Mango

mikhan

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Mango

Eines Tages kam mein Bruder in Begleitung eines unheimlich aussehenden Mannes zu uns nach Hause. Seit dem Tod meines Vaters war mein Bruder der Mann im Haus, meine Mutter kümmerte sich um den Haushalt und verkaufte Tortillas, aber es war mein Bruder, der unser Überleben sicherte. Das heißt aber nicht, dass es uns gut ging, im Gegenteil, oft hatten wir nur eine Mahlzeit am Tag zu essen, und es gab auch Tage, da hatten wir gar nichts zu essen. Ich konnte auch nicht wie die anderen Kinder in meinem Alter zu Schule gehen, sondern musste stattdessen meiner Mutter im Haushalt helfen. Es war ein hartes Leben.
Der große, dunkelbraun gebrannte Mann, dessen raues Gesicht halb von einem großen Cowboyhut verdeckt war, unterhielt sich mit meinem Bruder auf unserer Veranda. Irgendwann rief mein Bruder nach meiner Mutter und dann unterhielten sie sich zu dritt. Ich hockte in einer Ecke im Garten und versuchte vergeblich eine fette, aber flinke Echse mit Hilfe einer Steinschleuder zu erlegen, doch von Zeit zu Zeit warf ich einen neugierigen Blick zu ihnen hinüber. Erschrocken stellte ich fest, dass der fremde Mann mich ebenfalls beobachtete, ich konnte seine funkelnden Augen erkennen, die unter seinem Hut hervorlugten. Dann schrie meine Mutter plötzlich meinen Bruder an, was mich sehr verwunderte, denn eigentlich hatte meine Mutter großen Respekt vor meinem Bruder. Ich konnte zwar nicht verstehen, was sie sagten, doch mein Bruder musste irgendetwas Furchtbares getan haben, das wusste ich. Meine Mutter ging weinend in unser Haus hinein und kam nicht wieder heraus. Ich hörte mit dem Spielen auf und wollte gerade zu meiner Mutter ins Haus laufen, als mein Bruder mich zu sich rief.
„Miguel“, sagte er zu mir, „dieser Herr hier heißt Felipe Martinez, er verwaltet eine kleine Farm auf dem Land, die sich im Besitz eines sehr reichen Mannes aus der Hauptstadt befindet.“. Mein Bruder schwieg, ich wusste, dass er von mir erwartete, dass ich mich nun höflich vorstellte, aber ich wollte viel lieber wissen was mit meiner Mutter los war. Felipe Martinez war kein Mann, der viele Worte machte, auch legte er keinen Wert auf höfliche Umgangsformen. Die Hand, die ich ihm nur zögerlich hinstreckte, nahm er gar nicht erst an. Stattdessen fragte er mich, ob ich denn auch hart arbeiten könne. Ich sagte ihm, dass ich jeden Tag sehr hart arbeitete, und das war nicht gelogen. Trotzdem schien er nicht sehr beeindruckt zu sein. Mein Bruder winkte mich fort, hieß mich aber, im Garten zu bleiben. Aus dem Haus drang immer noch das schmerzhafte Schluchzen meiner Mutter.
Mein Bruder unterhielt sich noch eine Weile mit dem Mann, dann schienen sie plötzlich alles geklärt zu haben, auch wenn ich immer noch nicht genau wusste worum es dabei eigentlich ging. Jedenfalls verabschiedeten sie sich am Ende so herzlich, als wären sie alte Freunde. Mit lauter Stimme bot mein Bruder Felipe Martinez noch eine Tasse Kaffee an, was dieser dankend ablehnte. Erst als Felipe außer Sicht war, wandte sich mein Bruder mir zu und sein Lächeln wich einer bösen Grimasse. Er gab mir eine heftige Ohrfeige und meinte dann, dass ich mit meinem trotzigen Verhalten beinahe alles kaputt gemacht hätte. Eine Arbeit wie diese fände man nicht alle Tage und ich solle daher gefälligst dankbar sein. Jetzt erst begriff ich, dass ich auf der Farm, von der mein Bruder gesprochen hatte, arbeiten sollte. Mein Bruder erklärte mir, dass Felipe sehr großzügig gewesen sei und versprochen hatte, mir freie Kost und Logis zu gewähren. Bereits morgen werde er mich persönlich zu der Farm bringen, die dann mein neues Zuhause darstellen sollte. Sogar ein kleines Taschengeld würde ich kriegen, und da man auf der Farm nichts ausgeben kann, würde