Kurator

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Solgin

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Keine Frage der Turm steht da, wo er ist. Er ist nicht auf Wüstensand gebaut, und allzeit begehbar. Ist ein stählernes Fachwerk einmal verschraubt und vernietet, bleibt es stehen und erwartet die KuratorenInnen. Die Damen und Herren besteigen es Sommers wie Winters in Stiefelletten aus Kalbsleder , Stretchjupes und kalten Händen.

Obwohl ihn seit einiger Zeit Palmen und Wüstenfüchse umgeben, steht der Turm nicht in der Wüste. Vor gar nicht langer Zeit haben die hiesigen Würdenträger, Kuratoren und Kuratorinnen, auf der Suche nach der verlorenen Moderne, in seiner unmittelbaren Nähe, eine Klanglandschaft, ein Wasserspiel, ein Brunnen, eine Oase der Ruhe auf Sand in Auftrag gegeben. Ruhe ja Ruhe, wenn da nicht ein Münzschacht wäre, ein güldener Schlitz für die menschliche Hand, der die Figuren zum tanzen und die Stadtkasse zum klingen bringt. Das Licht leuchtet, rot, gelb, blau, die Musik bläst den Badenweilermarsch, die Wasserfontänen zischen himmelhoch.

Auch ich bin dem Turm in der Wüste, der Kunst des Bauens, schon des öftern begegnet. Erstmals im Jahre 68 lag ich auf den Pflastersteinen und hatte dort diesen und jenen Auf-und Abgang.

Es ist gang und gäbe eine grosse Reise zu tun, sich zu verändern, Türme zu besteigen. Wieder einmal bin ich kurz davor das Rote Kreuz auf weissem Grund zu verlassen. Doch , flüchtig ist der Wüstensand, selbst Brot und Fisch sind nicht am rechten Ort. Die Tagesstunden sind hitzig, die Nächte kalt. Wegen Abreise bleibt alles im unklaren.
Wegen Abreise verschiebt sich nichts:
der Kern in der Zelle, die Hirnmasss unter der Schädeldecke, der Kopf am Rumpf.

Schon leicht unterkühlt, liege ich nun am Strand, das Ohr voller Sand und Schmalz, der Regen unaufhaltsam, die Stimme ein Lispeln, der Kehlkopf dabei sich zu paaren mit einer ausgebildeten Samariterin vom Roten Kreuz.

Sommers und Winters kommt es vor, dass die Flammen hoch in den Himmel schlagen. Während die Hufe des Schimmels munter durch die Luft fliegen, trifft die Kündigung ein. Der Kontor leert sich, ein rehbraunes Reh steht in der Lichtung und beschnuppert den Morgen. Das Anbrechen des Tages geht mitten durch den Wald.
Ich vergleiche den Bestand der Bäume mit der Wüste, das Reh mit dem Spiegel, den Menschen mit einem Einbaum, der ganz zufällig aufrecht steht.

Dem Kurator seine Geliebte macht schon den vierten Fernkurs zum Thema Sucht und Krise im Spiegel der bildenden Kunst. Ein Stockwerk tiefer, löscht sie das Licht. Schlag Zwölfuhr verführt sie den Lispelnden zum Koitus Interuptus.

Das Herz des Menschen liegt in einer Aushöhlung. Im Kehlkopf liegt der Krebs - noch undeutlich, doch in der Computertomografie schon erkennbar woher das Lispeln kommt.

Der Lispelnde hält sich fest am Handlauf und geht mit sich selbst. Ein Sprachfehler sagt man. Von Etage zu Etage klettert er jetzt hoch, legt das Gesicht in Falten und schaut dabei kein einziges Mal in den Spiegel.

Im Dreiecksland hat die Kuratorin ein pied a terre, eine grosse Wanne mit Ein-und Ausstieg. Sie nennt es das maurische Bad mit dem maurischen Wasser. Während er am liebsten ins Volle fällt, legt sie sich gerne ins Leere und wartet ab. Sie lässt das Wasser gerne steigen, über das kraushaarige Graue zwischen den Beinen. Manchmal fliegen dann ein paar bunt gefiederte Vögel über das maurischen Bad.

Obwohl schon längst abgeändert fürchtet sie noch immer, das Sperma des Kurators könnte sich millionenfach bewegen, und ihr lispelnd ein himmlisch-maurisches Geschenk bereiten.

Ich besitze heute ein Lama und ein paar Ziegen in den Bergen. Das Lama und ich verbringen Nacht für Nacht gemeinsam . Ich mache Feuer im Zelt und schaue wie der Rauch durch die kleine Oeffnung zieht. Das Lama geht im Kreis und reibt sich an der Zeltwand die Flanke. Irgendwann werde ich einschlafen, denke ich. Das Lispeln wird aufhören, vergessen die direktorale Würde, das Amtieren im Hinblick auf das dritte Jahrtausend und, die Verfestigung von Wissen in Buchform verstummen.

Das Lispeln ist mir geblieben. Das Lama geht noch immer im Kreis, derweil im Ziegenstall die Ziegen auf den Melker warten. Es wird von hinten zwischen den Beinen durchgemolken, bis die Striche schlaff sind. Mit beiden Händen geht es an den Strich, wo ausgemolken wird.


Paul Solgin
 



 
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