handzeichen bedeutete er den Fahrern, das sie ihm nach rechts auf einen Parkplatz folgen sollten.
Es war früh, sie waren die Nacht durchgefahren. Das erste Licht des neuen Tages würde noch eine Weile auf sich warten lassen.
Das ist gut so, fand Will. Er stieg von seinem Motorrad und legte den Helm ab. Die Männer wußten, er hatte was vor und sie kannten ihn gut genug, er würde sich kaum von seinem Vorhaben abbringen lassen. Was immer es auch war, er würde sein Ding durchziehen, stumm sahen sie ihn nach, als er den Weg zur Tankstelle nahm.
Will betrat den Raum vor dem Schalter, es war ruhig so früh. Der Kassierer saß an seinem Platz hinter der Zahltheke und blätterte in einer Zeitschrift. Er war an das Aussehen verschiedenster Kunden gewöhnt, auch an den Anblick von Bikern in ausgebleichter Lederkleidung. Der Türgong verklang, er schaute wieder in sein Magazin.
Niemand, der nicht auffallen wollte, betrat mit einem Helm ein Geschäft. Will vermied es, die eventuell eingerichtete Videokamera zu suchen, um nicht unbedingt sein Gesicht als Vollbild zu zeigen.
Er baute sich dicht an der Theke vor dem jungen Mann auf.
> Jetzt kassier ich<, er kam sofort zu seinem Anliegen. Der Jüngling vor ihm sprang von seinem Hocker, seine Hände gerieten aus Will’s Blickfeld.
> Ach bitte, keine Tricks! < Will sprach und zog dabei einen 38er Chief Special ein Stück weit aus der Jacke hervor. Der Kassierer kapierte sofort und händigte ihm ein Bündel Geldscheine aus, die er aus der geöffneten Kasse entnahm. Zufrieden sammelte Will ein, > jetzt gehen wir beide ein Stück spazieren! < Er schob den Kassierer vor sich in Richtung Hinterausgang. Sie gingen einen kurzen Flur entlang, passierten eine Eisentür und standen mitten im Grünen. Hinter der Station gab es keine weitere Bebauung, nur ein hügeliges Gelände, einige Dutzend Meter weiter begann ein Wald. > Na los, gehen wir noch ein Stück! < Der junge Mann vor ihm wagte nicht, sich umzudrehen, er ging einfach weiter hinein in das wilde Land und dachte dabei an seine junge Familie. Er dachte daran, das seine Frau ihn geraten hatte, diesen Job nicht anzunehmen und er hoffte, sie und das Baby wiederzusehen.
Noch einen Schritt, und noch einer, und immer so weiter. Die Unsicherheit, was hinter ihm war, machte ihn nervös und der Gedanke daran, das er leben wollte, egal wie... .
Keine Chance im Moment, irgendeine Deckung in den Rücken zu bekommen, die Schonung war einfach noch zu weit weg. So ging er weiter auf wackeligen Füssen.

Ein lauter Knall riß die Männer aus ihrer starren Anspannung.
> Du wirst dich eines Tages tot pissen! <
Sie maulten Mick an, der die Tür eines Dixie – WC’s zuschmiss, das am Rand einer Baustelle stand. Will erschien aus dem Rücken der Tankstelle. Er kam zu ihnen zurück mit einem Bündel Geldscheinen in der Hand.
Schweigend setzte er seinen Helm auf, alle starteten ihre Maschinen. Jeder von ihnen hatte vor ihrer Abreise für genügend Geld gesorgt. Es war nicht richtig gewesen, durch diesen Überfall Aufsehen zu riskieren. Doch der Rest der Bande wußte, knappe Finanzen spielten hierbei keine Rolle. Will wollte fortan als erster vorne fahren, ihnen anzeigen, das er den Gangleader machte.
Einzig und allein dieser Grund – ich bin der Boss, daß war es gewesen, was er ihnen anzeigen wollte, mehr nicht.
Sie fuhren ein Stück weiter die Landstrasse entlang, bald bogen sie ab, alles blieb hinter ihnen zurück. Unbehelligt erreichten sie am Abend ihr erstes Etappenziel, einen See mit einem Wald davor. Der Süden war ihre Richtung und nicht weit entfernt von ihrem Rastplatz lag eine große Stadt.

