Märchen vom Butterkuchen

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Zefira

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Liebe Mitleser,
ich hatte diese Geschichte vor längerer Zeit schon mal eingestellt, inzwischen aber völlig umgeschrieben und (hoffentlich) verbessert. Also auf ein neues:


Märchen vom Butterkuchen

Es war einmal ein grüner Drache.

Er war ungefähr einen Meter neunzig groß und hatte rote Ohren mit großen Haarbüscheln darin.

Außerdem hatte er immer Hunger, und weil er Vegetarier war und überhaupt am liebsten Süßes mochte, beschloß er, sich einen Mandel-Butterkuchen zu backen. So ganz genau wußte er zwar nicht, wie man das anstellt, aber Drachen sind experimentierfreudig. Er fing einfach an.

In einen Butterkuchen gehört Butter, also nahm der Drache ein Päckchen Butter aus dem Kühlschrank, gab es in eine Schüssel und knetete es ein wenig weich. Dann tat er ein halbes Pfund Mehl dazu. Das konnte er aber nur ungefähr schätzen, denn er besaß keine Waage. Da Drachen nicht auf ihr Gewicht achten, haben sie nämlich keine Waagen.

Der Kuchen sollte richtig süß werden, also tat der Drache Zucker in den Teig. Er gab immer zwei Löffel voll in die Schüssel und probierte, dann schaufelte er noch mal zwei Löffel voll hinein, und immer so weiter. Von dem vielen Probieren bekam er nach einiger Zeit Sodbrennen. Das war nicht schlimm, denn Drachen macht es nichts aus, wenn etwas brennt. Aber der Teig schmeckte immer merkwürdiger, je mehr Zucker er hineinschüttete. Irgendetwas fehlte.

Plötzlich klingelte es an der Haustür. Mit dem Rührlöffel in der Tatze ging der Drache öffnen. Da stand eine schöne junge Frau mit Haaren wie gesponnenes Gold, in einem langen weißen Kleid, das am Saum ganz staubig war. Sie hielt ihre feinen weißen Seidenschuhe in der Hand und trug solide Wanderstiefel an den Füßen, denn sie war von weither gekommen.

„Endlich ein Drache!“ sagte sie, setzte sich auf die Türschwelle und zog blitzschnell die Stiefel aus und die Seidenschuhe an. „Nun hat meine Suche ein Ende!“

Der Drache war verärgert über die Störung und blies Rauchwölkchen aus den Nasenlöchern. „Wer bist du denn?“

„Das siehst du doch!“ Die junge Frau zog etwas aus ihrer Tasche und setzte es sich auf ihre blonden Locken. Es war ein goldenes Krönchen. „Ich bin eine Prinzessin! Seit Wochen suche ich einen Drachen. Jetzt mußt du mich in deinen Keller sperren und bewachen, bis ein Prinz kommt!“

„Und“, sagte der Drache und stieß eine mächtige Rauchwolke aus, „wenn keiner kommt?“

„Es wird einer kommen!“ behauptete die Prinzessin zuversichtlich. „Bist du ein Drache oder nicht?“ Dann musterte sie den Drachen abschätzig von oben bis unten und stellte fest: „Na ja, sehr viel stellst du nicht vor. Aber egal, Hauptsache, du bist ein richtiger Drache. Nun zeig mir den Keller!“

„Fällt mir nicht ein!“ sagte der Drache und schlug der Prinzessin die Tür vor der Nase zu. Dann ging er in die Küche zurück. Da stand die Schüssel mit dem Kuchenteig. Er war jetzt so hungrig, daß es ihm egal war, ob noch etwas fehlte oder nicht. Kurzerhand rührte er ein Ei hinein und verteilte den Teig auf ein Backblech. Das stellte er in den Ofen.

Dann fiel ihm ein, daß auf einen Mandel-Butterkuchen auch Mandeln gehören. Er suchte im Küchenschrank und fand eine Tüte mit feingeriebenen Mandeln. Was sollte er jetzt tun? Er schüttete die Tüte über einem Kochtopf aus und überlegte. Da klingelte es wieder an der Tür.

„Laß’ mir nur die Ruh!“ sagte der Drache. Aber es klingelte beharrlich weiter. Wütend stürzte er an die Tür und riß sie auf. Draußen stand immer noch die Prinzessin.

„Hör auf, mir auf die Nerven zu fallen!“ fauchte der Drache und rauchte so gewaltig, daß die Prinzessin vor Schreck zurückwich. „Ich bin gerade am Kuchenbacken!“

„Kuchen? Was denn für Kuchen??“ fragte die Prinzessin ganz verdattert, denn sie hatte noch nie gehört, daß Drachen Kuchen backen.

