Korrumpiert

2,00 Stern(e) 3 Bewertungen

Deva

Mitglied
off.topic:„ Ich wollte jetzt über etwas dunkles Schreiben. Vielleicht gefällt es, vielleicht nicht. Ist wie gesagt nur etwas zum Schocken und soll eine düstere Zukunftillusion sein. Der Kampf zwischen Licht und Dunkelheit. Bitte nicht zu streng sein, da es mein erster Ausflug in die Welt des Horrors ist."




Besessen


Sam Hayne war von Geburt an nie ein großes Schicksal vergönnt. Ständig den Müll anderer zu beseitigen und unter Aufwand seines Lebens, den meist hochgiftigen Abfall zu entsorgen. Er war schon froh, wenn er eines Abends sich nicht die abgestorbene Haut vom Fleisch kratzen musste. Das was sie Schutzanzüge nannten, war nicht mehr als billiges, farbiges Plastik. Jede Woche war er krank. Morgens spuckte er oftmals Blut ins Waschbecken oder Übergab sich kurz nach den Erwachen. Die wöchentlichen, ärztlichen Untersuchungen, die mitunter einen halben Tag dauerten, hatten ergeben, daß er nur noch maximal ein Jahr leben würde. Sein strohiges, blondes Haar war ihm größtenteils ausgefallen und der Rest war ergraut. Ebenso wie sein Gesicht.

Die Haut war aufgerissen und nicht selten teilte eine eitrige Beule die schmierige, fettige Landschaft seines Gesichtes. Die Chemikalien und Toxine hatten ihn entstellt. Früher einmal hatte er azurblaue Augen, doch heute war er fast blind und seine Pupillen schneeweiß. Er hasste sein Leben.

Seufzend sank er in sein ungemachtes, klappriges Bett in seiner dunklen Wohnung,welche nahe an einer Waffenfabrik lag, und begann wie jeden Abend die abgestorbene Haut mit einer in sich verdrehten Art eines Messer abzuziehen. Dabei verwundete er sich oft selbst. Wie jetzt. Einem brennenden Schmerz folgte ein warmes Gefühl.

Blut floss über seinem Arm und tropfte auf den Teppichboden. Vor einem Jahr hatte er sich noch die Mühe gemacht, das Blut aus dem Teppich zu waschen, doch heute war es ihm egal. Er würde ohnehin bald sterben, also warum sollte es der nachfolgende Mieter leichter haben.

Warum war er nur geboren worden? Warum konnte er nicht einfach tot sein? Wozu lebte er? Nur um zu leiden? War dies der tiefere Sinn des Lebens? Geboren, um langsam zu sterben? Völlig in Gedanken versunken, schnitt er sich tief mit den Messer in das Fleisch. Bemerkte es allerdings zu spät und warf die blutige Klinge weg.

Blau, es war blau, besah er sich sein Blut und ahnte das Schlimmste. Der Verfall schritt immer weiter voran und es gab keine Behandlung dagegen. Doch, eigentlich gab es eine Heilung, aber nicht für ihn.

Nur für die Menschen der Mittel- und Oberschicht waren Medikamente bestimmt. Die Unterschicht, die fast 60% der gesamten Bevölkerung dieses Planeten angehörten, bekam keine medizinische Versorgung. Sie wurden nicht einmal in Krankenhäuser gelassen, selbst wenn sie einen Aufenthalt bezahlen konnten.

Wie viel Zeit würde ihm noch bleiben? Ein Jahr hatte man ihm gesagt, doch diese Prognose war meist sehr ungenau. Er gehörte zu den wenigen Glücklichen, die durch ihre Arbeit eine ärztliche Untersuchung leisten konnten bzw. man sie dort hinschickte. Es war alles nur ein schlechter Witz. Egal, wie hart er arbeitete, alles ging für die Rechnungen drauf. Besonders seine medizinische Versorgung schluckte alleine monatlich mehrere Tausend Krediteinheiten. Es war kein Wunder das er total verschuldet war.

