Lotti, ein Engel auf Erden

eisbeisser

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Ein alter Mensch braucht auch ein Zuhause!
Über diese Tatsache denken viele junge Leute nicht einmal nach.
„Ich soll mich mit der Oma herumschlagen, ihr beim Anziehen helfen? Sie waschen und ihr sogar noch den Hintern abwischen? Das kommt überhaupt nicht in die Tüte! Ab ins Altersheim mit ihr! Dort wird es ihr schon gut gehen, schließlich kostet das ja eine Stange Geld!“
Das alte Menschen auch Liebe, Zuneigung und die Wärme einer Familie spüren möchten, das kommt so manchen nicht in den Sinn.
Ok, in Seniorenheimen wird wirklich sehr viel für all die Omas und Opas getan, aber eine richtige Beziehung zwischen den alten Leuten und dem Personal entsteht in den seltensten Fällen. Wie auch? Die Pflegerinnen, Betreuer und Pflegehelfer stehen unter einem enormen Druck. Allein zeitlich gesehen ist schon eine längere Unterhaltung fast ausgeschlossen.

Meine Geschichte handelt von einer Frau namens Lieselotte.
Lotti war 81 Jahre alt als sie, freiwillig, im Seniorenheim „Alte Eiche“, in einem kleinen Ort im Westerwald, ein Zimmer bezog. Sie war 161 cm groß, schlank und wog 52 Kilogramm.
Ihr weißes Haar verlieh ihr die Ausstrahlung einer Schneekönigin.

Am Tage ihres Einzuges fing die wundersame Geschichte an.
Da Lotti einen Teil ihrer Möbel mit ins Heim brachte und bereits ungeduldig vor dem Eingang auf und ab schritt während sie auf den Möbelwagen wartete, wurde ein Mitbewohner auf sie aufmerksam.
Bruno, der alte Haudegen, stand von dem Sessel auf, der mitten in der Halle stand und ging zu ihr hinüber. „Guten Tag gnädige Frau! Ich bin der Bruno. Ziehen Sie heute ein? Wenn ja, dann wäre ich Ihnen gerne behilflich.“ Sagte er und deutete eine Verbeugung vor Lotti an. Wenn er sich weiter gebückt hätte, wäre er vor Rückenschmerzen sicher nicht wieder hochgekommen. Lotti bemerkte dies und sagte freundlich: „Herzlichen Dank junger Mann, die paar Sachen werde ich wohl noch hinein bringen können. Aber Ihr Angebot erfreut mich außerordentlich. Wir sehen uns sicher beim Mittagessen. Wenn Sie wollen setzen Sie sich zu mir an den Tisch.“
Lotti lächelte und Bruno stand mit weit geöffnetem Munde da. „Junger Mann?“ Dachte er; „ich bin 75!“
Dann kam er auch schon, der LKW. Lotti ging zu ihm hinüber, bat den Mann der die Türen der Ladefläche öffnete, sie beim ersten Gang voran gehen zu lassen, damit sie ihm den Weg zu ihrem Zimmer zeigen konnte, schnappte sich einen schweren Ledersessel von der Ladefläche und marschierte los. Der Möbelpacker riß ungläubig die Augen auf! Auch Bruno kam angerannt! Er hatte furchtbare Angst das Lotti unter dem schweren Sessel, den sie sich über ihren Kopf gestülpt hatte, zusammenbrechen könnte. „Um Gottes Willen, das können Sie doch nicht machen!“
„Sie sehen doch daß ich das kann.“ Erwiderte Lotti und marschierte an ihm vorbei. Der Möbelpacker vergaß tatsächlich etwas aus dem LKW mitzunehmen als er hinter ihr herging, er verstand die Welt nicht mehr.
Es dauerte keine zwei Stunden, da war der LKW leer und Lotti`s Zimmer eingerichtet. Sie hatte den Möbelpacker, der hieß übrigens Karl-Heinz und Bruno anschließend zu Kaffee und Kuchen in die Kantine eingeladen. Beide hatten fleißig geholfen und Bruno waren darüber seine Rückenschmerzen vergangen. Die Hauptarbeit hatte allerdings Lotti gemacht. Immer wieder war sie schneller beim Lastwagen als die Helfer.
„Wollen Sie nicht bei mir anfangen?“ Fragte Karl-Heinz, „So gute Leute wie Sie findet man heute nicht mal auf dem Arbeitsamt!“ „Lassen Sie’s gut sein Karl-Heinz, ich hab so das Gefühl daß ich hier dringender gebraucht werde.“ Angeregt schwätzten die Drei noch eine Weile, bis Karl-Heinz aufstand und sich verabschiedete. Bruno sagte plötzlich: „Ich habe mich seit langer Zeit nicht so gut gefühlt! Liegt das daran daß ich mich mal wieder körperlich betätigt habe?"“"„Das ist richtig Bruno, nur sollte man es zu Anfang nicht übertreiben! Jeden Tag ein Bißchen mehr und zwischendurch auch mal Pause machen, das ist die richtige Medizin!"
Als auch sie aufstanden ging Bruno Richtung Aufzug. „In der wievielten Etage wohnst Du?“ Fragte Lotti. „In der Ersten, Zimmer 112.“ Antwortete er. „Da willst Du den Aufzug nehmen? Die paar Stufen gehst Du besser zu Fuß, das ist gut für den Kreislauf!“ Bruno blieb stehen, sah ihr mitten ins Gesicht und wollte etwas sagen, doch ihr Lächeln verschloß seinen Mund. Wortlos ging er zur Treppe.

