Krisis - Hybris

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zyranikum

Mitglied
Krisis - Hybris

Sattle fest, du selig Schiff,
Dein Ruder hier auf rauher See,
Die Wellen schlagen gar zu hoch,
Inmitten all dem Wohl und Weh,
Das uns nicht etwa friedlich wiegt,
Im Rhythmus der Gefühlsgezeiten,

Da Hypnos uns den Traum versagt,
Von jenen Lyra-warmen Saiten,
Die lüstern der Satyr ergreift,
Um seinen Bocksgesang zu heben,
In Sphären, die selbst Phaeton stürzten,
Hinab vom Gott...
...zum irdischen Erleben.
 

JoteS

Foren-Redakteur
Teammitglied
Krisis!

Hallo. Statt "sattle fest, du seelig Schiff" wäre auch noch "setz die Segel, du edles Ross" ganz lustig gewesen.

Freund Phaeton war der Legende nach buchstäblich ein Tiefflieger, was die Metapher doch sehr relativiert und was schliesslich auch der Grund war, weswegen Zeus ihm mit einem Blitz abschoss. Für ein Gerücht halte ich es , dass je ein Sphäre jemanden gestürzt hätte, wie Du uns suggerieren möchtest.

Insgesamt empfinde ich Dein Gedicht als gestelzt und wegen der unsinnigen Metaphern und gramm. Bezüge missglückt.
Viel Schein, wenig Sein.

Gruss

Jürgen
 

zyranikum

Mitglied
hm, mit grichieschischer mythologie scheinst du es wohl nicht zu dicke zu haben, wenn du meinst eine sphäre hätte wohl noch nie wen gestürzt. die sphäre, in die wohl auch phaeton eindrang, ist nun mal nicht für den menschen bestimmt. dass er sich den sonnenwagen borgt, steht seinem status nicht zu. es ist wohl auch eines der hauptthemen griechischer tragödien, dass der zum fall kommt, welcher sich durch die hybris zum gott emporschwingt und von dort aus kläglich zurück auf den boden der irdisch-menschlichen realität geschleudert wird. ein ähnliches sinnbild ist das des ikarus...das war mir aber eben zu ausgelutscht...

und wieso gestelzt? ist damit jegliches thema das die antike aufgreift (kuck dir mal die klassik an) gestelzt? für mich muss ein gedicht nicht immer eine klare aussage haben. man kann auch danach suchen und sogar auch garkeine einbauen und sich nur am wohlklang der worte erfreuen. wer hier nicht so durchkuckt beim klassichen stoff, sollte viel lieber mit kantischem "interessenlosen wohlgefallen" vorgehen...
 
H

HFleiss

Gast
Ich glaube nicht, dass es gute Gedichte gibt, die absolut keine Aussage haben. Selbst die Nonsens-Gedichte haben sie. Mir fällt es schwer, dahinterzukommen, was die Aussage ist. Im ersten Vers wird das Schiff aufgefordert, seine Ruder zu satteln (merkwürdiger Vorgang). Das Wohl und Weh wiegt uns nicht etwa wohlig. Nichts gegen den Stabreim, dann aber ein anderes Adverb, auch anderen Inhalts, denn Wohl ist nun mal wohlig. Du beziehst dich aber nur auf das Weh.

Im zweiten Vers bist du bei den Griechengöttern. Mir leuchtet nicht ganz ein, wenn die Leute sich auf dem Schiff schlecht fühlen (seekrank?), welchen Anlass es gibt, dass sie dann gleich darauf kommen, göttergleich sein zu wollen. Also der logische Zusammenhang fehlt mir doch ein bisschen. (Ja, es ist richtig, die Phaeton-Sage hat eine ähnliche Aussage wie der Ikarus, nur unterscheiden sich beide doch erheblich: Phaeton wollte es aus selbstsüchtigen Gründen dem Vater gleichtun, während Ikarus lediglich ein bisschen voreilig war in seinem jugendlichen Eifer - falls ich die Sagen noch richtig im Kopf habe.)

Die Aussage "Hochmut kommt vor dem Fall" scheint mir in diesem Gedicht nicht ausreichend begründet. Sprachlich müsste an diesen Versen meiner Ansicht nach auch noch ein bisschen gearbeitet werden (siehe die gesattelten Ruder).

Gruß
Hanna
 

JoteS

Foren-Redakteur
Teammitglied
Zyriakum

Soso, ich habs nicht mit den ollen Griechen....
Nein, Du hast es nicht mit der deutschen Sprache. Eine Sphäre (Sache, inaktiv) kann nicht (aktiv) jemanden stürzen.
Nochmal: Zeus hat ihn mittels Blitz gestürzt. Hinzu kommt, dass Phaeton mit dem Sonnenwagen NICHT über die Himmelssphäre lenkte, sondern eben wegen seiner begrenzten menschlichen Möglichkeiten nicht dorthin kam und zum Tiefflieger wurde.
Er kann also, selbst wenn die Sphäre zum Leben erwachen würde, nicht von dieser gestürzt werden weil er sie gar nicht erst erreicht hat.

