Leuco the Cyte meets Malign the Kid (Bio-Fiction)

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Sparky

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Leuco fand, dass heute ein guter Tag sei. Das Plasma trieb ihn lose. Die blanken Wände berührte er nur kurz, stieß sich wieder von ihnen ab. Er würde einfach nur so pirschen gehen. An einer kleinen Unebenheit hielt er sich fest. Seine Membran flatterte in der Strömung. Wie immer stiegen Vesikel an seine Oberfläche, ergossen sich auf die Trennlinie der Endothelzellen. Seine Spucke zersetzte die Klebe-Proteine. Er tastete sich voran, blind wie immer. Stolz erfüllte ihn als er sich durch den kleinen Spalt zwängte, seinen Zellkern durchs Nadelöhr zog als sei er noch ein frischer Leucocyt. Das sollte ihn mal einer der Knochenmarksfrischlinge nachmachen. Unauffällig schlängelte er sich durch das Bindegewebe. Vor sich ätze er den Weg frei, hinter ihm verschlossen brave diensteifrige Zellen die Wunden mit Gespinst aus Zucker und Proteinen. Leise bebten die Membranen vor ihm, ein erfreutes Seufzen entrangen sich die hinter ihm. So sollte es sein. Diese Ehrfurcht vermittelte ihm, dass alles in Ordnung war. Ob Furcht oder Freude der Grund, war ihm egal. Sein Leben lang würde es so sein, hatte es so zu sein. Wenn nicht so hatte er das zu ändern.
Hin und wieder träumte er von einem würdigen Tod. In der Lunge patrouillierend, Bakterien verschlingend, gegen eine Übermacht kämpfend, seine Verdauungsenzyme aufbrauchend, nur noch ein letzter todbringender Akt. Mit schwindender Kraft in die Bronchien kriechend, dort von traurigen Cilienzellen zum Kehlkopf hinaufgewimmpert, ausgeschieden, außerhalb der Heimat sterbend, wissend seine Heimat vor gefährlichen Feinden bewahrt zu haben. Das war ein guter Traum. Aber es gab auch einen schlechten, sehr schlechten. Er fand sich in Lungenbläschen wieder mit vergifteten halb verwesenden Zellen, schwarzes Zähes klebte an ihm. Er reinigte die noch lebenden, fraß die Verschiedenen. Schlecht wurde ihm, übel. Ohne klare Gedanken kroch er zu den Knorpelröhren durch die eine rauchige Luft pfiff. Die Cilien trugen ihn nicht leichten Schlages empor. Sie klebten wie trockener Tang aneinander. Er kroch mit der Ewigkeit gemeinsam weiter, immer weiter. Sein Ziel erreichte er nie, vorher verging er, über sich das graue Pfeifen unter sich das bewegungslose Cilienmeer.
Heute war kein Tag für Träume. Er grub sich seinen Weg frei, freute sich an dem Zuckergehalt der ihn umgebenden Flüssigkeit. Hormone schwammen in ihr, aber keines passte auf seine Receptoren. Es war schön nicht von irgendeinem Notfall gerufen zu werden. So alleine auf Streife, das war sein wahres Vergnügen. Er näherte sich einer Gruppe gut differenzierter Zellen. Sie arbeiteten auf Hochtouren. Was genau eine Zelle tat war ihm gleichgültig, er spürte schon, wenn sie etwas falsches tat. Mit Tausenden Körperpassagen hatte man das in den Receptoren, pflegte er in den Lymphknoten zu scherzen. Alles war normal.
Schon wollte er abbiegen, andere Gewebe kontrollieren, da spürte er ein verräterisches Ziehen in seiner Membran. Etwas hatte angedockt, einen Receptor aktiviert. Es war nur ein Receptor aber er nahm das nicht auf die leichte Schulter. Verdächtig war das, warum nur einer nicht hunderte. Ein Vesikel brachte den Receptor ins Zellinnere, sah wirklich ganz verdächtig aus. Hier irgendwo hatte er sich versteckt. Einer dieser böswilligen Truppe. In der letzten Zeit tauchten diese Typen immer wieder in einem Gewebe auf. Brachte man einen von ihnen um, so sprossen sie woanders aus dem Plasma. Eine wahre Plage. Nutznießer, Schmarotzer, wollten nicht arbeiten, nichts zum Wohlstand beitragen. Sich vermehren, Blutgefäße für sich allein haben, wuchern. Das war ihre Natur. Er würde keinen dieser Typen in seinem Revier dulden. Wütend streckte er seine Membran aus. Sie zerstob in langen schnuppernde Finger. Noch zwei solche Moleküle auf einem Receptor und er wüsste, wo sich der Kerl versteckte. Er