Larissa und Mary

Anysa

Mitglied
Larissa und Mary

Larissa war ein kleines, braunhaariges Mädchen im Alter von 6 Jahren. Sie war ein fröhliches und aufgewecktes Kind, das die Natur liebte und viel im Garten ihrer Eltern spielte. Ihre langen Haare trug sie gern zu zwei Zöpfen gebunden, die mit ihr um die Wette hüpften. Die braunen Augen von Larissa fingen täglich die Sonnenstrahlen ein und spiegelten diese überallhin wieder, egal wo sie war.
Das kleine Mädchen hatte eine Freundin. Diese war deutlich kleiner als sie und hatte Ohren wie eine Fledermaus. Sie begleitet Larissa überall hin, schleckte sie regelmäßig ab und wich nie von ihrer Seite. Mary schlief neben Larissas Bett. Wenn ihre Eltern das Kinderzimmer verlassen hatten, holte sie die Brabancondame aber in ihr Bett und schmuste noch eine Weile mit ihr. Sie teilten alles miteinander und wenn es das Essen war. Mary saß unter dem Tisch neben Larissa und wartete geduldig auf die Wurstschnitte, die das kleine Mädchen wie selbstverständlich fallen ließ. Larissas Eltern tolerierten dieses Verhalten, waren es doch beide noch Kinder.
Mary hatte ein wunderschönes schwarzes Fell, daß in der Sonne genauso glänzte wie Larissas Augen. Wenn das Mädchen nicht zu Hause war, dann lag Mary vor der Haustür und wartete geduldig auf ihre Rückkehr. Schon von weitem spürte Mary das Nahen ihrer Freundin und stand mit wedelndem Schwanz vor der Tür. Die Wiedersehensfreude beider war herzzerreißend.

Eines Tages wurde Larissa schwer krank. Über Wochen hinweg hatte sie Fieber und Schüttelfrost. Mary wich nicht von ihrer Seite. Der kleine Hund fraß kaum etwas und ging nur noch selten vor die Haustür. Als Larissa Schmerzen hatte, spürte dies die Brabancondame und horchte auf. Mit ihren kleinen Pfoten versuchte sie auf das Bett zu steigen, jedoch ohne Erfolg. Daraufhin ging sie zu Larissas Eltern und zeigte lautstark ihren Unmut. Die Eltern folgten ihr und sahen das Dilemma. Obwohl sie etwas gegen Hunde im Bett hatten, setzten sie Mary auf das Kinderbett. Vielleicht half der Hund bei der Genesung ihres Kindes. Sie lief zum Kopfkissen und schleckte die Wange der kleinen Kranken ab. Das Mädchen gab einen Laut von sich und sprach Marys Namen aus. Daraufhin legte sich der Hund neben Larissa und schmiegte den Kopf auf ihre Brust. Das Mädchen hörte auf zu zittern und schlief ruhig ein.

Die Krankheit wollte ihr Opfer aber nicht los lassen und es ging dem Mädchen täglich schlechter. Mary kroch unter die Hand ihrer Freundin und Larissa spürte das samtweiche Fell. Sie bewegte die Finger, ein schwaches Lächeln huschte über ihr Gesicht und sie sagte: „Ah, Mary ist da. Das ist schön.“

Eines Nachts wachte Mary auf und spürte ihre Freundin nicht mehr. Ihre Hand lag leblos neben dem Hund. Mary stand auf und ging zu Larissas Kopf. Ihre Brust bewegte sich nicht mehr, die Atmung war stehen geblieben. Der Hund stupste das Mädchen an, doch sie reagierte nicht. Mit der kleinen Zunge fuhr Mary über ihre Wange, wie so oft und wartete auf ein Lachen. Wieder und wieder stupste Mary sie an, leckte ihr über das totenblasse Gesicht.
Irgendwann merkte Mary, daß ihre Freundin die Augen nicht mehr aufmachen würde und legte sich hin. Den Kopf auf die Brust des toten Mädchens gebettet, die Fledermausohren gesenkt, wartete sie.

Mary war bei der Beerdigung dabei. Sie stand zwischen den Menschen und nahm nicht den Blick vom Grab ihrer Freundin. Die Ohren gesenkt, die Haltung gebeugt, gab sie keinen Laut mehr von sich. Der kleine Stummelschwanz bewegte sich schon lang nicht mehr, denn sie hatte ihre einzige Freude verloren.
Larissas Eltern nahmen den kleinen Hund mit nach Hause, doch Mary lief immer wieder zurück zum Friedhof. Vielleicht kam Larissa ja zurück. Dann könnten sie wieder spielen, sich in der Sonne liegend in die Augen schauen. Doch das Mädchen kam nicht zurück zu Mary.

Die Brabancondame hörte auf zu fressen und blieb immer länger am Grab liegen.
Eines Tages, als Mary schon lang nicht mehr nach Hause gekommen war, gingen die Eltern auf die Suche. Es war mittlerweile Winter und es hatte über Nacht geschneit. Die Mutter ging einer Ahnung nach und begab sich zum Friedhof.
Dort lag Mary, zusammengesunken auf Larissas Grab. Der Schnee hatte ihren toten Körper fast vollständig bedeckt.
„Sie starb an gebrochenem Herzen“, sagte die Mutter traurig und es war, als sei Larissa nun endgültig gestorben.
Sie ließen Mary einäschern und verstreuten die Asche auf Larissas Grab. Auch wenn dies verboten war, so sollten doch die beiden Freundinnen für immer vereint sein. Ein Bild von Mary wurde auf Larissas Grab gestellt und die Eltern brachten immer beiden einen Blumenstrauß mit.
 



 
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