Kopfsteinallee

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kernbusch

Mitglied
Kopfsteinallee:


Die mumifizierte Kopfsteinallee,
Ziegelbarock brennt sich, stadtauswärts,
auf den letzten Drücker ins Gedächtnis.
Im Rücken die Seufzer der Plätze,
es ist Krieg, Männer stehen rum
und brennen, warten auf einen gebrüllten
Hordenlaut, tragen wunde Stiefel,
verbergen Bücher im Tornister.

Offiziere mit dünnen Bärten
lachen ihnen Hyänen in den Weg.

Ein Soldat liegt quer auf der Straße,
zielt in den Himmel, hustet Blut,
kommt von da, wohin sie gehen.

Die Bäume sind schwarze Gespenster,
den Sommer in hastigen Zügen aufgeraucht,
alles Blut im Kopf, bis er platzt,
Augäpfel zu den Schlangen schleudert.

Phosphor- und Dieselblumen,
trittresistente Gewürzpflanzen.
Einer erzählt von der Kälte und den
geschlachteten Kühen, der Wärme in den Gedärmen,
der Notwendigkeit von Vergeltungsmaßnahmen.

Die Plätze summen nach,
es wird eine kurze Stille geben
wenn diese kleinen Schatten verschwunden sind,
einen winzigen Moment.
 
H

HFleiss

Gast
Lieber Kernbusch,

ich weiß gar nicht, ob ich die Richtige bin, dir was zu deinem Gedicht zu schreiben, vielleicht sollte es ein Ex-Bundeswehrsoldat tun, der in Afghanistan oder Jugoslawien war. Natürlich, Soldaten, aus welchem Grund auch immer sie Besatzer sind, haben eine Gefühlswelt, sogar Gedichte im Tornister. Und gerade das erinnert verdammt an Landserromantik und das Bild des inmitten des zerbombten Stalingrad auf "Beutegut" klavierspielenden Nazi-Offiziers. Dahinter steht: Wir alle sind betrogene und beschissene Schweine, aber so ist es nun mal, und Krieg wird es immer geben, Scheiße, dass es ausgerechnet mich trifft, aber was sein muss, muss sein. Und das ist, entschuldige bitte, sehr hart an der kitschigen Landserromantik. Vielleicht hast du eine andere Intention gehabt, vielleicht hast du gedacht, wenn ich schreibe, wie es war bzw. ist, dann ist auch das Kritik. So wie es geschrieben steht, ist aber der Schritt zur Verherrlichung der "harten Männer" nicht allzu weit und damit die Verteidigung des Krieges. Der Sterbende auf der Straße, der in den Himmel schießt, wohin seine Opfer schon gegangen sind - welch Kitsch. Ich gebe dir das zur Überlegung.

Lieben Gruß
Hanna
 
H

HFleiss

Gast
Lieber Kernbusch, wie kann man Krieg wertfrei lesen?
Du bleibst im ungenauen, um welchen Krieg es sich handelt, es könnte der zweite Weltkrieg sein, es könnte aber auch Afghanistan sein oder Irak - wer weiß das schon. Aber darum geht es auch nicht. Es ist diese verdammte Scheißhaltung, die dahinter steht, die mich abstößt. Und man sollte sie nicht noch in einem Gedicht verewigen. Daran ist schon einmal die Welt genesen.

Lieben Gruß
Hanna
 
B

bonanza

Gast
wie sonst?
entweder erlebt oder mit viel empathie nachempfunden.
du gehst mit deinen bildern in die materie.
du scherbelst das SEIN zusammen.
mehr kann und soll ein gedicht nicht.

bon.
 

Löwengeist

Mitglied
Erinnert mich ganz stark an Kubricks Meisterwerk "Full metal jacket", mein Lieblingsfilm :).
Deinen Krieg habe ich gern gelesen!

LG
Löwin
 



 
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