mir alles sparen können. Ich fragte meinen Bruder, warum ich auf der Farm arbeiten sollte und sagte ihm, dass ich viel lieber zu Hause bleiben möchte. Mein Bruder lachte bloß und fragte mich, ob ich noch immer nicht begriffen hätte, in welcher Armut wir hier eigentlich lebten und welch großes Glück diese Arbeit daher für mich bedeuten würde. Selbst unsere Mutter würde das sehr bald einsehen. Er sagte noch mehr, doch ich blieb nicht länger stehen, sondern ging ins Haus zu meiner Mutter hinein. Meine Mutter war damit beschäftigt Essen zu kochen. Ihr Gesicht war völlig verweint. Doch als ich auf sie zuging, um sie zu umarmen, wies sie mich mit strenger Stimme ab. Ich solle sie jetzt nicht beim Kochen stören, sondern lieber nachsehen, was es im Garten zu tun gebe.
An diesem Abend gab es ein gutes Essen, doch anders als sonst sprachen wir nicht miteinander, sondern saßen alle drei schweigend da und konzentrierten uns auf unser Essen. Irgendwann stand mein Bruder auf und verließ das Haus. Wie jeden Abend ging er in den nahe gelegenen Park, um sich dort mit seinen Freunden zu betrinken. Dafür hatte er immer genug Geld übrig, aber ich wusste auch, dass er bereits hoch verschuldet war. Schweigend räumten meine Mutter und ich gemeinsam das Geschirr weg. Als wir mit allem fertig waren, nahm mich meine Mutter plötzlich ganz fest in den Arm. Sie weinte, sie weinte so sehr, das mein Hemd von ihren Tränen ganz durchnässt wurde. Auch mir flossen die Tränen in Strömen das Gesicht hinunter. Das war das letzte Mal, das ich die Wärme meiner Mutter spüren sollte, ich werde es nie vergessen.
Am nächsten Morgen ging mein Bruder schon sehr früh mit mir zur Bushaltestelle, so dass ich keine Möglichkeit mehr hatte, mich von meiner Mutter zu verabschieden. Kaum hatte der Bus den Ort verlassen, da brauste er auch schon mit einer gefährlichen Geschwindigkeit über die nur schlecht asphaltierte, und wenig befahrene Straße dahin. Der Bus war voll besetzt mit einem bunt gemischten Volk von Händlern, die lauthals ihre wohlriechenden Waren anboten, alten Leuten, die so aussahen, als träten sie die letzte Reise ihres Lebens an, jugendlichen Draufgängern, die zum Teil auch auf dem Dach herumturnten und verliebten Paare, die angesichts der dreisten Sprüche der Jugendlichen ihre Köpfe verschämt zu Boden senkten. Die beiden mitfahrenden Kontrolleure machten sich einen Spaß daraus ein alleinreisendes Mädchen zu belästigen. Draußen auf der Straße waren stets mehr Lasttiere als Fahrzeuge zu sehen und nicht selten schimpften die Bauern dem wild darauf losfahrenden Busfahrer hinterher, weil er ihre Tiere verschreckt hatte. Jenseits der Straße erstreckte sich eine ausgedörrte Steppe aus der sich vereinzelt merkwürdige pyramidenförmige Hügel erhoben, die der Landschaft ein surreales Aussehen verliehen.
Irgendwo, mitten auf der Strecke, wies mein Bruder den Fahrer an zu halten. Noch bevor ich ganz ausgestiegen war, war der Bus schon wieder losgefahren und ich wäre wohl beinahe auf die Straße gefallen, hätte mein Bruder nicht gehalten. Dankbar war ich ihm dafür nicht. Viel lieber wäre ich im Bus geblieben und ohne ihn weitergefahren. Schon bald wurde der Bus von einer immer kleiner werdenden Staubwolke eingehüllt und verschwand alsbald aus unserem Blickfeld. Weit und breit war kein Mensch zu sehen, doch konnte ich einen kleinen Pfad erkennen, der sich von der Straße aus durch die Steppe schlängelte. Schweigend folgte ich meinem Bruder auf dem Pfad und stellte fest, dass sich die Steppe mit der Zeit in einen richtigen Wald verwandelt hatte, es musste also irgendwo einen Fluss oder so etwas geben.
