Kraft

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Vera-Lena

Mitglied
Kraft

Singe Herz, taub scheint das Ohr,
muss es deine Klänge missen,
Blindheit täuscht das Auge vor,
kann nichts mehr vom Lichte wissen.

Du, genährt aus tausend Quellen,
lass die Freude überfließen,
lass erwärmend Strahlen schnellen,
sich in Dunkles zu ergießen.

Ach im Anschaun bist du offen,
deine Regung eilt dem Schönen
als Verbündete hinzu.

Deine Seufzer schenken Hoffen
und dein zärtliches Durchtönen
strömt Erstarrtem Leben zu.
 

Vieillir

Mitglied
Hallo Vera-Lena,

dein Gedicht gefällt mir ausgesprochen gut. Nach dem ich es nun mehrmals und auch laut gelesen habe, bereue ich ihm keine 9 gegeben zu haben. Ich denke sogar eine 10 wäre absolut gerechtfertigt gewesen. Schade, da habe ich versäumt mir mehr Zeit zu nehmen. Dafür muß ich mich entschuldigen, was ich hiermit tue.

Ich kann ganz klar keine Kritik äußern. Was meinen ganz persönlichen Geschmack anbelangt, so klingen mir die „erwärmenden Strahlen“ und das „zärtliche Durchtönen“ etwas zu sanft und kraftlos. Aber das liegt im Auge des Betrachters.
Am besten gefiel mir die letzte Zeile. Sie beschreibt genau das, was dir in diesem Gedicht so schön gelungen ist, du hast starren Worten Leben eingehaucht. In diesem Punkt erinnerten mich deine Verse an Mallarmé, dessen Gedichte in meinen Ohren nichts als Musik sind. Die Worte stehen da, als hätten sie sich selbst erschaffen. Jedes Einzelne ist klanglich ganz in Harmonie mit dem Nachfolgenden, und so entsteht eine nicht nur hörbare sondern auch fühlbare Melodie.

So soll es sein. Das ist Lyrik.

Liebe Grüße
Vieillir
 

Vera-Lena

Mitglied
Hallo Vieillir,

"Die Worte stehen da, als hätten sie sich selbst erschaffen"

Wumm! Volltreffer!

Ich weiß gar nicht, wie ich jetzt reagieren soll, ich gehöre nämlich zu den Schwächlingen, wenn es darum geht, Lob entgegen zu nehmen, und so ein starkes Wort hat mir bisher niemand gesagt.

Aber ich weiß natürlich, dass Du das ernst meinst.

Irgendwie stimmt es auch, denn Texte überfallen mich oft und ich muss selbst beim Zähneputzen manchmal Gedichte schreiben, obgleich ich das dann natürlich nicht will.
Insofern schreibt sich Vieles ohne mein Zutun.

Nun möchte ich Dir aber gerne noch sagen, dass die feinstofflichen Dinge oft die stärkste Kraft haben. Wie macht es so ein kleines Veilchen, dass es eine Steinplatte am Rande emporheben kann, um dann darunter hervorzublühen?

Wie kommt es, wenn man jemandem zulächelt, der krank ist, und man hat kein einziges Wort gesagt, und er fühlt sich trotzdem etwas besser?

Nach meiner Erfahrung verhält es sich so, dass das Feinstoffliche eine große Kraft hat, und das ist natürlich dann in diesen Text mit eingeflossen.

Dass Du eine Melodie bei diesem Text fühlen kannst, das ist wirklich eine große Sache.

Wenn ich Deine Antwort erst einmal "verdaut" habe, werde ich bestimmt anfangen können, mich zu freuen.

