Leichen Im Keller

ViktorS

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Ein lautes Donnern ließ ihn hoch schrecken. Regen prasselte an die Scheibe des gemütlich eingerichteten Schlafzimmers. Sein Rücken und Bauch schmerzten. Er wischte sich den Schweiß von der Stirn, als das Unwetter einfach verstummte. Die dunklen Wolken verschwanden. Der Mond begann ein schwaches Licht in den Raum zu werfen. Seine Hand bewegte sich in Richtung Nachttischlampe, vorbei an einem Foto seiner Frau. Doch die Lampe funktionierte nicht. Er konnte nur schemenhaft Dinge erkennen und tastete vorsichtig die andere Seite des Bettes ab. Alles was er fühlte waren Vertiefungen, wo eigentlich der warme Körper seiner Frau liegen sollte. Er spürte einen kalten Hauch auf seiner Hand und zog sie blitzschnell zurück. Panik machte sich in ihm breit.

In ihm keimte plötzlich der Wunsch, in den Keller zu gehen. Dieses Verlangen wurde so stark, das es die Panik verdrängte. Er gab diesem Drang schließlich nach und nahm die Überprüfung des Sicherungskastens, im Keller, als Vorwand. Langsam tastete er sich durch das dürftig beleuchtete Haus. Vorbei an unnützem Hausrat, der sich über die Jahre angesammelt hatte. Er erreichte die Kellertür. Neben ihr war eine Kommode, in der sich eine Taschenlampe befand. Ihre Batterien waren schwach und sie spendete zu wenig Licht. Er ließ sie liegen.

Langsam schloss sich seine linke Hand um die Klinke. Sie war ungewöhnlich kalt, was ihn verwunderte. Dennoch öffnete er die Tür. Er schaute in die Dunkelheit und der Weg nach unten glich einem Höllenschlund, der alles zu verschlucken schien. Allerdings kannte er den Keller auch im Dunkeln. Er hatte keine Angst hinunter zu gehen, denn er war sehr oft hier unten gewesen, bevor er seine Frau kennen lernte. So ging er in die Dunkelheit hinab und erinnerte sich, welche einmalige Macht er hier hatte. In ihm keimte der Wunsch, auch einmal seine Frau mitzunehmen und ihr Dinge zu zeigen, an die sie nicht einmal im Traum dachte. Langsam verschlang ihn die Dunkelheit.

Acht Schritte nach vorn und vier nach links. Er stand nun vor einer Wand. Dort befand sich aber nicht der Sicherungskasten, sondern ein rundlicher Stein. Aufgeregt drückte er diesen in die Wand. Ein Ächzen und Stöhnen eingerosteter Zahnräder dröhnte durch den Keller und die Wand fing an sich zu bewegen. Das schwache Licht einer Deckenlampe begann einen Raum zu beleuchten. In dessen Mitte befand sich ein Tisch und er ließ seinen Blick langsam über ein weißes Leinentuch gleiten. Die Form eines weiblichen Körpers war erkennbar. Langsam näherte er sich dem Tisch. Noch einmal wollte er sie sehen, sie anfassen und die Macht spüren. Die Deckenlampe flackerte und seine Hand näherte sich ganz langsam dem Tuch. Er zog es vorsichtig zu sich, doch wandelte sich seine Neugier plötzlich in Entsetzen. Er blickte in ein vertrocknetes Gesicht, in dem die letzten schmerzhaften Momente eines jungen Lebens konserviert waren. Er schreckte zurück, konnte aber nicht den Blick von ihr lassen.

Mit einem lauten Krachen schloss sich die geheime Tür. Er zuckte zusammen. Sein Herz fing an zu rasen. Wieder starrte er in ihr Gesicht. Von einem Knacken begleitet, drehte sie ihm den Kopf zu. Er fing an zu zittern und wich zurück. Die Deckenlampe flackerte nun immer heftiger und erlosch plötzlich. Der Raum war in völlige Dunkelheit gehüllt. Neben seinem lauten Atmen, hörte er nur das Knacken alter Knochen. Es kam immer näher. Er stolperte immer weiter zurück, bis die Kellerwand ihn stoppte. Langsam krallten sich seine Fingernägel in das Mauerwerk. Das Knacken schien nun ganz nah, doch plötzlich war nichts mehr zu hören. Sein Brustkorb hob und senkte sich. Er atmete schnell. Irgendwie hatte er das Gefühl, das ihn etwas beobachtete. Doch er konnte nichts tun, außer in die Dunkelheit zu starren.

