Krankenbesuche

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anbas

Mitglied
Krankenbesuche

Seit Tagen liege ich danieder,
mir schmerzen alle meine Glieder.
Ich möchte manchmal lauthals fluchen:
Es kommt kein Mensch mich mal besuchen.

Auf einmal hör' ich es dann ringen
und könnt' vor Glück zur Haustür springen.
Doch dort will man mich überzeugen,
Jehovas Worten mich zu beugen.

Ich lass die Haustür knallend schließen
und will nur noch mein Bett genießen.
Fang an, ins Träumen zu entrinnen
- da klingelt's diesmal wie von Sinnen.

Ich reiß die Tür auf - dort steht Anke,
die Frau, der ich viel Leid verdanke.
Sie meint, ich hätte ihr befohlen,
nun endlich ihren Kram zu holen.

Im Schlepptau meiner einst'gen Perle
drei durchtrainierte Muskelkerle,
die ohne weiter nachzufragen,
fast alles aus der Wohnung tragen.

Als sie dann fort ist, will ich schreien,
da kommt mein Nachbar Werkzeug leihen.
Ihm folgen ein paar weit're Leute:
Vertreter der Vertretermeute!

Dann meine Mutter… will nicht stören…
- doch möchte ich bestimmt jetzt hören,
was die Verwandten grad so machen,
da gäb es ein paar schlimme Sachen.

Mir ist, als würde ich schlecht träumen:
Fängt sie doch an, hier aufzuräumen,
und redet weiter wie von Sinnen
- für mich gibt's dabei kein Entrinnen.


Kaum ist sie weg, kommt noch mein Bruder.
Ab da läuft alles aus dem Ruder.
Der Babysitter kann nicht kommen,
er selbst hat sich viel vorgenommen.

Und ohne mich auch nur zu fragen,
schiebt er zunächst den Kinderwagen
dann die zwei Kleinen mit Gewimmer
in eins der leergeräumten Zimmer.

Es dauert ein paar lange Stunden,
bis alle ihren Schlaf gefunden.
Mir selber geht's total beschissen.
- Besuch werd' ich nie mehr vermissen!
 

schnecke

Mitglied
Lieber Anbas,

ich würde sagen aus dem 'Leben' gegriffen. Stil erinnert an Wilhelm Busch. Gute Wortwahl und stimmige Reime. Gute Idee.

Liebe Grüße von Roman
 
R

Rose

Gast
Lieber Andreas,

mit diesem super gereimten Gedicht hast du den normalen Wahnsinn des Lebens wundervoll in Szene gesetzt. Sehr gern gelesen!

Blumige Grüße
Rose
 

presque_rien

Mitglied
Lieber anbas,

ich habe viel geschmunzelt beim Lesen, gefällt mir ausgesprochen gut, dein Gedicht! Obwohl ich mir vielleicht etwas mehr über die Begegnung mit den Zeugen Jehovas gewünscht hätte..

Lg presque
 

anbas

Mitglied
Liebe presque,

vielen Dank für die Rückmeldung und den Kommentar. Ursprünglich war das Gedicht um einiges länger und hätte noch länger werden können, da jede einzelne Begegnung genug für mehr Stoff gegeben hatte. Doch letztendlich habe ich mich dann gegen das "Epos" entschieden :D.

Liebe Grüße

Andreas
 

anbas

Mitglied
Krankenbesuche

Seit Tagen liege ich danieder,
mir schmerzen alle meine Glieder.
Ich möchte manchmal lauthals fluchen:
Kein Mensch kommt um mich zu besuchen.

Da hör ich's an der Haustür ringen,
kann mühsam aus dem Bett mich zwingen.
Zwei Frauen woll'n mich überzeugen,
ich soll mich Gottes Worten beugen.

Zerknirscht ich laut die Haustür schließe
und gleich darauf mein Bett genieße,
um dort ins Träumen zu entrinnen
- da klingelt's wieder wie von Sinnen.

