Manisch-Depressiv

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Andrea1694

Mitglied
Manisch-Depressiv

Gedankenverloren saß ich auf der Terrasse und schaute in die Weite meines Gartens.

Wie begann es damals vor ca. 2 Jahren, als ich den ersten manisch-depressiven Anfall hatte und alles seinen Lauf nahm? So auch meine Gewichtszunahme, die mich jetzt so unglücklich machte!


Seitdem ich die Liebe meines Lebens gefunden hatte, war ich stets voller Elan, impulsiv und jederzeit dazu bereit, anderen zu helfen wo ich nur konnte. Ich war ein lebensbejahender Mensch, voller Tatendrang und hatte immer ein lächeln im Gesicht.

Nie konnte mich etwas betrüben, da immer in meinem Herzen diese Zufriedenheit war, egal ob es schneite, regnete oder die Sonne schien.

Jeder, der mich kannte und mir begegnete, fragte sich stets, woher ich diese Kraft nahm, all das, was ich an einem Tag erledigte, zu schaffen ohne auch nur einmal darüber zu klagen, geschweige denn nachzudenken.

Doch dann kam dieser eine Tag, der mein weiteres Leben komplett veränderte, als ich mir nichts, dir nichts zusammenbrach und bewusstlos war.

Da die Ärzte mich, trotz jeglicher Maßnahmen, nicht aus meiner Bewusstlosigkeit erwecken konnten, wurde ich auf richterlichen Beschluss in eine geschlossene psychiatrische Anstalt eingewiesen.

Nach ca. zwei Tagen öffnete ich das erste Mal meine Augen und war total benommen durch all die Medikamente, die man mir mittels Infusionen in meinen Blutkreislauf gejagt hatte.

Die Zimmer waren zwar weiß gestrichen, doch schon ziemlich vergilbt. Kein Bild schmückte die Wände und keine Pflanze befand sich im Raum.

Alleine im Flur und im Raucherzimmer, dessen Fenster durch Gitterstäbe geschützt waren, gab es einige Grünpflanzen, welche wohl die sterile, kalte Atmosphäre etwas auflockern sollten.

Die Regeln besagten, dass man sich nach Möglichkeit von den anderen Patienten fern halten sollte. Persönliche Dinge, die z.B. Suizid- und Borderline-Patienten gefährden
konnten, wie Nagelscheren etc. pp, wurden unter Verschluss genommen. Selbst ein Handy durfte man in der geschlossenen nicht behalten.

Am Anfang hatte ich mir eingebildet, dass die Ärzte sich der Patienten mit besonders schwerwiegenden, psychischen Erkrankungen in spezieller Form annahmen, z.B. mittels einer
Gesprächstherapie, um den eigentlichen Auslöser für die Erkrankung zu finden.

Aber Pustekuchen, nichts dergleichen geschah. Wenn einer der Patienten einmal zuviel den Mund auftat, bekam er einfach noch mehr Medikamente, bis er letztendlich wie ein
Schlafwandler auf dem Flur auf und ab lief, ohne das, was rechts und links um ihn herum geschah, wirklich wahrzunehmen. Hauptsache er war schön ruhig gestellt.

Für die Raucher unter den Patienten gab es ein einziges Feuerzeug, dass neben der Küche angebracht war. Während der Therapiezeiten (Gymnastik in einem Raum der mal eben
2,50 m x 2,50 m war, Zeichenstunde etc. pp) wurde das Feuerzeug verschlossen und lediglich während der Pausen für ca. 10 Min. hinausgehangen.

Patienten, die anfingen Randale zu machen, z.B. in der Form, dass sie ohne Grund die Blumen umschmissen oder herumzuschrien, wurden von einer Horde von ca. 10 heranstürmenden Pflegern/innen übermannt und einfach für ein paar Tage splitternackt an ihr Bett gefesselt.

In meinen Augen war dies eine total menschenunwürdige Behandlung.

Ein jeder von uns hatte sich zudem um ihm zugeteilte Aufgaben, wie z.B.: die Küche, die Pflege der Blumen, das Raucherzimmer etc. zu kümmern. Hielt man sich nicht daran oder weigerte sich, bekam man einen Verweis und einen Vermerk in seine Akte, welcher nicht gerade das Herannahen des Entlassungstages förderte.

In der Zeit meines Aufenthaltes hatte ich mir fest vorgenommen einmal über die vielen, unterschiedlichen Krankheitsbilder der Menschen, die ich kennenlernen durfte, zu schreiben, doch es sind einfach zu viele um sie erwähnen zu können.