Wie Hanna und ich bereits erwähnten ist es ein überaus merkwürdiger Vorgang, wenn ein Schiff selbst seine Ruder sattelt. Das ist nicht geschliffen, das ist fast schon peinlich. Das klingt gestelzt, wobei ich mit gesteltz "gewollt und nicht gekonnt" meine, womit wir wieder bei der Hybris wären.
Spätestens hier wirds grotesk. Hier hat sich tatsächlich jemand in seiner Hybris in zu hohe Sphären gewagt und ist abgestürzt. Kleiner Tipp: Phaeton wars nicht. ;)

Gruss

Jürgen
 

zyranikum

Mitglied
also gut, bevor ihr es jetzt völlig zerpflückt, versuch ich mal sinn und zweck des ganzen zu erläutern. man muss das ganze, was sich ja in 2 strophen trennt, jeweils den beiden wörtern des titels zuordnen. die erste strophe bezeichnet demnach die krisis, die aus der hybris entstehen kann, nämlich ein gefühlschaos, bei dem man sich an das ruder (hier: die prinzipien) klammern muss, um sich selbst (das schiff stellt das betroffene individuum dar) im wirrwarr seiner emotionen zu verlieren.

anmerkung hier: was ist daran schlimm "ein ruder festzusatteln?" dass man sich eigentlich auf einem gaul festsattelt, weiß ich selbst. ich verstehe nicht, warum man sich keine wörter aus fremden thematiken entleihen sollte, um etwas deutlicher darstellen. ich meine, wenn man sich an seinem ruder festgurtet, wie den sattel auf einem gaul, muss man sich relativ stramm an seine prinzipien (das ruder) krallen. außerdem gibt es auf yachten teilweise wirklich bindgurte, halt für die sitzfläche und nicht für das ruder.

dann: ich gebe HFleiss recht darin, dass das wort "wohlig" ersetzt werden müsste. danke, dass du mich darauf aufmerksam gemacht hast.

dass diese, durch die hybris angeregten ambivalenten gefühle, dargestellt durch die "gefühlsgezeiten", sich nicht "wohlig" äußern werden entspricht dem wesen dieser krise.

hypnos, selbst ein gott, versagt dem menschen eben jenen traum, der sich so wohlig anfühlen müsste, dieser traum vom gottesdasein. d.h., nicht einmal das gottessein wird einem nicht gegönnt, sondern auch der traum ein gott zu sein, den gott zu spielen, wird einem von oben herab vergällt. genau so tat es phaeton. er hat den gott nur für einen tag spielen wollen und ist aber untergegangen.

das ende des ganzen, das wörtliche zurückfallen auf die erde des phaeton, muss man auch dem inneren gefühl des falles bei der hybris gleichsetzen. das ganze bildet dann einen rahmen zurück zur krisis, zu den irdischen problemen, zu den emotionen. durch das festklammern an die prinzipien kann eine erneute hybris dann gefüttert werden. dadurch sollte sich ein inhaltlicher rahmen am ende des gedichts zu seinem anfang bilden...

anmerkung hier: auch ich kann passiv von aktiv unterscheiden, doch es wirft sich mir schon die frage auf, was das mit meinen deutschkenntnissen zu haben sollte. sind dir auch andere gedichte aufgefallen, die man mit dem duden grammatikalisch und inhaltlich zerfleischen könnte, wenn man wollte? ich meine, dass es diese zuhauf gibt, was ihnen aber keinerlei dissonanz anhängen muss. an lyrik ist eben das schön, dass man nicht mit den scheuklappen eines deutschlehrers beim diktat rangehen muss.

die hybris darf man auch nicht einfach mit übermut übersetzen. dahinter steckt viel mehr, darunter auch ein schaffensdrang ganzer kulturen, der auch deren untergang bedingte (s. antikes griechenland). sie gleicht mehr einem pfeil den man nach oben schießt. er geht alles schnell, dann langsamer, bruchpunkt und wieder rapide abwärts...das kann man auf so vieles übertragen, dass es müßig wäre, hier aufzählungen zu machen...


ich weiß auch schon, was ihr sagen werdet. ich schmeisse nachträglich eine interpretation meines eigenen gedichts in den raum. könnt ihr denken, vielleicht könnte man aber auch vor dem motzen einfach mal fragen, was das ganze soll. oder etwa nicht?
 



 
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