Ich reiß die Tür auf - dort steht Anke,
die Frau, der ich viel Leid verdanke,
und meint, ich hätte ihr befohlen,
sie solle ihren Krempel holen.

Im Schlepptau meiner einst'gen Perle
drei durchtrainierte Muskelkerle,
die ohne weiter nachzufragen,
fast alles aus der Wohnung tragen.

Als sie dann fort ist, möcht' ich schreien,
da kommt mein Nachbar Werkzeug leihen.
Ihm folgen ein paar weit're Leute:
Vertreter der Vertretermeute!

Dann meine Mutter… will nicht stören…
- doch möchte ich bestimmt jetzt hören,
was die Verwandten grad so machen,
da gäb es ein paar schlimme Sachen.

Kaum ist sie weg, kommt noch mein Bruder.
Ab da läuft alles aus dem Ruder.
Der Babysitter kann nicht kommen,
er selbst hat sich viel vorgenommen.

Und ohne mich auch nur zu fragen,
schiebt er zunächst den Kinderwagen
dann die zwei Kleinen mit Gewimmer
in eins der leergeräumten Zimmer.

Es dauert ein paar harte Stunden,
bis alle drei den Schlaf gefunden.
Mir selber geht's total beschissen!
- Besuch werd' ich nie mehr vermissen!
 

helmut ganze

Mitglied
s.o.

Lieber Andreas,

ich finde dein Gedicht wunderbar, es endet ja in einer mittleren Katastrophe. So schlimm scheint es in meiner Reimerei dagegen nicht zu sein. Ich habe mich über deine Zeilen an mich sehr gefreut.

Ganz liebe Grüße

Helmut
 

anbas

Mitglied
Krankenbesuche

Seit Tagen liege ich danieder,
mir schmerzen alle meine Glieder.
Ich möchte manchmal lauthals fluchen:
Kein Mensch kommt her, mich zu besuchen.

Da hör ich's an der Haustür ringen,
kann mühsam aus dem Bett mich zwingen.
Zwei Frauen woll'n mich überzeugen,
mich endlich Gottes Wort zu beugen.

Zerknirscht lass ich die Haustür knallen,
um wieder in mein Bett zu fallen
und gleich ins Träumen zu entrinnen
- da klingelt's wieder wie von Sinnen.

Ich reiß die Tür auf - dort steht Anke,
die Frau, der ich viel Leid verdanke,
und meint, ich hätte ihr befohlen,
sie solle ihren Krempel holen.

Im Schlepptau meiner einst'gen Perle
drei durchtrainierte Muskelkerle,
die ohne weiter nachzufragen,
fast alles aus der Wohnung tragen.

Als sie dann fort ist, möcht' ich schreien,
da kommt mein Nachbar Werkzeug leihen.
Ihm folgen ein paar weit're Leute:
Vertreter der Vertretermeute!

Dann meine Mutter… will nicht stören…
- doch möchte ich bestimmt jetzt hören,
was die Verwandten grad so machen,
da gäb es ein paar schlimme Sachen.

Kaum ist sie weg, kommt noch mein Bruder.
Ab da läuft alles aus dem Ruder.
Der Babysitter kann nicht kommen,
er selbst hat sich viel vorgenommen.

Und ohne mich auch nur zu fragen,
schiebt er zunächst den Kinderwagen
dann die zwei Kleinen mit Gewimmer
in eins der leergeräumten Zimmer.

Es dauert ein paar harte Stunden,
bis alle ihren Schlaf gefunden.
Mir selbst geht es total beschissen!
- Besuch werd' ich nie mehr vermissen!
 

anbas

Mitglied
Hallo Helmut,

ich habe gerade eine - vor allem "kosmetisch" - leicht überarbeitete Fassung eingestellt. Da nutze ich doch gleich die Gelegenheit, mich zu entschuldigen, dass ich bisher nicht auf Deine Rückmeldung reagiert habe - das habe ich total verpennt. Auf jeden Fall danke ich Dir herzlich!

Außerdem danke ich allen für die tollen Wertungen!


Liebe Grüße

Andreas
 



 
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