Marianna Grace

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julimaus

Mitglied
Marianna Grace.
Marianna Grace.
Wie oft haben sie deinen Namen genannt. Zwei-, dreimal? Es ist mir öfter vorgekommen. Das Echo vibrierte in meinem Kopf, rief dich immer wieder nach vorne. Auf die Bühne? Szene? Podest? Wie heißt dieses Etwas, worauf du steigst um dein Zeugnis entgegenzunehmen? Worauf du steigen solltest. Worauf du gestiegen wärst.
Marianna Grace.
Warum stehst du nicht auf und gehst nach vorne wie alle anderen? Stimmt es etwa? Habe ich es etwa nicht geträumt?
Was denkst du dir dabei, diese Zeremonie zu verpassen?
Jetzt, genau jetzt, nicht an irgendeinem Geburtstag, bist du erwachsen. Bereit in die Welt hinauszutreten. Bereit, sie zu erobern. Wie ein Feuer über sie zu kommen. Erleuchten, wärmen oder verbrennen. Zerstören. Verwüsten. Vernichten.
So wie es dich vernichtet hat. Du bist Feuer.
Was ist Feuer? Etwas das brennt? Die heiße Zunge einer Flamme, nicht gemacht um zu reden, sondern um zu foltern, quälen, vertilgen.
Asche zu Asche. Nur Asche bleibt. Alles Leben verschwindet. Vergeht? Ändert sich. Leben verschwindet nicht. Die Löwin nimmt es der Antilope und schenkt es ihrem Kind. Das Feuer nimmt es dir und schenkt seinem Kind, seiner Flamme. Du bist Feuer geworden.
Warum wissen sie es nicht? Warum rufen sie dich, wo du sie doch nicht verstehen kannst? Du bist nicht da. Doch es geschah erst gestern. Sie können es nicht wissen. Nicht wissen, dass du nur wenige Stunden vorher noch glücklich warst. Dass du nur wenige Stunden später gelitten hast. Hast du geweint? Die Tränen wären so heiß gewesen.
Erst gestern ist es geschehen. Gestern noch habe ich dich gesehen.
Heute sehe ich niemanden. Die Tränen sind zu heiß, sie verbrennen meine Augen. Ich bin blind. Taub.
Sie sagen einen anderen Namen, doch ich höre immer noch den einen. Den deinen.
Marianna Grace.
 

think twice

Mitglied
Hallo julimaus,

Dein Text gefällt mir ganz gut, allerdings finde ich, dass er mehr nach einem Liedtext klingt als nach einer Kurzgeschichte.

Liebe Grüße
think twice
 
D

Daktari

Gast
Wie lang muß eine Kurzgeschichte sein?

Ich finde, es ist schon eine Kurzgeschichte. Wie lang muß denn eine Kurzgeschichte sein, um eine zu sein? Mann kann die Trauer, die Verzweiflung des Erzählers gut nach vollziehen. Hier kann man wirklich nichts besser machen. In diesem Zustand wirbeln Gedanken an einem vorbei, gut gechildert.

Tim
 

think twice

Mitglied
Hallo Daktari,

Ob eine Geschichte als Kurzgeschichte zu bezeichnen ist oder nicht, hat mit ihrer Länge nicht das geringste zu tun. Kurzgeschichte bedeutet lediglich, dass das Ende der Geschichte offen bleibt. Somit kann eine Kurzgeschichte eine halbe Seite lang sein oder über 100 Seiten haben.

Liebe Grüße
think twice
 
D

Daktari

Gast
Kurzgeschichte

Kurzgeschichte heißt also nur offenes Ende? Wenn ich jetzt meinen Krimi mit 400 Seiten also nicht fertig schreibe, sondenr offen enden lasse, ist das 'ne Kurzgeschichte?

Wow, wieder was gelernt. Danke und Ciao
Tim
 

lapismont

Foren-Redakteur
Teammitglied
Hallo,

nur um mal kurz den Forentext zu zitieren:

"Hallo,
In den von Zeder und Zefira moderierten Foren "Erzählungen" und "Kurzgeschichten" wollen wir alle erzählenden Texte versammeln, die nicht in die Genre-Foren gehören - die "Mainstream-Literatur" also, die von Gott und der Welt (hauptsächlich der Welt) handelt!

