Märchen - Fragment(e)

malashon

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Geschichtenummodler Prinz ist Asphaltlinienleser.
Er legt seine schweißigen Gedanken auf die, sie gerinnen zu salziger Erde und andere gehen schadlos darüber.
Geschichtenummodler Prinz ist Opferverweser.
Er zutscht Spaghettigedärm, wischt sich das Schicksalsblut von den Lippen und andere essen Kichererbsen.
Einer, der Geschichten ummodelt, namens Prinz, füllt Holundersudgläser, waren süßen Erdbeergelees, waren grüßenden Mädchenwehwehs, waren, waren zuvor, andere murcksen Gefülsel in Dosen.

Er schraubt seine goldene Jacket-Krone von der Bierflasche. Das ist eine neuere Erfindung, früher mußte man den Öffner nehmen. Jetzt kann supertalentus princeps parvus den Hals von der Kruke beißen und den Korken kauen: bordeaux-chapeau! und sich die Arme aufschlitzen.
Aber er ist unter Menschen!

Und überhaupt: Auf der ganzen Welt sollt’ es sonst keinen mehr geben als ihn. Denn solch' sonderbare Berufe sind ganz einmalig. Und ob nun des Kaisers von Seraphien oder des Ritters zur Burg Einmaleins – niemand wollte sich je erlauben noch dorthin, an ihre Stelle zu treten. Ein Rütteln und Schütteln müßt’ dann überall sein. Weil die Leute nämlich ungläubig und auch ein wenig mißmutig schienen, daß in einer so wichtigen Angelegenheit ein Zweiter sei. Trotzdem unter der Hand manches Kartenspiel gespielt werden soll, das von einem König noch den ganz gleichen Zwilling kennt – vielleicht ist es eben darum eine Lösung – daß es ein Spiel ist und bestimmt gerade erfunden wurde als man einer schönen Königin zwei Söhne gleich an Ebenbild vom Wochenbett trug, wie zweifelhaft, der andere muß später gestorben sein, die Karte trägt noch sein Bild.

Und weiterhin heißt’s dafür auf den Straßen?
- Guten Tag, haben Sie schon gehört? Der eine Kaiser ist sehr besorgt um die Sandkörnchengröße im ganzen Lande, der andere möchte für all’ seine Untertanen lieber Häuser aus Porzellan!
Das geht nicht! Manchmal haben es die Menschen einfacher – und das heißt gern, sie liegen ruhiger unter den goldenen Apfelbäumen, wenn’s von der Sonne durch sie glitzert – daß sie einem die ganze Sache aufladen und ihn seinen Weg gehen lassen. Fällt er dann um (vielleicht mit dem sehr kostbaren Porzellan, das dem einen Kaiser so am Herzen lag), alles zerbricht, hat er dann immerhin die Schuld für sich allein. Niemand ist betrübt und nachdenklich:
- Der da war’s, den wollen wir bestrafen!
Bei zweien ist es schon schwerer: Drei, vier Menschen dazu, jeder trägt genau mit einer Hand an der Sache. Aber sie müssen nur einmal an einem Haferfeld vorüberkommen und einer niest - der da mit der grünen Mütze:
- Hatschi!
- Gesundheit! - dann die anderen.
Aber Grünhut ist höflich, hält sich die Hand aus lauter Anstand vor den Mund: Und? Es war die falsche, die unter der schweren Sache - stürzt! Jene bloßen Schopfes versuchen noch den Fall zu retten, aber nein, zu spät: Außer für Schuld und Strafe. Mit gesenktem Kopf, ein trauerweidenblattfarbenes Stück Stoff müde in der Hand, steht der Haferschreck in der Gruppe:
[- Wenn wir so, beginnt der erste, mit dem zerschundenen Porzellan, diesem Sack voller Scherben, vor den Kaiser treten, dann wird er uns köpfen und enthaupten, fein säuberlich bis über den Hals!
- Aber, aber, wird ein nächster sagen, ich frage mich, warum eigentlich heißt es köpfen und dann enthaupten? Der Kaiser könnt’ uns doch auch entköpfen oder haupten. Was ich eigentlich am meisten wollte, denn haupten darf man auch be. Wir behaupten dann, es habe ohnehin schon den weiten Weg über in dem Sack geklimpert und zuletzt fiel er dem Grünhut hinunter, so daß wir sehen konnten, wir hätten gar kein ganzes Porzellan bekommen!
- Wenn’s soweit ist, meint der Dritte, dann soll er uns eher anhaupten, weil ich mir nämlich schon immer einen zweiten Kopf gewünscht habe. Der eine guckt den lieben langen Tag in die Weltgeschichte und der andere denkt dafür nach, die Augen geschlossen und nur an der Dunkelheit - bis auf diese Sternenlichtblitze, die am Geisteshimmel aufgehen, wenn man die Lider zu sehr hinabpreßt.
Es ist vielleicht allein gedankenspielen, aber dieses schöne Bild erweckt in dem Vierten und nun letzten die Hoffnung, verhauptet zu werden.
- Ich kannte einmal ein Mädchen, die musste ich nur anschauen und schon schwirrten mir die Sinne. Es kribbelte und krabbelte überall, bloß wenn sie mich anlächelte. Ich dachte alle Zeit nur an sie und war darüber noch gar nicht traurig, denn meine Kopfbilder waren nie zuvor so bunt und froh gewesen. Das wird es sein, verhauptet zu werden.
Was für ein gemütliches Hin und Her. Selbst der Unglückliche steht dann ein bißchen freier in der Mitte, dreht den Kopf zu diesem und jenem, wer eben gerade spricht, lächelt. Ihm scheint alles so einsichtig, je mehr es nur von dieser zerbrochenen Sache wegführt. Und leichter wird sein Herz:
- Ja! Wir möchten’s versuchen. Der Kaiser soll nicht der Schlauste sein. Er kam, wie ich hörte, gerade so auf die Stelle, weil’s dem anderen zu einsam war. Er ist nicht von Bildung und Nachsinnen. Eigentlich einer von uns. Der wird sich noch einen Spaß machen. Und sein Haupt vor lauter Köpfen nicht mehr wissen. Das Porzellan ist ihm dann einerlei, weil er auch etwas wankelmütig ist. Ja, ja und einen Sack mit schönen Sandkörnern, den schaffen wir doch mit links. Da können wir durch Löwenzahnwiesen spazieren und pusten und niesen, den Sack davonschmeißen und nichts passiert: Froher Sommer, frohe Menschen!
Dieser Junge! Noch beinahe sein grünes Hütchen flog im hohen Bogen durch die Lüfte: Mut und mehr Mut, er ist froh, der Kaiser, die Sache, was führt sie noch zusammen? Es kommt eine Zukunft, die kümmert sich um beides nicht, er hob an weiterzusprechen, zu rufen für die vier, die ihm erst die Augen geöffnet haben: Haupten, Beköpfen, Recht hatten sie, eins ums andere.