„Ich backe Butterkuchen mit Mandeln!“ schnaubte der Drache. „Und der Kuchen ist schon im Ofen, und jetzt stehe ich da mit den Mandeln, und du störst!“

„Nun, dann streu sie doch drüber!“ sagte die Prinzessin, „aber erst mit Zucker anrösten, nicht wahr, und mit zwei Löffeln Mehl, sonst kleben sie. Ich warte solange hier.“

„Nix da, hau ab!“ stieß der Drache hervor. „Und danke für den Tip!“ Er rannte in die Küche zurück. Der Kuchen war schon ziemlich braun. Der Drache rührte hastig Mandeln, Zucker und Mehl zusammen, stellte alles auf die heiße Herdplatte, bis der Zucker anfing zu schmelzen und kippte dann die Masse auf den Kuchen. Sie war ein fester Klumpen und ließ sich nicht verteilen. Fünf Minuten später war der Kuchen schwarz. Der Drache qualmte vor Zorn, kratzte den Teig vom Blech in den Mülleimer und begann von vorne.

Mehl, Butter, Zucker, ein Ei. Er strich gerade den Teig auf das Blech, als es wieder klingelte.

„Schon wieder die Prinzessin!“ knurrte der Drache. „Na, die kann was erleben!“ Er riß die Haustür auf, aber die Prinzessin war weg. Statt dessen stand ein Prinz draußen, in einer roten Tunika, mit einem Samtbarett auf dem Kopf und großen Wanderstiefeln an den Füßen, denn auch er war weit gelaufen.

„Was willst du?“ fauchte der Drache ihn an.

„Die Prinzessin befreien!“ rief der Prinz feurig und zog mit Schwung seinen Degen. Der Drache blies eine mächtige Flamme aus seiner Nase. „Ich habe keine Prinzessin! Und du störst! Ich bin gerade am Kuchenbacken!“

Der Prinz machte ein enttäuschtes Gesicht und steckte seinen Degen wieder weg. „Das ist wirklich Pech. Ich suche schon lange nach einem Drachen, der eine Prinzessin hat. Vielleicht kann ich ja ein wenig bei dir warten, bis eine kommt? Ich helfe dir auch beim Backen. Mit Kuchen kenne ich mich aus.“ Er schnupperte: „Mir scheint, dein Kuchen ist angebrannt.“

„Das weiß ich selbst!“ schnaubte der Drache. „Ich habe mit den Mandeln irgendwas verkehrt gemacht.“ Und er erzählte sein Mißgeschick. Der Prinz war voll Mitgefühl. „So kann das auch nichts werden. Du darfst kein Mehl zu den Mandeln geben, dann kleben sie. Nimm zwei Tassen Milch!“

„Danke!“ sagte der Drache. „Du bist entlassen!“ Und er knallte die Haustür ins Schloß und eilte in die Küche zurück. Hastig griff er wieder nach dem Kochtopf und rührte ein zweites Päckchen gemahlene Mandeln mit Milch an, wie der Prinz ihm geraten hatte. Die Masse kam ihm sehr flüssig vor, doch er kippte sie auf den Teig und stellte das Backblech in den Ofen.

Schon nach fünf Minuten war ihm klar, daß auch dieser Kuchen mißlungen war. Die Milch lief mitsamt den Mandeln von dem Teig herunter und tropfte auf den Boden des Ofens. Das rauchte und stank, und der Drache rauchte und stank noch mehr vor Ärger. Er riß das Fenster auf, und da der Prinz erst ein kleines Stück weit gegangen war, rief er: „He, du! Komm zurück!“

Der Prinz machte sofort kehrt, denn er dachte, er bekäme ein Stück Kuchen ab. Aber nichts da. Der Drache packte ihn am Kragen, warf ihn die Kellertreppe hinunter und schloß ordentlich zu.

Dort unten bewahrte er nichts auf als einen Zentner Kartoffeln für Notzeiten. „Dämlicher Prinz“, murmelte er, ging in die Küche zurück und guckte in die Schränke. Jetzt war ihm die Butter ausgegangen, und ein drittes Päckchen Mandeln hatte er auch nicht. „Ich muß erst mal einkaufen gehen“, beschloß der Drache, nahm sein Einkaufsnetz und verließ das Haus. Durch das Kellerfenster hörte er den Prinzen mit dumpfer Stimme rufen, aber das war ihm egal.



Er kaufte Mandeln und Butter, und dann kam ihm der Gedanke, sich ein richtiges Kochbuch anzuschaffen. Er ging nacheinander in drei Buchläden und ließ sich beraten, und als er mit drei Kochbüchern wieder nach Hause kam, war es Abend geworden. Der Drache putzte den Herd ein wenig und legte sich in der noch warmen Backröhre schlafen.

Am nächsten Tag aber hatte der Drache seinen Kegelnachmittag, am Tag darauf gab es einen Krimi im Fernsehen, dann mußte er mal wieder Staub wischen, und so gingen zwei Wochen herum, bis der Drache endlich dazu kam, seine Kochbücher zu lesen. Es war ein sonniger Tag und der Drache saß mit den Büchern auf den Stufen vor der Haustür, als plötzlich wieder die Prinzessin vor ihm stand und freundlich grüßte.