> Halt endlich still! <
Brian kniete mit dem Rücken zu Will, als ob in dieser Wildnis jeden Moment Englands Queen auftauchte, um ihn zum Ritter zu schlagen.
Will hielt das Gewehr erneut im Anschlag. Dabei legte er den Lauf der Waffe auf Brians breiter Schulter.
> Ruhig, Junge, ruhig. Jetzt halt doch endlich still, verdammt noch mal! <
> Wenn du mit deiner Zielerei nicht bald fertig wirst, werden wir sowieso vor Hunger eingehen <, sagte Brian.
> Wenn du nicht so zappeln würdest, hätten wir schon längs was im Bauch! <
Will nahm erneut Maß durchs Zielfernrohr, dabei suchte er mit dem Finger vorsichtig den Druckpunkt.
Auf einer Lichtung im Morgengrauen standen einige Rehe und ästen.
Kurz vor dem Schuß und Brians Erlösung brach Will ab. Er löste den Finger vom Abzug und nahm den Lauf von Brian.
> Ich kann nicht! <
> Was ist? <
> Sieh selbst. <
Brian nahm Will das Gewehr ab und sah selbst durch das Zielfernrohr.
> Hübsche Kerlchen! < Eines der Rehe hatte mit dem Abweiden der Wiese inne gehalten und sah zu ihnen mit seinen großen Augen hinüber. Die Ohren des Tieres waren nach vorne gerichtet und lauschten. Im nächsten Moment tauchte ein Kitz aus einem sicheren Gebüsch auf. Brian sagte zu Will, > etwas weiter hab ich vorhin rammelnde Karnickel gesehen. Schießen wir lieber die über’n Haufen! <

Während Will und Brian auf eine andere Seite des Waldsaumes gingen, beschlossen die übrigen Männer ein Bad zu nehmen.
Sie zogen ihre Kleidung aus und liefen zu einem nahen Tümpel. Sie verscheuchten einige Enten, die laut schnatternd flohen, als sie sich in das eiskalte Wasser warfen.
Die Sonne kam kaum noch über die hohen Wipfel der Bäume, die dicht am Rande des kleinen Sees standen. Bon stieß sich den Kopf an einem faulenden Baumstumpf, der aus dem Wasser ragte. Die anderen spotteten, er solle sich gefälligst einen Helm aufsetzen.
Nach dem Bad betrachtete er angewidert seinen linken Arm, > mach das weg, mach das weg <, rief er.
Die anderen schauten fasziniert, zwei Blutegel hatten sich an seiner Haut festgesaugt. >Ok<, sagte Tom, > komm mit zum Lager, dort schneiden wir sie von deiner Haut los. <
Der Lärm eines Motorrades ließ sie aufhorchen. > Scheiße, einer von uns hätte als Wache bei den Zelten bleiben müssen! <
Nackt und in aller Eile rannten sie einen moosbewachsenen Hang hinauf, > He! Und was ist mit mir? < Bon blieb als einziger stehen und sah ihnen nach.
Am Lager angekommen, sahen sie, das ihr Zeug durchwühlt war. Sie hörten noch immer das Motorengeräusch. Wahrscheinlich kam der Flüchtende nicht so schnell weg auf dem sandigen Feldweg.
Eilig zogen sie ihre Sachen an, > verdammt, meine Weste ist weg. Dieses Schwein hat meine Kutte geklaut! < Tom waren die anderen nicht schnell genug. Nur mit seiner Hose bekleidet sprang er barfuß auf die Knucklehead, startete und nahm die Verfolgung auf.
Wie ein Irrer jagte er den Weg entlang, die Maschine brach ständig nach links und rechts aus. Er sah den Verfolgten, der mit seiner vorsichtigeren Fahrweise schneller vorankam, den Rand der Strasse erreichen. Und er sah, das der Dieb auf seiner Kutte saß, dessen Aufschläge links und rechts vom Sattel hingen und im Fahrtwind flatterten. Glühend vor Wut drehte er den Gasgriff auf, die Maschine machte einen Satz, dann lag Tom auf der Seite im Staub.
Der Motor erstarb, er rieb sich die Augen frei, ein Schatten fiel auf ihn. Als er aufschaute, sah er ein verwittertes, hölzernes Schild.

WARNING!

AREA OF

HIJAS DEL CAMINO

… it is better
you disappears from here!

Die anderen tauchten neben ihm auf und lasen das gleiche. Keiner sagte etwas, nur Mick begann zu lachen und hieb sich dabei mit der Hand auf den Schenkel.
> Sieht aus, als hätte dich eine Tochter der Strasse beklaut! Ich hab von ihnen gehört. Und nichts gutes! <
 



 
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