Mein Doktorhut ist weg!

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HajoBe

Mitglied
"Angela, hast du meinen Doktorhut gesehen? Kürzlich hing er noch am Haken im Flur."
"Nee, Anette, hängt er denn nicht mehr dort?"
Anette trägt das Kaffeegeschirr auf.
"Ich sehe ihn nicht mehr. Mensch, wo ist mein Doktorhut?"
"Nun beruhige dich mal! Er wird irgendwo sein. Haste ihn vielleicht mitgenommen auf Dienstreise?"
"Aber nein, wozu? Man trägt dort Tropenhelme und stell dir vor, er wäre mir dort abhanden gekommen! Außerdem habe ich noch einen Ehrenhut in Kairo."
Anette scheint beruhigter, stellt die Kaffeekanne ab. Dann beginnt sie in Schreibtisch, Bücherschrank und Wandregalen zu kramen.
"Angela, meine Dissertationsschrift finde ich auch nicht mehr."
"Komm, lass uns erst mal Kaffee trinken! Hast du sie nicht im Keller versteckt? Weisst du, damals, als das mit Karl-Theodor war."
Anette ist sich nicht sicher.
"Stimmt! Ich dachte, soetwas darf mir nicht passieren."
Sie nippt an ihrer Tasse, gibt sich nachdenklich, doch unvermittelt stürzt sie in den Keller.
"Hier ist sie auch nicht", klingt es gereizt von unten.
"Ich kann mich jetzt genau erinnern, wohin ich sie gelegt habe. War vielleicht jemand Fremder im Haus? Die Putzfrau hat allerdings nichts verlauten lassen."
"Stimmt, vor einiger Zeit war jemand vom TÜV-Rheinland unterwegs und es hieß, der würde alle akademischen Haushalte auf plagiative Kellerleichen überprüfen. Ganz verstanden habe ich das ja nicht, als die Nachbarin davon berichtet hat."
An der Tür läutet es.
"Gehst du, bitte, Angela?"
"Hallo, Silvana!"
Die ist in Tränen aufgelöst und schluchzt.
"Ich vermisse meinen Doktorhut!"
"Was, du auch? Vielleicht ist er noch in Brüssel? Aber komm erst mal rein!"
Anette ist zurück aus dem Keller.
"Grüß dich, Silvana!" Küsschen links, Küsschen rechts.
Angela bringt noch eine Tasse. Anette hat wieder Platz genommen. Silvana sinkt verheult in einen Sessel und fummelt ein Tempo aus der Handtasche.
"Na, da haben wir es! Ich meine das mit dem blöden TÜV. Der hat sich nicht angekündigt, oder?", nimmt Anette den Faden an Angela gerichtet wieder auf.
"Nee, offenbar nicht. Und du, Silvana?"
Beide blicken gespannt auf den Neuankömmling.
"Die haben mich aus Brüssel abberufen und behaupten, ich hätte Schmuh gemacht mit meiner Dissertation. Aber das stimmt doch nicht!"
Es klingelt erneut.
"Das muss die Putzfrau sein."
"Grüß Gott, zusammen!"
Sie legt den Mantel ab und will in die Küche verschwinden.
"War jemand da, während ich auf Dienstreise war, Frau Schmidt?"
Anettes Stimme hat einen schärferen Ton angenommen.
"Ja, ein Mann vom TÜV. Er meinte, er müsse im Keller etwas Wichtiges überprüfen."
"Haben Sie den Briefkasten geleert?"
"Ja sicher! Da lag nach ein paar Tagen ein Schreiben drin adressiert an Frau Anette S. Da kein Dr. draufstand, habe ich ihn zurückgehen lassen in der Annahme, dass Sie nicht gemeint sein können."
"Und der Absender, Frau Schmidt?"
Die ist in die Küche verschwunden und brabbelt: "Geht mich doch nichts an."

"Und... was machen wir nun?"
Die zwei doktorlos Degradierten schauen sich unschlüssig an. Ob "Mutti" Angela helfen kann? Silvana heult noch immer und wischt sich die Tränen von den Wangen.
Das Telefon läutet. Anette nimmt den Hörer.
"Du, Frank-Walter? Lange nichts gehört!"
"Ja, bin zurzeit sehr im Stress. Die wollen mir gegen den Karren fahren."
"Was ist los?"
"Ach, wegen meiner Doktorarbeit. Da ist so ein Hecht im Promoviertenteich, der behauptet, ich hätte gemogelt. Ihr habt doch Erfahrung. Kann ich mal vorbeikommen?"
"Hm, parteiübergreifend in solch einem Fall ausnahmsweise. Wir sitzen doch alle im gleichen, leckgeschlagenen Boot",und legt auf.
"Angela, Silvana, der Frank-Walter von den Roten will vorbeischauen. Hat Probleme mit seiner Doktorarbeit."
"Na, dann wollen wir mal koalitionär sondierend miteinander reden".
"Ich werde gehen, bin ja nicht mehr gefragt", wirft Silvana ein und erhebt sich.
"Tschüss, Silvy!"

