Liebe. Ungewissheit.

Echoloch

Mitglied
Schon ein merkwürdiger kleiner Mensch:

Da vertraue ich zum ersten Mal fühle mich geborgen als ob es auch für mich eine kleine gemeinsame Zweisamkeit keine Einsamkeit nie wieder Einsamkeit gäbe.

Und dann fangen die Zweifel an:

Nagen fiese in meiner Seele die sitzt mitten in meinem Bauch auch wenn Du sagst dass der ganze Körper die Seele ist und jedes Härchen ein Stück von ihr weiß ich dass meine Seele ihr Zentrum in meinem Bauch hat ich kenne die Stelle an der es schmerzt und von der aus sich Glück ausbreitet in tückischen Momenten des Scheins glaube mir so gut kennst Du mich noch nicht so weise bist auch Du nicht und so nah werde ich Dich nie kommen lassen dass Du bestimmen dürftest wo ich empfinde wie ich empfinde.

Wenn wir zusammen sind, spinnt sich um uns ein Kokon aus Zutrauen und Frieden:

So ging es mir noch nie es erscheint beinahe selbstverständlich und als müsste es auf alle Zeiten so sein wir harmonieren natürlich und ich weiß gar nicht mehr wirklich wie es vorher war all die Jahre der Angst und des Missbrauchs verschwunden stattdessen plötzlich dieses Gefühl dass so gar nichts mit den Dramen gemein hat die meinen Weg früher ausgezeichnet haben das verrückte verdorbene Zirkuskind mit all seinen Erfahrungen jenseits des gewöhnlichen biederen Lebens und nun gibt es keine künstliche Theatralik mehr stattdessen gemeinsames Atmen und Wachsen und Zwei die zusammen viel stärker sind als in der Summe ihrer Elemente.

Doch wenn Du fern bist, beginnt die Angst:

Ein Wort von Dir am Telefon das nicht ausreichend liebevoll klingt eine Äußerung die Dich betrifft und die ich doch nur auf mich beziehe eine Stunde in der Du kein Lebenszeichen von Dir gibst kein Rücksichtszeichen von Dir gibst kein Liebeszeichen von Dir gibst kein Zeichen von Nähe und viel schlimmer die grundsätzlichen Ängste bin ich gut genug mache ich alles richtig hast Du vergessen was vor uns war hast Du vergeben was vor uns war konntest Du überwinden was vor uns war bist Du offen für mich wo ich doch weiß dass wir für immer wären wenn es nur sein sollte soll es vielleicht nicht sein oder soll es gar sein und habe ich die Kraft Dich so lange loszulassen bis es endlich so weit ist dass ich Dich festhalten darf oder werde ich wieder alles zerstören bin ich es die immer alles zerstört wieso ist alles so einfach solange wir zusammen sind und so schwer so schwierig fast unmöglich sobald uns wenige Minuten trennen?

Und etwas später beginnt die Wut:

Wieso äußerst Du Dich nicht klar nimmst mir meine Ängste teilst Deine Sorgen mit meinen ich kann doch alles hinter mir lassen wieso kannst Du unsere Chance nicht erkennen oder weißt Du viel mehr als ich kenne ich Dich überhaupt nur einen Teil von Dir gibt es irgend eine Gemeinsamkeit oder bist Du ein grausamer Fremder der in mir einen fahlen Trost sucht ein höflicher Fremder der nette Momente in vorzüglichem Zuvorkommen genießt aber dafür bist Du zu nah doch es liegt an Dir dass ich Angst habe an Dir dass ich nicht weiß was wir sind an Dir dass wir nicht reden denn ich habe es versucht immer wieder und aus dem offenen Maul des dummen Fisches stiegen stinkende Blasen.

Wenn das Rasen gestorben ist und ich wieder zu mir komme, älter und verhärmter als vorher, erobert Klarheit das Bühnenbild:

Wieso rauschen die Ströme Blut durch meine wilden Gedanken werde Herrin meiner destruktiven Schutzmechanismen erkenne wieder den Moment der mich reicher beschert als jemals zuvor weiß mit einem Mal dass ich genießen sollte glücklich sein darf über alles was ist statt zu hadern über das was war nicht sein darf mich zerstören könnte spüre deutlich dass Deine Nähe gedeiht in meiner Atmosphäre aus Raum und Vertrauen schnell zu ertränken wäre in Druck und Angst darf Dich nicht spüren lassen wie klein ich eigentlich bin wie winzig ich wäre leicht zu zerquetschen muss diese Verantwortung von Dir fern halten ist nicht menschenmöglich so stark zu sein.

Ich atme durch. Noch immer Hoffnung in all der Aufruhr, Hoffnung nach all den grausamen Jahren. Ich bin sehr stolz. Wiege mich kurz verstumme Schnelldurchlauf Atmen wieder Ruhe. Ich werde alles richtig machen. Ausgang ungewiss.
 

wondering

Mitglied
Ach, was sind wir doch für gehetzte und in uns gefangene Wesen...

Dein Text hinterlässt mich, des Inhalts wegen, mit einem leichten Kloß im Hals. Die interessante Form unterstreicht eine nachfühlbare und allzu bekannte "Gedankenhetze".

Als Experiment empfinde ich den Text als durchaus gelungen.

Viele Grüße
wondering
 



 
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