Von draußen hörte er Schreie und wusste, daß es wieder die Organjäger waren. Geisteskranke Mörder, die sich ihre Opfer in den Armenvierteln suchten und ihnen, wie ihr Name schon sagte, die Organe entrissen, um sie an gesunde Kinder und Menschen der Oberschicht weiter zu verkaufen. Er ging nicht einmal mehr zum Fenster, da es ihn nicht interessierte ob jemand starb oder warum. Glücklicherweise blieb er von ihnen verschont, da er, wie sie ihn nannten, minderwertige Ware war.
Ja, dieses Leben wurde immer mehr zu einem Witz. Er wünschte sich wirklich, daß die dämonischen Rebellen diesen Planeten eroberten und diese jämmerlichen Regenten in ihrer eigenen Dekadenz ertränken würden.

An Gott glaubte er schon lange nicht mehr. Diese idiotische Ideologie wollte er nicht mehr folgen. Was hätte er davon? Stundenlang seinen Namen beschreien und auf eine nicht existierende Erlösung hoffen? Nein, es war alles sinnlos.
„Wie wahr.“ hallte es plötzlich in seinem Schädel.
„Was? Wer?“ sah er sich in seiner dunklen zwei Zimmer Wohnung um, doch da war niemand.

„Ich habe deine Gedanken gehört. Du bist anders als andere Menschen. So reif, intelligent und nicht blind für die Wahrheit. Ich habe nach dir gesucht, weil ich dich liebe.“ sprach eine weibliche Stimme, die von einer gewissen Bösartigkeit besetzt war.

„Wie? Ein Psioniker? Raus aus meinem Kopf.“ fluchte er und schlug seinem Schädel gegen Wand. Mitunter reichte es aus einem sanktionierten Psioniker zu vertreiben, da sie den gleichen Schmerz verspürten wie ihre Zielperson.
„Ich bin kein Psioniker. Ich spreche von einer anderen Ebene aus zu dir. Ich bin nah und doch so unendlich weit entfernt.“ erklärte sich die geisterhafte Sprecherin.
„Und was willst du von mir?“ sprach er zu seiner verdreckten Wohnungsdecke.

„Das sagte ich bereits. Ich liebe dich. Ich will eins mit dir werden.“

Sam Hayne schüttelte den Kopf, weil er nicht fassen konnte, was er gerade erlebte. Vielleicht war es auch nur einer seiner beiden Gehirntumore, die für diese Illusion sorgten.
„Nein, du Dummerchen. Ich bin so real wie du.“ erwiderte die Frau auf seine Gedanken und er musste so langsam einsehen, daß er noch nicht wahnsinnig war.

„Deine Stimme, sie ist so schön. Wenn du kein Psioniker bist, was bist du dann?“ wollte er wissen und vernahm wieder die wundervolle Stimme der fremden Frau.
„Ich bin nicht einmal ein Mensch. Auch keine Außerirdische. Ich bin vielmehr das, was ihr einen Dämonen nennt.“
„Dämonen? Ich dachte immer.....“ versuchte er seinen Satz zu Ende zu sprechen, aber die Dämonin unterbrach ihm.„.....,daß es uns nicht gibt. Überraschung. Wir sind sehr wohl existent.“
„Aber was willst du von mir? Ich bin ein Nichts und ohnehin so gut wie tot.“ schrie er und einige Tränen liefen ihm über das Gesicht.

„Du bist kein Nichts. Du bist ein Jemand. Ein Lebewesen, nur die Umwelt degradiert dich zu einem Nichts. Dein Körper ist schwach, ja, aber ich habe mich in deine Seele verliebt. Deine Gedanken, deine Ambitionen.“ sprach die unsichtbare Frau mit sanfter und verführerischer Stimme.
„Dann wirst du nicht viel Freude haben. In wenigen Monaten bin ich tot. Dann hört meine Seele auf zu existieren.“ Die Dämonin lachte.