(...)

Unter "Kurzgeschichten" sind kürzere Texte mit weniger Personalaufwand einzuordnen, die nur aus einer einzigen Episode bestehen.

(...)

Wichtig ist in beiden Foren, daß die Texte was erzählen - also einen Handlungsablauf anbieten, nicht bloße Betrachtungen. (...)"

cu
lap
 

blaustrumpf

Mitglied
Hallo, julimaus

Das ist wirklich ein faszinierender Text, schon allein, weil er sich dem schnellen Einordnen in eine bestimmte Kategorie verschließt.

So, wie der Text dasteht, sorgt er dafür, dass mich die Geschichte, die du eben nicht erzählst, zu interessieren beginnt. Auch über die Form, die du für den Bericht wählen würdest, mache ich mir Gedanken.

Schöne Grüße von blaustrumpf

* * *
Hallo, think twice

Was bringt dich auf die charmante Idee, eine Kurzgeschichte zeichne prinzipiell sich durch ein offenes Ende aus?

Schöne Grüße von blaustrumpf
 

think twice

Mitglied
Definition Kurzgeschichte

Hallo lapismont und blaustrumpf,

Dass der Begriff Kurzgeschichte hier in der Lupe ein wenig falsch - und zwar als kurze Geschichte - definiert wurde, ist mir auch schon aufgefallen.

Aber auch wenn eine genaue Definition schwierig ist, so ist doch nicht jede kurze Geschichte eine Kurzgeschichte. Vielmehr könnte man sie als eine intensive und straffe Geschichte bezeichnen, die sich durch einen plötzlichen Anfang, der uns mitten in eine Situation hineinführt, und durch einen ebenso unvermuteten Schluss auszeichnet. Der Ausgang der Geschichte bleibt offen, eine Lösung wird nicht gegeben.

Liebe Grüße
think twice
 

julimaus

Mitglied
Hallo

Also, ich finde es ja nicht schlecht, dass hier gleich so eine Diskussion entstanden ist.

Zum offenen Ende einer Kurzgeschichte:
Ich denke das ist nicht zwingend. Wenn am Ende einer Geschichte die einzige Figur in den Fluss springt und sich ertränkt, sehe ich zum Beispiel keine wirkliche Fortsetzung ohne weitere Charaktere einzuführen. Somit wäre das irgendwo abgeschlossen, aber immer noch eien Kurzgeschichte.
Ich glaube, wichtig ist, dass eine Kurzgeschichte die Charaktere sich nicht wirklich entwickeln lässt, es ist dafür ja auch keine Zeit. Sie sind wie sie sind und statt das ganze Leben zu erzählen, fokussiert der Text nur auf eine Episode daraus.
Aber andererseits gibt das auch einen viel zu strengen Rahmen vor und das ist eigentlich für mich persönlich DER Kreativitätskiller überhaupt.... Deshalb halte ich mich nicht an solche festgelegten kriterien und schreibe, wie es mir in den Sinn kommt- und dann entsteht so etwas wie hier.


Schönen Gruß
Julija
 

deni

Mitglied
Hi julimaus,

ich bin ganz deiner Meinung. Wenn wir uns schon nicht in eine Schublade stecken lassen wollen (siehe Signatur von blaustrumpf), wieso sollten wir das dann mit unseren Texten tun?

deni
 

blaustrumpf

Mitglied
Hallo, think twice

Es geht mir noch einmal um das Wesen einer Kurzgeschichte.

Du schreibst in deinem Nachtrag deine Definition dieser Textform, nicht ohne uns zu erklären, dass die Kurzgeschichte als solche in der leselupe falsch verstanden wird. Dafür verzichtest du völlig auf eine Angabe der Quellen für deine Definition.

Meiner Frage, was dich zu der Überzeugung bringt, dass eine Kurzgeschichte ein offenes Ende haben muss, hast du allerdings nicht weiter Beachtung geschenkt. Also noch einmal: Was bringt dich auf den charmanten Gedanken?

Einstweilen schöne Grüße!

blaustrumpf
 



 
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