Kurze Fabel über die Schönheit der Freiheit und ihre Gefahren
Eines sonnigen morgens im Herbst war es genug, das Fass zum Überlaufen voll, die lange strapazierte Toleranz verbraucht. Das kleine weiße Meerschwein zwängte sich durch ein Loch im Zaun und lief los. Die Himmelsrichtung war egal, nur stracks geradeaus, auf keinen Fall im Kreis laufen.
Unterwegs naschte es von den unbekannten Früchten, die den Waldboden bedeckten und lobte überschwänglich seinen mutigen Entschluss, endlich aufgebrochen zu sein. Als die tiefstehende Sonne mit ihrem täglichen Schattenspiel begann, ungefähr um diese Zeit fand das kleine weiße Meerschwein, für heute sei es genug gelaufen und machte eine Pause.
Der Platz war gut gewählt, die Lichtung mit ihren niedrigen Blaubeersträuchern lud müde Wanderer geradezu ein. Während der Magen sich mit den reifen, saftigen Früchten füllte, hörte es ein Rascheln, erst leise, dann immer lauter und näher. Schließlich durchbrach ein Igel das dichte Gestrüpp. Die beiden starrten sich bewegungslos an. Ein kleines Weilchen verging, bis der Igel sagte:
„Ein so seltsames Wesen habe ich noch nie gesehen. Wer bist du ? Woher kommst Du ?“
„Ich bin ein Meerschwein und komme aus dem Kleintierzoo einen Tagesmarsch von hier. Dort bin ich ausgebrochen,“ sagte das kleine weiße Meerschwein nicht ohne Stolz.
„In einem Zoo, habe ich gehört, geben sie dir Nahrung und Obdach. Warum bist du ausgebrochen ?“ fragte der Igel.
„Das stimmt, aber dafür musst du sie ertragen in ihrer Gleichgültigkeit, Dummheit und Arroganz. Mir gaben sie Flocken, jeden Tag und mit einer solchen Lieblosigkeit, wie nur sie es können. Noch einen Tag länger und ich wäre an Langeweile gestorben. Andere Tiere haben sie besser behandelt. Ich bin wahrscheinlich zu billig. Meine Art bekommt man für kleines Geld in jeder Tierhandlung.“
„Die subversive Kraft der Höflichkeit,“ murmelte der Igel.
„Was meinst du ?“ fragte das Meerschwein.
„Ich meine, hätten sie ein wenig mehr Entgegenkommen gezeigt, Einfühlsamkeit, Empathie, säßest du heute noch in deinem Gefängnis und würdest die Freiheit gar nicht vermissen,“ sagte der Igel.
Das Meerschwein nickte. „Da ist was dran, darüber muss ich nachdenken. Aber nicht mehr heute Abend. Morgen ist auch noch ein Tag.“
„Vor dem Einschlafen solltest du dich in der Bärenscheiße wälzen,“ der Igel wies unbestimmt in eine Richtung, „dein Fell ist keine gute Tarnung. Zudem verbessert sich deine Performance.“
„Das werde ich ganz bestimmt nicht tun,“ sagte das kleine weiße Meerschwein mit Nachdruck und schüttelte angewidert den Kopf.
„Okay, war nur ein Vorschlag,“ beschwichtigte der Igel, „aber sag: Gab es auch Igel in deinem Zoo?“
„Igel habe ich da nie gesehen. Nein, Igel haben sie nicht, weiß auch nicht, warum,“ gähnte das Meerschwein. Einen Moment später war es eingeschlafen. Der Igel hielt noch ein wenig die Nase in den Abendwind, rollte sich dann zusammen und stellte die Stacheln steil.
Am Morgen war das Meerschwein verschwunden. Drei Tropfen Blut schimmerten dort, wo es geschlafen hatte, in der Sonne. Der Igel leckte sie auf. Kein Zweifel, das war sein Blut. Wohl eine Eule, die töten lautlos. Schade, er hatte den seltsamen kleinen Kerl gemocht mit seinen roten Augen, die irgendwie leicht entzündet wirkten.
Während des Blaubeerfrühstücks überdachte er seinen in der Nacht gefassten Plan. In diesem Kleintierzoo hatten sie keinen Igel und ein Platz war freigeworden. Interessant. Er würde sich also in Gefangenschaft begeben, freiwillig, andererseits, von Freiheit wird man nicht satt. Der Winter kam gewiss, schon jetzt war es nachts unangenehm kalt. Er brauchte dringend ein warmes, gepolstertes Eckchen. Außerdem, da war er sich sicher, würden sie ihn besser behandeln als das Meerschwein. Denn Igel kann man nicht kaufen.
Gut gelaunt nahm er die Fährte seines toten Vorgängers auf und lief auf ihr zurück.