Doch eines weiß ich genau, diese Zeit kann und werde ich nie in meinem Leben vergessen, weil mir einfach die Menschen, die sich dort befinden leid tun, da ihnen nicht in dem Sinne geholfen wird, wie es viele von uns glauben mögen.

30. Juni 2005
Andrea
 

coxew

Mitglied
manisch depressiv

hallo,

das ganze liest sich wie ein erlebnisbericht und am ende bin ich erschüttert. wenn das das ziel der geschichte war, hast du es erreicht. ich würde dann auch nichts mehr ändern.

freundliche grüße
 

Andrea1694

Mitglied
Hallo coxew,

es ist wirklich ein Erlebnisbericht und soll den Leser am Ende gleichermaßen wie mich entsetzen.

Ich danke Dir recht herzlich für Deinen Kommentar.

Sonnige Grüße sendet Dir
Andrea1694 (bin 1964 geboren) :)
 

GabiSils

Mitglied
Hallo Andrea,

wann und wo hat das denn stattgefunden? (Nein, du mußt jetzt nicht deine Intimsphäre hier ausbreiten, die Zeit wäre aber schon interessant.)
Mag sein, daß es derartige Horror-Institutionen tatsächlich noch gibt; für mich - sorry, will dir nicht zu nahe treten - liest es sich wie von jemandem geschrieben, der zu viele Filme gesehen hat.
Meine eigenen Erfahrungen sind völlig anders und durchweg positiv; das ist sicher nicht überall so, aber daß gar keine Gesprächstherapie stattfindet, ausschließlich Tabletten zur Ruhigstellung - das kann ich mir kaum vorstellen. Auch bei den brutalen Pflegerhorden hast du anscheinend besonderes Pech gehabt.
Die Aufgaben - Küchendienst etc.- haben übrigens sehr wohl einen therapeutischen Zweck und sind keine Schikane. Depressive Patienten verlieren ihre Tagesstruktur und ihren Antrieb, durch diese Pflichten lernen sie langsam, ihren Tag wieder einzuteilen und eine Aufgabe zu erfüllen. Wer das nicht schafft, bleibt zu Recht noch in Therapie.

Die Darstellung der Erkrankung ist viel zu oberflächlich. Vielleicht erschien es der Protagonistin/dir tatsächlich wie ein Zusammenbruch aus heiterem Himmel, aber so etwas gibt es nicht; wenn man zurückblickt, sieht man sehr wohl die Zeichen. Du deutest das nur an:

Jeder, der mich kannte und mir begegnete, fragte sich stets, woher ich diese Kraft nahm, all das, was ich an einem Tag erledigte, zu schaffen ohne auch nur einmal darüber zu klagen, geschweige denn nachzudenken.
Um deinen Bericht tatsächlich aussagekräftig zu machen, müßte er sehr viel detaillierter sein. Das hier ist eine Bestätigung hinlänglich bekannter (Vor-)Urteile.

Gruß,
Gabi
 

Andrea1694

Mitglied
Liebe Gabi,

auch Dir danke ich für Deinen ausführlichen Kommentar.

Gerne versuche ich auf diesen näher einzugehen:
Zeitpunkt: September 2003
Ort: Psychiatrische Anstalt, Neuss
Dienste: Küchendienst etc. pp .. wollte ich wirklich nicht als Schikane hinstellen ... sorry, falls dies so herübergekommen ist. Sie dienten wirklich gleichermaßen, wie Du es bereits gesagt hast, als Therapie.

Im näheren bin ich nicht auf meine eigenen Erlebnisse innerhalb dieser geschlossenen Anstalt eingegangen, da es ansonsten ein ganzes Buch geworden wäre.

Doch von (Vor-)Urteilen kann ich aus meiner Sicht wirklich nicht sprechen, da es sich wahrhaftig so zugetragen hat, wie ich es versucht habe zu schildern.

Selbst die wirklich wichtigen Gesprächstherapien blieben gänzlich bei allen aus.

Sende auch Dir sonnige Grüße und wünsche Dir einen schönen Tag,

Andrea1694
 

majissa

Mitglied
Hallo Andrea,

mich hat der Text nicht erschüttert. Dazu bleibt er zu sehr an der Oberfläche. Eine Verständnisfrage: Warum kommt die Protagonistin - nur, weil sie bewusslos wird - gleich auf richterlichen Beschluss in die Geschlossene? Das ist unlogisch. Da muss doch vorher schon was passiert sein, das diese drastische Maßnahme rechtfertigt. Eine Gesprächstherapie mit einem Maniker in der Hochphase erscheint mir so sinnvoll wie der Versuch, einen D-Zug mit bloßen Händen anzuhalten. Insofern sind die Tabletten zur Ruhigstellung erstmal wichtiger.

