Kostümfest

Olgeke

Mitglied
Es dröhnt aus den Kopfhörern des MP3-Players „ ... Feuer frei, bang bang...“, seine Lieblingsband gibt wieder alles.
Jim versteht die deutschen Texte nicht, doch damit ist er nicht alleine. Die Band ist in ganz Amerika sehr erfolgreich, und er würde auch irgendwann mal ein Konzert von den „Jungs“ besuchen. Sein Kumpel Mike hatte ihm richtig Honig ums Maul geschmiert, und immer wieder erzählt wie krass diese Show gewesen ist bei der er schon war.
Im Gegensatz zum Tag ist dieser Sommerabend angenehm mild, ja fast schon frisch. Auf seinem Weg durch das kleine Städtchen, in dem Jim auch geboren wurde, kommt er irgendwann auch am Friedhof vorbei, wo ein Penner auf einer Bank schläft, die an der Friedhofsmauer steht. Der Junge kann das Gesicht des Penners nicht sehen, da er mit dem Rücken zum Gehweg liegt. Jim nimmt im vorbeigehen nur den strengen Geruch von Pisse und Alkohol war. Als er ein Stück dran vorbei spaziert ist hält er plötzlich inne und dreht sich um. Er geht zurück zur Bank.
Wie er so auf den verwahrlosten alten Mann runterblickt findet er, dass der Penner hier gar nicht so ins Bild dieser Gegend passt. Dieser Teil von Laystown ist nämlich sehr gepflegt, und alles ist sauber und ordentlich. Die kleinen Häuser mit ihren tollen Vorgärten in denen alle möglichen Blumen in vielen verschiedenen Farben blühen, die schöne hohe Natursteinmauer, hinter der man von hier unten aus noch die mächtigen Kronen der hohen Eichen auf dem Friedhof sehen kann. Ja sogar diese Bank hier sieht fast noch aus wie neu. Und da liegt jetzt dieser stinkende Penner drauf und schläft seinen Rausch aus. Nun, von solchen Typen gibt es in Jim´s Städtchen natürlich noch einige, aber eigentlich halten die sich auf der anderen Seite der Stadt auf, am Westufer des kleinen Sees.
Der Junge schaut sich noch einige Augenblicke lang den Obdachlosen, wie ihn seine Eltern und seine ach so vernünftige Schwester nennen würden, an und ist sich dann ziemlich sicher. Der Alte ist so besoffen und schläft so tief und fest, der wird nichts mitbekommen.
Vorsichtig schlägt Jim den Mantel des Alten zurück. Und tatsächlich, er hält sich zwei Flaschen Schnaps an seinen fetten Wanst. Eine davon ist noch ungeöffnet, worauf Jim spekuliert hatte. So fängt der Abend ja schon richtig angenehm an, denkt er sich und schnappt sich die volle Flasche. Sechzehn Jahre alt, Alkohol und voller Tatendrang.
Und aus den Kopfhörern dröhnt es: „... . Gott weiß ich will kein Engel sein. ... „.

So gut gelaunt zieht Jim weiter, und je näher er seinem Ziel kommt, desto mehr kostümierte Jungs und Mädels tauschen die Plätze mit den anderen Passanten, die ihm auf seinem Weg begegnet sind. Er muss sich eingestehen, dass ihm sein Kostüm recht gut gelungen ist. Und eine gewisse Ähnlichkeit mit Keanu Reeves hat er auch so schon.
Aber jetzt, mit dem langen schwarzen Mantel, der coolen Sonnenbrille und den schwarzen Stiefeln kann die Matrix kommen. Es sieht schon irgendwie seltsam aus, wie er, Clowns, Ungeheuer, Gespenster und noch viele andere nun zielstrebig auf den Stadtpark zusteuern. Das Kostümfest findet in einem großen Festzelt mitten im Park statt, umgeben von dichten Grünanlagen. Dort gibt es keine direkten Anwohner, so wird sich wohl keiner von dem Lärm gestört fühlen. Perfekt.

