Lieber Dichter

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strumpfkuh

Mitglied
Lieber Dichter,

ich bin so wütend, dass ich platzen könnte. Kannst du sie sehen zwischen den Wörtern, meine Wut? Am liebsten hätte ich sie dir ins Gesicht geschrieen, vorhin, aber ich weiß ja, dass es sinnlos gewesen wäre. Du hättest nur gerufen: „Ein Stift, wo ist ein Stift?“, um dann ein Gedicht über die Sinnlichkeit einer rasenden Ehefrau zu verfassen.
Also greife ich zu deiner Methode und schreibe meine Gedanken nieder. Vielleicht erreiche ich dich auf diesem Weg, irgendwo in deinen Tiefen, die ich bisher nicht ergründen konnte.
Bei allem Verständnis, zu dem ich fähig bin, musste es wirklich meine Doktorarbeit sein, auf deren Rückseite du deine Ergüsse schriebst? Sicher, ich weiß, dass wir kein Papier mehr im Haus hatten, eben deshalb kann ich diese Arbeit nicht einfach noch einmal ausdrucken. Wieso ich mich so aufrege, ich kann doch neues Papier kaufen gehen? Das werde ich dir sagen. Auch du hättest das tun können. Jawohl, auch wenn du es für unmöglich hältst. Auch ein Dichterherz kann in ein Geschäft gehen und einen Packen Papier erwerben. Es ist ganz einfach, du musst nur Geld dafür mitnehmen, und im Austausch dafür erhältst du fast alles, was du täglich benötigst. Probier es doch einfach einmal aus.
Du wirst ab jetzt dazu gezwungen sein, denn ich verlasse dich. Ja, da staunst du. Ich kann sie schon lesen, all deine sehnsüchtigen Texte, deine Tränen-fließen-lassenden Worte über dein gebrochenes Herz. Du wirst viel schreiben müssen. Besser gehst du sofort neues Papier kaufen, denn den Rest meiner Doktorarbeit nehme ich mit. Da kannst du Gift drauf nehmen.
Und falls es dich interessiert, wie es in meinem unpoetischen Herzen aussieht, dann lies nur weiter. Ich kann dir eine Menge erzählen.
Erinnerst du dich an die Katze, die vor unserem Haus von einem Auto angefahren wurde? Soll ich dir auf die Sprünge helfen? Es war an dem Tag, an dem du diese wirklich bewegende Geschichte schriebst über einen einsamen alten Witwer, der sich gerade von seinem Balkon auf die Straße stürzen wollte, in der festen Absicht, Selbstmord zu begehen. Da lief diese Katze vor ein Auto und wurde ein paar Meter weit weg geschleudert. Der Witwer also runter auf die Straße, die Katze auf seinen Arm genommen und hinauf getragen, in seine Wohnung. Er pflegte sie bis zu ihrem Tod und sah deren Ableben als ein Omen, selbst weiter leben zu müssen. Eine wirklich gute Geschichte. Rührend, zum Weinen. Aber du hast dich nicht ein einziges Mal erkundigt, wie es der wirklichen Katze erging, die dich inspiriert hatte und die in meinen -nicht in deinen- Armen gestorben war. Ich habe deine Dichterseele getröstet, nach dieser Geschichte. Aber wer hat mir Trost gespendet?
Ich erinnere mich auch an ein Geburtstagsgeschenk, das du mir vor ein paar Jahren gemacht hast. Weißt du noch? Du hast mir einen Gedanken geschenkt. Ein paar Worte auf einem alten Einkaufszettel. Wahrscheinlich war wieder mal das Papier alle, und du wolltest mich auf diesem Weg daran erinnern. Sicher, es war ein guter Gedanke, irgendetwas tiefsinniges. Aber nicht so gut, dass ich mich heute daran noch erinnern kann. Ich habe damals sogar meine Freundin beneidet, die von ihrem Mann immerhin eine Küchenmaschine von Rowenta geschenkt bekommen hat.
Falls du noch immer nicht verstehst, warum ich dich verlasse, dann denke nur mal an gestern Abend. Himmel Herrgott, im schönsten Moment, deine Finger waren in mir drinnen, deine Zunge zauberte die schönsten Gefühle an meinem Körper, in meiner Kehle formte sich bereits ein wundervoller Schrei der Ekstase, als du plötzlich, wie von der Tarantel gestochen, aufsprangst und mich alleine ließt, mitten in meinem Coitus interruptus. Die einzige Entschuldigung, die ich später von dir hörte, war: „Du inspirierst mich halt so.“ Und du hast mir natürlich dieses neue Gedicht überreicht, über die sexuelle Empfindsamkeit der Frau.
Das liegt jetzt hier vor mir, dieses Gedicht. Am liebsten würde ich es zerreißen. Aber statt dessen werde ich meinen Koffer packen.