Angela wirft die Stirn in Falten und beordert die Mundwinkel nach unten.
"Bevor Frank-Walter erscheint", meint sie," sollten wir unter uns planen. Um dich tut es mir leid, Anette, wirklich! Wir beide fahren nach Peru oder Kolumbien oder Ekuador. Dort kaufen wir dir einen neuen Hut und eine Dissertationsschrift ist dort auch nicht gefragt. Die liest übrigens auch hier keiner und wenn, dann kommt er nur auf dumme Gedanken. Siehste ja bei Frank-Walter. Aber kein Wort zu dem!"
"Nee, und Silvy lassen wir auch außen vor, wo sie doch nicht mehr im gemeinsamen Boot sitzt."
"O.K., Angela! Das hätten wir gleich machen sollen, das mit Südamerika. Karl-Theodor werde ich mal anmailen. Vielleicht macht er mit?"

"Soll ich abräumen?"
Frau Schmidt erscheint und wirft die "Blödzeitung" auf den Couchtisch.
"Die schreiben da was von einem Staatssekretär, der seine Doktorarbeit gefälscht haben soll."
Kurz danach verabschiedet sie sich.
"Ich geh dann mal. Tschüss, Frau Dr. M., Tschüss Frau S.

Was noch anzumerken bleibt:
TÜV-Rheinland bedeutet "Titel-Überprüfungs-Verbund", Rheinland, Sitz Dortmund-Münster. Und die wollen weiter prüfen. Nicht jeder Politiker wird die befreiende Plakette bekommen.
 
U

USch

Gast
Hallo HaJoBe,
diese Dr.-Slapstick-Tragödie ist mir ganz entgangen. Sehr amüsant! Ein Glück, dass ich keinen Doktorhut habe. Aber ich dokter mal in deinem Text herum (nur Kleinigkeiten!):
"Ja sicher! Da lag nach ein paar Tagen ein Schreiben drin[blue], Komma![/blue] adressiert an Frau Anette S. Da kein Dr. draufstand, habe ich [strike]ihn [/strike] [blue]es [/blue]zurückgehen lassen in der Annahme, dass Sie nicht gemeint sein können."
"Hm, parteiübergreifend in solch einem Fall ausnahmsweise. Wir sitzen doch alle im gleichen, leckgeschlagenen Boot", [blue]Leerzeichen![/blue] und legt auf.
Die liest übrigens auch hier keiner[blue], Komma![/blue] und wenn, dann kommt er nur auf dumme Gedanken.
LG USch
 

HajoBe

Mitglied
"Angela, hast du meinen Doktorhut gesehen? Kürzlich hing er noch am Haken im Flur."
"Nee, Anette, hängt er denn nicht mehr dort?"
Anette trägt das Kaffeegeschirr auf.
"Ich sehe ihn nicht mehr. Mensch, wo ist mein Doktorhut?"
"Nun beruhige dich mal! Er wird irgendwo sein. Haste ihn vielleicht mitgenommen auf Dienstreise?"
"Aber nein, wozu? Man trägt dort Tropenhelme und stell dir vor, er wäre mir dort abhanden gekommen! Außerdem habe ich noch einen Ehrenhut in Kairo."
Anette scheint beruhigter, stellt die Kaffeekanne ab. Dann beginnt sie in Schreibtisch, Bücherschrank und Wandregalen zu kramen.
"Angela, meine Dissertationsschrift finde ich auch nicht mehr."
"Komm, lass uns erst mal Kaffee trinken! Hast du sie nicht im Keller versteckt? Weisst du, damals, als das mit Karl-Theodor war."
Anette ist sich nicht sicher.
"Stimmt! Ich dachte, soetwas darf mir nicht passieren."
Sie nippt an ihrer Tasse, gibt sich nachdenklich, doch unvermittelt stürzt sie in den Keller.
"Hier ist sie auch nicht", klingt es gereizt von unten.
"Ich kann mich jetzt genau erinnern, wohin ich sie gelegt habe. War vielleicht jemand Fremder im Haus? Die Putzfrau hat allerdings nichts verlauten lassen."
"Stimmt, vor einiger Zeit war jemand vom TÜV-Rheinland unterwegs und es hieß, der würde alle akademischen Haushalte auf plagiative Kellerleichen überprüfen. Ganz verstanden habe ich das ja nicht, als die Nachbarin davon berichtet hat."
An der Tür läutet es.
"Gehst du, bitte, Angela?"
"Hallo, Silvana!"
Die ist in Tränen aufgelöst und schluchzt.
"Ich vermisse meinen Doktorhut!"
"Was, du auch? Vielleicht ist er noch in Brüssel? Aber komm erst mal rein!"
Anette ist zurück aus dem Keller.
"Grüß dich, Silvana!" Küsschen links, Küsschen rechts.
Angela bringt noch eine Tasse. Anette hat wieder Platz genommen. Silvana sinkt verheult in einen Sessel und fummelt ein Tempo aus der Handtasche.
"Na, da haben wir es! Ich meine das mit dem blöden TÜV. Der hat sich nicht angekündigt, oder?", nimmt Anette den Faden an Angela gerichtet wieder auf.
"Nee, offenbar nicht. Und du, Silvana?"
Beide blicken gespannt auf den Neuankömmling.
"Die haben mich aus Brüssel abberufen und behaupten, ich hätte Schmuh gemacht mit meiner Dissertation. Aber das stimmt doch nicht!"
Es klingelt erneut.
"Das muss die Putzfrau sein."
"Grüß Gott, zusammen!"
Sie legt den Mantel ab und will in die Küche verschwinden.
"War jemand da, während ich auf Dienstreise war, Frau Schmidt?"
Anettes Stimme hat einen schärferen Ton angenommen.
"Ja, ein Mann vom TÜV. Er meinte, er müsse im Keller etwas Wichtiges überprüfen."
"Haben Sie den Briefkasten geleert?"
"Ja sicher! Da lag nach ein paar Tagen ein Schreiben drin adressiert an Frau Anette S. Da kein Dr. draufstand, habe ich es zurückgehen lassen in der Annahme, dass Sie nicht gemeint sein können."
"Und der Absender, Frau Schmidt?"
Die ist in die Küche verschwunden und brabbelt: "Geht mich doch nichts an."