Eines sonnigen morgens im Herbst war es genug, das Fass zum Überlaufen voll, die lange strapazierte Toleranz verbraucht. Das kleine weiße Meerschwein zwängte sich durch ein Loch im Zaun und lief los. Die Himmelsrichtung war egal, nur stracks geradeaus, auf keinen Fall im Kreis laufen.
Unterwegs naschte es von den unbekannten Früchten, die den Waldboden bedeckten und lobte überschwänglich seinen mutigen Entschluss, endlich aufgebrochen zu sein. Als die tiefstehende Sonne mit ihrem täglichen Schattenspiel begann, ungefähr um diese Zeit fand das kleine weiße Meerschwein, für heute sei es genug gelaufen und machte eine Pause.
Der Platz war gut gewählt, die Lichtung mit ihren niedrigen Blaubeersträuchern lud müde Wanderer geradezu ein. Während der Magen sich mit den reifen, saftigen Früchten füllte, hörte es ein Rascheln, erst leise, dann immer lauter und näher. Schließlich durchbrach ein Igel das dichte Gestrüpp. Die beiden starrten sich bewegungslos an. Ein kleines Weilchen verging, bis der Igel sagte:
„Ein so seltsames Wesen habe ich noch nie gesehen. Wer bist du ? Woher kommst Du ?“
„Ich bin ein Meerschwein und komme aus dem Kleintierzoo einen Tagesmarsch von hier. Dort bin ich ausgebrochen,“ sagte das kleine weiße Meerschwein nicht ohne Stolz.
„In einem Zoo, habe ich gehört, geben sie dir Nahrung und Obdach. Warum bist du ausgebrochen ?“ fragte der Igel.
„Das stimmt, aber dafür musst du sie ertragen in ihrer Gleichgültigkeit, Dummheit und Arroganz. Mir gaben sie Flocken, jeden Tag und mit einer solchen Lieblosigkeit, wie nur sie es können. Noch einen Tag länger und ich wäre an Langeweile gestorben. Andere Tiere haben sie besser behandelt. Ich bin wahrscheinlich zu billig. Meine Art bekommt man für kleines Geld in jeder Tierhandlung.“
„Die subversive Kraft der Höflichkeit,“ murmelte der Igel.
„Was meinst du ?“ fragte das Meerschwein.
„Ich meine, hätten sie ein wenig mehr Entgegenkommen gezeigt, Einfühlsamkeit, Empathie, säßest du heute noch in deinem Gefängnis und würdest die Freiheit gar nicht vermissen,“ sagte der Igel.
Das Meerschwein nickte. „Da ist was dran, darüber muss ich nachdenken. Aber nicht mehr heute Abend. Morgen ist auch noch ein Tag.“
„Vor dem Einschlafen solltest du dich in der Bärenscheiße wälzen,“ der Igel wies unbestimmt in eine Richtung, „dein Fell ist keine gute Tarnung. Zudem verbessert sich deine Performance.“
„Das werde ich ganz bestimmt nicht tun,“ sagte das kleine weiße Meerschwein mit Nachdruck und schüttelte angewidert den Kopf.
„Okay, war nur ein Vorschlag,“ beschwichtigte der Igel, „aber sag: Gab es auch Igel in deinem Zoo?“
„Igel habe ich da nie gesehen. Nein, Igel haben sie nicht, weiß auch nicht, warum,“ gähnte das Meerschwein. Einen Moment später war es eingeschlafen. Der Igel hielt noch ein wenig die Nase in den Abendwind, rollte sich dann zusammen und stellte die Stacheln steil.
Am Morgen war das Meerschwein verschwunden. Drei Tropfen Blut schimmerten dort, wo es geschlafen hatte, in der Sonne. Der Igel leckte sie auf. Kein Zweifel, das war sein Blut. Wohl eine Eule, die töten lautlos. Schade, er hatte den seltsamen kleinen Kerl gemocht mit seinen roten Augen, die irgendwie leicht entzündet wirkten.
Während des Blaubeerfrühstücks überdachte er seinen in der Nacht gefassten Plan. In diesem Kleintierzoo hatten sie keinen Igel und ein Platz war freigeworden. Interessant. Er würde sich also in Gefangenschaft begeben, freiwillig, andererseits, von Freiheit wird man nicht satt. Der Winter kam gewiss, schon jetzt war es nachts unangenehm kalt. Er brauchte dringend ein warmes, gepolstertes Eckchen. Außerdem, da war er sich sicher, würden sie ihn besser behandeln als das Meerschwein. Denn Igel kann man nicht kaufen.
Gut gelaunt nahm er die Fährte seines toten Vorgängers auf und lief auf ihr zurück.