Kobra

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wowa

Mitglied
Kobra


Sie gab dem Mann das Geld cash, sagte noch ein paar Worte und verließ das Studio. Auf dem Weg zum Auto strich sie vorsichtig über den nackten Bizeps. Jede spontane Bewegung schmerzte, sie mochte das. Den Schmerz hatte sie bezahlt.
Der Mann war ein Künstler, alt, schweigsam, eigensinnig. Einer der besten der Stadt. Er hatte ihr eine aufgerichtete schwarze Kobra auf den Oberarm gezaubert, die Nackenpartie gespreitzt, die Zeichnung gut sichtbar, aber nicht zu stark betont. Eine Brillenschlange, schnell, tödlich, effizient.
Sie liebte dieses Tier.
Alle, die ihr wichtig waren, hatten dieses Tattoo. Ein Stigma, freiwillig, leicht erkennbar für die Bullen, idiotisch, andererseits Schutz, eine Chance zu überleben. Sie hatte lange gezögert, die Endgültigkeit dieses Schrittes erschreckte sie immer noch.
Doch letztlich war alles vorgezeichnet, ob mit oder ohne Tattoo.
Langsam dirigierte sie ihren Wagen durch die Hitze des Nachmittags und musterte die Männer am Straßenrand. Sie bewegte sich so seit Jahren durch die Stadt, aufmerksam, bereit, auf der Jagd. Sie suchte einen bestimmten Mann.
Es war eine Obsession, eine Fixierung, ein Psychater hätte gewiss eine Zwangsvorstellung diagnostiziert. Aber sie fühlte sich gut.
Als junge Frau war sie von fünf besoffenen Männern aus der Nachbarschaft vergewaltigt worden. Während des Verbrechens hatte sie gebetet, sie überlebte, die Männer ließen sie liegen. In dieser schwärzesten Not half ihr eine Frau, eine Kobra. Sie gab ihr Obdach und Pflege. Die Nachbarschaft sammelte für die Abtreibung und langsam, ganz allmählich gewann sie ihre Selbstachtung zurück und traute sich wieder auf die Straße.
Sie war nicht die erste Frau, die gefoltert wurde und gewiss nicht die letzte, aber sie war nun eine andere. Stoisch, kalt und konsequent lauerte sie ihren Peinigern auf. Den ersten stieß sie im Gedränge vor die einfahrende U – Bahn. Den zweiten erstach sie hinterrücks. Die drei anderen verließen fluchtartig die Stadt.
Sie stellte natürlich Nachforschungen an.
Das dauerte, aber schließlich erfuhr sie vom Tod zweier Männer, deren Profil exakt passte. Auch die Fotos hatten Ähnlichkeit, man hatte ihnen allerdings ins Gesicht geschossen. Der eine starb im Kugelhagel der Cops, der andere in einem Bandenkrieg. Nur die Spur des dritten verlief sich, er blieb verschwunden.-
Das Auto folgte ihrem inneren Kompass und hielt vor `French Garden`: ein schattiges open – air und Sidney war der Boss. Ihr Tattoo war das hi – lite, alle redeten, fanden ihre Entscheidung cool und später erzählte Sidney von einer Ausstellung über afrikanische Kunst. Er hatte neben Sex & Drugs noch andere Kompetenzen.
Später fuhr sie ihn nach Hause und ging mit rauf.
Ihr Sex – Interesse war nach der Vergewaltigung erloschen. Jahrelang war das ok, aber mittlerweile, fand sie, sollte es weitergehen. Sie wollte wieder guten Sex haben trotz ihrer Vergangenheit. Sie bestritt ihren Vergewaltigern die Macht über ihre Zukunft.
Sidney kannte ihre Geschichte und war vorsichtig. Sie redeten lange und sie weinte. Das half. Sie wurde lockerer, sie streichelten sich und dann taten sie es und es war gut; kein Desaster.
Sidney stand früh auf, sie blieb liegen und schlief weiter.
Später rief er an : sie hätten hier einen Mann, der könnte passen, sie solle mal vorbei kommen und ihn sich ansehen. Sie sagte: „Wenn ich etwas fühle, bringe ich ihn um.“
Er sagte: „Tu, was du tun musst.“
Sie stieg in ihr Auto und fuhr rüber zum `French Garden`.
Sidney führte sie in eines der hinteren Zimmer, da saß ein Mann gefesselt auf einem Stuhl und blickte zu Boden. Sie erkannte ihn nicht. Sie sagte: „Schau mich an. Bist du es ?“
Er hob den Kopf, sah sie an und sagte: „Ja.“
Sie fühlte nichts. Sie löste seine Fesseln und wies auf die Tür: „Geh jetzt, verlass die Stadt und komm nie wieder. Geh schnell, heute ist dein Glückstag.“
Der Mann stand auf und verschwand im Laufschritt, gefolgt von den Blicken der andern.
Sie setzte sich auf den leeren Stuhl und starrte auf die offene Tür. Plötzlich kam ein Schrei aus ihrem Körper, sie fluchte und ein Zittern überlief sie. Dann lachte sie, stand auf und reckte sich. Heute war auch ihr Glückstag. Sie streichelte ihr Tattoo.
 