konnte warten, wenn es sein musste. Die Gewebszellen um ihn gewöhnten sich an seine Anwesenheit. Das flatterhafte Zittern ängstlicher Erregung verschwand von ihren Membranen. So nun würde er sich sicher fühlen. Keine Aufregung kündete von einem patrouillierenden Leuco. Aber dieser Bursche war zäh. Erst Millionen von Herzschlägen später trafen weitere Moleküle auf Leuco. Leuco lächelte, seine Mitochondrien schwangen vor Freude und Betriebsamkeit, das endoplasmatische Reticulum bäumte sich auf. Proteine des Todes, Säuren der Vernichtung sammelte Leuco in seinen Vesikeln. Er blubberte aufgefüllt mit Hass auf Fremdartigkeit. Unauffällig setzte er sich in Bewegung. Das Zittern der Zellen wollte er vermeiden. Er tarnte sich als gewöhnliche Gewebszelle. Kroch unmerklich, doch stetig auf den Feind zu. Die Konzentration der Stoffwechselabfälle wurde stärker. Es wies alles daraufhin, dass .... . ‘Scheiße, ich muss mich beeilen, sonst ist es zu spät.’ Leuco the Cyte verfluchte seine Vorsichtigkeit, preschte voran, verlor die Deckung. Egal war das nun. Es zählte jeder Pulsschlag.
Da lag Malign the Kid vor ihm, fett, aufgedunsen, bereit zur Teilung,. Schon näherte sich müde wachsend ein Blutgefäß zu seiner Versorgung. Leuco the Cyte war bestürzt über das, was er fühlte.
‘Hey Malign, Deine Stunde hat geschlagen. Noch kannst du freiwillig sterben!’
‘Ihr Leucos seid doch alle gleich. Glaubt, ihr könnt mit dem Quatsch von freiwilliger Selbstaufgabe was bewirken. Schau her, gleich teile ich mich. Dann kannst du’s ja uns beiden erzählen!’
Stoßwellen der Verachtung trafen Leuco. Er platze vor Wut, gab Lockstoffe frei, holte Hilfe. Trotzdem es würde einige Zeit brauchen bis andere Leucos kamen. Zwei Maligns konnte er nicht im Zaum halten. Einer würde entwischen. Schnell ohne Rücksicht auf Gewebe oder Zellen, würde dieser sich den Weg freisprengen.
Leuco überlegte, währenddessen spürte er das Ächzen sich trennender Chromosomen, wie sie durch das Zellplasma gezogen wurden, die Kernmembran sich wieder aufbaute. Jetzt musste er handeln, jetzt. Zum Wohl seiner Heimat, zum Wohle des Körpers.
‘Jetzt oder Nie.’
Malign the Kid schrak für den Moment einer enzymatischen Reaktion zusammen. Seine Lipide spürten den Aufprall der Säuren, der Radikale. Er spie Mitochondrien vor Schmerz, gab nicht auf. Verschloss die Löcher, peitschte seine Teilung voran, wollte nicht sterben.
Leuco schob Vesikel um Vesikel, gefüllt mit den Todesboten vorwärts, doch es waren zu wenig, um ihn zu töten. Malign erholte sich von den Angriffen, Leuco ging die Munition aus. Leuco sah nichts, wie immer, aber er spürte eine Macht aufflackern. Seine innere Uhr rastete ein, hatte sich umgestellt, die Stunden rannen nun für ihn. Seine Stunden. Seine Mitochiondrien verbrauchten den letzten Zucker. Die Nucleinsäuren wurden nun zersetzt. Er würde sie nie mehr brauchen. Die Zellkernmembran zerfiel. Die Synthese der Proteine musste um jeden Preis am Laufen gehalten werden. Der Todescoktail musste intensiv sein. Leuco bebte in Agonie. Seine Zellmembran zersetzte sich. Sie verschmolz mit der von Malign the Kid. Malign wehrte sich, doch was konnte er tun, sie waren ein Körper. Kanäle bauten sich auf durch die die Boten der Zerstörung ungehindert in Maligns Bewusstsein wandern konnten. Malign wollte nicht sterben, nicht Selbstmord machen, aber die Biochemie war stärker als er, die Moleküle dockten an den richtigen Receptoren an. Die Todessequenzen von Maligns DNA wurde aktiviert. Er krampfte sich zusammen, wollte sich retten, aber die Maschinerie in seinem Inneren war angeworfen. Er stürzte wie ein Schwindliger aus der Höhe des Lebens in die Tiefe des Vergessens zum Wohle des Organismus.
Als die panisch gerufenen Leucos eintrafen, schwebten sie in einem Feld der Zerstörung. Unschuldige Zellen waren verletzt worden aber in der Mitte fanden sie die Reste von zwei Maligns und Leuco the Cyte.
Das war ein Tod wie man ihn sich nicht besser wünschen kann, dachte sich ein Knochenmarksfrischling.
 