„Das muss nicht geschehen. Ich kann dir alles geben, was du willst. Ewiges Leben, Macht. Alles wovon du geträumt hast.“
Sam Hayne war nicht abgeneigt, doch wollte er aufgeklärt werden. „ Was verlangst du?“
„Nichts. Ich will mich nur mit dir vereinen. Das wir auf immer miteinander vereint sind und uns nichts mehr trennen kann.“ sagte sie in voller Inbrunst und beinahe vor Ektase erbebend.

„Was muss ich dafür tun?“ fragte er nach.
„Lasse dich fallen. Vergiss alles, was du erlebt hast. Vergiss alles. Lass dich fallen.“ wiederholte sie immer und immer wieder diese Worte. Sam gehorchte. Er versank in Dunkelheit. Er vergaß wirklich alles. Seine Eltern, seine Kindheit. Einfach alles.

„Jaaaaaa......“ schrie die Dämonin in völliger Euphorie.
Sam spürte wie sich etwas Dunkles, etwas Böses wie ein sanfter Schleier über seine Seele und seinem Geist legte.
Plötzlich kribbelte es in seinem Arm und bemerkte, wie sie anschwollen. Muskeln bildeten sich wie von Geisterhand.
Seine Zähnen fielen aus und stattdessen brachen spitze, dolchartige Zacken aus seinem Ober- und Unterkiefer. Klauen schossen aus seinen Fingern und sprengten die simplen Fingernägel von seiner Hand. Selbiges geschah auch mit mit seinen Zehen.

Ihm war heiß. So entsetzlich heiß, als würde er brennen und doch wieder nicht.
Seine Augen wurden schmalen und waren von einem dämonischen Licht erfüllt. Als auch noch mehrere Stacheln aus seinem Rücken brachen, hörte er die Dämonin, als würde sie direkt neben ihm stehen.

„Wir sind Eins. Geliebter. Auf ewig werden wir zusammen sein. Ich habe dich geheilt, als Beweis meiner unerschütterlichen Liebe zu dir. Doch nun bitte ich dich um einen Beweis für deine Liebe.“

„Und das wäre?“ fragte er und erkannte seine Stimme nicht mehr. Sie hatte sich total verändert. Als würde man in eine riesige Höhle schreien.

„Füttere mich. Ich brauche Seelen. Töte deine Feinde und ich werde ihre Seelen verzehren.“ erwiderte sie und Sam antwortete kalt.„ Nur allzu gern.“
Daraufhin trampelte der nun beinahe 3 Meter große Besessene den Gang hinunter und verließ seine Wohnung. Nur wenig später, durchschnitt die Nacht ein Schrei, wie der Dolch eines Mörders die Kehle seines Opfers. Das Mahl für seine Geliebte war bereitet und es würden noch weitere Gelage folgen.......
 
Hallo Deva,

weil es dein erster Ausflug ist, will ich dich kurz begleiten. Alles in allem ist es ganz nett, was du da schreibst, und natürlich steckt in deinem Werk eine gute Geschichte oder sogar mehrere. Aber zu keiner Zeit kannst du mich als Leser mit in die Geschichte hinein ziehen. Da ist vieles an der Oberfläche und nur angedacht. Zum Beispiel die Organjäger. Das ist wohl seit Frankenstein eines der Topthemen der Horrorliteratur. Wurde in den siebzigern der fortschreitenden medizinischen Entwicklung angepasst und hat einige gute filmische Umsetzungen erfahren. Für eine Topic mit solchem Hintergrund, denkst du sie zu kurz an.
Ich weiß zwar, dass du nur vermitteln willst, auf wen der Menschdämon am Ende Jagd macht, aber letztenendes gleitest du über den Organhandel, wie über die Krankheit und die Lebensverhältnisse des Protagonisten so oberflächlich hinweg, dass es kaum zu einer Berührung kommt.
Der Dämon selbst kommt ziemlich lockerflockig aus dem Nichts.
Ist einfach so da, ohne sich anzukündigen.
Das liegt wahrscheinlich an der Kürze und Halbherzigkeit deiner Geschichte. Weil du schon zu Beginn nicht in die Tiefe gehst, erreichst du auch nicht die erzählerische Dichte am Ende, die unumgänglich ist, um eine Fantasiegestalt wie einen Dämon einzuführen.
Ich muss glauben können, wenn ich eine Geschichte lese.

