Liebeswahnsinn

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Er sitzt in einer, er glaubt warmen Sommernacht, auf einer geflickten Couch, neben ihm das Mädchen, langhaarig, Zigarette, klein, dunkle, sehr lebhafte Augen. Er hat Fieber, sieht an die Decke, die weißgekalkt und durch und durch aufgeweicht ist. Das Dach ist undicht. Seit dieses Haus gebaut wurde, ist es undicht. Die Lampe, die immer noch an ihr hängt, ist von dickem Milchglas und mit rot-grünen Blumen, vielleicht Rosen, verziert. Es ist wunderbar. Er liegt im Bett, hat Fieber, im Nebenzimmer quarrt ein Radio und ihre Schwester summt die Melodie beim Waschen mit. Das Klappern mit der Schüssel und dieses graue Wasserplätschern ist lauter als ihre Stimme, sonst könnte er den Text verstehen. Die Tür nach draußen ist geöffnet. Fliegen und Motten ergreifen von seinem Gesicht Besitz. Sie fragt ihn, ob er etwas trinken will. Er will nichts trinken. Ob er sonst etwas will? Er will etwas. Etwas, daß sie kaum in der Hand hat, daß sie nie verstehen wird. Er will sie und er hat sie, er will ihre Schwester, die er nicht hat, er will beide. Sie hat es nicht in der Hand.
Ein Stück Decke prasselt auf sein Gesicht. Er hat Fieber, ihm ist heiß, oder ist es die Sommernacht? Noch ist er klar bei Verstand, auch wenn die Fliegen ihm schon durch Mund und Ohren in die Eingeweide dringen. Motten gleiten durch den Matsch seiner Augen in sein Gehirn. Ein Wassertropfen von der Decke schlägt auf sein Gesicht, schlägt einen kleinen Krater hinein. Nein, er möchte nichts trinken, er hat Fieber, mach das Licht aus, die Motten.
Ihre weiche Hand knetet seinen Schädel, macht aus ihm ein langes, ein rundes, ein hübsches Gesicht, bis sie ihn hat, wie es ihr am besten gefällt, ihre Schwester mag es auch, er mag ihre Schwester und hat Fieber. Zwei weitere Wassertropfen schlagen kleine Krater in sein Gesicht, niemand stört sich daran.
Das Thermometer? Ist kaputt, hat sowieso nichts getaugt. Er weiß. Ein Stückchen Decke bröckelt auf ihn herab, füllt seine Gesichtskrater. Er stinkt. Die Fliegen haben seine Füße schon blank. Sie stinken nicht mehr. Knochen riecht nicht oder jedenfalls kaum. Der Tee ist mies, er riecht nach Erbrochenem, er trinkt Erbrochenes.
Er badet. Er weiß nicht worin, aber er badet. Vielleicht in aufgeweichtem Mörtel. Vorhin hat er gehustet. Er hat Fieber, stinkt, liebt sie und ihre Schwester, hat Krater im Gesicht, welches jetzt wieder sehr exotisch ist. Das gefällt ihr besser. Ein Gesicht mit Kratern voller Mörtel und Fliegen, die das rottende Fleisch fressen, so daß kein Wundbrand entsteht. Er lacht, spuckt die kochenden Stimmbänder aus und die Decke stürzt ein, erstickt ihn in ihrem weichen Matsch.
Am Tag darauf fühlt er sich besser, vielleicht weil er einen Entschluß gefaßt hat, er teilt ihn den beiden Schwestern mit: Irgendwann will er etwas vom Haus entfernt hinter ein paar Büschen in Deckung liegen. In seinen Händen wird er ein Gewehr halten, auf dem wird ein Zielfernrohr befestigt sein. Er wird durch das Fadenkreuz zum Haus hinübersehen. Hinter dem Fenster werden sie und ihre Schwester sitzen. Weil er sich nicht wird für eine entscheiden können, bleibt die Kugel im Lauf. Es ist ihm egal, welche von ihnen beiden es ist. Er wartet, bis er eine von ihnen alleine sieht. Jemand tritt heraus, es ist keine von beiden, er wartet, sieht ein Stück Rücken am Fenster, das wieder verschwindet. Doch wer von ihnen beiden zuerst allein an das Fenster oder vor die Tür tritt wird sterben, seiner Qual für immer ein Ende bereiten.
 
Sehr verwirrend. Mal er, mal sie. Neben einer Menge merkwürdiger Formulierungen. Und verstanden habe ich es ehrlich gesagt nicht.

Aber die Stimmung gefällt mir.
 
Mini-Interpretation

Eigentlich bin ich nur ein weiterer Leser. Diese Philosophie ist nicht mehr neu, aber hat trotzdem noch Berechtigung.

Die Handlung: Ein kranker Mann oder einer, der damit spielt, möchte von den zwei Schwestern, die er gleichzeitig liebt, eine töten. Welche es sein würde, überläßt er dem Zufall.

Interpretation:
Der Mann ist Gott (und unsterblich), die Frauen Mutter Erde, bzw. die lebenden, sich fortpflanzenden Kreaturen auf ihr.
Und dieser Gott, der ist verrückt oder spielt damit, es zu sein.

Aber es gibt bestimmt noch weitere Interpretationsmöglichkeiten.
 



 
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