Birgit Kachel
Mitglied
LILITH
1.
Historie
Da nahm ich mir ein Schiff und ließ es
treiben von Hafen zu Hafen und ohne Segel und
Besatzung denn grau war seine Farbe wie der
Nebel über den Uferbänken auf denen Tote wortlos
sich grüßen Abschied nehmen von ihrer Geschichte
Da nahm ich mir ein Mädchen und setzte es
auf meinen Bug und...auf und ab...baumelten
dessen Füße über der Laichburg geröteter Fische
und seine Augen wurden blass und seine Lippen
spielten das Lächeln des Feuers das aus den Städten
gekrochen war um zu verbrennen
die Häfen die Uferbänke
letztendlich
meines SCHIFFES OHNE WIEDERKEHR
2.
Frau an der Reeling
Du, schwarzer Körper. Hebe das Kinn. Lüfte den Schleier. Verbirg
deinen Nacken nicht und pflüge dich mit der Gondel attackierender
Möwen durch das zerschnittene Licht. - Dann schlürfe...schlürfe
die Schärfe arabischen Gewässers: Du, schwarze Seele, du. - Und
steig aus. Verbrenne die Poesie von Birkenblättern und polnischen
Wäldern, von bleicher Haut in den Sümpfen des Niemandslandes.
Öffne dein Herz, entledige dich deiner Stiefel, zücke das Messer,
zieh dir die Haut von den Flanken und betrete mit nackten Knochen
DAS UFER, JETZT.
Oh, ihr Ufer! Land gestrandeter Knaben, blutender Mädchenleiber,
Zwitterseelen schmutziger Tristesse. Berauscht vom Morphium der
Liebe werfen sie ihre Schatten an jede Tür, dringen häutend in das
Heiligste, Katakombe aller Mühsal. - Wie dann ihr Lachen kippt
in der Fata Morgana der Wüstenstraßen, durch das Beben der Plätze
hindurch, bis in die Gassen der Unkenntlichkeit, wo in modrigen
Absteigen Ratten dem Auslaufsignal des letzten Schiffes entgegen
FIEBERN...
Lilith, Frau an der Reeling: Bleibe aufrecht.
Verbirg den Nacken nicht, auch nicht den Blick deiner Augen.
Denn sieh, deine Geschichte: EWIGES FEUER UND WASSER.
3.
Die Vermählung der Raben
...UND VOR DEM SCHREI legten sie die Sprache der Stummen zur Heilung in Liliths Fäuste, namen sie dann und warfen sie hitzig den Raben zur Speise vor. - Und als der Winter übers Land kroch und die Schollen der brachliegenden Äcker vereiste, zerschellten ihre Blicke an der Härte der Luft, an dem Glas der Pupillen, die sich nach innen kehrten und den Wahnsinn mit einem Schnitt zum Aufschrei brachten.-
ERST ALS DER FRÜHLING DAS LAND SCHWÄNGERTE, erkannten sie einander, nahmen sich der verletzten Worte an und wehten sie den Farben des Herbstes entgegen, der sie golden befriedete, auf daß sie überwintern konnten im Karussel der Möglichkeiten.
UND SCHREITET LILITH HEUTE ÜBER DAS FELD, sichert sie sich der brennenden Blicke der Raben, die sie beäugen. Erst dann kehrt Ruhe ein auch in ihr, Windbraut des Frostes.
4.
Versuch, sich Lethe zu nähern
...und sahen wir nicht die schrägen Wellen? Und dürsteten wir nicht nach dem Schrei der Möwen? Und stahlen wir uns nicht mit den Träumen fort? Und zerbrachen wir nicht an den Riffen unserer Sehnsucht? Und tauchten wir nicht ein in die Tiefen unseres Wahns - wenn wir zu schlafen glaubten ruhigen Atems in den Dämmerträumen schmerzstillender Zuwendungen?
Warum also sollten wir uns mit bösen Blicken begegnen?
5.