LG
Majissa
 

GabiSils

Mitglied
Hallo Andrea,

da es sich um einen Erlebnisbericht und nicht um eine Erzählung handelt, verschiebe ich deinen Text ins Tagebuch.

Gruß,
Gabi
 

Andrea1694

Mitglied
Hallo Majissa,

wenn man vor dem Zusammenbruch über mehrere Wochen hinweg von morgens ca. 5:00 Uhr bis abends, ca. 22:00 Uhr arbeitet und dann noch den Schlaf vergißt kommt man auf richterlichen Beschluß erst einmal in die psychiatrische Anstalt, weil man sozusagen ständig auf der Hochphase läuft.

Wünsche Dir einen schönen Tag,
Andrea
 
@ Andrea1694

hihi, Du bist nicht zufällig verwandt mit einem Andreae aus 16... , der u.a. die berühmte "Fama Fraternitatis" schrieb und damit zur Zeit der "Dunkelmänner" eine Hexenjagd in Europa auslöste?

http://de.wikipedia.org/wiki/Johann_Valentin_Andreae

Zur Einweisung in eine Psychiatrie ("Geschlossene"):

Das Regelwerk dafür heißt "PsychKG" = Psychisch-Kranken-Hilfe-Gesetz.
Eine solche Zwangseinweisung und Zwangsunterbringung erfolgt nur auf richterlichen Beschluss hin (notfalls durch einen Bereitschafts/Eil-Richter, und solchen Beschluss gibts nur auf ärztliches Anraten und handfeste Beweise, und zwar dann, wenn Eigen- oder Fremdgefährdung oder beide vorliegen (zB Suicidgefahr oder krankheitsbedingtes, aggressives Verhalten).

Auch dann ist die längerfristige Unterbringung auf einer "Geschlossenen" nur statthaft, wenn die dort sofort durchgeführte ärztliche Befundung dies begründet, und dies muss wiederum nach spätestens zwei Wochen dann richterlich abgesegnet werden (sonst wärs schlichte Freiheitsberaubung und bei begonnener Behandlung auch noch Körperverletzung).

Dass Du selbst, als Betroffene, dies natürlich völlig anders erlebt hast, liegt in der Natur der dabei beteiligten Krankheiten, deren ein Merkmal eine massive Einschränkung/Verzerrung der Selbstwahrnehmung ist. Solcherart Erkrankte fühlen sich nicht krank, sie erleben daher alle Maßnahmen zu ihrem Schutz so gut wie immer als unmotivierte Gewaltmaßnahmen = als widerrechtliche Eingriffe in ihre Autonomie, die aber per Krankheit bereits mehr oder weniger aufgehoben ist.

Eine Begründung wie die Deine:
[... wenn man vor dem Zusammenbruch über mehrere Wochen hinweg von morgens ca. 5:00 Uhr bis abends, ca. 22:00 Uhr arbeitet und dann noch den Schlaf vergißt]

(= nennt man das "Manischsein", und man arbeitet dann nicht wirklich, sondern das Gehetztsein rund um die Uhr ist Teil der Krankheit, denn wirklich zustande bringen kann man in diesem Zustand nichts, was Hand und Fuß hätte.)

Dieses Dein Argument hab ich in 25 Jahren meiner Tätigkeit in der Psych. sehr oft gehört, nur waren genau dieselben Leute oft nach Einsetzen der Wirkungen der Medis sehr dankbar, dass man sie aus ihren Wahnwelten einigermaßen wieder herausgebracht hatte.
Es gab natürlich auch welche, die nicht davon abzubringen waren, dass wir Vergewaltiger, Nazischergen und sonstwas seien. Das waren meist jene mit ungünstiger Prognose, bei denen die Medis gar nicht oder nur unzureichend wirkten.

Die manisch-depressive Krankheit gehört übrigens heute zu den symptomatisch gut behandelbaren, wenn man auch weder ihre genauen Ursachen kennt, noch sie grundsätzlich heilen kann.
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Ich gehe davon aus, dass Dein eher diffuser Text insofern dennoch treffend ist, als er Dein krankheitsbedingt diffuses Selbst- und Umwelt-Erleben während dieser Lebensphase authentisch wiedergibt. (wobei ich Dir sehr wünsche, dass sie vorüber sein möge!)
 



 
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