Ich danke Dir herzlich :)

Liebe Grüße von Vera-Lena
 

Montgelas

Mitglied
Beschwörung von Hoffnung

liebe vera-lena,

es ist im grunde ein melancholischer text,
die erste strophe in jedem fall.
danach will das lyri zwar positiven
einklang herstellen, aber die erste strophe
weht subkutan nach in allen zeilen.
sie bestimmt die melodie.

dies aber macht die schönheit des textes aus.
beschwört er doch zum ende hin das seufzer
hoffnung schaffen,
ich als leser, irrtiert durch den grundton
der ersten strophe, zweifle...

wunderbar und authentisch dein gedicht.
die frage, was denn melancholie sei,
beantwortet dein text auf tiefgründige
weise, obwohl das sicherlich
nicht die absicht des lyri war.

dir alles liebe

herzlich

montgelas
 

Vera-Lena

Mitglied
Lieber Montgelas,

ja, ich erinnere mich, dass wir über die Melancholie schon einmal unter einem Text diskutiert haben und ergänzend möchte ich anfügen, dass "Freifrau von Löwe" mir freundlicher Weise ausführlich erklärt hat, was Melancholie sei und dass es immer etwas Doppeltes beinhaltet. Das habe ich nun verstanden, wenn ich es auch immer noch nicht nachempfinden kann.

Aber wem Melancholie vertraut ist, der wird gewiss hier etwas Doppeltes finden, nämlich die Überwindung alles Dunklen, dunkler Gedanken, düsterer Empfindungen durch die Kraft, die zu aktivieren das Herz imstande ist.

Die Seufzer stehen für das Mitgefühl und jemanden bei sich zu haben, der Mitempfinden kann und deswegen immer nach lichtvollen Wegen suchen wird, diese Tatsache schenkt Hoffnung, denke ich.

Für mich ist die erste Strophe nicht mehr als eine Aufforderung an das eigentlich "nimmermüde" Herz, seine wahre Kraft zu entfalten.

Insofern hast Du Recht, lieber Montgelas, dass ich selbst den Text nicht als melancholisch empfinde.

Es freut mich, von Dir zu hören, dass der Text so viel Spielraum für den Leser bietet.

Ich danke Dir herzlich für Deine Ausführungen.:)

Liebe Grüße von Vera-Lena
 

Know

Mitglied
Liebe Vera-Lena,

da hast du etwas sehr feines zu Papier gebracht,
ich ziehe hiermit meinen Hut.
Es hat sowohl etwas melancholisches, als auch was vorantreibendes.
Die Mischung dessen ist dir wirklich gut gelungen.
Die Metaphorik des Lichts, vermittelt dieses vorantreiben und stärkt den Ausdruck der Kraft -
den Titel deines Werkes.
Einfach ein gerne und oftmals durchgelesenes Stück von gelungener Lyrik.

LG
Know
 

Vera-Lena

Mitglied
Lieber Know,

danke für Deinen Kommentar!

Ja, das Licht in seiner Feinstofflichkeit ist das belebende Element für die Erde und die Wesen, die sich darauf befinden. Von hier kommt uns alle Kraft zu.

Und es ist gut, sich an diese Kraft anzuschließen und mit ihr zu wirken, denn man hat sie ja auch im eigenen Inneren.

Ich freue mich, dass Du das herauslesen konntest.

Dir noch einen schönen Tag!:)
Liebe Grüße von Vera-Lena
 
L

Lotte Werther

Gast
An Vera-Lena

Das Gedicht hat etwas und kann mit einiger Mühe besser werden - so meine Bewertung.

Ich kann natürlich, wie die Leser bisher auch, erkennen, was du ausdrücken wolltest. Aber das kann ich auch in schlechten Texten.

Zu oft wird die Absicht des Autors dem Ergebnis gleichgesetzt. Das Wollen mit dem Können verwechselt.

Wenn ich "Kraft" im Titel lese, möchte ich sie spüren in den Worten. Sich steigernd bis zur letzten Zeile.

Für mein Gefühl aber nehmen die Verben "schnellen", "eilt" und "strömt" an Verve ab, zusätzlich geschwächt durch ein "zärtliches" in der letzten Strophe.

Die erste Strophe ist ziemlich unklar und im Stil salopp, was nicht zum Rest passt. Die zweite hat mir am besten gefallen.

Wenn dir dein Gedicht die Mühe wert ist, solltest du es nach angemessenem Abstand wieder vornehmen.

Lotte Werther
 

Vera-Lena

Mitglied
Liebe Lotte,

Danke für deine Anmerkungen!:) Ich weiß, dass Du meistens nicht liest, was schon im vorhinein besprochen wurde.

Ich hatte aber über diese Verben schon zuvor etwas gesagt.