Deine Frau

Nachtrag: Jetzt hab ich es doch noch mal gelesen, dieses blöde Gedicht. Und leider, leider muss ich dir sagen: Es ist gut. Es ist verdammt noch mal gut. Zu gut, um dich zu verlassen...
 

Buffy

Mitglied
Das ist eine heitere, flüssig zu lesende Story.
Der Schluß ist genial
Bin begeistert von dem Schreibstil
Gruß Buffy
 
K

kaffeehausintellektuelle

Gast
Liebe Strumpfkuh

die geschichte gefällt mir ausgesprochen gut, auch das ende. und ich mag es, wenn sie so rast.
ein bisschen hab ich allerdings deine sprachliche sorgfalt, die ich sonst von dir gewohnt bin, vermisst.
solltest du so in rage gewesen sein, dass dies keine rolle gespielt hat?
ich bin mal drübergegangen.

liebe grüße
die k.

Lieber Dichter,

ich bin so wütend, dass ich platzen könnte. Kannst du sie sehen zwischen den Wörtern, meine Wut? Am liebsten hätte ich sie dir ins Gesicht geschrieen, vorhin, aber ich weiß ja, dass es sinnlos gewesen wäre. Du hättest nur gerufen: „Ein Stift, wo ist ein Stift?“, um dann ein Gedicht über die Sinnlichkeit einer rasenden Ehefrau zu verfassen [blue], (oder ähnliches.)[/blue]
Also greife ich zu deiner Methode, [blue](komma weg) [/blue] und schreibe meine Gedanken nieder. Vielleicht erreiche ich dich auf diesem Weg, irgendwo in deinen Tiefen, die ich bisher nicht ergründen konnte.
Bei allem Verständnis, zu dem ich fähig bin, hatte es wirklich meine Doktorarbeit sein müssen, auf deren Rückseite du deine Ergüsse hast verewigen müssen? [blue](Hier kommen die zeiten ein bisschen durcheinander und das macht das lesen kompliziert. ein vorschlag: bleib in der mitvergangenheit: .... musste es wirklich meine ....sein, auf der du deine ergüsse verewigen musstest? - obwohl das doppelte müssen muss nicht, oder?) [/blue]Sicher, ich weiß, dass wir kein Papier mehr im Haus hatten, [blue](aber) [/blue] eben deshalb kann ich [blue](schließlich auch)[/blue] die[blue](se) [/blue] Arbeit nicht einfach noch einmal ausdrucken. Wieso ich mich so aufregen würde [blue]aufrege[/blue], ich könnte [blue]kann [/blue]doch neues Papier kaufen gehen? Das kann ich dir sagen. Auch du hättest [blue](dieses neue Papier kaufen) - das tun [/blue] können. Jawohl, auch wenn du es für unmöglich hältst. Auch ein Dichterherz kann in ein Geschäft gehen und einen Packen Papier erwerben. Es ist ganz einfach, du musst nur Geld dafür mitnehmen, und im Austausch dafür erhältst du fast alles, was du täglich benötigst. Probier es doch einfach einmal aus.
Du wirst [blue]auch [/blue]dazu gezwungen sein [blue](in der nächsten Zeit - ab jetzt[/blue], denn ich werde dich verlassen [blue] - verlasse dich (klingt definitiver) [/blue] - . Ja, da staunst du. Ich kann sie schon lesen, all deine sehnsüchtigen Texte, deine Tränen-fliesen [blue] fließen[/blue]-lassenden Worte über dein gebrochenes Herz. Du wirst viel schreiben müssen. Besser gehst du [blue]jetzt[/blue]gleich neues Papier kaufen, denn den Rest meiner Doktorarbeit nehme ich mit. Da kannst du Gift drauf nehmen.
Und falls es dich interessiert, wie es in meinem unpoetischen Herzen aussieht, [blue](also) [/blue] dann lies [blue](nur) [/blue] weiter. Ich kann dir eine Menge erzählen.
Erinnerst du dich an die Katze, die vor unserem Haus von einem Auto angefahren wurde? Soll ich dir auf die Sprünge helfen? Es war an dem Tag, an dem du diese wirklich bewegende Geschichte schriebst über einen einsamen alten Witwer, der sich gerade von seinem Balkon auf die Straße stürzen wollte, in der festen Absicht, Selbstmord zu begehen. Da lief diese Katze vor ein Auto und wurde ein paar Meter weit weg geschleudert. Er [blue](wer jetzt? der mann aus der geschichte? da kenn ich mich nicht aus) [/blue]also runter auf die Straße, die Katze auf seinen Arm genommen und hinauf getragen, in seine Wohnung. Er pflegte sie bis zu ihrem Tod und sah deren Ableben als ein Omen, selbst weiter leben zu müssen. Eine wirklich gute Geschichte. [blue](ahja, jetzt versteh ich. die katze hat ihn inspiriert, oder? das geht oben nicht hervor) [/blue] Rührend, zum Weinen, an die Seele gehend. [blue](das ist nicht so schön, an die seele gehend) [/blue] Aber du hast dich nicht ein einziges Mal erkundigt, wie es der wirklichen Katze erging [blue]ging[/blue], die in meinen- nicht in deinen- Armen gestorben war. Ich habe deine Dichterseele getröstet, nach dieser Geschichte. Aber wer hat mir Trost gespendet?
Ich erinnere mich auch an ein Geburtstagsgeschenk, das du mir vor ein paar Jahren gemacht hast. Weißt du noch? Du hast mir einen Gedanken geschenkt. Ein paar Worte auf einem alten Einkaufszettel. Wahrscheinlich war wieder mal das Papier alle, und du wolltest mich auf diesem Weg daran erinnern. Sicher, es war ein guter Gedanke, irgendetwas tiefsinniges. Aber doch nicht gut genug [blue]aber nicht so gut, dass... [/blue], dass ich mich heute daran noch erinnern könnte [blue]kann[/blue]. Ich hatte [blue]habe[/blue]damals sogar meine Freundin beneidet, die von ihrem Mann immerhin eine Küchenmaschine von Rowenta geschenkt bekommen hatte [blue]hat[/blue].
Falls du noch immer nicht verstanden hast, warum ich dich verlassen will [blue] verlasse [/blue], dann denke nur mal an gestern abend [blue]Abend[/blue]. Himmel Herrgott, im schönsten Moment, deine Finger waren in mir drinnen, deine Zunge zauberte die schönsten Gefühle an meinem Körper, in meiner Kehle formte sich bereits ein wundervoller Schrei der Ekstase, als du plötzlich, wie von Taranteln [blue](müssen es gleich mehrere sein?) [/blue]gestochen, aufsprangst und mich alleine ließest [blue](weiß ich nicht, ob das stimmt, aber es klingt nicht so schön, das ließest) [/blue], [blue]mitten[/blue] in meinem Coitus interruptus. Die einzige Entschuldigung, die ich später von dir hörte, war: „Du inspirierst mich halt so.“ Und du hast mir [blue](später hast du mir) [/blue]natürlich dieses neue Gedicht überreicht, über die sexuelle Empfindsamkeit der Frau.
Das liegt jetzt hier vor mir, dieses Gedicht. Am liebsten würde ich es zerreißen. Aber statt dessen werde ich meinen Koffer packen.

