Anna Osowski
Mitglied
Liebe Eltern,
heute schlägt mein Herz wieder so laut, dass ich mich davor verkriechen möchte. Dumpf legt sich der Tag wie alle anderen auf die Welt und lässt das Leben erstarren. Gefühle huschen linkisch wie Ratten durch die stillen Winkel meiner Seele. Trübe Schatten nur. Immer wieder versuche ich aufzustehen, aber ein gewaltiger Stein hält mich am Boden. Mein Körper ganz schwer. Ich habe heute ein Bild gemalt, das würde ich Euch so gern zeigen. Aber Ihr könnt noch nicht einmal die Farben erkennen. Kaum erinnere ich mich an Euer Lachen. Habe ich Euch jemals lachen gesehen? Habe ich Euch jemals weinen gehört? Ich kann mich nicht erinnern. In mir ist stetige Dämmerung, als wolle die Sonne einfach nicht mehr aufgehen. Warum habt Ihr mir dieses Zimmer gegeben mit den dicken grünen Vorhängen, die kein Licht durchlassen. Ein Zimmer, in dem es immer und immer dunkel ist...
Dieses zähe Atmen. Ich weiß nicht, was das ist. Vielleicht liegt es an den kleinen, gelben Pillen, die sie mir seit ein paar Tagen geben. Sie fragen nach Euch. Immer wollen sie etwas über Euch wissen. Aber ich kann ihnen nichts sagen. Der Doktor bohrt in meinen Augen, in meinen Ohren, in mir. Er will so vieles wissen. Dann ist immer diese Schlinge um meinen Hals, so dass ich nicht sprechen kann. Aber sie sind stärker als ich. Sie wollen etwas hören. Und deshalb erzähle ich ihnen etwas. Irgendetwas. Nur, damit sie mich in Ruhe lassen. Der Doktor schaut meine Bilder an und dann bekommt er ständig Furchen auf seiner bleichen Stirn. Ich möchte ihn beruhigen und die Furchen weg streichen, die wie aufgewühltes Wasser mir anklagend entgegen schreien. Aber er verlässt das Zimmer mit den Furchen und zurück bleibt eine winzig kleine Ahnung. Und sobald ich mit dieser Ahnung allein bin, zertrete und zertrampele ich sie, denn ich kann sie nicht ertragen.
Der gallig-gelbe Raum, in dem ich die meiste Zeit des Tages verbringe, hat einen unerträglichen Geruch. Nach Erbrochenem und nach Verfaultem. Und dann denke ich, dass das Verfaulte schon längst in mir wohnt. Und dann möchte ich es heraus reißen. Und zertreten. Aber dann kommen sie und binden mir die Hände. Und die Beine. Und manchmal auch die Schreie.
Liebe Eltern, ich weiß nicht, wo ihr jetzt seid. Sie bekommen immer so ernste Gesichter, wenn sie davon reden. Ich habe doch noch Eure Schreie in den Ohren. Jede Nacht höre ich sie, deutlicher als ich Eure Stimmen je vernommen habe. Und das ist es doch auch nur, was ich wollte. Eure Stimmen hören. Ich höre sie, aber sie antworten mir nicht. Die Schreie verhallen in der Weite der Dunkelheit, aber sie treffen mich nicht, reichen nicht an meine Seele. Es ist, als hätte ich einen Stein ins Wasser geworfen: Jede Nacht sehe ich die Wellen, doch immer stehe ich am Ufer. Liebe Eltern, ich wollte Euch nicht weh tun, ich wollte nur Eure Stimmen heraus zwingen. Heraus brennen. Und nun steht da ein verkohltes Fundament. Unzählige schwarze, verrußte Steine. Und die Schreie ins Nirgendwo. Die niemand hört außer mir.
heute schlägt mein Herz wieder so laut, dass ich mich davor verkriechen möchte. Dumpf legt sich der Tag wie alle anderen auf die Welt und lässt das Leben erstarren. Gefühle huschen linkisch wie Ratten durch die stillen Winkel meiner Seele. Trübe Schatten nur. Immer wieder versuche ich aufzustehen, aber ein gewaltiger Stein hält mich am Boden. Mein Körper ganz schwer. Ich habe heute ein Bild gemalt, das würde ich Euch so gern zeigen. Aber Ihr könnt noch nicht einmal die Farben erkennen. Kaum erinnere ich mich an Euer Lachen. Habe ich Euch jemals lachen gesehen? Habe ich Euch jemals weinen gehört? Ich kann mich nicht erinnern. In mir ist stetige Dämmerung, als wolle die Sonne einfach nicht mehr aufgehen. Warum habt Ihr mir dieses Zimmer gegeben mit den dicken grünen Vorhängen, die kein Licht durchlassen. Ein Zimmer, in dem es immer und immer dunkel ist...
Dieses zähe Atmen. Ich weiß nicht, was das ist. Vielleicht liegt es an den kleinen, gelben Pillen, die sie mir seit ein paar Tagen geben. Sie fragen nach Euch. Immer wollen sie etwas über Euch wissen. Aber ich kann ihnen nichts sagen. Der Doktor bohrt in meinen Augen, in meinen Ohren, in mir. Er will so vieles wissen. Dann ist immer diese Schlinge um meinen Hals, so dass ich nicht sprechen kann. Aber sie sind stärker als ich. Sie wollen etwas hören. Und deshalb erzähle ich ihnen etwas. Irgendetwas. Nur, damit sie mich in Ruhe lassen. Der Doktor schaut meine Bilder an und dann bekommt er ständig Furchen auf seiner bleichen Stirn. Ich möchte ihn beruhigen und die Furchen weg streichen, die wie aufgewühltes Wasser mir anklagend entgegen schreien. Aber er verlässt das Zimmer mit den Furchen und zurück bleibt eine winzig kleine Ahnung. Und sobald ich mit dieser Ahnung allein bin, zertrete und zertrampele ich sie, denn ich kann sie nicht ertragen.
Der gallig-gelbe Raum, in dem ich die meiste Zeit des Tages verbringe, hat einen unerträglichen Geruch. Nach Erbrochenem und nach Verfaultem. Und dann denke ich, dass das Verfaulte schon längst in mir wohnt. Und dann möchte ich es heraus reißen. Und zertreten. Aber dann kommen sie und binden mir die Hände. Und die Beine. Und manchmal auch die Schreie.
Liebe Eltern, ich weiß nicht, wo ihr jetzt seid. Sie bekommen immer so ernste Gesichter, wenn sie davon reden. Ich habe doch noch Eure Schreie in den Ohren. Jede Nacht höre ich sie, deutlicher als ich Eure Stimmen je vernommen habe. Und das ist es doch auch nur, was ich wollte. Eure Stimmen hören. Ich höre sie, aber sie antworten mir nicht. Die Schreie verhallen in der Weite der Dunkelheit, aber sie treffen mich nicht, reichen nicht an meine Seele. Es ist, als hätte ich einen Stein ins Wasser geworfen: Jede Nacht sehe ich die Wellen, doch immer stehe ich am Ufer. Liebe Eltern, ich wollte Euch nicht weh tun, ich wollte nur Eure Stimmen heraus zwingen. Heraus brennen. Und nun steht da ein verkohltes Fundament. Unzählige schwarze, verrußte Steine. Und die Schreie ins Nirgendwo. Die niemand hört außer mir.