Lama Chime Rinpoche

Kir

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Lama Chime Rinpoche


Heute war ein besonderer Tag. Das Licht war schön, die Knospen kommen.
Ein echter tibetischer Lama, die soundsovielte Inkarnation von demunddem, hielt in der Nähe einen Vortrag. Ich und ein Freund gingen natürlich hin, wohlwissend, dass wir eine halbe Stunde früher erscheinen mussten, um überhaupt einen Sitzplatz zu bekommen. Am Tag vorher gab es einen ähnlichen Vortrag von ihm und da hatte sich unser Unwissen zu unserem Schaden ausgewirkt, weil wir kurz vor Veranstaltungsbeginn auf einen komplett überfüllten Saal stießen.

Als er lieblich lächelnd hereinkam, standen alle andächtig auf, wie man es von den amerikanischen Gerichtsfilmen kennt. Er ist klein und dünn, so wie man sich Tibeter vorstellt, und in einen hübschen, roten Umhang eingekleidet. Beim Durchgehen durch eine, eigens für ihn im überfüllten Raum gebildete, Gasse, gab er vielen Menschen die Hand und lächelte sie an. Es waren viele seiner Schüler darunter; sie bewegten ihre gefalteten Hände zum Gruß auf die Stirn, das Gesicht etc.

Er sprach nuschelig, bis zur Unkenntlichkeit undeutlich,
und wahrscheinlich habe ich heute abend schon die Hälfte vergessen von dem, was er gesagt hat. Doch einige Geschichten finde ich erwähnenswert im Zusammenhang, in wie weit es für einen "Westler" möglich ist, die "Erleuchtung" zu erlangen.

Die erste handelte von einem Schafsschlächter, der, Tag ein, Tag aus, dutzende Schafe auf einer Wiese umbrachte, während ein Eremit und Mönch auf einem Berg in der Nähe mehrere Jahre meditierte.
Zum Mittag eines Tages, der Schlächter hatte gerade wohl hundert Schafe erledigt, wollte er eine Teepause machen.
Da bemerkte er, wie ein Schaf verzweifelt versuchte, sein Schlachtmesser vor ihm zu verstecken. Als er diese selbstlose Tat sah, regte sich sein Herz vor Barmherzigkeit und in einem Anfall von Schuld rannte er im Wahn den Berg hoch, der vor seiner Weide lag, und stürzte sich von einer hohen Klippe hinunter, um sich das Leben zu nehmen. Doch er flog durch die Luft wie ein Vogel.
Dies wiederum sah der Mönch aus seiner Höhle und da dachte er sich: "Mensch, dem Schlächter da kommt die Gabe des Fliegens zuteil und ich meditiere hier jahrelang, um die Erleuchtung zu erlangen. Dann werde ich mich auch von der Klippe stürzen."
Sogleich rannte er aus seiner Höhle und stürzte sich vom Berg, wobei er nicht nur seine Mönchskutte an einen Ast verlor, sondern sich auch den Hals brach.

"Die Kutte hängt heute noch da."
(Witz von Lama Chime Rinpoche)

"Daran sehen wir, dass es wirklich von der Einstellung abhängt, wie wir voran kommen. Der Mönch stürzte sich im Neid auf den Schlächter vom Berg."
(Ernst von Chime)

Die zweite Lektion, ja eigentlich eine der ersteren des Vortrags, war die über die ständige Nabelschau des Westens auf die Umweltverschmutzung, Nahrungsmittelverseuchung, Luftverschmutzung usw.
Und was ist mit der Verschmutzung des Geistes, fragte Lama Chime Rinpoche, sollten wir unser Augenmerk nicht auch darauf richten?


Zur Frage der Ursache von Leid oder der Suche nach ihr:

Wenn ein Reh, sagen wir ein Kitz, bei der Tränke von einem Jäger mit seinem Bogen beschossen wird, und wir gerade daher kämen und sähen es von einem Pfeil durchbohrt da liegen, was würden wir tun, um weiteren Schaden zu vermeiden? Wahrscheinlich voller Wut den Jäger suchen, um ihn zu stellen, meinte Lama Chime. Dabei wäre es doch so viel klüger und dem Leid des Rehs angemessener, wenn wir erst den Pfeil aus der Wunde ziehen würden! Frühestens dann können wir den Jäger jagen und ihn von seinem Tun abhalten.

"Dann erst können wir ihn (den Jäger) packen!" (Chime zu dem Suchen nach dem Jäger)


Ich glaube, die Frau des Lamas und auch seine Schwester liessen ihr Leben im Gefängnis. Sein Vater verbrachte 20 Jahre dort. Lama Chime selber ist, als einer der letzten Lamas, in Tibet, in der "alten Welt" - dem Osten, geboren, er musste Ende der 50er sein wunderschönes Land verlassen.
Seitdem zieht er, so wie heute für den Vortrag, um die Welt, um uns an den Lehren Buddhas teilhaben zu lassen.

Wie er da saß und selig lächelte bei seinen lebendigen Reden: seine Augenbrauen gingen auffallend nach oben, wenn er die Augen weit aufriß - es strahlte ungemeine Güte aus. Die Übersetzerin kam kaum nach mit Schreiben; wenn sie sprach, schloss er die Augen, die warmen Hände zärtlich um eine Gebetskette gelegt.
Was für ein großer Mann!

Er möchte nicht an der Vergangenheit rühren, sagte Lama Chime zu den Vorkommnissen, die ihm, seiner Familie, und seinem Land zugestoßen sind.
Nur, sagte er hinzufügend, mutete es ihn schon etwas befremdlich an, als eines Tages ein großer Lama zu ihm kam, um ihn in einer Sache um Rat zu bitten.
-"Wie?", sagte Lama Chime, "Weshalb wendest du dich dabei an mich? Wie kann ich helfen?"
-"Du bist eine der letzten, die aus Tibet stammen, du bist ein alter Lama.", entgegnete der andere.
Da begriff Lama Chime, dass er, ohne es zu merken, von einem jungen zu einem alten Lama geworden war.


Ich werde diesen Tag nie vergessen, dieses Gefühl, aus dem Saal heraus zu treten und zu atmen, das Licht strahlte.

- Kir


Mein Name ist Kir, geboren im Osten, gelebt im Westen, im Herzen die Mitte.
Sie haben mich auserkoren, für Tibet zu kämpfen.
Für Milarepa, "Milla, der Baumwollkleider trägt".
Sein Vermächtnis habe ich bekommen.
Deshalb bin ich hier.
 



 
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