Lieber wowa,
ich finde die Geschichte ziemlich düster und nicht tief genug. Man erfährt das die Hauptperson eine schlimme Vergangenheit hat, aber dennoch finde ich die Story zu platt. Du hättest noch mehr auf die Hintergründe für das Tattoo eingehen könne. Die Einführung von Sydney kam irgendwie zu plötzlich, so als ob er einfach da war. Und dann ist er ihr Retter in der Not. Das Ende ist auch so unlogisch. Sie hasst diesen Mann aus tiefster Seele und dann lässt sie ihn laufen? Die Gründe dafür konnte ich nicht ganz nachvollziehen.

VG
Ariane
 

wowa

Mitglied
Liebe Ariane, danke für deine Anmerkungen.
Zu den Hintergründen des Tattoos wird in der story gesagt, dass alle, die ihr wichtig sind, es tragen. Es ist offenbar ein Gang - Erkennungszeichen,` Schutz, eine Chance zu überleben.` Sie gehört nun zu einer Gruppe. Die trifft sich im open-air von Sidney. Man kennt sie da seit längerem, sie wird freudig begrüßt. Sidney und sie kennen sich natürlich auch schon länger, das wird nicht explizit gesagt, geht aber aus dem Kontext hervor, finde ich.
Und dann ist er ihr Retter in der Not, schreibst du. Das ist deine Interpretation. Ihre Notzeiten sind tatsächlich schon lange vorbei.
`Aber sie fühlte sich gut,` heißt es weiter oben. Das ist ihre aktuelle Gemütsverfassung und Voraussetzung, es noch mal mit dem Sex zu versuchen.
Was das für dich unlogische Ende betrifft, so liefert die Geschichte drei Gründe:
a) Die Zeit: Sie erkennt ihren Vergewaltiger nicht mehr. Verdrängung möglicherweise, egal, ich psychologisiere nicht.
b) Mit dem Tattoo bekennt sie sich zu einer gang, mit der sie vorher eher locker assoziiert war.
c) Sie ist wieder sexuell aktiv.
Offenbar wagt sie einen Neustart, hat mit der Vergangenheit, soweit es geht, abgeschlossen. Das wird ihr bewusst, als sie den Mann laufen lässt und auf seinem leeren Stuhl sitzt. `Heute war auch ihr Glückstag.`
Ein weiterer Mord wäre in diesem Zusammenhang ein Rückfall in alte Verhaltensmuster gewesen.
Soweit erst mal
alles Gute
Wowa
 

DocSchneider

Foren-Redakteur
Teammitglied
Hallo wowa,

Du hättest einzelne Punkte der Geschichte mehr erzählen können, damit das Ganze nicht so sehr nach Bericht klingt. Trotzdem gefällt mir die Idee, dass die Protagonistin am Ende auch innerlich frei ist - was durch ihren Schrei symbolisiert wird.

Das erstmalige Auftreten von Sidney ist nicht ganz geglückt. Es verwirrt. Da könntest Du nochmal nachbessern.

