Liebesmüh

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chrissieanne

Mitglied
Es gibt da eine Frau, die ich lieben muss, will, gar nicht anders können darf.
Sie ist mittlerweile oft eine gute Freundin, eigentlich die beste, einzige, die ich hab.
Nie weiß sie was sie will. Wirklich nie. Steht da mit einer Präsenz, dass keiner mehr sich traut zu atmen. Doch mit soviel Angst vor allem und sich selbst, dass die Angst sie gefressen hat. Schon lange.

Sie säuft und lacht und heult und fischt Wespen aus ihrem Glas, um dann kreischend vor ihnen wegzulaufen.

Sie würde so gerne Häuser besetzen, sich an Walfischfängerflotten ketten, Schulen in Afghanistan aufbauen und Schwarzbären in China befreien.

Sie würde gerne kämpfen für die Legalisierung sämtlicher Drogen, gegen die Todestrafe weltweit, wäre leidenschaftlich gerne aktiv im "Kampf" für den mittlerweile so geächteten Pazifismus.

Nur ein paar Beispiele von dem, was sie bewegt. Schön wäre sie gern und autark. Selbstbewußt und frei von allen Komplexen.

Und sie würde so gerne auf der Bühne sein. Schauspielerin wäre sie gern, um alles ausleben zu können, vom schüchternen Mädel bishin zur sadistischen Kindermörderin. Mondänes Weib will sie sein und Opernsängerin. Lolita und Chansonette.

Stattdessen sagt sie nichts, tut sie nichts, schämt sich jeder Bewegung, die sie auslöst.

Anstrengend ist sie in ihrer Widersprüchlichkeit. Bezaubernd in ihrer Liebe allen Lebewesen gegenüber. Naja, fast allen. Menschen mag sie nicht wirklich. Nur die Kinder und vor denen hat sie Angst.
Und ein paar andere, wenige, Erwachsene mag sie auch noch.

Warum ich sie lieben sollte? Sie ist ehrlich und authentisch in ihrer Widersprüchlichkeit. Und sinnlich ohne Ende. Und oder deshalb das sensibelste Menschenwesen, dass mir je über den Weg gelaufen ist.
Auch nicht unanstrengend, muss ich sagen, aber unerträglich wahrhaftig in ihrer Wahrnehmung von Gerüchen, Geräuschen, und mir auch nicht ansatzweise spürbaren Unstimmigkeiten zwischen mir, ihr, der Welt und dem All.

Ich kenne keine, die so im Leben ist, rudert, scheitert, klebt und klebenbleibt, sich nicht bewegen kann und trotzdem so viel Wellen schlägt.
Theatralisch nach Luft ringt und um Gnade winselt, sterben will, nur um dann eine Lasagne zu kochen, nach deren Genuss ihr ursprünglicher Wunsch sehr greifbar wird - der Fernet rettet.
Und dann die Glotze und dann die Sinnlosigkeit und der fette Schlaf - wenn er kommt. Denn der ist auch nicht selbstverständlich. Nicht bei ihr.

Nichts ist selbstverständlich und trotzdem alles öde und leer. Und in der nächsten Sekunde ist eine verirrte Motte im Vorhang das Wichtigste auf der Welt - es gilt sie zu retten.

Es gibt so viel über sie zu erzählen - obwohl sie eine völlige Versagerin ist. Nichts hat sie erreicht im Leben. Nichts.
 
M

mirami

Gast
von oben herab gesehen mag ihr rudern im leben manchem aussichtslos erscheinen. aber eine, die an einem schönen frühlingsabend eine sich verfangene motte aus der gardine rettet, hat wahrscheinlich an diesem tag mehr sinnvolles zum weltgeschehen beigetragen als die meisten anderen im ganzen land. :) deshalb finde ich: der letzen satz macht den text kaputt. bzw. meinen ansatz ;-)

gern gelesen!
lg
mirami
 
S

suzah

Gast
hallo chrissieanne,

sehr schön, nur wie paßt das zusammen?:

"Schulen in Afghanistan aufbauen"
"Menschen mag sie nicht wirklich. Nur die Kinder und vor denen hat sie Angst."

und die motten retten, das ist ein wenig zu "tierlieb", finde ich.

liebe grüße suzah
 

chrissieanne

Mitglied
hi suzah,

die widersprüchlichkeit wird betont.


tierlieb kann man niemals genug sein. (solang man die tiere tiere sein lässt natürlich)

lg
chrissieanne
 

chrissieanne

Mitglied
ach, mirami, entschuldige, ich hab doch glatt deinen kommentar verpeilt.
genau den widerspruch, den du mir mitteilst, sollte dieser letzte satz hervorrufen.
danke, für dein feed-back.
lg
chrissieanne
 

Haremsdame

Mitglied
Menschen, die im Inneren Kinder sind, sind immer liebenswert! Nur ab und zu sollten sie auch mal auf die Realitäten schauen, ohne das Kind in sich zu verleugnen ...
 



 
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