Im Kreissaal der Vergänglichkeit
...und der Falke erhob sich von seinem Pflock und sein Auge zerschnitt das Licht im Flug. Da teilte sich die Luft und ihre schillernden Farben stoben über das Land, so daß die Taube vom Dach kippte und am Glas des Turmfensters zerschellte. Nun verließ die Kranke ihr Lager und blickte mit Trauer hinaus auf die See, die grün sich verfärbte wie das dunkelste Moos des verbannten Waldes. Da nahm sich ein Käuzchen der gebrochenen Flügel an und trug die Taube mit sich fort und kühlte die fiebrigen Herzen der Jungen mit dem kalten Blut der Gemordeten. Endlich wandte sich Lilith ab, glitt die Stufen hinunter, trat in den Garten hinaus, brach die einzige Rose, die blaue des schwermütigen Seewolfes, und benetzte ihre Zunge mit den Blüten des Todes. Da wehklagte das Käuzchen Tag und Nacht und nahm die Sprache der Kranken und verbreitete sie dort, wo man ihrer bedurfte. So war es niedergehalten im Buch der Sieben Siegel, in dem Lilith genaß und sich einbettete in den Hecken der düsteren Turmgänge.
Derart füllte sich die Luft wieder mit den Winden der Berge und Ozeane und auf den Zinnen gurrten die Täubchen auf's Neue und unter ihnen erbrach sich die See ungestüm wie eh und je an den Klippen der Ufer.
Der Falke aber, das schwöre ich euch, stürzt noch heute sehenden Augens am Horizont auf und ab in den Herzen der liebeshungrig schnellenden Delphine.
6.
Im Bett der Schlangengrube
...und er nahm seine Hand und legte sie in den Schoß ihrer Vernunft. Sie aber badete ihre Füße im Blut erloschener Träume, auf daß sie sich mit der Asche verbrannter Erde verwurzelten und sie nie mehr gehen konnten, wohin es sie zog.
...Da griffen die uns Verwandten sich ihren Kopf und teilten das Hirn in zwei Hälften und betteten es in eine Grube und bedeckten diese mit den Ästen eines noch jungen Baumes.
...Da kamen wir in Gestalt sterbender Vipern und spritzten das Gift des Vergessens in ihre Gehirnhälften. Und als sie endlich vergaß, was zu vergessen notwendig war, konnte sie gehen, wohin es sie zog.
im Licht aufgehender Sonnen entschwand sie schließlich
unseren Blicken, für immer...
1.
Historie
Da nahm ich mir ein Schiff und ließ es
treiben von Hafen zu Hafen und ohne Segel und
Besatzung denn grau war seine Farbe wie der
Nebel über den Uferbänken auf denen Tote wortlos
sich grüßen Abschied nehmen von ihrer Geschichte
Da nahm ich mir ein Mädchen und setzte es
auf meinen Bug und...auf und ab...baumelten
dessen Füße über der Laichburg geröteter Fische
und seine Augen wurden blass und seine Lippen
spielten das Lächeln des Feuers das aus den Städten
gekrochen war um zu verbrennen
die Häfen die Uferbänke
das flirrende Licht am Horizont
letztendlich
auch das Mädchen am Bug
meines SCHIFFES OHNE WIEDERKEHR
2.
Frau an der Reeling
Du, schwarzer Körper. Hebe das Kinn. Lüfte den Schleier. Verbirg
deinen Nacken nicht und pflüge dich mit der Gondel attackierender
Möwen durch das zerschnittene Licht. - Dann schlürfe...schlürfe
die Schärfe arabischen Gewässers: Du, schwarze Seele, du. - Und
steig aus. Verbrenne die Poesie von Birkenblättern und polnischen
Wäldern, von bleicher Haut in den Sümpfen des Niemandslandes.
Öffne dein Herz, entledige dich deiner Stiefel, zücke das Messer,
zieh dir die Haut von den Flanken und betrete mit nackten Knochen
DAS UFER, JETZT.
Oh, ihr Ufer! Land gestrandeter Knaben, blutender Mädchenleiber,
Zwitterseelen schmutziger Tristesse. Berauscht vom Morphium der
Liebe werfen sie ihre Schatten an jede Tür, dringen häutend in das
Heiligste, Katakombe aller Mühsal. - Wie dann ihr Lachen kippt
in der Fata Morgana der Wüstenstraßen, durch das Beben der Plätze
hindurch, bis in die Gassen der Unkenntlichkeit, wo in modrigen
Absteigen Ratten dem Auslaufsignal des letzten Schiffes entgegen
FIEBERN...
Lilith, Frau an der Reeling: Bleibe aufrecht.