Viele Grüße,
DS
 

wowa

Mitglied
Kobra


Sie gab dem Mann das Geld cash, sagte noch ein paar Worte und verließ das Studio. Auf dem Weg zum Auto strich sie vorsichtig über den nackten Bizeps. Jede spontane Bewegung schmerzte, sie mochte das. Den Schmerz hatte sie bezahlt.
Der Mann war ein Künstler, alt, schweigsam, eigensinnig. Einer der besten der Stadt. Er hatte ihr eine aufgerichtete schwarze Kobra auf den Oberarm gezaubert, die Nackenpartie gespreitzt, die Zeichnung gut sichtbar, aber nicht zu stark betont. Eine Brillenschlange, schnell, tödlich, effizient.
Sie liebte dieses Tier.
Alle, die ihr wichtig waren, hatten dieses Tattoo. Ein Stigma, freiwillig, leicht erkennbar für die Bullen, idiotisch, andererseits Schutz, eine Chance zu überleben. Sie hatte lange gezögert, die Endgültigkeit dieses Schrittes erschreckte sie immer noch.
Doch letztlich war alles vorgezeichnet, ob mit oder ohne Tattoo.
Langsam dirigierte sie ihren Wagen durch die Hitze des Nachmittags und musterte die Männer am Straßenrand. Sie bewegte sich so seit Jahren durch die Stadt, aufmerksam, bereit, auf der Jagd. Sie suchte einen bestimmten Mann.
Es war eine Obsession, eine Fixierung, ein Psychater hätte gewiss eine Zwangsvorstellung diagnostiziert. Aber sie fühlte sich gut.
Als junge Frau war sie von fünf besoffenen Männern aus der Nachbarschaft vergewaltigt worden. Während des Verbrechens hatte sie gebetet, sie überlebte, die Männer ließen sie liegen. In dieser schwärzesten Not half ihr eine Frau, eine Kobra. Sie gab ihr Obdach und Pflege. Die Nachbarschaft sammelte für die Abtreibung und langsam, ganz allmählich gewann sie ihre Selbstachtung zurück und traute sich wieder auf die Straße.
Sie war nicht die erste Frau, die gefoltert wurde und gewiss nicht die letzte, aber sie war nun eine andere. Stoisch, kalt und konsequent lauerte sie ihren Peinigern auf. Den ersten stieß sie im Gedränge vor die einfahrende U – Bahn. Den zweiten erstach sie hinterrücks. Die drei anderen verließen fluchtartig die Stadt.
Sie stellte natürlich Nachforschungen an.
Das dauerte, aber schließlich erfuhr sie vom Tod zweier Männer, deren Profil exakt passte. Auch die Fotos hatten Ähnlichkeit, man hatte ihnen allerdings ins Gesicht geschossen. Der eine starb im Kugelhagel der Cops, der andere in einem Bandenkrieg. Nur die Spur des dritten verlief sich, er blieb verschwunden.-
Das Auto folgte ihrem inneren Kompass und hielt vor `French Garden`: ein schattiges open – air und Sidney war der Boss. Sie kannten einander seit Kindesbeinen und merkwürdigerweise blieb auch er in der Stadt trotz allem Hype um freie Fluktuation und Flexibilität. Sie hatte manchmal, in schwachen Momenten, das Gefühl, hängen geblieben zu sein. Er jedoch vermittelte den Eindruck von Selbstbestimmung und Beharrungsvermögen.
Der Laden war voll.
Ihr Tattoo war das hi – lite, alle redeten, fanden ihre Entscheidung cool und später erzählte Sidney von einer Ausstellung über afrikanische Kunst. Er hatte neben Sex & Drugs noch andere Kompetenzen.
Später fuhr sie ihn nach Hause und ging mit rauf.
Ihr Sex – Interesse war nach der Vergewaltigung erloschen. Jahrelang war das ok, aber mittlerweile, fand sie, sollte es weitergehen. Sie wollte wieder guten Sex haben trotz ihrer Vergangenheit. Sie bestritt ihren Vergewaltigern die Macht über ihre Zukunft.
Sidney kannte ihre Geschichte und war vorsichtig. Sie redeten lange und sie weinte. Das half. Sie wurde lockerer, sie streichelten sich und dann taten sie es und es war gut; kein Desaster.
Sidney stand früh auf, sie blieb liegen und schlief weiter.
Später rief er an : sie hätten hier einen Mann, der könnte passen, sie solle mal vorbei kommen und ihn sich ansehen. Sie sagte: „Wenn ich etwas fühle, bringe ich ihn um.“
Er sagte: „Tu, was du tun musst.“
Sie stieg in ihr Auto und fuhr rüber zum `French Garden`.
Sidney führte sie in eines der hinteren Zimmer, da saß ein Mann gefesselt auf einem Stuhl und blickte zu Boden. Sie erkannte ihn nicht. Sie sagte: „Schau mich an. Bist du es ?“
Er hob den Kopf, sah sie an und sagte: „Ja.“
Sie fühlte nichts. Sie löste seine Fesseln und wies auf die Tür: „Geh jetzt, verlass die Stadt und komm nie wieder. Geh schnell, heute ist dein Glückstag.“
Der Mann stand auf und verschwand im Laufschritt, gefolgt von den Blicken der andern.
Sie setzte sich auf den leeren Stuhl und starrte auf die offene Tür. Plötzlich kam ein Schrei aus ihrem Körper, sie fluchte und ein Zittern überlief sie. Dann lachte sie, stand auf und reckte sich. Heute war auch ihr Glückstag. Sie streichelte ihr Tattoo.
 

wowa

Mitglied
Hi, Doc, danke für dein feed-back.
Deine Kritik finde ich einleuchtend und habe die Figur Sidney stärker konturiert.
Was du jedoch als Bericht und zu wenig erzählt empfindest, ist meinem Stil geschuldet, den ich als behavioristisch bezeichnen würde.
Genaueres habe ich dazu in der Diskussion um den Text `Maria mit der Panzerfaust` geschrieben.
Alles Gute
Wowa
 



 
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