Lotti war binnen kürzester Zeit das Gesprächsthema Nr.1 im Altenheim. Alle wollten sie kennenlernen. Einmal standen sogar 18 Mitbewohner auf einmal vor ihrer Tür. Alle wollten sie die Frau sehen, die die Kraft und Ausdauer einer Fünfundzwanzigjährigen besaß.

Nach wenigen Tagen hatte Lotti sich eingelebt. Sie hatte inzwischen festgestellt, daß die meisten ihrer Altersgruppe kränkelten, herum jammerten und sich irgendwie gehen ließen. Schnell faßte sie einen Plan! Einen nach dem Anderen nahm sie sich vor. Sie zeigte den alten Leuten daß sie noch längst nicht zum alten Eisen gehörten. Sie brachte ihnen die Schönheiten des Lebens nahe, ermunterte sie intensiver das Leben zu studieren und brachte ihnen positives Denken bei.
Eines Tages lernte sie die 85 jährige Sybille kennen. Sybille war bettlägerig. Nach der letzten Untersuchung durch den Professor stand fest das sie Kieferkrebs hatte. Sie rauchte trotz allem weiter wie ein Schlot. Lotti versuchte auch erst gar nicht sie vom Rauchen abzubringen. Aber sie beschäftigte Sybille so intensiv, daß sie von allem Negativen abgelenkt wurde. Wenn Sybille Schmerzen hatte, so brachte sie ihr Folgendes bei: Anstatt zu jammern, „ich hab ja solche Schmerzen“, sollte sie fest sagen: „Ich halte durch, ich werde wieder gesund!“ Und das immer und immer wieder, mit dem festen Glauben daran. Nach einigen Wochen stellten die Ärzte fest das der Krebs sich abgekapselt hatte und das für Sybille die Chance 100 Jahre oder älter zu werden in greifbare Nähe gerückt war. Völlig schmerzfrei erlebte sie ihr neues, herbstliches Leben, glücklich darüber, dieser Frau begegnet zu sein, die mehr erreicht hatte, als alle Ärzte, Professoren und Therapeuten zuvor.

Lotti wurde 107 Jahre alt!
Bis zur letzten Minute hatte sie sich voller Liebe und Aufopferung um ihre alten Kameraden bemüht. Das Wissen darum helfen zu können und der Glaube an Gott und die Menschen hatten sie so alt werden lassen!

Lotti, wir werden dich nie vergessen
 



 
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