"Und... was machen wir nun?"
Die zwei doktorlos Degradierten schauen sich unschlüssig an. Ob "Mutti" Angela helfen kann? Silvana heult noch immer und wischt sich die Tränen von den Wangen.
Das Telefon läutet. Anette nimmt den Hörer.
"Du, Frank-Walter? Lange nichts gehört!"
"Ja, bin zurzeit sehr im Stress. Die wollen mir gegen den Karren fahren."
"Was ist los?"
"Ach, wegen meiner Doktorarbeit. Da ist so ein Hecht im Promoviertenteich, der behauptet, ich hätte gemogelt. Ihr habt doch Erfahrung. Kann ich mal vorbeikommen?"
"Hm, parteiübergreifend in solch einem Fall ausnahmsweise. Wir sitzen doch alle im gleichen, leckgeschlagenen Boot". Sie legt auf.
"Angela, Silvana, der Frank-Walter von den Roten will vorbeischauen. Hat Probleme mit seiner Doktorarbeit."
"Na, dann wollen wir mal koalitionär sondierend miteinander reden".
"Ich werde gehen, bin ja nicht mehr gefragt", wirft Silvana ein und erhebt sich.
"Tschüss, Silvy!"

Angela wirft die Stirn in Falten und beordert die Mundwinkel nach unten.
"Bevor Frank-Walter erscheint", meint sie," sollten wir unter uns planen. Um dich tut es mir leid, Anette, wirklich! Wir beide fahren nach Peru oder Kolumbien oder Ekuador. Dort kaufen wir dir einen neuen Hut und eine Dissertationsschrift ist dort auch nicht gefragt. Die liest übrigens auch hier keiner, und wenn, dann kommt er nur auf dumme Gedanken. Siehste ja bei Frank-Walter. Aber kein Wort zu dem!"
"Nee, und Silvy lassen wir auch außen vor, wo sie doch nicht mehr im gemeinsamen Boot sitzt."
"O.K., Angela! Das hätten wir gleich machen sollen, das mit Südamerika. Karl-Theodor werde ich mal anmailen. Vielleicht macht er mit?"

"Soll ich abräumen?"
Frau Schmidt erscheint und wirft die "Blödzeitung" auf den Couchtisch.
"Die schreiben da was von einem Staatssekretär, der seine Doktorarbeit gefälscht haben soll."
Kurz danach verabschiedet sie sich.
"Ich geh dann mal. Tschüss, Frau Dr. M., Tschüss Frau S.

Was noch anzumerken bleibt:
TÜV-Rheinland bedeutet "Titel-Überprüfungs-Verbund", Rheinland, Sitz Dortmund-Münster. Und die wollen weiter prüfen. Nicht jeder Politiker wird die befreiende Plakette bekommen.
 

HajoBe

Mitglied
Mein Doktorhut ist weg

Danke, Usch, für die Hinweise! Tja, der Teufel steckt in den Kommata…
Der Beitrag ist ja nun nicht mehr so aktuell, Frank-Walter ist rehabilitiert und Anette hat den Prozess verloren trotz päpstlicher Obhut und Silvana auch - ohne kirchlichen Beistand. Tempora mutantur!
Schönen Osterabend
HajoBe
 



 
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