An einer Wegbiegung hielt mein Bruder inne, Pferdegeräusch war zu hören, und da erschien auch schon ein prächtig gekleideter Reiter auf einem majestätisch wirkenden schwarzen Pferd. Es war wirklich eine imposante Erscheinung. Der Mann hielt das Pferd an und grüßte uns förmlich. Über seine Schulter hing ein langes Jagdgewehr, was ihn noch herrschaftlicher aussehen ließ. Plötzlich wirkte mein Bruder ganz klein und zerbrechlich, er schien förmlich im Boden zu versinken. Eigentlich hatte ich immer große Angst vor meinem Bruder, aber in diesem Augenblick sah er einfach lächerlich aus. Nur mühsam grüßte er zurück und murmelte noch einige Höflichkeitsfloskeln dahin. Dann begann der Reiter ein Gespräch mit meinem Bruder, doch ich achtete nicht weiter auf ihre Worte, zu gefangen war ich noch vom Anblick dieses Mannes. Dann plötzlich ritt er davon und verschwand so rasch wie ein verblassender Traum. Mein Bruder erklärte mir, dass dies der reiche Mann aus der Hauptstadt gewesen sei, der Besitzer der Farm. Für Gewöhnlich käme er nicht hierher, nur ab und zu gönne er sich ein Jagdvergnügen auf dem umliegenden Land.
Es war jetzt gar nicht mehr weit bis zur Farm, nach etwa einer halben Stunde erreichten wir das Gelände, eine etwa fußballfeldgroßen Lichtung, auf der sich mehrere Holzgebäude und ein Pferdegehege befanden. Auf der anderen Seite erstreckten sich die Felder, zwischen denen sich ein schmaler Fluss hindurch schlängelte, der von einer Allee gewaltiger Mangobäume umgeben war. Es war ein imposanter Anblick, der durch das rege Treiben im Hof noch verstärkt wurde. Überall liefen große, braungebrannte Männer mit Macheten umher, an den Kochstellen waren zahlreiche Frauen und Kinder zugange und zwischen den Häusern jagte ein Rudel wilder Hunde ein aufgescheuchtes Kaninchen zu Tode. Ein paar Kinder heizten die Jagd noch zusätzlich an, indem sie mit Steinen nach dem Kaninchen warfen.
An einem Holztisch saß eine Gruppe von Männern, unter denen ich auch Felipe Martinez entdecken konnte. Kaum hatte er uns gesehen, da kam er auch schon mit ausladenden Schritten auf uns zu geeilt, dicht gefolgt von einem sehr schmächtigen, alten Mann. Der alte Mann sah so aus, als könnte er jeden Moment tot umfallen. Seine Haut war vollkommen eingefallen und sein ganzer Körper schien mit Narben bedeckt zu sein. Seine mit gelblichen Flecken bedeckten Augen verliehen seinem Gesicht einen unheimlichen Ausdruck.
„Dieser Mann hier ist der alte Pepe, er arbeitet schon seit ganzes Leben hier“, erklärte uns Felipe Martinez nach einer kurzen Begrüßung. „Er wird sich in den ersten Tagen um dich kümmern, und dich in deine Aufgaben einweisen. Ich erwarte von dir, dass du seinen Anweisungen ohne Widerrede folgst. Hast du das verstanden?“. Ich nickte, woraufhin sich Pepe zum Gehen anschickte. Mein Bruder sagte mir, dass ich ihm hier keinen Ärger machen sollte, und dass er mich von Zeit zu Zeit besuchen würde, um sich nach meinem Befinden zu erkundigen. Ich wusste sehr wohl, dass er nur kommen würde, um mir mein Gehalt abzunehmen, aber das sagte ich ihm nicht. Sehr viel mehr hatte er mir nicht zu sagen, und schon bald verabschiedete er sich von mir und von Felipe Martinez. Dieser drehte sich um und lachte mich an. Wenn ein solcher Mann lachte, dann konnte das einfach nichts Gutes bedeuten. Der alte Pepe kehrte mit zwei Macheten in seinen Händen zu uns zurück. „So, dann wollen wir mal anfangen zu arbeiten. Denn wer nicht arbeitet, der kriegt auch nichts zu essen. Richtig, Felipe?“ meinte er zu mir und sprach dabei Felipe Martinez an. Der lachte wieder und zeigte uns dabei seine hässlichen, gelben Zähne.
Pepe drückte mir eine kleine, rostige Machete in die Hand, und behielt für sich selbst die große, blank polierte Machete und wies mich an, ihm zu folgen. Unsere Aufgabe war es ein kleines Zuckerrohrfeld zu roden. Einige Männer und auch ein paar Jugendlich befanden sich schon dort und arbeiten. Wie ich schnell feststellen konnte war der scheinbar so zerbrechliche alte Mann in Wahrheit ausgesprochen kräftig und geschickt. Er schnitt das Zuckerrohr mit verblüffender Geschwindigkeit und verlor dabei nicht einmal den geringsten Schweißtropfen.