Er spürte plötzlich einen kalten fauligen Atem in seinem Gesicht. Etwas Nasses fuhr über seine Wange. Er wollte weg, doch konnte sich nicht mehr bewegen. Sein Körper war betäubt. Etwas packte ihn an den Haaren und riss ihn nieder. Langsam wurde er über den Boden geschliffen. Sein Verstand war klar, doch sein Körper gehorchte nicht mehr. Unsanft wurde er auf den Tisch geworfen.

Er spürte wie er an Händen und Füßen gefesselt wurde. Ein Rucken ging durch den Tisch und verrostete Zahnräder fingen an zu rattern. Er wusste was passieren würde und er spürte ein Ziehen in seinem Körper. Langsam gingen seine Arme und Beine auseinander. Er wollte schreien, doch er brachte keinen Ton heraus. Ein verdörrter Finger legte sich auf seine Lippen und ein ächzendes: „Bald darfst du Schreien, noch sind wir nicht vollzählig.“, durchdrang die Dunkelheit. Der Finger verschwand, der Tisch gab Ruhe und nur sein Herzschlag war zu hören. Mit genau der selben Gewalt wie es gegen sein Brust klopfte, schlug etwas gegen die zugefallene Tür. Immer und immer wieder durchdrang dieser Lärm den Raum. Er wollte ohnmächtig werden, doch er konnte nicht. Nichts war geblieben von dem Machtgefühl.

Ein Krachen ließ in zusammen zucken. Etwas musste die Tür aus den Angeln gerissen haben. Er hörte ein Schlurfen und Stöhnen, was sich in seine Richtung bewegte. Ein fauliger Geruch erfüllte den Raum. Er versuchte die Dunkelheit mit seinen Blicken zu durchbohren, doch nichts war zu erkennen. Das schlurfen verteilte sich rings um seinen Tisch und verstummte samt dem Stöhnen. Nur ein leises Atmen war zu hören.
„Wir haben dich vermisst und nun werden wir uns um dich kümmern, wie du dich um uns gekümmert hast.“, ächzten sechs Stimmen. Er spürte wie faulige Hände ihn sanft seiner Kleidung entledigten. Langsam spürte er seinen Körper wieder.

Kaltes Metall glitt über seine Haut. Etwas lief an ihm herunter. Er versuchte zu sprechen und ganz leise kamen ein paar Worte aus seinem Mund: „Bitte nicht. Ich will nicht sterben. Es tut mir Leid, was ich getan habe.“ Das kalte Metall hörte auf sich über seinen Körper zu bewegen, doch aus der Dunkelheit kam keine Antwort. Er hörte nur ein Atmen.

Das Licht ging wieder an. Er blickte entsetzt auf sechs, von Verwesung überzogene, Gestalten und auf die blutigen Messer in ihren Händen. Sein Blick ging Angst erfüllt an seinen Körper hinab und er sah überall blutige Hautfetzen herab hängen. Angst machte sich in ihm breit. Eine der Gestalten bewegte sich auf ihn zu und röchelte: „ Bitte um dein Leben. Du willst doch hier nicht sterben.“. Er schluckte und konnte seinen Blick nicht von ihrem verfallenen Gesicht lösen. Erinnerungen kamen plötzlich in ihm hoch. In ihnen stand er über einen weiblichen blutverschmierten Körper gebeugt und stellte dieselbe Frage. Ein kleiner Hauch von Macht durchströmte seinen Geist. Doch er wurde jäh aus seinen Erinnerungen gerissen. Eine kalte Hand legte sich um seinen Hals. Wieder röchelte die Gestalt: „Noch immer keine Reue. So oft war er nun schon hier und immer noch keine Reue. Acht Wochen, sechs Tage, drei Stunden und sieben Minuten hast du hier verbracht und uns gequält.“ Er wollte etwas sagen, doch die Gestalt drückte ihre Hand zusammen: „ Kein Wort kann dich mehr retten, sobald ich los lasse wirst du wieder Schmerzen spüren. Acht Wochen, sechs Tage, drei Stunden und sieben Minuten wirst du leiden. Du darfst auch schreien, wenn du willst, dir wird die Luft nicht ausgehen. Fühle!“. Die Gestalt nahm ihre Hand von seinem Hals. Er spürte ein Kitzeln und fing an zu lachen. Die Gestalten griffen unter seinen Tisch und holten allerlei Gerätschaften hervor. Noch immer lachte er. Doch dann erstarrte sein Gesicht und er riss die Augen weit auf. Das Kitzeln wich langsam einem unvorstellbaren Schmerz. Er sah was die verwesenden Körper mit ihm anstellten und er fing an zu schreien, ohne Unterbrechung.

Ein lautes Donnern ließ ihn hoch schrecken. Ihm tat alles weh. Er wusste nicht wieso, doch irgendwie fühlte er sich ein wenig schuldig. Dieses Gefühl verflog jedoch recht schnell, als er an seinen Keller dachte.
 



 
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