Kinder haben wir nicht. Nein, keine Kinder. Kinder sind immer ein Risiko. Was wird aus denen, wenn’s mal auseinandergeht? Die würden doch dann drunter leiden. Und vielleicht noch Unterhalt zahlen? Nein, nein, so dicke hab ich’s nun auch nicht.
Zehn Jahre lang sind wir nun schon zusammen. Oder sind es elf? Ist ja nicht so wichtig. Zu Anfang, ja zu Anfang haben wir den Jahrestag des Kennenlernens immer noch ein bisschen gefeiert, sind mal essen gegangen oder so. Und ein paar Blumen gab es auch.
Aber mit den Jahren ist das weniger geworden. Und irgendwann ist es dann eben ganz eingeschlafen.
Ist aber nicht weiter schlimm. Ich bin ohnehin meistens länger im Büro und Christina hat auch wenig Zeit. Ist immer auf Achse, immer ein Kundentermin nach dem anderen, immer lange auf der Autobahn. Abends müde, keine Lust mehr. Keine Lust zu gar nichts, sag ich immer. Man wird eben ruhiger mit den Jahren. Ist halt so, ist normal.
Ach wo, wir wohnen doch nicht zusammen! Klar, irgendwann haben wir mal darüber nachgedacht. Wäre ja auch schön gewesen irgendwie. So jeden Tag zusammen einschlafen, das hätte schon was. Nach Hause kommen, jemand ist zum Reden da. Wäre schon nicht schlecht gewesen. Wäre vielleicht sogar ein ganz neues Leben gewesen. Wäre vielleicht sogar besser als das alte Leben gewesen. Aber irgendwie ... irgendwie wollten wir das beide nicht. Nicht wirklich. Die Gewohnheiten aufgeben? Ach, das ist nicht so einfach, wenn man nicht mehr ganz so jung ist. Das wär’ doch eine Umstellung gewesen.
Muss ja auch nicht sein. Wir wissen doch auch so, was wir aneinander haben. Wir treffen uns halt, wenn uns danach ist. Und wenn wir Zeit haben, natürlich. Zeit ist das Problem. Zeit ist immer das Problem. Meistens geht die Arbeit vor. Die Arbeit, immer die Arbeit. Kennt ja fast jeder, heutzutage.
Nein, nein, wir sind nicht verheiratet. Davon war eigentlich nie die Rede, all die Jahre nicht. Steuerlich wäre es ja auch nicht interessant gewesen. Beide voll berufstätig und so, da bringt das nichts. Bringt gar nichts. Wozu heiraten, wenn man sich auch ohne Formulare gern hat. Ist doch nicht nötig, oder?
Na, nun müsste sie aber bald kommen. Sie war ja im Urlaub, mit ihrer Freundin. Macht sie eigentlich jedes Jahr. Muss mal raus, sagt sie, muss mal was anderes sehen. Mal Sonne tanken, mal richtig ausspannen. Soll sie. Meinetwegen. Früher, da hat mich das schon gestört. Da hätte ich’s mir andersrum nicht vorstellen können. Ich meine, ohne sie in Urlaub zu fahren. Das wäre mir blöd vorgekommen. Hätte ich nicht gemacht. Aber man gewöhnt sich dran, man gewöhnt sich an alles. Mit den Jahren schleift sich alles ein, irgendwie.
Gut, einen Kaffee bestell ich mir noch, dann wird sie wohl da sein.
Ist heute ziemlich belebt hier auf dem Platz direkt am Dom, hoffentlich findet sie mich gleich.
»Hallo Schatz, da bist Du ja endlich! Na, wie war’s? Braun bist Du geworden, erholt siehst du aus, richtig gut erholt.«
Umarmung, Küsschen, wir machen keine großen Gesten, ist nicht mehr nötig, ist ja nicht das erste Mal, dass sie aus dem Urlaub zurückkommt.