Mittlerweile ist Jim am Eingang des Zeltes angekommen, und der Alkohol entfaltet nun auch seine Wirkung. Er hat ungefähr ein drittel getrunken und die Flasche dann unterwegs in einen Vorgarten geworfen. Er will ja nicht schon volltrunken sein bevor der Abend richtig losgeht.
Das Zelt ist schon richtig voll, und Jim hat beachtliche Mühe sich ins Geschehen vorzuarbeiten. Er schlüpft zwischen zwei Hexen hindurch, um vor dem mächtigen Rücken eines Wikingers wieder zum stehen zu kommen. Je näher er zur Theke kommt desto enger und wärmer wird es. Sein langer Ledermantel tut seinen Teil dazu, dass ihm der Schweiß sein schwarzes T-Shirt durchtränkt. Ein Trost ist es, dass es den anderen feierwütigen die sich mit Masken kostümiert hatten, noch um einiges mieser gehen muss.
Nach etwa einer Stunde Gedränge reicht es Jim und er arbeitet sich zur hintersten Ecke des Zeltes vor. Hier ist es um einiges angenehmer, denn hier hinten halten sich nicht so viele Gäste auf. Er stellt sich auf einen nicht sehr vertrauenserweckenden Klappstuhl um einen besseren Überblick zu bekommen. Der Stuhl hält und Jim sieht sich die feiernde Meute an.
Als die erste Handgranate am Zelteingang explodiert, fliegt auch schon die zweite Richtung Eingang. Mit der zweiten Explosion, hat Jim auch schon den Mantel abgeworfen und hält nun sein UZI-Maschinengewehr in beiden Händen. Er jagt eine Salve nach der anderen in die Menge und sieht sich mit kühlem Gesichtsausdruck an, wie die Partygäste niedergemäht werden. Clowns wird im wahrsten Sinne des Wortes das Grinsen aus dem Gesicht geschossen, Gespenster färben sich von Weiß zu Rot, und jeder versucht in Panik zum Ausgang zu gelangen. Dort stapeln sich einige zerbombte Körper, so das jeder der raus will, erst einmal über einige Leichen steigen muss. Jim ist stolz auf sich, dass er die Granaten so gut platzieren konnte. Die Dinger sind nicht gerade leicht, und das Zelt ist auch nicht gerade das kleinste. Er hatte sich zu Hause nur zwei Granaten umgeschnallt, zu Gunsten etlicher Magazine Munition für die UZI.
Ein klicken des Gewehres sagte Jim, dass es nun Zeit ist zu verschwinden. Er hat das letzte Magazin verschossen, etliche reglose Körper liegen direkt vor ihm und er kann nur erahnen welches Chaos im Zelt herrscht, denn die Luft ist geschwängert vom des Schießpulvers und der Granaten, und zu alledem hat Jim sich Mühe gegeben alle Lampen zu erwischen. Jetzt wo die UZI keinen Ton mehr von sich gibt hört man das Geschrei, Geheule und Gejammer im Zelt, und er zieht das Messer aus seinem Stiefel, schlitzt die Zeltwand auf und verschwindet im Park.

Der Junge will gerade die Haustür aufsperren, da öffnet sie sich und sein Vater steht im Eingang. Jim ist ein wenig erschrocken und wundert sich: „Seid ihr schon wieder zurück von Tante Klara? Ihr wolltet doch bis Morgen bleiben?“
„Ja schon,“ erwiderte sein Vater, „aber mein Chef hat angerufen, und ich musste heute Nachmittag noch mal in´s Büro.“
„Und sind Mama und Claudia auch mit heim gekommen?“, wollte Jim wissen.
„Ja, die will ich gerade wieder abholen. Als ich ins Büro bin, habe ich die zwei in der Stadt abgesetzt. Sie wollten zu einem Kostümfest im Park.“
 



 
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