Mein Kampf

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animus

Mitglied
Mein Kampf
Kurzprosa zum Thema Allzu Menschliches



Es fing schon an, als ich gerade eine oder zwei Minuten alt gewesen bin. Schreiend kämpfte ich um ein paar Liter Sauerstoff, damit ich überlebe und je länger ich schrie, um so mehr brauchte ich davon. Nach ein paar Stunden schrie ich immer noch, in dem ich die anderen darauf aufmerksam machte, dass ich hungrig bin. Es funktionierte. Ich bekamm immer schnell und ordentlich zu essen und alle blickten glücklich auf, mich satt zu sehen. Kaum habe ich den Mund wieder aufgemacht, schon drehten sie mich auf alle Seiten, klopften auf meinen Rücken, inspizierten meinen babyhaften Po, ob er auch sauber und nicht wund ist, oder trugen mich wiegend stundenlang in den Armen, bis es mir zu dumm wurde und ich einschlief. Ich hatte es auch leicht, denn ich durfte meinen Kampf im Liegen austragen, meistens auf dem Bauch, warm mit sauberem Bettzeug zugedeckt. Alle kümmerten sich fürsorglich um mich und sagten unentweg lächend;
„Der Junge hat noch viele Tage vor sich.“.
Heute, nach neunzig Jahren, kämpfe ich immer noch. Ich schreie nach mehr, als nur nach dem einen Liter Sauerstoff, der mir vor der Anstaltsleitung zugeteilt worden ist.
Ich werde ständig mit irgendeiner Pampe gefüttert und so schreie ich, weil ich keinen Hunger verspüre und dafür gibt es kein Lächeln, sondern sie verdrehen alle die Augen. Hin und wieder klopfen sie mir auch auf den Rücken, aber anders, als damals vor neunzig Jahren, kräftiger. Meinen Arsch inspiziert auch keiner mehr, folglich bin ich wund und liege die meiste Zeit in der Scheisse. Wiegend auf den Armen, werde ich auch nicht mehr getragen. Einmal wurden sie fürsorglich, wie vor neunzig Jahren, ein paar Tage, als ich im Traum von meinem Vermögen sprach. Es war aber nur ein Traum. Ich träumte, ich wäre reich und wieder am Anfang.
Nein, ich bin am Ende. Wenn sie mich heute anschauen und anschliessend fragend um sich blicken, dann lese ich in ihren Gesichtern: „Wieviel Tage dauert es noch?“
Aber eins muß ich lassen, den Vorteil, dass ich im Liegen kämpfen darf, jetzt vorwiegend auf dem Rücken, geniesse ich heute noch.





[©animus]
 
H

Haki

Gast
Hallo animus,

dein Titel ist sicherlich sehr provokant, für meinen Geschmack ein wenig zu provokant.
"Mein Kampf" von Hitler ist einfach zu Hasserfüllt und weckt in mir bloß Ascheu. Sicherlich schaffst du es eventuell dadruch Leser zu locken, aber es erscheint mir nicht unbedingt ehrenwert...

Zum weiteren Text:
Mir persönlich wird dein Werk zu oft vulgär. Davon bin ich kein Freund. Im ersten Abschnitt muss es, um grammatikalisch korrekt zu bleiben "meinen Kampf" heißen...

Sicher ins sich geschlossen der Text, aber aus der Idee könnte man mehr machen. Ich mag es emotionaler, beschreibe mehr die Gefühle, die dein Ich-Erzähler angesichts dieser Entwicklung fühlt. Erkläre sie und bringe dadurch dem Leser diesen Vergleich ziwschen Anfang und Ende, aus dem man mehr machen könnte, näher.

In meinen Augen bist du mit dem falschen Ansatz an deine Idee gegangen und hast dadurch einen m.E. falschen Stil benutzt. Das mag Ansichtssache sein, ist es auch, aber ich tu ja nur meine Meinung kund.

Ich wünsche dir noch einen schönen Abend und sei nicht böse ob meiner Kritik. Ich habe es bloß so empfunden...