»Stell dir vor«, sagt sie, ein bisschen atemlos sagt sie das, sie ist wohl noch ein bisschen aufgeregt über’s Wiedersehen, immer noch, nach all den Jahren, »stell dir vor, wen ich in Griechenland getroffen habe! Den Robert! Deinen alten Kumpel Robert! Ganz zufällig hab ich den getroffen!«
Robert? Ich muss kurz nachdenken. Ach ja, Robert. Na, ein Kumpel war er nicht gerade. Eher ein flüchtiger Bekannter, ein ehemaliger Arbeitskollege. War lange her. Eigentlich nicht so mein Fall. Immer eine Spur zu schnell. Zu schnell in allem, zu schnell zu begeistern. Robert fand immer alles toll. Robert, der spontane Robert.
»Was treibt denn der in Griechenland«, frage ich.
Sie lächelt seltsam. Ach, sie wirkt ein wenig angespannt, war wohl doch nicht so toll gewesen, die Erholung.
»Der hat da auch Urlaub gemacht. Aber mit ’nem Wohnmobil. Und», ihre Stimme hebt sich leicht, »ganz alleine.«
»Ich kann mich an den Kerl kaum noch erinnern. Der müsste doch jetzt auch so ungefähr Mitte vierzig sein. War doch in unserem Alter.«, sage ich. »Und sonst, was macht der Robert sonst so? Hat der was aus sich gemacht? Ist er inzwischen verheiratet. Familie, Kinder? Wohlstandsbürger? Oder immer noch so ein Hallodri wie früher?«
Robert ist mir plötzlich irgendwie unsympathisch. Auf einmal kann ich den Kerl nicht leiden.
»Nein«, sagt sie, «Robert ist kein Wohlstandsbürger. Ganz und gar nicht. Und verheiratet ist er auch nicht. Noch nicht. Aber in vier Wochen ... «, sie stockt »In vier Wochen wird er heiraten.«
Ihren nächsten Satz verstand ich nicht.
Nicht richtig. Es war kurz vor zwölf gewesen und nun begann, gewaltig dröhnend, die große Glocke des Doms zu läuten und übertönte jedes Wort.
Bing - bong, bing - bong, bing - bong.
Mein Kopf schien mir zu zerspringen, mein Herz begann zu rasen, meine Hände zitterten und ich war nicht fähig, einen einzigen klaren Gedanken zu fassen.
»Mich«, höre ich sie in all dem Dröhnen wie aus weiter Ferne noch einmal sagen, «mich wird er heiraten.«
Eben noch war es kurz vor zwölf gewesen, ganz kurz vor zwölf.
Zehn Jahre lang sind wir nun schon zusammen. Oder sind es elf? Ist ja nicht so wichtig. Zu Anfang, ja zu Anfang haben wir den Jahrestag des Kennenlernens immer noch ein bisschen gefeiert, sind mal essen gegangen oder so. Und ein paar Blumen gab es auch.
Aber mit den Jahren ist das weniger geworden. Und irgendwann ist es dann eben ganz eingeschlafen.
Ist aber nicht weiter schlimm. Ich bin ohnehin meistens länger im Büro und Christina hat auch wenig Zeit. Ist immer auf Achse, immer ein Kundentermin nach dem anderen, immer lange auf der Autobahn. Abends müde, keine Lust mehr. Keine Lust zu gar nichts, sag ich immer. Man wird eben ruhiger mit den Jahren. Ist halt so, ist normal.
Ach wo, wir wohnen doch nicht zusammen! Klar, irgendwann haben wir mal darüber nachgedacht. Wäre ja auch schön gewesen irgendwie. So jeden Tag zusammen einschlafen, das hätte schon was. Nach Hause kommen, jemand ist zum Reden da. Wäre schon nicht schlecht gewesen. Wäre vielleicht sogar ein ganz neues Leben gewesen. Wäre vielleicht sogar besser als das alte Leben gewesen. Aber irgendwie ... irgendwie wollten wir das beide nicht. Nicht wirklich. Die Gewohnheiten aufgeben? Ach, das ist nicht so einfach, wenn man nicht mehr ganz so jung ist. Das wär’ doch eine Umstellung gewesen.
Muss ja auch nicht sein. Wir wissen doch auch so, was wir aneinander haben. Wir treffen uns halt, wenn uns danach ist. Und wenn wir Zeit haben, natürlich. Zeit ist das Problem. Zeit ist immer das Problem. Meistens geht die Arbeit vor. Die Arbeit, immer die Arbeit. Kennt ja fast jeder, heutzutage.
