L143

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Sunny Day

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L143


Laut prasselte der Regen gegen die Scheiben des Autos. Schon seit Stunden war ihnen niemand mehr begegnet, und seit Stunden schwieg auch schon Tom Brown hinter dem Steuer des alten Fords.
Claire Brown starrte nach draußen in die Dunkelheit, die sich wie ein dicker Samtvorhang auf die Umgebung gelegt hatte. Irgendwie hatte sie das seltsame Gefühl, hier vorhin schon einmal vorbeigekommen zu sein, aber sie war sich nicht sicher. Der dichte Wald, rechts und links neben der Landstraße 143 konnte derselbe, wie vor einer Stunde sein, vielleicht aber auch nicht.
Das stetige Klopfen der Regentropfen auf dem Auto wurde immer lauter, fast unerträglich laut. Claire versucht es zu ignorieren und starrte weiter aus dem Fenster.
Wer wohnt nur in so einer Gegend, fragte sie sich, als sie an einem verwitterten und schiefen Holzwegweiser vorbeifuhren, auf dem mit roter Farbe ein Name gekritzelt worden war. Augenblicklich schien das Auto immer langsamer zu werden, schließlich blieb es fast ganz stehen und der Motor erstarb mit einem erstickenden Ton. Fluchend drehte ihr Mann immer wieder den Zündschlüssel herum aber nichts geschah.
„Was ist denn los?“, fragte Claire zu ihrem Mann gewandt, der nun auf die Tankanzeige schaute.
„Keine Ahnung. Genug Benzin haben wir jedenfalls noch“, sagt er und öffnete die Autotür.
Kalte Luft und Regengischt drang ins Innere und Claire zog das Genick ein.
„Und was willst du jetzt machen?“, rief Claire gegen den Regen an. Ihr war nicht wohl bei dem Gedanken in dieser Gegend eine Autopanne zu haben.
„Ich schaue nach, warum wir stehen geblieben sind.“ Ihr Mann schlug die Tür zu und ging zur Motorhaube.
Im Auto beschlugen sofort die Fensterscheiben von der eingedrungenen Feuchtigkeit und Claire konnte kaum nach draußen sehen. Sie hörte das Quietschen der Motorhaube und stellte sich vor, wie ihr Mann gerade den schweren Deckel öffnete. Dann hörte sie nichts mehr außer den Regen, der gegen das Auto hämmerte. Er kam ihr jetzt ohrenbetäubend laut vor, unnatürlich laut. Ungeduldig wartete sie und die kalte Nässe kroch durch ihre Jacke.
Ein seltsames Gefühl, als würde sie beobachtet werden, beschlich sie. Wo blieb ihr Mann nur so lang? Claire rutschte auf ihrem Sitz nach vorne und rieb die angelaufenen Scheiben frei, aber durch die Dunkelheit und den Regenvorhang konnte sie nichts erkennen. Sie kurbelte die Fensterscheibe herunter. „Tom?“, rief sie hinaus, aber niemand antwortete. Ihr Herz begann schneller zu schlagen. Sie öffnete die Tür und stieg aus dem Auto aus. Regen und Kälte schlugen ihr entgegen und sie zog ihre Jacke enger um sich. „Tom?“, fragte sie in die Dunkelheit hinein. Keine Antwort. Sie konnte ihr Herz spüren, wie es bis zum Hals schlug und förmlich aus ihr heraus wollte. Vorsichtig ging sie um das Auto herum zur offenen Motorhaube. Tom war nicht da. Nackte Angst fuhr in ihre Knochen. Hektisch drehte sich Claire immer wieder um und schrie dabei Toms Namen. Aber der Wald und das Tosen des Regens verschluckten ihre Worte. Dann blieb sie abrupt stehen, ihren Blick auf die Motorhaube geheftet. Eine ganze Menge dunkelrot schimmernde Flüssigkeit mischte sich mit dem Regenwasser und lief die Motorhaube hinab. Panik ergriff Claire, wie zwei starre kalte Hände. Etwas Schlimmes musste passiert sein, sie brauchte Hilfe! Claire rannte die Straße zurück zu dem Holzwegweiser, den sie gesehen hatte. Dort mussten irgendwo Leute wohnen. Vielleicht konnten sie helfen oder die Polizei rufen.
Fest schlug ihr der Regen ins Gesicht und klebte ihr die Haare an den Kopf. Sie hatte wieder dieses dumpfe Gefühl, beobachtet zu werden und das Gefühl wurde immer stärker. Claire versuchte noch schneller zu rennen, ungeachtet der Pfützen, die auf der Straße standen. Die kalte Luft brannte in ihren Lungen und ihre Muskeln in den Beinen verkrampften sich. Trotzdem stürmte sie weiter und warf zwischendurch kurze Blicke nach hinten, aber sie konnte niemanden sehen.
Zwischen den Bäumen, nur noch wenige Meter vor sich, konnte sie schon das schiefe Schild erkennen, dass am Straßenrand steckte. Sie hetzt darauf zu, bereit, jeden Moment in einen Feldweg einzubiegen und Hilfe zu holen.
Jetzt waren es nur noch wenige Schritte, aber es schien kein Weg von der Straße abzugehen. Claire verlangsamte ihr Tempo und plötzlich durchlief sie ein eiskalter Schauer.
Vor dem Holzschild war ein frisch aufgeschütteter Erdhügel. Schwer atmend blieb sie stehen und mit zitternden Fingern wischte sie sich die nassen Haare aus der Stirn. Auf dem Schild stand in noch nassen, blutroten Buchstaben - Tom Brown -
 

Sunny Day

Mitglied
Hallo Gorgonski

Freut mich, dass dir mein Erstlingswerk gefallen hat :)
Und Danke für die Wertung.

LG Sunny Day
 

Nina H.

Mitglied
Ich kann mich der Meinung von Gorgonski nur anschließen!

Nur eines:
„Was ist denn los?“, fragte Claire zu ihrem Mann gewandt, der nun auf die Tankanzeige schaute.
Da nur Claire und Tom im Auto sind, wirkt die Betonung, dass sie sich an ihren Mann wendet, etwas seltsam.
 
N

no-name

Gast
Moin moin Sunny Day,

eine gut geschriebende, spannende Kurzgeschichte, die sich flüssig liest und mit einem Ende aufwartet, das man (als Freund des Horror-Genres) zwar erahnen konnte, das aus der Geschichte aber schlüssig hergeleitet wird.
Mir war Dein Erstling sogar eine acht wert und ich freue mich auf weitere Storys von Dir! :)

Freundliche Grüße von no-name.
 

Sunny Day

Mitglied
Hallo Nina H.

Danke für den Hinweis. Ist mir selber gar nicht so aufgefallen.



Hallo no-name

Auch ein Danke an dich für dein Feedback und die Bewertung.
Und es gibt bestimmt noch was von mir zu lesen ;-)


Liebe Grüße
Sunny Day
 

brain

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Servus.

Geiler Schocker, hab ich in einem Rutsch gebannt auf den Bildschirm starrend verschlungen. War mir ne 9 Wert.
Bitte mehr davon:)
Brain
 



 
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