Meine eigenen Versuche mit der Machete hingegen waren eher unbeholfen und ich hatte zudem große Angst mir die Hand abzuhacken, sobald ich heftiger zuhieb. Die Sonne brannte derweil erbarmungslos auf uns nieder und die scharfkantigen Zuckerrohrgräser schnitten sich mir ins Fleisch. Heerscharen von Blutsaugenden Insekten ließen sich auf meinem Körper nieder. Allmählich gewöhnte ich mich aber daran und meine Bewegungen wurden immer mechanischer. Als wir das Feld endlich fertig gerodet hatten war ich richtig stolz auf meine Leistung. Auch der alte Pepe schien mit mir zufrieden zu sein. Er wies mich an mir bei der Kochstelle von den Frauen etwas zu essen geben zu lassen.
Ich bekam einen großen Teller mit Reis und Bohnen, sogar ein kleines Stück Fleisch war dabei. Noch nie in meinem Leben hatte ich soviel auf einmal zu essen bekommen. Beinahe wäre ich glücklich gewesen, doch ich musste an meine Mutter denken, und daran, dass sie von einem solchen Essen nur träumen konnte.
An diesem Tag wurde nicht mehr gearbeitet und ich konnte die Zeit nutzen, um meine neue Umgebung ein wenig näher kennen zu lernen. Es war schwer zu sagen wie viele Menschen hier auf der Farm arbeiteten, aber es mochten schon dreißig Mann gewesen sein, hinzu kamen die Kinder und Frauen. Einige schienen so wie ich hier zu wohnen, andere wohnten wohl in der näheren Umgebung. Ich ging zum Fluss, um mich dort waschen und mich im Schatten der Mangobäume ein wenig auszuruhen. Das Wasser war angenehm kühl und ich genoss es sehr ein wenig darin umher zu schwimmen. Ich sah auf die Schatten der Mangobäume, die sich im Wasser spiegelten und konnte erkennen, dass es auf den oberen Ästen bereits reife Mangos gab. Einmal war ich mit meiner Mutter in der Hauptstadt auf dem Markt gewesen und habe dort Mangos essen können. Bei der Erinnerung an den saftigen Geschmack reifer Mangos lief mir das Wasser im Munde zusammen, und wurde meine Freude wurde nur durch die Erinnerung an meine Mutter getrübt.
Da niemand sonst am Fluss war, beschloss ich auf den Baum zu klettern und mir eine Mango zu pflücken. Es war ganz bestimmt verboten, aber von den Hütten aus konnte man mich nicht sehen, also zögerte ich nicht lange, und kletterte hoch. Mangobäume können sehr, sehr groß werden, aber zum Glück musste ich nicht bis ganz nach oben klettern, um eine Mango zu bekommen. Sie war zwar noch nicht richtig reif, aber ich aß sie trotzdem mitsamt der Schale auf. Irgendwie fühlte ich mich seltsam sicher auf dem Mangobaum, es schien als könne mir hier oben niemand etwas anhaben. Trotzdem erschrak ich nicht schlecht, als ich plötzlich hörte, wie sich jemand näherte. Ich verharrte in höchster Konzentration an meinem Platz und sah durch das Blätterwerk hinab.
Es war ein Mädchen, das offensichtlich auch gekommen war, um sich zu waschen. Angespannt beobachtete ich sie weiter, und fragte mich zur selben Zeit ängstlich, ob sie nicht vielleicht doch sehen könnte. Plötzlich wandte sie mir das Gesicht zu, konnte mich aber nicht erkennen. Doch mich traf es wie einen Schlag, als ich in das Gesicht dieses Mädchens blickte. Sie war wunderschön. Ich glaubte nie zuvor so ein schönes Mädchen gesehen zu haben, allerdings muss ich sagen, dass ich mich bislang auch noch nie sonderlich für Mädchen interessiert hatte. Ich ging auch nicht davon, dass diese sich für mich interessierten. Aber bei diesem Mädchen hätte ich es mir ganz bestimmt gewünscht.