Dir noch einen schönen Tag!:)

Liebe Grüße von Vera-Lena
 

Vera-Lena

Mitglied
Liebe Lotte,

zu dem "zärtlichen Durchtönen" wollte ich Dir gerne noch antworten: bei den feinstofflichen Dingen höhlt steter Tropfen den Stein. Auch ein Fels wird im Laufe der Jahrtausende abgetragen und die immense Kraft, die dahinter steckt, vollzieht das in aller Zärtlichkeit auf einen langen Zeitraum verteilt. Vielleicht kannst Du mich in diesem Punkte ja doch verstehen?

Liebe Grüße von Vera-Lena
 

Magic

Mitglied
Liebe Vera-Lena,

Lyrik vom Feinsten sonettest du aus deiner Feder. Ein melodischer Reim, der sich auch vom Inhalt her ins Herz spielt. Bin begeistert!
Ich persönlich bin ein Fan von Reimgedichten und ganz besonders haben es mir Sonette angetan.

Alles Liebe und eine gute Nacht
Karin
 

MarenS

Mitglied
Ein durchwegs schönes, leichtes aber ganz und gar nicht seichtes Sonett, welches du da verfasst hast.

Wenn du schreibst, dass Texte oft aus dir herausfließen, so kann ich nur sagen, dieses liest sich, als sei es dir entströmt. Es ist aus einem Fluß...

Liebe Grüße von Maren
 

Vera-Lena

Mitglied
Liebe Magic, liebe Maren,

welche Überraschung, diesen Text noch einmal beantwortet zu finden. Ich danke Euch Beiden. :)

Ihr habt mich wieder ermutigt, und ich will abwarten, wann sich wieder die Worte in mir zu Klängen formen werden.

Euch Beiden einen schönen Tag!
Liebe Grüße von Vera-Lena
 

Walther

Mitglied
In der Tat, liebe Vera,

ein sehr gelungenes "Sonett rasant", wie ich diese Spielart immer wieder gerne nenne. Rainer Maria Rilke hätte sich gefreut, würde er dieses Stück sehen können.

Es gibt wenig zu meckern, einzig in der ersten Strophe der germanische Reim "taub" auf "-baut" liegt quer. Die erste Strophe könnte in Varianten z.B. lauten:

Singe Herz, das Ohr scheint taub,
muss es deine Klänge missen,
blind das Auge, [blue]mit Verlaub[/blue],
[red]will nichts vom Licht mehr wissen.[/red]

oder

Singe Herz, das Ohr scheint taub,
muss es deine Klänge missen,
blindes Auge, [blue]Trauerraub[/blue],
[red]will nichts vom Licht mehr wissen.[/red]

Den letzten Vers habe ich dann noch metrumoptimiert, dann läuft er einfach besser.

Ansonsten: sehr gut, fast meisterhaft. Aber so soll es ja auch sein, das erfreut das eigene Auge und das fremde Ohr, wenn's auch nur ein inneres ist, weil wir die Gedichte uns ja nicht mehr laut vorlesen, wenn wir sie lesen. Es täte doch vielen von ihnen gut, wenn sie erst einmal laut vorgelesen würden, bevor sie den Weg ins Offene finden. Aber das nur nebenbei und insgeheim und laut gedacht.

Liebe Grüße

W., Mit.so.nett.er
 

Vera-Lena

Mitglied
Lieber Walther,

danke für Deine Antwort!

Das laute Lesen ist wirklich unbedingt notwendig, um einen lyrischen Text wahrhaft zum Leben zu erwecken, auch wenn er nicht gereimt und in freien Rhythmen geschrieben ist. Allerdings ist das Lesen von Lyrik die höchste Kunst der Sprechkunst überhaupt, und es gibt nur wenige Schauspieler, die das beherrschen. Lyrische Texte müssen auch immer auswendig vorgetragen werden, weil man es beim Ablesen nicht fertig bringt, in so einen komprimierten Text die eigene Seele mit einfließen zu lassen, und darum geht es ja beim lyrischen Vortrag wie bei jeder Schauspielkunst.

Lass drei Schauspieler einen lyrischen Text sprechen, und Du wirst sehen, jeder trägt ihn etwas anders vor. Betonung Tempo und Pausen, das Ab-und Anschwellen der Stimme sind die Mittel, die hier zum Einsatz kommen, aber es muss ein echtes Empfinden dahinterstehen, eine wirkliche Interpretation des Schauspielers für diesen Text
mitschwingen.