Nein, nein, wir sind nicht verheiratet. Davon war eigentlich nie die Rede, all die Jahre nicht. Steuerlich wäre es ja auch nicht interessant gewesen. Beide voll berufstätig und so, da bringt das nichts. Bringt gar nichts. Wozu heiraten, wenn man sich auch ohne Formulare gern hat. Ist doch nicht nötig, oder?
Na, nun müsste sie aber bald kommen. Sie war ja im Urlaub, mit ihrer Freundin. Macht sie eigentlich jedes Jahr. Muss mal raus, sagt sie, muss mal was anderes sehen. Mal Sonne tanken, mal richtig ausspannen. Soll sie. Meinetwegen. Früher, da hat mich das schon gestört. Da hätte ich’s mir andersrum nicht vorstellen können. Ich meine, ohne sie in Urlaub zu fahren. Das wäre mir blöd vorgekommen. Hätte ich nicht gemacht. Aber man gewöhnt sich dran, man gewöhnt sich an alles. Mit den Jahren schleift sich alles ein, irgendwie.
Gut, einen Kaffee bestell ich mir noch, dann wird sie wohl da sein.
Ist heute ziemlich belebt hier auf dem Platz direkt am Dom, hoffentlich findet sie mich gleich.
»Hallo Schatz, da bist Du ja endlich! Na, wie war’s? Braun bist Du geworden, erholt siehst du aus, richtig gut erholt.«
Umarmung, Küsschen, wir machen keine großen Gesten, ist nicht mehr nötig, ist ja nicht das erste Mal, dass sie aus dem Urlaub zurückkommt.
»Stell dir vor«, sagt sie, ein bisschen atemlos sagt sie das, sie ist wohl noch ein bisschen aufgeregt über’s Wiedersehen, immer noch, nach all den Jahren, »stell dir vor, wen ich in Griechenland getroffen habe! Den Robert! Deinen alten Kumpel Robert! Ganz zufällig hab ich den getroffen!«
Robert? Ich muss kurz nachdenken. Ach ja, Robert. Na, ein Kumpel war er nicht gerade. Eher ein flüchtiger Bekannter, ein ehemaliger Arbeitskollege. War lange her. Eigentlich nicht so mein Fall. Immer eine Spur zu schnell. Zu schnell in allem, zu schnell zu begeistern. Robert fand immer alles toll. Robert, der spontane Robert.
»Was treibt denn der in Griechenland«, frage ich.
Sie lächelt seltsam. Ach, sie wirkt ein wenig angespannt, war wohl doch nicht so toll gewesen, die Erholung.
»Der hat da auch Urlaub gemacht. Aber mit ’nem Wohnmobil. Und», ihre Stimme hebt sich leicht, »ganz alleine.«
»Ich kann mich an den Kerl kaum noch erinnern. Der müsste doch jetzt auch so ungefähr Mitte vierzig sein. War doch in unserem Alter.«, sage ich. »Und sonst, was macht der Robert sonst so? Hat der was aus sich gemacht? Ist er inzwischen verheiratet. Familie, Kinder? Wohlstandsbürger? Oder immer noch so ein Hallodri wie früher?«
Robert ist mir plötzlich irgendwie unsympathisch. Auf einmal kann ich den Kerl nicht leiden.
»Nein«, sagt sie, «Robert ist kein Wohlstandsbürger. Ganz und gar nicht. Und verheiratet ist er auch nicht. Noch nicht. Aber in vier Wochen ... «, sie stockt »In vier Wochen wird er heiraten.«
Ihren nächsten Satz verstand ich nicht.
Nicht richtig. Es war kurz vor zwölf gewesen und nun begann, gewaltig dröhnend, die große Glocke des Doms zu läuten und übertönte jedes Wort.
Bing - bong, bing - bong, bing - bong.
Mein Kopf schien mir zu zerspringen, mein Herz begann zu rasen, meine Hände zitterten und ich war nicht fähig, einen einzigen klaren Gedanken zu fassen.
»Mich«, höre ich sie in all dem Dröhnen wie aus weiter Ferne noch einmal sagen, «mich wird er heiraten.«
Eben noch war es kurz vor zwölf gewesen, ganz kurz vor zwölf.