Der Schlag, der mich getroffen hatte, war offenbar zu heftig für mich gewesen. Wie eine überreife Mango fiel ich vom Baum hinab und landete genau vor ihren Füßen. Sie war so erschrocken, dass sie nicht einmal einen Schrei herausbrachte, stattdessen sprang sie aufgeregt zur Seite und ohne sich noch länger um mich zu kümmern, rannte sie auch schon davon. Mir war nicht gerade danach sie zurückzuhalten, schmerzte mich doch schließlich jeder Knochen in meinem Leib. Eine Weile blieb ich dort regungslos am Boden liegen und verfluchtete mich dafür, dass ich den Halt verloren hatte. Dann, als bereits zu dämmern begann, rappelte ich mich langsam auf und machte mich auf den Weg zurück. Der alte Pepe hatte offenbar schon nach mir gesucht, jedenfalls lief er mir sogleich entgegen, als ich bei der Kochstelle einkehrte.
„Wo hast du nur gesteckt, du Bengel? Du siehst aus, als hättest du eine Schlägerei gehabt. Felipe Martinez ist in die Stadt gefahren und kommt erst in einigen Tagen wieder zurück. Bis dahin gibt es hier jede Menge Arbeit zu erledigen. Also sieh zu, dass du ins Bett kommst, morgen geht es früh raus!“
Mein Bett, das war ein breites, auf ein paar Kisten aufgelegtes Holzbrett, das nur durch eine dünne Decke bedeckt war. Es stand neben dem Eingang zum Werkschuppen. Nachdem ich den Hund, der es sich da gemütlich gemacht hatte, vertrieben hatte, legte ich mich hin, und ließ mir die Ereignisse des vergangenen Tages durch den Kopf gehen. Ich musste an das Mädchen denken, und sah mich heimlich auf dem umliegenden Platz um, wo sich noch viele Leute herumtrieben, konnte das Mädchen aber nirgendwo entdecken. Plötzlich stieg der Ärger in mir hoch. Auch zu Hause hatte ich schwer arbeiten müssen, doch nie war ich so erschöpft gewesen, wie an diesem Tag. Und immer war da die Liebe meiner Mutter, die mein Leiden erträglich machte. Von einem Tag auf den anderen hatte sich alles geändert. Obwohl hier überall Menschen waren, war ich doch allein. Niemand wünschte mir eine gute Nacht oder fragte mich nach meinem Namen, nach meiner Person.
Ich hatte tatsächlich das Gefühl, dass alle Menschen um mich herum Lügner waren. Was sie an den einem Tag behauptet hatten, hatten sie am nächsten Tag schon wieder vergessen, vielleicht behaupteten sie nun sogar etwas Gegenteiliges, ohne diesen Meinungsumschwung auch nur zu erwähnen, geschweige denn zu begründen. Vielmehr taten sie so, als wäre es schon immer so gewesen. Jeder von ihnen verkaufte Wahrheiten, die sie mit inbrünstiger Überzeugung vertraten, ungeachtet der Tatsache, dass sich all diese Wahrheiten untereinander widersprachen. Hatte nicht auch mein eigener Bruder mich angelogen, indem er mich an diesen Ort gebracht hatte? Sicher, man hatte mir zu essen gegeben, doch beruft sich das Menschsein doch nicht allein darauf, sich satt zu essen. Was war denn nun eigentlich Wahrheit, worin unterscheidet sie sich eigentlich noch von einer Lüge? Wahrheit erschien mir plötzlich als etwas bedrohliches, als eine Art von Macht welcher sich die Menschen bedienten und die sie beliebig zu ihren Zwecken verformen konnten. Und was vielleicht noch schlimmer war: Woher sollte ich denn wissen, welche Wahrheit gegenwärtig akzeptiert wurde und welche nicht?
Es muss schon nach Mitternacht gewesen sein, als meine Müdigkeit schließlich meinen Überlegungen ein Ende bereitete und ich in einen tiefen Schlaf sank... (Fortsetzung geplant)
 
A

AndreasGaertner

Gast
schön

Hallo,
ich finde "Mango" ist eine gute Erzählung.

Ein paar Kleinigkeiten:

Sogar ein kleines Taschengeld würde ich kriegen, und da man auf der Farm nichts ausgeben kann, würde ich mir alles sparen können. Allgemein ein wenig viel "würde"

..ein etwa fussballfeldgroßen Lichtung.

Liebe Grüsse

Andreas
 

mikhan

Mitglied
Hallo Andreas!

Vielen Dank für das Lob und die Hinweise auf Rechtschreibefehler und misslungene Formulierungen!

Gruß Mikhan.
 



 
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