Liebe Grüße,
Haki
 
O

Orangekagebo

Gast
Hallo animus,

als Titel wäre besser "Mein Schrei" oder ähnliches. Auf "Mein Kampf" würde ich wohl auch eher verzichten. Mein erster Gedanke war wie bei Haki gewesen.

Grundsätzlich ist die Idee gut.
Ich würde es persönlich erweitern.
Schreiend durchs Leben mit Erfolg. Schon als Baby, später im Leben (vielleicht als Vorgesetzter), einer der Frau und Kinder anschreit und am Ende wieder auf dem Rücken liegt wie bei der Geburt, schreiend (und im letzten Schrei hilft keiner mehr, hat er keinen Erfolg und stirbt vielleicht ...)

So hätte ich es aufgezogen, vielleicht.

Hier geht er so für mich, der Text.

Gruß, Karsten
 

animus

Mitglied
Hallo Karsten,
vorab dank für deine aufmerksamkeit.

es kommt schon vor, dass der erste gedanke als die nachfolgenden, woanders hindeuten, aber der folgende text
rückt es wieder gerade
der titel passt.

die kurz aufgezeichnete phasen des lebens mit "nichts" dazwischen ist absicht, denn das, was zwischen passiert bleibt dem leser überlassen, es gibt millionen von variationen.
nochmals dank für deine gedanken

lg
animus
 

animus

Mitglied
Mein Kampf
Kurzprosa zum Thema Allzu Menschliches



Es fing schon an, als ich gerade eine oder zwei Minuten alt gewesen bin. Schreiend kämpfte ich um ein paar Liter Sauerstoff, damit ich überlebe und je länger ich schrie, um so mehr brauchte ich davon. Nach ein paar Stunden schrie ich immer noch, weil ich die anderen darauf aufmerksam wollte, dass ich hungrig bin. Es funktionierte. Ich bekamm immer schnell und ordentlich zu essen und alle blickten glücklich auf, mich satt zu sehen. Kaum habe ich den Mund wieder aufgemacht, schon drehten sie mich auf alle Seiten, klopften auf meinen Rücken, inspizierten meinen babyhaften Po, ob er auch sauber und nicht wund ist, oder trugen mich wiegend stundenlang in den Armen, bis es mir zu dumm wurde und ich einschlief. Ich hatte es auch leicht, denn ich durfte meinen Kampf im Liegen austragen, meistens auf dem Bauch, warm mit sauberem Bettzeug zugedeckt. Alle kümmerten sich fürsorglich um mich und sagten unentweg lächend: „Der Junge hat noch viele Tage vor sich.“
Heute, nach neunzig Jahren, kämpfe ich immer noch. Ich schreie nach mehr, als nur nach dem einen Liter Sauerstoff, der mir vor der Anstaltsleitung zugeteilt worden ist.
Ich werde ständig mit irgendeiner Pampe gefüttert und so schreie ich, weil ich keinen Hunger verspüre und dafür gibt es kein Lächeln, sondern sie verdrehen alle die Augen. Hin und wieder klopfen sie mir auch auf den Rücken, aber anders, als damals vor neunzig Jahren, kräftiger. Meinen Arsch inspiziert auch keiner mehr, folglich bin ich wund und liege die meiste Zeit in der Scheisse. Wiegend auf den Armen, werde ich auch nicht mehr getragen. Einmal wurden sie fürsorglich, wie vor neunzig Jahren, ein paar Tage, als ich im Traum von meinem Vermögen sprach. Es war aber nur ein Traum. Ich träumte, ich wäre reich und wieder am Anfang.
Nein, ich bin am Ende. Wenn sie mich heute anschauen und anschliessend fragend um sich blicken, dann lese ich in ihren Gesichtern: „Wie viele Tage dauert es noch?“
Aber eins muß ich lassen, den Vorteil, dass ich im Liegen kämpfen darf, jetzt vorwiegend auf dem Rücken, geniesse ich heute noch.





[©animus]
 



 
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