Luftschlösser

Maribu

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Luftschlösser

Sie saß allein am hinteren Tisch des Eiscafés. Aber auch aus der Menge heraus hätte Helga sie sofort erkannt.

"Hallo Rita, du hast dich ja gar nicht verändert!"

"Du auch nicht, Helga! Na ja, bis auf die paar Falten; die hab ich ja auch!"

Helga setzte sich zu ihr. "Was hast du da?"

"Einen Früchteeisbecher mit Schuss."

"Bestell ich mir auch. - Wie hast du mich nach zwölf Jahren gefunden?"

"Es war ganz einfach und trotzdem Zufall. Ich wollte dich schon vor ein paar Monaten anrufen, aber..."

"Ja, ich kenn das; Rentner haben keine Zeit!"

"Ich musste neue Reifen haben und schaute ins Telefonbuch. Da fand ich den Namen 'Reifels', den es nur einmal gab und ich wusste, dass konntest nur du sein!"

"Ja schade, dass wir uns nach dem Berufsleben aus den Augen verloren haben. Wir hatten immer viel Spaß auf der Arbeit."

"Wie geht es deinem Mann?"

"Körperlich offenbar gut. Aber seit dem siebzigsten Lebensjahr,
vor zwei Jahren, hat er sich so verändert. Er ist so komisch geworden."

"Komisch? Kannst du jetzt über ihn lachen?"

"Ich nicht, aber andere! Stell dir mal vor: Der hat Jahrzehnte keinen Sport gemacht und fängt mit siebzig an zu joggen.
Angeblich hat ihm das sein Internist empfohlen gegen den hohen Blutdruck und um abzunehmen."

"Das ist doch nicht komisch! Das ist bewundernswert!"

"Ja, aber er hat auch noch andere Macken! Einmal in der Woche ist er mit Staubsaugen dran. Er hat dabei große Kopfhörer auf den Ohren und hört klassische Musik, wo er früher nur Schlager mochte."

"Meinst du, dass er... Nun fällt mir der Name nicht ein. - Was man so im Alter bekommen kann."

"Du meinst... Ich komm jetzt auch nicht drauf. - Wenn die Hände an zu zittern fangen? Nein, das hat er nicht!
Beim Rasenmähen legt er sich auch die Kopfhörer um. Der Nachbar lacht immer, weil der denkt, dass er sich trotz des leisen Elektromähers Ohrenschützer aufsetzt."

"Lass ihn doch, wenn ihm das beim Mähen mehr Spaß macht!"

"Er geht aber so eigenartig dabei vor. Früher fing er an einer Kante an. Jetzt beginnt er in der Mitte und arbeitet sich tänzelnd bis zu den Seiten durch."

"Und sieht der Rasen nachher nicht gut aus?"

Helga antwortete nicht sofort und löffelte an ihrem inzwischen gekommenen Eisbecher. "Doch, es ist eigentlich kein Unterschied festzustellen. Er lobt sich sogar selbst und meint:
'Besser wie Wimbledon-Rasen!' Dabei heißt das doch 'als'!"

"Ja, 'als'! Jetzt fällt mir der Name wieder ein: Alsheimer!"

"Nee, das glaube ich nicht. Er erkennt mich doch noch!"

"Hat er denn irgendwelche Hobbys?"

"Er zeichnet. Aber nichts anderes als Häuser in zig verschiedenen Formen. Von der einfachsten Berghütte bis zum Traumschloss. Er sagte mal, dass er gerne Architekt geworden wäre, aber seine Eltern dagegen waren. So ist er Beamter geworden."

"Das war doch richtig; so habt ihr eine gute Pension! Sonst wäre er vielleicht eingespart worden. Das machen doch alles Computers! Bevor mein Alfred so früh sterben musste, war er monatelang arbeitslos, weil sein Arbeitgeber pleite gegangen war."

"Das tut mir aber leid!"

"Muss dir nicht mehr; ist ja schon neun Jahre her! - Aber nun iss dein Eis man schnell auf. In dieser Verfassung kannst du deinen Mann nicht lange allein lassen."

"Wenn du meinst. Wir können uns ja mal wiedertreffen. Als ich
wegging, war Heinz gerade beim Saugen, nahm kurz die Hörer von den Ohren und meinte schelmisch, er hätte später noch eine Überraschung für mich."

Rita lachte. "Das traue ich ihm zu! Bestimmt hat er ein Luftschloss für dich entworfen!"
 
Im Genre vertan? Das ist keine Horrorgeschichte. Eher eine etwas platte Alltagsgeschichte. Die Hinleitung, wie er den Namen im Telefonbuch findet, fand ich extrem misslungen. Unter Humor vielleicht ganz nett, aber es wirkt ein wenig wie eine Klischeesammlung. Der Geschichte würde aus meiner Sicht ein wenig Biss gut tun. Ich gebe aber zu, das ich dialoglastige Geschichten nicht so mag, daher muss ich meine generelle Kritik auch ein wenig relativieren.
 

Maribu

Mitglied
Danke Herr Schmidt, für Ihre Einschätzung;
ich werde mich jetzt aus lauter Verzweiflung
aus dem Fenster stürzen! (wohne im Parterre)

L.G. Maribu
 



 
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