Verbirg den Nacken nicht, auch nicht den Blick deiner Augen.
Denn sieh, deine Geschichte: EWIGES FEUER UND WASSER.
3.
Die Vermählung der Raben
...UND VOR DEM SCHREI legten sie die Sprache der Stummen zur Heilung in Liliths Fäuste, namen sie dann und warfen sie hitzig den Raben zur Speise vor. - Und als der Winter übers Land kroch und die Schollen der brachliegenden Äcker vereiste, zerschellten ihre Blicke an der Härte der Luft, an dem Glas der Pupillen, die sich nach innen kehrten und den Wahnsinn mit einem Schnitt zum Aufschrei brachten.-
ERST ALS DER FRÜHLING DAS LAND SCHWÄNGERTE, erkannten sie einander, nahmen sich der verletzten Worte an und wehten sie den Farben des Herbstes entgegen, der sie golden befriedete, auf daß sie überwintern konnten im Karussel der Möglichkeiten.
UND SCHREITET LILITH HEUTE ÜBER DAS FELD, sichert sie sich der brennenden Blicke der Raben, die sie beäugen. Erst dann kehrt Ruhe ein auch in ihr, Windbraut des Frostes.
4.
Versuch, sich Lethe zu nähern
...und sahen wir nicht die schrägen Wellen? Und dürsteten wir nicht nach dem Schrei der Möwen? Und stahlen wir uns nicht mit den Träumen fort? Und zerbrachen wir nicht an den Riffen unserer Sehnsucht? Und tauchten wir nicht ein in die Tiefen unseres Wahns - wenn wir zu schlafen glaubten ruhigen Atems in den Dämmerträumen schmerzstillender Zuwendungen?
Warum also sollten wir uns mit bösen Blicken begegnen?
5.
Im Kreissaal der Vergänglichkeit
...und der Falke erhob sich von seinem Pflock und sein Auge zerschnitt das Licht im Flug. Da teilte sich die Luft und ihre schillernden Farben stoben über das Land, so daß die Taube vom Dach kippte und am Glas des Turmfensters zerschellte. Nun verließ die Kranke ihr Lager und blickte mit Trauer hinaus auf die See, die grün sich verfärbte wie das dunkelste Moos des verbannten Waldes. Da nahm sich ein Käuzchen der gebrochenen Flügel an und trug die Taube mit sich fort und kühlte die fiebrigen Herzen der Jungen mit dem kalten Blut der Gemordeten. Endlich wandte sich Lilith ab, glitt die Stufen hinunter, trat in den Garten hinaus, brach die einzige Rose, die blaue des schwermütigen Seewolfes, und benetzte ihre Zunge mit den Blüten des Todes. Da wehklagte das Käuzchen Tag und Nacht und nahm die Sprache der Kranken und verbreitete sie dort, wo man ihrer bedurfte. So war es niedergehalten im Buch der Sieben Siegel, in dem Lilith genaß und sich einbettete in den Hecken der düsteren Turmgänge.
Derart füllte sich die Luft wieder mit den Winden der Berge und Ozeane und auf den Zinnen gurrten die Täubchen auf's Neue und unter ihnen erbrach sich die See ungestüm wie eh und je an den Klippen der Ufer.
Der Falke aber, das schwöre ich euch, stürzt noch heute sehenden Augens am Horizont auf und ab in den Herzen der liebeshungrig schnellenden Delphine.
6.
Im Bett der Schlangengrube
...und er nahm seine Hand und legte sie in den Schoß ihrer Vernunft. Sie aber badete ihre Füße im Blut erloschener Träume, auf daß sie sich mit der Asche verbrannter Erde verwurzelten und sie nie mehr gehen konnten, wohin es sie zog.
...Da griffen die uns Verwandten sich ihren Kopf und teilten das Hirn in zwei Hälften und betteten es in eine Grube und bedeckten diese mit den Ästen eines noch jungen Baumes.
...Da kamen wir in Gestalt sterbender Vipern und spritzten das Gift des Vergessens in ihre Gehirnhälften. Und als sie endlich vergaß, was zu vergessen notwendig war, konnte sie gehen, wohin es sie zog.
im Licht aufgehender Sonnen entschwand sie schließlich
unseren Blicken, für immer...