„Du kannst gleich wieder abhauen!“ sagte der Drache patzig, denn er hatte sie in schlechter Erinnerung. „Ich kann dich nicht einsperren. Mein Keller ist besetzt.“

„Du hast ihn an eine andere Prinzessin vergeben? Das ist nicht fair. Ich war zuerst da!“

„Es ist keine Prinzessin, sondern ein Prinz“, stellte der Drache richtig. „Er hat nach dir gesucht. Aber jetzt hat er wohl nicht mehr viel zu bestellen. Es sei denn, er mag rohe Kartoffeln.“

„Aber das ist ja beinahe genauso gut!“ rief die Prinzessin, öffnete ihr Kosmetikköfferchen und bewaffnete sich mit ihrer Nagelfeile. „Rück ihn heraus, oder es setzt was!“

„Du kannst ihn haben“, erwiderte der Drache verärgert. Er hütete sich aber zu qualmen, denn er fürchtete, seine Bücher könnten Feuer fangen. „Nimm ihn und hau ab. Ich will jetzt in Ruhe lesen.“

Er gab der Prinzessin der Kellerschlüssel, der hinter der Haustür an einem Haken hing. Die Prinzessin schloß den Keller auf und zog den Prinzen heraus. Der Drache hatte recht: viel war nicht mehr mit ihm los. Er war reichlich abgemagert und zerfleddert, und in seinen Haaren hingen Spinnweben.

„Das schadet nicht“, erklärte die Prinzessin zuversichtlich. „Ich nehme ihn mit an den Hof, und wenn er sich wieder herausgemacht hat, ist er gut genug zum Heiraten. Wir laden dich zur Hochzeit ein.“

Der Drache verzichtete.



Sechs Wochen später las er in der Drachenzeitung die Heiratsanzeige. Eigentlich war er der Meinung, daß ihn das alles nichts anging, aber dann besann er sich auf seine guten Manieren und schickte dem jungen Paar eine Glückwunschkarte.

Der Kuchen war ihm immer noch nicht gelungen. Aber das machte gar nichts. Denn schon bald kam das glückliche junge Paar zum Antrittsbesuch, um sich zu bedanken. Und bei dieser Gelegenheit wurde beschlossen, daß die königliche Hofbäckerei ihm von nun an jedes Jahr zum Hochzeitstag ein großes Blech Mandel-Butterkuchen schicken sollte.

Eigentlich stand ihm ja eine Jungfrau zu. Aber die wollte der Drache nicht haben, weil er Vegetarier war und am liebsten Süßes mochte.

Und so leben in diesem Land alle Jungfrauen noch bis heute, wenn sie nicht gestorben und immer noch Jungfrauen sind.

©Anna Rinn-Schad
 

herb

Mitglied
wunderschön, ich bin auch ein drachen, habe mir gerade eine minutensuppe gekocht, frühlingstopf, butterkuchen mit mandeln, da würde ich mich nie rantrauen, lach, wenn jetzt aber eine prinzessin klingelte, sie ließe ich rein, nur den prinzen nicht,*ggg

herzlich
 

Zefira

Mitglied
Danke, lieber herb :)
Jetzt habe ich mich erst mal selbst verschoben, denn diese Geschichte gehört nach meinen Kriterien ins Erzählforum. Vielleicht sollte ich wieder mal meinen eigenen Forentext lesen :(
Laß' Dir die Suppe schmecken *schlürf*
Grüße,
Zefira
 

Antaris

Mitglied
Rezept

Hallo Zefira,

man nehme einen Drachen, einen Prinzen, eine Prinzessin, einen Kuchen, und schüttele alles vorsichtig durcheinander, bis eine flott erzählte Geschichte dabei rauskommt. Schön!

LG

Antaris
 

Vera-Lena

Mitglied
Hallo, Zefira,

das ist wirklich köstlich, wie Du alles auf den Kopf gestellt hast. Deine Erzählung hat mich zum Lachen gebracht.

Grüße Vera-Lena
 
Voll der Hammer

Also deine Geschichte ist echt toll. Hab sie gelesen und oft auch ein wenig geschmunzelt.
Ist Mal was anderes. Bin einfach begeistert, mir fehlen die Worte.

Deine Amely
 

Zefira

Mitglied
Dann vergeßt auch nicht, herbs Drachengeschichte zu lesen.
Die ultimative Antwort auf meinen Butterkuchen.
flammarion kennt sie ja, glaub' ich, schon :D

Danke :)
Zefira
 

soleil

Mitglied
Klasse

Hallo Zefira,

das war die perfekte Lektüre zu meinem Milchkaffee, nicht nur wegen des Butterkuchens. ;-) Wunderschöne Sprache und (es wurde schon gesagt) einfach hinreißend erzählt. Dein Drache ist zum Knuddeln.

Schönen Tag noch
Soleil

PS: Bewertung: Perfekt.
 



 
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