poppins

Mitglied
Hallo Sparky,
nette Idee, ein Drama im menschlichen Körper. Obwohl, so GANZ neu nicht (seit Otto Waalkes' "Großhirn an Faust, ausfahren!")
Aber o.k. Du machst das ja auf Zellularebene. High Noon im Lymphatischen System :D
Mit einem Text wie Deinem könnte man (nach kleiner Überarbeitung) sicher Biologie-Leistungskursbücher, Kapitel Immunsystem etwas auflockern ;)
Ein paar Anmerkungen hätte ich (ohne Anspruch auf Vollständigkeit):

- für Nichtbiologen ist Dein Text sicher sehr schwer zu lesen, da Du (u.a.) sehr viele Fachbegriffe verwendest (Mitochondien, endoplasmatisches Retikulum etc.)

- für Leute vom Fach hingegen ist irritierend, dass Du das fachlich Korrekte nicht durchziehst. Beispiel: "Trennlinie der Endothelzellen", Klebe-Proteine...

Und noch was anderes:
"Sie zerstob in langen schnuppernde Finger" - wie ein kleiner Rechtschreibfehler manchmal doch den Lesefluss behindert, da musste ich dreimal lesen, bis ich's raushatte

"Erst Millionen von Herzschlägen später trafen weitere Moleküle auf Leuco."
Bei Durchschnittlich 72 Schlägen pro Minute eine ganz schön lange Pause.

"Diese Ehrfurcht vermittelte ihm, dass alles in Ordnung war. Ob Furcht oder Freude der Grund, war ihm egal. Sein Leben lang würde es so sein, hatte es so zu sein. Wenn nicht so hatte er das zu ändern."
Würde ich vielleicht rausstreichen, es ist überflüssig, finde ich (ist auch wegen des Kommafehlers schwer verständlich).
Auch den Anfang der Geschichte würde ich etwas kürzen, - vielleicht auch ein wenig umformulieren, "das Plasma trieb ihn lose" klingt sehr seltsam. Außerdem klärt der nächste Satz, wie er sich bewegt, "lose" ist davor völlig überflüssig.*

So, und jetzt gib' zu, das Du auch ein Biologe bist ;) :D
...

Grüsse von poppins
 

Sparky

Mitglied
Hy Poppins,

'Whhhoau', fundierte Kritik, das ist gut. Damit läßt sich nämlich was anfangen oder eben beenden (Überarbeitung).

Otto ist sehr gut, um nicht zu sagen 'gutt' (besonders die Milz).
'Yeahh!'

Tja, Kommas gehören nicht zu meinen Stärken, auch kleine Schreibteufel leben im Biotop meines Compis.
Hab' das mit den Herzschlägen nachgerechnet, unter 10 Tagen regungslos daliegen geht sich nichts aus. Das ist aber wirklich zu lang. *michingrundundbodenschäme* ;-)

So grundsätzlich denke ich, dass Immunsystem und Zellbiologie spannender und packender ist als sie gemeinhin vermittelt wird. Besonders deutschsprachige Fachbücher (Ausnahmen bestätigen die Regel) zeichnen sich häufig durch einen hohen 'Gähnfaktor' aus.
Wäre nett eine Soap über Zellen unter sich zu machen.

Als letztes ein großes 'OUTING':
Ja, ich bin Biologe.

(Es kann nicht nur einen geben! Biolander :))

Grüße Sparky
 



 
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