Die Mütze segelt nicht weit. Bis an den nächsten Baum, verfängt sich in den dürren Ästen, sie brechen unter lautem Krach – denn still ist’s mit einem Mal.

Eine avenatische Träumerei aus Spelzen und Sprengen und der Wind spielt mit einzelnen Ähren. Spielt mit den Haareinzelnen dessen, der zuerst gesprochen hat, als erster ein Wort wagte, doch so vernünftig, daß es ungehörig ist, seinen Scheitel seitwärts zu verunstalten und damit seine Mutmaßungen senkrecht auf den Kopf zu stellen, zu verwedeln und ganz allein in die Sonne zu halten. Wo sie natürlich sehr dünne erscheinen, kläglichen Schutz vor dem Gleißen und Brennen eines goldenen Allüberalls bieten, wie lange man schaut und hofft?]

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Weitete sich der Weg seine Schritte wurden eilends, so sie weilten, war es des Weges tempo auch. Und keiner geht einfach so. Er nicht. Weil jeder von irgendwoher kommt. Er ebenfalls.

Und jetzt waren die Pappeln so hoch und karg in den Sommer hineingestellt, daß er schon sehr lange überland und unterwegs gewesen sein mußte. Und dann stand er wieder, weil es der Weg wohl auch machte, weil er in einem kleinen Park endete, dem der Straßenstaub nichts anzutun vermochte, außerdem gab es ein altes Gut hinten in der Ecke; die Freitreppe führte noch hinauf, bis die weggebrochene Terrasse einen Graben übrigließ, in dem Oleander und Flieder wuchs.

Eigentlich war er von nirgendwo her gekommen, denn er war nicht aufgebrochen, war an keinem Ort losgegangen, um hierher zu gelangen. Er hätte genauso gut auf dem Absatz kehrt machen können und weiter gehen. Zum nächsten Dorf, zum dagelegenen Wald, an den Teich darin. Wenn es ihm dann ein Ziel gewesen wäre: Ja! Aber er blieb. Weil er müde war immer mehr zu laufen und abzuwarten.
 



 
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