Magda 2

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Teergeruch in südhessischer Mittagsruhe. Das Bierglas schützte sich mit Tautropfen gegen die steile Sonne. Der Kopfsteinbelag des menschenleeren Dorfplatzes war erst kürzlich in schwarzem Asphalt beigesetzt worden. Lärmschutz macht frei! Grelles Licht auf 70er-Jahre-Bausünden - ehrlich wie Pickel im Neonlicht. Ein Dorf wie das nächste. Nur die wechselnden Ortsnamen hatten mich beruhigt, dass wir nicht im Kreis gefahren waren. Mehr Häuser als Menschen - zwei davon im Straßencafé. Subtrahierte man uns, der Platz wäre praktisch verschwunden. Frühsommerliches Flugzeuggebrumme versuchte uns zu hypnotisieren.

"Warum hört man eigentlich nur bei Sonnenschein die Flugzeuge fliegen?" fragte ich mehr mich selbst als Magda.

"Weil man sie am stahlblauen Himmel auch sehen kann!... Aber, warum "stahlblau", wo Stahl doch eher rostschwarz ist?"

Ihr leerer Blick schweifte durch die parkenden Opels bis Leben zurück in ihre Züge kehrte:

" Grasrot! Himmelgrün!"

Ihr Lachen macht es einem nicht leicht, sie nicht zu lieben. Volker war vorläufig mit der letzten Träne aus dem Kopf gespült.

"Knallgrau"!

Warf ich ein. Wir verschluckten uns synchron am Bier. Die Häuser glotzten uns an, als hätten sie noch nie Glück gesehen. Eines streckte uns mit gut gelüftetem Bettzeug die Zunge raus - wir zurück! Gepunktetes Kopftuch und Sonnenbrille - heute war Audrey-Hepburn-Tag. Uns fehlte nur das Cabrio. Mein dunkelblauer Escort tickerte beleidigt mit heißem Motor am Parkscheinautomat.

"Was ist wohl schlimmer für wen? Für uns, hier her ziehen zu müssen oder umgekehrt?"

"Ersteres!" war ich mir völlig sicher. Skepsis in ihrem Blick. Magda kann überall glücklich sein. Der Ort ist nicht ausschlaggebend, nur der Inhalt.

"Ich denke, Kellner hier im Café ist ein guter Job. Jetzt noch ne Wohnung mit Dielenboden und frischem Bettzeug..." Ich konnte ihr nicht widersprechen. Ihre Welt ist heller als meine. Sie sieht mehr als ich. Volker ist ein Depp.

Zehn Minuten schweigender Seelengleichklang.

"Meinst Du, wir sind schlechte Menschen?"
In Magda schlug es Haken.

"Inwiefern schlechte Menschen? Weil wir uns für was Besseres halten? Soviel Snobismus sollte drin sein!"

"Nein, eher weil wir schlecht sind und es nicht merken. Wir saugen der Welt die Seele aus nur um Media-Markt-Wohlstandsmüll anzuhäufen. In fünfhundert Jahren werden die Menschen nicht denken, dass die Nazis schlimme Leute waren, sondern wir, die wir ihren Himmel kaputt gestunken und ihre Altstädte mit Asphalt zugegluckert haben. Und wir schauen betäubt zu. 'Wir haben ja nichts gewusst von dem ganzen Ausmaß. Wenn man das geahnt hätte'..." Mein Lachen über ihre kurze Darbietung verkniff ich mir, ein Niesen vortäuschend. Ihr Kopf wackelte dabei mit vorgeschobener Unterlippe parodierend hin und her. Es war lustig, aber nicht so gemeint.

Ein baldiger Platzwechsel war nun erste Bürgerpflicht. Alles hier war so sachlich, blutarm, so evangelisch. Orte färben ab. Vielleicht fuhren wir ja doch in die falsche Himmelsrichtung?

"Komm, lass uns weiterfahren bis die Sonne tiefer steht und ihr Licht innen warm gibt. Und abends gehen wir in einem Lokal Essen mit "Gast-" im Schilde..." schlug ich vor. "... ,dann schaut die Welt schon sauberer aus der Wäsche, glaub' mir!"
Sie sagte nichts und folgte mir wie ein müdes Kind mit Sonnenbrand dem Vater aus dem Schwimmbad.
Magda kann auch überall traurig sein.

"Fahr bitte langsam, ich möchte die Bäume grüßen können."
Wir fuhren eine Laubbaum gesäumte Landstraße mit dreistelliger Nummer entlang. Die Apfelbäume, nichts ahnend, dass ihre Früchte nicht der Fortpflanzung dienen würden, sondern Trinkerblasen und Alete-Gläschen füllen sollten, standen brav Spalier. Einige von ihnen trauten sich mit Geäst über die Straße und schauten uns keck ins Schiebedach.

"Bäume haben es gut. Sie brauchen kein Ziel!"

"Klar haben die auch ein Ziel. Sie wollen alle zum Himmel."

Meine Erwiderung machte sie einschlafen. Wenn sie schlief, war sie wieder Kind. Frieden pur. Zwei Kinder fuhren weiter Richtung Aachen.
 
G

Gelöschtes Mitglied 8846

Gast
Also,
mit gefällt Magda2 eindeutig besser, auch, wenn ich "Volker" noch nicht richtig einordnen kann. Vielleicht gelingt es mir ja nach Magda3 oder Magda4 oder ....

LG Franka
 



 
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