Kommentar zum Außenseiter

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Löwengeist

Mitglied
Die stupide, oberflächliche Gesellschaft der heutigen Zeit erstaunt mich täglich auf's Neue.

Im facettenreichen Medium Internet tobt ihr Spiel der Überlegenheit, bei dem es Außenstehende
dieses Dunstkreises als Pflichterfüllung ansehen, sich verteidigen zu müssen.
Auf ewiger Verliererstrecke, gezeichnet von der Hochmut und Respektlosigkeit, die Außenseiter
erfahren, strampeln sie wie kleine Kinder auf dem Wickeltisch um Aufmerksamkeit und Anerkennung.
Zu welchem Preis, fragen sie sich oft genug.
Jeder Weg, den sie gehen, endet am selben Punkt. Scheinbare Zugehörigkeit vermittelt kurzfristig
Stolz, das Gefühl, einen Sieg davongetragen zu haben.

Das blutrünstige Machtgehabe verliert sich in den Weiten der heimischen Verkabelung,
bis zum Bildschirm eines depressiven Menschen, der vor schierer Verzweiflung seine Freunde
in der ganzen Welt vermutet.
Im sogenannten Real-life gibt es nichts, was ihn stolz macht oder einen Sieg davontragen lässt.
So versucht er, seine Gedanken und Gefühle, die ihn selbst erschrecken und zu brutalen
selbstverletzenden Reaktionen zwingen, Gleichgesinnten und Andersdenkenden mitzuteilen.
Eine Maske schützt sein wahres Gesicht vor Verleumdungen und mitleidsreichen Bekundungen,
von denen er in seinem Leben bereits genug kosten durfte.
Nach zahllosen Gesprächen in Chats und Foren, entwickelt er manchmal ein wenig Vertrauen
zu vereinzelten Personen, ringt sich nach einiger Zeit durch, seine Persönlichkeit
preiszugeben und hofft auf Verständnis.
Doch was er bekommt, gleicht einem Schlag ins Gesicht und davor schützt auch keine Maske.
Die Gesellschaft zeigt ihm zuhauf, was es heißt ein Außenseiter zu sein.
In Selbstmitleid verlieren, nennen sie es, wenn er von seinen Problemen erzählt.
Sie sagen, er habe kein Durchsetzungsvermögen, weil er von seinen Mitschülern gemobbt wird.
Es wird schon alles wieder gut, wissen sie klug, wenn er von Streitigkeiten mit seinen
Eltern berichtet.
Und etwas in ihm zerbricht auf's Neue. Er schwört sich, alles anders zu machen.
Er hat es satt, sich manipulieren, untedrücken und bevormunden zu lassen.
Und wiedereinmal hat die Gesellschaft ein Opfer gefordert, wenn er eines Tages den Mut zeigt,
sich von einem Hochhaus in den gepflegten Vorgarten zu stürzen, an denen sich das stupide
Mittelmaß tagtäglich erfreut.
Für die Gesellschaft war er nur labil, ein Drogensüchtiger, ein Verrückter, der nicht in die
eigenen Reihen passte.
Und im Netz ?
Dort war er einer von vielen, ein Niemand, hinter einem Pseudonym versteckt und im gleichem
Atemzug vergessen, wenn am anderen Ende der Leitung jemand den Computer ausgeschaltet hat.



Mit der Bitte um kritisches Zerpflücken und Verbesserungsvorschläge ;-))
Vielen Dank !
 

Sriver

Mitglied
Außenseiter

Hallo Kerstin,

zunächst einmal möchte Dir sagen, daß ich Deinen Beitrag für sehr wichtig halte.

Den ersten Absatz finde ich jedoch zu harmlos ausgedrückt, denn gemessen an den folgenden
Darstellungen der Ereignisse, klingt für mich Erstaunen nicht treffend, zu schwach.
Ich würde andere Worte wählen. Dein Text ist einfühlend, aber welche Chance hat Einfühlung in einer gefrosteten Gesellschaft?

Die Fatalität der Abhängigkeiten erzeugt eine ungeheure Grausamkeit, die nicht als solche dargestellt und benannt wird. ( in der Gesellschaft )

Schweigen und Verhöhnung, das wird den Außenseitern zuteil.
Die „große“ Literatur schweigt oder wird ebenso an den Rand gedrängt.
Wer sich mit Außenseitern solidarisiert, teilt schnell ihr Schicksal, wenn er nicht eine entsprechende Lobby und ein gut gefülltes Bankkonto besitzt.

Dein Text wirft viele Fragen auf. Ich bin gespannt, ob eine Diskussion entsteht.

Aber ich befürchte, daß Du vielleicht das Schicksal der Außenseiter teilen wirst.

Zum Schluß ein paar Buchtips, wie Außenseiter sich fühlen:

- Der Terror der Ökonomie / Viviane Forrester
- Franny und Zooey / J.D. Salinger
- Meine Jugend hat spät begonnen / Henry Miller
- Sandmeere / Isabelle Eberhardt
- Werke von Thomas Bernhard...z.B. In der Höhe, Rettungsversuch Unsinn
- ... und viele andere

Liebe Grüße, Stefan
 

Löwengeist

Mitglied
Hallo Stefan,

vielen Dank für Deinen Verbesserungsvorschlag. Ich habe mir die Geschichte bereits wieder vorgenommen und den Anfang abgeändert.
Wenn ich soweit fertig bin, setze ich es hier hin.

Ich hoffe doch, daß die Thematik mal zum Nachdenken anregt, damit wäre ich schon zufrieden.
Mit Deiner Außenseiter-Theorie bzgl. des Textes behältst Du anscheinend recht...schade.

Liebe Grüße
Kerstin
 



 
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