Ich schreibe jetzt für eventuelle Leser, die noch einmal hier hereinschauen die erste Strophe so hin, wie Du sie vorgefunden hast. Oben im Text ändere ich sie aber jetzt zugunsten des reinen Reimes.

[blue]Singe Herz, das ohr scheint taub,
muss es deine Klänge missen,
blind das Auge zugebaut,
kann nichts mehr vom Lichte wissen.[/blue]

Danke für deine Anregung! :)

Dir noch einen schönen Abend!
Liebe Grüße von Vera-Lena
 

Inu

Mitglied
Hallo Vera Lena

Die Sonett-Reime sind gut gewählt( bis auf 2 x 'zu') Trotzdem reicht es bei mir nur zu einer 6.
Warum:

Kraft

Singe Herz, taub [blue]scheint[/blue] das Ohr
, 's c h e i n t' ist mir zu vage...
muss es deine Klänge missen.
Blindheit täuscht das Auge vor,
kann nichts mehr vom Lichte wissen.
Blindheit t ä u s c h t das Auge vor ... es ist nicht blind, tut nur so ... also w e i ß es noch vom Licht. Entweder passt das 'vortäuschen' nicht oder das 'kann nichts mehr vom Lichte wissen' ist falsch.

Du, genährt aus tausend Quellen,
lass die Freude überfließen,
lass erwärmend Strahlen schnellen,

sich in Dunkles zu ergießen.

Ach im Anschaun bist du offen, da hab ich den Sinn nicht recht verstanden
deine [blue]Regung[/blue] das Wort ist nicht gut gewählt eilt dem Schönen
als Verbündete hinzu.

Deine [blue]Seufzer[/blue] schenken Hoffen die Seufzer der Kraft? Was meinst Du damit? Klingt witzig ;)
und dein zärtliches Durchtönen
strömt Erstarrtem Leben zu.


Ich habe die Komments der anderen nicht gelesen, die hohen Bewertungen aber gesehen.

also: die zweite Strophe finde ich perfekt. Der Rest ist ... etwas unklar formuliert.

Liebe Grüße
Inu
 

Vera-Lena

Mitglied
Liebe Inu,

es geht darum, dass jemand ein Herz hat, dass er aber dieses Herz momentan nicht auf seine höchste Lebensstufe zu bringen vermag, nämlich zu lieben, in diesem Fall ausgedrückt durch das Singen.

Deswegen nun die Aufforderung. Singe Herz! zugleich mit der Begründung, wenn Du nicht lieben willst (singen), ist die Welt für Dich nicht mehr das, was sie in Wirklichkeit ist, sie scheint Dir verdüstert, das Ohr nimmt nichts mehr Freudiges wahr, das Auge kann das Lichtvolle nicht mehr erkennen.

Ach, im Anschaun bist Du offen. Wenn das liebende Herz etwas erblickt, verschließt es sich nicht, es begeistert sich.
Die Regung des Herzens halte ich für einen gelungenen Ausdruck. Es regt sich etwas, es geht etwas Behutsames, Liebevolles vor.

Ich meine die Seufzer des liebenden Herzens, die ja immer Seufzer des Mitgefühls für das Leiden anderer sein müssen.

Danke für Deine Fragen!

Nun hoffe ich, dass meine Antworten die Angelegenheit für Dich klarer machen können.

Liebe Grüße von Vera-Lena
 

Inu

Mitglied
Hallo Vera Lena

Da hab ich tatsächlich auf der Leitung gestanden. Ich bezog Deine Zeilen nicht auf das Herz ( warum eigentlich nicht? Vielleicht weil das Titelwort es mir angetan hatte ... ) also irgendwie ging mir Komplizierteres, Verworreneres im Sinn herum und ich machte mir Gedanken ü b e r und versuchte alles a u f die KRAFT zu beziehen und übersah dabei, dass Du vom HERZen sprachst.

Nachdem ich jetzt Deine Antwort las, muss ich Dir Recht geben. So machen Deine Zeilen Sinn und meine Einwände sind hinfällig

Liebe Grüße
Inu
 



 
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