Deine Frau

Nachtrag: Jetzt hab ich es doch noch mal gelesen, dieses blöde Gedicht. Und leider, leider muss ich dir sagen: Es ist gut. Es ist verdammt noch mal gut. Zu gut, um dich zu verlassen...
 

strumpfkuh

Mitglied
Liebe K.,
dein Lob hat mich gefreut, aber besonders bedanke ich mich für die konstruktive Kritik! Die hilft mir sehr viel weiter. Von deinen Vorschlägen werde ich bestimmt viele übernehmen und auf alle Fälle die Sache mit den Zeiten ändern, das war mir gar nicht aufgefallen.
Also, prima, dass du dir die Arbeit gemacht hast. Und gefreut hat mich natürlich auch die "Sprachliche Sorgfalt", die du sonst von mir gewohnt bist. Wenn das kein Anreiz ist, das nächste Mal gründlicher zu arbeiten...
LG
Doro
 

strumpfkuh

Mitglied
So,

ich habe den Text geändert und er gefällt mir jetzt auch besser. Beim Schreiben war ich der Ansicht, da es sich um den wütenden Brief einer Nicht-Poetin handelt, könne ich einfach loslegen, wie mir der Mund gewachsen ist. Aber so liest er sich schöner, das merke ich selbst.
Danke nochmal an K.
Doro
 



 
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