Ich an deiner Stelle würde die Geschichte erstmal in drei Abschnitte unterteilen, drei lange Kapitel.

Erstens:
Lebenswandel und Umwelt des Protagonisten.
Dafür würde ich mir mehrere Seiten Zeit nehmen, die Ausweglosigkeit, die Bitterkeit unter die Lupe nehmen.

Zweitens:
Die Organjäger. Beobachtung und Reaktion des Protagonisten. Ist er nicht längst bereit, als Racheengel über die korrumpierte Welt zu kommen?

Drittens:
Der Dämon. Er gibt ihm schließlich das Werkzeug in die Hand, um endlich das zu vollbringen, wozu er schon längst bereit ist.

Könnte dann sogar eine ganz gute Geschichte werden, wenn sie mind. zehnmal so lang ist.
Aber dafür müßte man sich Zeit nehmen.

Also deva,
hoffe, ich konnte dir ein bisschen weiterhelfen. Und keine Sorge, Horrorgeschichten sind genauso schwierig zu schreiben, wie alles andere. Und es gibt "immer" jemanden, der glaubt, dass er es besser weiss.

Bis dann,
Marcus
 

Deva

Mitglied
Hi Marcus.

Dieser kleine Abschnitt ist ein Teil von etwas viel größeren. Ich habe ihn nur mitten aus der Geschichte gewählt, weil ich unbedingt wissen wollte, ob die Reaktion des Lesers eher positiv oder doch eher in die Abgründe geleitet wird.
Sinn dieses kleinen Epos ist es NUR die menschliche Seele mit den Kreaturen gleichzusetzen, die wir als Dämonen bezeichnen.
Regional betrachtet sieht ein Mensch nicht das Leid, was er anderen antut oder ihn kümmert es nicht. Das war vielmehr der Hintergrund. Natürlich gibt es noch einige Teile davor, die ich wie gesagt in meiner Freizeit schreibe.

Natürlich weiß ich deine ausführliche Rezition zu schätzen und werde es verinnerlichen. Wie gesagt, wenn du mal Zeit und Lust hast können wir ja via Onlinenachricht mal reden und ich kann dir das große Ganze schildern ;)
 
Liebe Deva,

ich persönlich bin gar nicht der Meinung, dass es beim Schreiben einer Geschichte so sehr auf die Idee oder das große Ganze ankommt. Wenn man immer mal wieder was von anderen Autoren ließt, dann kommt man sehr schnell drauf, dass alle nur mit Wasser kochen.
Ich glaube, dass es immer ganz entscheidend auf die Umsetzung ankommt. Ich meine, mir fällt da z.B. 1984 ein - großer Roman, aber was hört man? Wurde schon Jahrzehnte früher von einem Russen geschrieben und hieß da "Wir".
Die Ideen kommen und gehen, Deva. Was entscheidend ist, ist ein gewachsener, eigener Schreibstil und Recherche, die dich in die Lage versetzen, eigentlich jedes Thema anzugreifen und leserfreundlich umzusetzen.
Das ist jedenfalls meine Erfahrung(und darauf würde ich jetzt auch nicht so viel geben). Kann sein, dass ich das irgendwann anders sehe.
Trotzdem würde ich dir doch raten, dich einfach von großen Werken fernzuhalten - kosten nur Blut und Schweiß und Tränen.
Ich meine, selbst gestandene Kurzgeschichtenautoren scheitern des Öfteren am Roman oder dem großen Werk.

Besser, du nutzt dieses Forum, um Ideen, Schreibstil und Umsetzung auszuprobieren; mal zu schauen, wie der Leser so auf deine Geschichten reagiert. Zur Zeit ist hier ja wieder mal was los, so dass du da auf einige Reaktionen hoffen kannst.

Also, viel Spass beim Ausprobieren,
Gruss, Marcus
 



 
Oben Unten